Wachsende AfD kann die Demokratie abschaffen

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Quk
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Sa 10. Mai 2025, 17:10

Friederike hat geschrieben :
Sa 10. Mai 2025, 16:36
Hättest Du in den "Chor" eingestimmt, Quk?

Was ich tatsächlich getan hätte, das weiß ich nicht. Vermutlich hätte ich es nicht getan. Ich finde Parolen gräßlich. Eine gegen die andere. Finde ich die Antwort des Chors dennoch richtig und gut? Nicht gerade diese, aber das Antworten an sich schon.
Ich persönlich benutze meine Stimmbänder grundsätzlich nur zum Sprechen und Stöhnen. Ich hätte den "Nazis raus!"-Takt durch rhythmisches Klatschen unterstützt. Kurz gesagt: Ja, ich finde den Chor herzensgut und hätte ihn unterstützt.

Das Wort "raus" sehe ich hier nicht als eine Analogie zu "Ausländer raus!" -- so eine Analogie wäre ja ebenfalls diskriminierend und verfassungswidrig; Nazis kann man ohnehin nicht aus dem Land deportieren. Sondern ich sehe darin die spöttisch wortspielerische Umkehrung des Spießes, den die Xenophoben gegen uns richten. Es ist eine Metapher für "weg mit dem Nationalsozialismus!" Und zu hören, dass die Mehrzahl sich lauthals gegen die Nazis wehrt anstatt sie still zu akzeptieren, empfinde ich als Ohrenweide.

Vermutlich gibt es bessere Arten der akustischen Gegenwehr. Gibt es Vorschläge?




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Jörn Budesheim
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Sa 10. Mai 2025, 17:28

Ich habe keine Antwort zu bieten. Nazis raus – den Slogan mag ich eigentlich nicht. Ich wünsche mir ja ganz blauäugig, dass wir sie alle wieder für die Demokratie und die Freiheit zurückgewinnen.




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Quk
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Sa 10. Mai 2025, 17:45

"Wir sind bunt! Wir sind bunt!"




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Friederike
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Sa 10. Mai 2025, 18:50

Ein verbales "Gefällt mir" von mir.

Mehr als "raus" hatte mich das Wort "Nazis" gestört. Die Partei gibt es nicht mehr, es ist eine andere Zeit. Nur ein einziges Kriterium gäbe es für mich, das mir den Ausdruck gerechtfertigt erschienen ließe und das wäre, daß sich "diese Leute", ja, welche genau, die AfD-Mitglieder oder Anhänger der AfD selber, in die Tradition der Nazis stellen. Tun sie das tatsächlich? Um das beurteilen zu können, bin ich nicht informiert genug.




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Quk
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Sa 10. Mai 2025, 19:05

Google nennt mir mehrere Quellen, die sagen, dass die Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!" eine alte Nazi-Parole ist.

Der Mann im Stadion begann zu singen: "Deutschland den Deutschen ..."

Diese Leute, die Hitlers Regime verehren, nenne ich Nazis. Vielleicht kann man strenggenommen sagen, die NSDAP gibt es heute nicht mehr und somit könne diese keine Parteimitglieder mehr haben. Aber dann nenne ich jene Leute eben Neo-Nazis. Der Name ändert nichts an der politischen Substanz, denke ich.




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Friederike
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Sa 10. Mai 2025, 19:10

Wenn man "Nazis" sagt, dann verstellt man den Blick auf die Nuancen. Man malt ein Feindbild, das die feinen Unterschiede vergessen läßt. Konkret meine ich damit, daß eine Verschärfung des Asylgesetzes z.B. , wie die CDU es plant, im Vergleich mit dem, was die AfD äußert und plant, geringfügig erscheint. Alles, was weniger schlimm daherkommt, seien es öffentliche Äußerungen, Änderung von Gesetzen, fällt dann kaum noch ins Gewicht.




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Quk
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Sa 10. Mai 2025, 19:30

Dem stimme ich im Allgemeinen zu. Aber speziell dort im Stadion hat jemand klar und deutlich während eines respektvollen Trauerrituals eine Nazi-Parole ausgerufen. Ich sehe darin keine Nuancen.




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Consul
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Sa 10. Mai 2025, 21:40

Friederike hat geschrieben :
Sa 10. Mai 2025, 19:10
Wenn man "Nazis" sagt, dann verstellt man den Blick auf die Nuancen. Man malt ein Feindbild, das die feinen Unterschiede vergessen läßt. Konkret meine ich damit, daß eine Verschärfung des Asylgesetzes z.B. , wie die CDU es plant, im Vergleich mit dem, was die AfD äußert und plant, geringfügig erscheint. Alles, was weniger schlimm daherkommt, seien es öffentliche Äußerungen, Änderung von Gesetzen, fällt dann kaum noch ins Gewicht.
Apropos "Blick auf die Nuancen": Für die Linke ist Merz ein Vertreter des autoritären Rechtspopulismus. – Spoilerwarnung! – Das stimmt nicht.
"In Deutschland verkörpert Merz den Wandel vom neoliberalen Transatlantiker zum autoritären Rechtspopulisten."

Quelle: https://www.die-linke.de/partei/parteid ... parteitag/
"Die populistische radikale Rechte teilt eine Kernideologie, die (mindestens) drei Merkmale vereint: Nativismus, Autoritarismus und Populismus. Einzelne Akteure mögen zusätzliche ideologische Kernmerkmale wie Antisemitismus oder Wohlfahrtschauvinismus aufweisen, aber alle Mitglieder der populistischen radikalen rechten (Partei-)Familie teilen mindestens diese drei Merkmale. Natürlich drücken verschiedene Gruppen ihre Ideologie unterschiedlich aus, definieren ihr „eigenes Volk“ auf unterschiedliche Weise und zielen auf unterschiedliche „Feinde“ auf der Grundlage einer breiten Palette von Motivationen und Vorurteilen ab. Aber alle populistischen radikalen rechten Akteure teilen mindestens diese drei Merkmale als (Teil) ihres ideologischen Kerns.

Nativismus beinhaltet eine Kombination aus Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit (Xenophobie). Es ist eine Ideologie, die besagt, dass Staaten ausschließlich von Mitgliedern der einheimischen Gruppe („der Nation“) bewohnt werden sollten und dass nicht-einheimische (oder „fremde“) Elemente, ob Personen oder Ideen, eine grundsätzliche Bedrohung für den homogenen Nationalstaat darstellen. Der Nativismus richtet sich gegen Feinde im In- und Ausland und hat eine lange Geschichte in der gesamten westliche Welt – er geht mindestens auf die Native America Party, besser bekannt als American Party oder Know-Nothing-Bewegung, in den Vereinigten Staaten Mitte des 19. Jahrhunderts zurück.

In Europa richtete sich der Nativismus der populistischen radikalen Rechten vor allem gegen „Einwanderer“ (einschließlich Gastarbeiter und Flüchtlinge) im Westen und „indigene Minderheiten“ (z. B. Ungarn oder Roma) im Osten. Die Grundlage der nativistischen Unterscheidung kann vielfältig sein – sie umfasst ethnische, rassistische und religiöse Vorurteile, die oft in der einen oder anderen Form kombiniert werden. Beispielsweise verbindet Islamophobie, das wichtigste nativistische Gefühl der zeitgenössischen populistischen radikalen Rechten, ethnische, religiöse und manchmal sogar rassistische Stereotype. Gleichzeitig nutzen populistische radikale Rechtsparteien sowohl sozioökonomische als auch soziokulturelle Motivationen, um ihren Nativismus zu „rechtfertigen“.

Autoritarismus bezeichnet den Glauben an eine streng geordnete Gesellschaft, in der Autoritätsverletzungen streng bestraft werden. Es handelt sich um ein ideologisches Merkmal, das die meisten rechtsgerichteten Ideologien (z. B. Konservatismus) sowie viele Religionen (z. B. Katholizismus und Orthodoxie) teilen. Konkret bedeutet Autoritarismus eine strikte Ordnungspolitik, die Forderungen nach mehr Polizei und größeren Kompetenzen sowie nach weniger politischer Beteiligung an der Justiz. Soziale Probleme wie Drogen und Prostitution werden in erster Linie als Sicherheitsprobleme und nicht als gesundheitliche oder wirtschaftliche Probleme betrachtet. Autoritäre Regime fordern daher höhere Strafen und weniger Rechte für Kriminelle, aber auch mehr Disziplin in Familien und Schulen.

Das letzte Merkmal dieser ideologischen Trilogie ist der Populismus, der auf vielfältige und oft höchst problematische Weise definiert wird. Er wird hier als eine Ideologie definiert, die die Gesellschaft letztlich in zwei homogene und antagonistische Gruppen – das „reine Volk“ und die „korrupte Elite“ – spaltet und argumentiert, dass Politik Ausdruck des volonté générale (allgemeinen Volkswillens) sein sollte. Populistische Politiker der radikalen Rechten beanspruchen, die vox populi (Stimme des Volkes) zu sein, und werfen etablierten Parteien und Politikern vor, eine „politische Klasse“ zu sein, die Opposition vortäuscht, um die Bevölkerung davon abzulenken, dass sie im Grunde alle gleich sind und zusammenarbeiten. Der FN [Front National] bringt diese Ansicht zum Ausdruck, indem er die beiden großen Parteien Frankreichs, die Union für eine Volksbewegung (UMP) und die Sozialistische Partei (PS), als „UMPS“ bezeichnet.

Die drei unterschiedlichen ideologischen Merkmale sind in der Propaganda der Parteien oft miteinander verknüpft. Alle populistischen Parteien der radikalen Rechten widmen der Kriminalität von „Ausländern“, seien es Roma im Osten oder Einwanderer im Westen, überproportional viel Aufmerksamkeit. Die niederländische Partei für die Freiheit (PVV) führte ihren Wahlkampf sogar mit einem Slogan, der Nativismus und Autoritarismus direkt miteinander verband: „Mehr Sicherheit, weniger Einwanderung“. Populismus und Nativismus werden oft miteinander in Verbindung gebracht, da etablierten politischen Parteien vorgeworfen wird, „Einwandererkriminalität“ zu ignorieren, jegliche Kritik mit „politischer Korrektheit“ zu unterdrücken und „Einwanderer“ auf Kosten der Einheimischen zu bevorzugen. Das bedeutet nicht, dass Populismus und Nativismus identisch sind, wie manche Wissenschaftler zu glauben scheinen. Während die nativistische Unterscheidung zwischen (guten) „Einheimischen“ und (bösen) „Fremden“ besteht, findet die populistische Trennung zwischen dem (guten) „Volk“ und der (bösen) „Elite“ innerhalb der einheimischen Gruppe statt!

Wichtig ist, dass es die Kombination aller drei Merkmale ist, die eine Ideologie (und Partei) zu einer populistischen radikalen Rechten macht. Im Gegensatz zur extremen Rechten der 1930er Jahre ist die populistische radikale Rechte demokratisch, da sie Volkssouveränität und Mehrheitsherrschaft akzeptiert. Sie neigt auch dazu, die Regeln der parlamentarischen Demokratie zu akzeptieren; in den meisten Fällen bevorzugt sie eine stärkere Exekutive, und einige Parteien unterstützen sogar eine zahnlose Legislative. Es bestehen Spannungen zwischen der populistischen radikalen Rechten und der liberalen Demokratie, insbesondere aufgrund des verfassungsmäßigen Schutzes von Minderheiten (ethnischer, politischer, religiöser). Die populistische radikale Rechte ist im Kern monistisch, betrachtet das Volk als ethnisch und moralisch homogen und betrachtet Pluralismus als Untergrabung des (homogenen) „Volkswillens“ und als Schutz von „Sonderinteressen“ (d. h. Minderheitenrechten).

Schließlich ist die populistische radikale Rechte nicht „rechts“ im klassischen sozioökonomischen Verständnis von Staat versus Markt. Theoretisch ist Wirtschaft für die populistische radikale Rechte bestenfalls ein zweitrangiges Thema. In der Praxis unterstützen die meisten populistischen radikalen rechten Parteien eine hybride sozioökonomische Agenda, die Forderungen nach weniger Regeln und niedrigeren Steuern mit Wirtschaftsnationalismus und Wohlfahrtschauvinismus verbindet, d.h. dem Schutz der Volkswirtschaft und der Unterstützung von Sozialleistungen (nur) für „Einheimische“. Sie ist jedoch „rechts“, indem sie Ungleichheit als „natürliches“ Phänomen akzeptiert, das nicht vom Staat „weggeregelt“ werden sollte." [Google Translate]

(Mudde, Cas. "Introduction to the Populist Radical Right." In The Populist Radical Right: A Reader, edited by Cas Mudde, 1-10. Abingdon: Routledge, 2017. pp. 4-5)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

Timberlake
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So 11. Mai 2025, 01:06

Schließlich ist die populistische radikale Rechte nicht „rechts“ im klassischen sozioökonomischen Verständnis von Staat versus Markt. Theoretisch ist Wirtschaft für die populistische radikale Rechte bestenfalls ein zweitrangiges Thema. In der Praxis unterstützen die meisten populistischen radikalen rechten Parteien eine hybride sozioökonomische Agenda, die Forderungen nach weniger Regeln und niedrigeren Steuern mit Wirtschaftsnationalismus und Wohlfahrtschauvinismus verbindet, d.h. dem Schutz der Volkswirtschaft und der Unterstützung von Sozialleistungen (nur) für „Einheimische“. Sie ist jedoch „rechts“, indem sie Ungleichheit als „natürliches“ Phänomen akzeptiert, das nicht vom Staat „weggeregelt“ werden sollte." [Google Translate]

(Mudde, Cas. "Introduction to the Populist Radical Right." In The Populist Radical Right: A Reader, edited by Cas Mudde, 1-10. Abingdon: Routledge, 2017. pp. 4-5)

Wohlgemerkt im Gegensatz zur populistischen radikale Linke. Für die ist die Wirtschaft ein erstrangiges Thema. Schließlich zielt diese, durch die Verstaatlichung aller privaten Unternehmen, auf einen kompletten Umbau der Wirtschaft ab. (Siehe Enteignungen in der DDR ) Wenn also die AfD-Chefin Weidel behauptet, Hitler sei ein Kommunist und infolgedessen radikal Links gewesen, so scheint sie mir diesbezüglich schlecht informiert zu sein.
spiegel.de hat geschrieben :
DIE MANAGER DER NAZIS

Wohl kalkuliert und bereitwillig hat sich die deutsche Großwirtschaft in Hitlers militärisch-industriellen Komplex eingefügt. Der I. G.-Farben-Konzern wurde aktiver Teil der Kriegsmaschine - er baute sogar ein eigenes KZ: in Auschwitz-Monowitz /

Der Fall der I. G. Farben ist nicht allein wegen der Größe des Konzerns von besonderem Interesse, er ragt auch als moralisches Desaster heraus: Annähernd die Hälfte der 333 000 Menschen, die das 1925 zusammengefügte Kartell gegen Kriegsende in seinen 334 Betrieben beschäftigte, waren Fremd- und Zwangsarbeiter. Kein anderes ..

Privatunternehmen!

.. war in höherem Maße Teil der Kriegsmaschine geworden ...
Fazit

Ob die AfD die Demokratie abschaffen kann, mag in den Sternen stehen. Was die jedoch die Abschaffung der privat Wirtschaft durch rigorose Verstaatlichung betrifft, da ist von der AfD in etwa soviel zu befürchten, wie von der CDU eines Kanzlers Merz. Ich denke, das ist doch schon mal eine gute Nachricht. Wie übrigens auch das völlige Fehlen einer populistischen radikalen Linken, die die Verstaatlichung aller privaten Unternehmen beabsichtigt. So zumindest mein Eindruck.




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Consul
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So 11. Mai 2025, 21:19

Timberlake hat geschrieben :
So 11. Mai 2025, 01:06
…Wohlgemerkt im Gegensatz zur populistischen radikale Linke. Für die ist die Wirtschaft ein erstrangiges Thema. Schließlich zielt diese, durch die Verstaatlichung aller privaten Unternehmen, auf einen kompletten Umbau der Wirtschaft ab.
Es gibt die Idee (bzw. mehrere Ideen) einer sozialistischen Marktwirtschaft (Marktsozialismus) als eines dritten wirtschaftlichen Weges zwischen kommunistischer Planwirtschaft und kapitalistischer Marktwirtschaft. Die sozialistische Marktwirtschaft soll allerdings deutlich linker sein als die soziale Marktwirtschaft, wie sie von Sozialliberalen, Sozialdemokraten und Christdemokraten vertreten wird. Die Linke vertritt laut Parteiprogramm einen demokratischen Sozialismus, der mit einer zentralistischen Planwirtschaft im Sinne des orthodoxen Kommunismus gewiss nicht vereinbar ist.
"Marktsozialismus, ein Wirtschaftssystem, das einen Kompromiss zwischen sozialistischer Planung und freier Marktwirtschaft darstellt. Die Unternehmen sind in öffentlichem Besitz, Produktion und Konsum werden jedoch von Marktkräften und nicht von staatlicher Planung gesteuert. Eine Form des Marktsozialismus wurde eingeführt inJugoslawien in den 1960er Jahren im Gegensatz zum zentral geplanten Sozialismus der Sowjetunion. Eine ähnliche Entwicklung fand in Ungarn in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren." [Google Translate]

Quelle: https://www.britannica.com/money/market-socialism
"Der Untergang des kommunistischen Systems in der Sowjetunion und Osteuropa hat alte Argumente untermauert und neue hervorgebracht: Der Sozialismus kann weder in der heutigen Welt noch als Ideal existieren. Ich möchte argumentieren, dass der Sozialismus ein erstrebenswertes Ideal und in der realen Welt eine Möglichkeit bleibt. Das Argument für eine sozialistische Wirtschaft erfordert meiner Ansicht nach eine gewisse Revision der gängigen Auffassungen darüber, was Sozialismus ausmacht. Das sowjetische Modell der sozialistischen Gesellschaft ist eindeutig tot, aber das bedeutet nicht, dass andere, unerprobte Formen des Sozialismus mit ihm begraben werden sollten.

Dieser Aufsatz verteidigt einen alternativen Sozialismus, den sogenannten Marktsozialismus. Der Begriff stammt aus der Debatte um die „sozialistische Kalkulation“ der 1930er Jahre, deren Hauptprotagonisten Oskar Lange und Friedrich Hayek waren. …Lange argumentierte, dass die heute als neoklassische Preistheorie bezeichnete Ökonomie die Möglichkeit aufzeige, zentrale Planung und Markt zu kombinieren. Hayek erwiderte, Planung würde den Mechanismus, der dem Kapitalismus seine Vitalität verlieh, im Kern untergraben. Hayeks Kritik am Marktsozialismus und neuerdings auch die von Janos Kornai sind größtenteils zutreffend. Die Erfahrungen des Kapitalismus und des Sozialismus in den letzten fünfzig Jahren legen jedoch Möglichkeiten nahe, das Konzept des Marktsozialismus als Antwort auf die Hayeksche Kritik an dessen intellektuellem Vorgänger neu zu formulieren. Meine Aufgabe in diesem Essay ist es, ein neues Modell vorzuschlagen und zu verteidigen, das die Stärken des Marktsystems mit denen des Sozialismus verbindet. Ein solches Modell würde sowohl Effizienz als auch Gleichheit berücksichtigen." [Google Translate]

(Roemer, John E. A Future for Socialism. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1994. pp. 1-2)
Siehe auch:
* Götsch, Katharina. "Marktsozialismus – Die Linke auf der Suche nach einer neuen Theorie." [PDF] PROKLA, Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 155/39 (2009): 229–247.

https://de.wikipedia.org/wiki/Konkurrenzsozialismus
Timberlake hat geschrieben :
So 11. Mai 2025, 01:06
Ob die AfD die Demokratie abschaffen kann, mag in den Sternen stehen.…
Ohne die dazu nötige politische Macht wird sie es natürlich nicht schaffen geht, die liberale (konstitutionelle) Demokratie und ihre Institutionen im Zuge eines Autokratisierungsprozesses auszuhöhlen.
"Populistische Autoritäre schwächen Institutionen eher, als dass sie sie zerstören. Sie können bestehen bleiben, aber sie dürfen nicht zu stark sein (es sei denn, es handelt sich um Institutionen wie Armee und Polizei), weder im Sinne ihrer Wirksamkeit bei der Durchsetzung von Vorschriften noch im Sinne ihrer Beständigkeit und Ausdauer. Sie sollten nach Belieben veränderbar sein, denn „die institutionellen Rahmenbedingungen werden als Mittel zur Besiegung politischer Gegner wahrgenommen und präsentiert, als Bollwerke, die in einem kontinuierlichen und endlosen politischen Kampf besetzt werden müssen.“ [Victor Orbán] Sie sind nichts Statisches, das einen inhärenten Wert haben mag. Sie dürfen nicht stabilisiert und bewahrt werden. Auch dürfen sie nicht ausnahmsweise verändert werden, nur wenn starke normative Ziele eine Veränderung rechtfertigen. Vielmehr sind sie ein Gewinn, wenn sie der Bewegung zu einem bestimmten Zeitpunkt hilfreich sind, und ein Hindernis, wenn sie nutzlos sind. Und da jede Institution dem Anführer ihr nachteiliges Gesicht zeigen kann – und sei es nur, indem sie sein Bedürfnis nach Unmittelbarkeit einschränkt –, werden sie mit Irritation betrachtet. Sie „treffen keine Entscheidungen“ – Anführer tun das.

Wir können also einen vorläufigen Katalog verschiedener Formen der „Aushöhlung“ von Institutionen erstellen, doch diese Liste ist bei weitem nicht vollständig. Erstens werden Institutionen ausgehöhlt, indem sie mit neuen Personen besetzt werden, denen es an Wertbewusstsein für die ursprünglichen Gründe für die Existenz der Institution mangelt („Eroberung“). Aus der Sicht eines externen Beobachters führen sie dieselben Handlungen aus und folgen denselben Routinen, doch die Überlegungen, die sie in ihre Entscheidungen einfließen lassen, und damit der Inhalt der Entscheidungen selbst, widersprechen der raison d’être der Institution (die polnischen und ungarischen Verfassungsgerichte sind die besten oder eher die schlechtesten Beispiele; die Zentralbanken in Indien, Polen und Ungarn sind weitere Beispiele). Zweitens können parallel zu Institutionen neue Institutionen entstehen, die scheinbar dieselben Kompetenzen haben, die ursprünglichen jedoch in den Schatten stellen und an den Rand drängen, wie der neue Medienrat in Polen oder der Haushaltsrat in Ungarn zeigen, die jeden vom Parlament verabschiedeten Haushalt, der die Staatsverschuldung auch nur minimal erhöht, mit einem Veto belegen können („Verdopplung“). Drittens können sich die Kompetenzen und Befugnisse (einschließlich der Haushalte) der Institution durch formelle Gesetzesänderungen oder De-facto-Änderungen so weit verändern, dass sie nur noch oberflächlich sind („Erosion“). Es wäre komisch, wenn es nicht so tragisch wäre, dass Duterte 2017 das Budget der Menschenrechtskommission von 17 Millionen auf 25 Dollar (fünfundzwanzig Dollar) kürzte. Viertens können Institutionen rechtlich unbegrenzte Machtbefugnisse erhalten (man denke an die venezolanische Verfassungsversammlung). Das bedeutet, dass jeder Input eines De-facto-Führers in eine verbindliche Entscheidung umgewandelt wird („Ausweitung“). Sie sind nicht länger sinnvoll vom Rest des institutionellen Gefüges getrennt. Fünftens können die Institutionen in einen anderen institutionellen Kontext überführt werden, wodurch ihre Unabhängigkeit und/oder ihr Zweck untergraben werden, wie es im Fall des ungarischen Datenschutzbeauftragten der Fall war, dessen Amt direkt in die Regierung integriert wurde („Migration“). Sechstens können die Kontrollbeziehungen zwischen verschiedenen Institutionen unterbrochen oder sogar zerstört werden. In einem gut konzipierten institutionellen Gefüge sind Institutionen durch komplexe Rechenschaftsketten miteinander verbunden. Werden diese Rechenschaftsketten jedoch unterbrochen, verlieren die Vorrechte der Institution ihre Gültigkeit, und die Institution wird in den Händen von Populisten völlig formbar („Umgehung“). Wie Will Freeman bemerkte: „Das Ergebnis ist eine Reihe von Gesetzeslücken oder Kontrolllücken, die die Exekutive dann ausnutzen kann, um unkontrollierte Macht auszuüben.“ Solche Brüche in den Rechenschaftsketten verhindern, dass funktionierende Institutionen Macht kontrollieren.

Eroberung, Duplizierung, Erosion, Expansion, Migration und Umgehung: Dies sind einige der Gesichter der Prozesse, die ererbte Institutionen weitgehend erhalten – sie aber auch aushöhlen." [Google Translate]

(Sadurski, Wojciech. A Pandemic of Populists. Cambridge: Cambridge University Press, 2022. pp. 54-6)
Timberlake hat geschrieben :
So 11. Mai 2025, 01:06
Was die jedoch die Abschaffung der privat Wirtschaft durch rigorose Verstaatlichung betrifft, da ist von der AfD in etwa soviel zu befürchten, wie von der CDU eines Kanzlers Merz. Ich denke, das ist doch schon mal eine gute Nachricht. Wie übrigens auch das völlige Fehlen einer populistischen radikalen Linken, die die Verstaatlichung aller privaten Unternehmen beabsichtigt. So zumindest mein Eindruck.
Die AfD ist wirtschaftspolitisch rechtsliberal bis rechtslibertär, und ihre Idee von freier Marktwirtschaft ist eher asozial als sozial.

Das (linke) Wirtschaftsmagazin Surplus schreibt:
"Die Wirtschaftspolitik der AfD ist völkisch-neoliberal

Die AfD vereint einen autoritären Neoliberalismus mit einer sozialdarwinistischen Gesellschaftspolitik. Wirtschaftspolitisch trennt sie nicht viel von der CDU.

Wer das Programm der AfD zur Bundestagswahl 2025 mit Blick auf Wirtschafts- und Sozialpolitik betrachtet, wird über die großen Schnittmengen zur Programmatik von CDU/CSU und FDP erstaunt sein. Schließlich tritt die AfD immer offener völkisch-nationalistisch auf und lässt gewalttätig aufgeladenen »Re-Migrations«-Phantasien freien Lauf. Das verträgt sich – zumindest auf den ersten Blick – kaum mit wirtschaftsliberalen Vorstellungen. Doch es wird zu zeigen sein, dass ein bei der AfD gepflegter, autoritärer Neoliberalismus in der Tradition des deutschen Ordoliberalismus durchaus mit einer extrem konservativen und sozialdarwinistischen Gesellschaftspolitik vereinbar ist.

Im Programm zur Bundestagswahl 2025 widmet die AfD mehr als die Hälfte ihrer Vorstellungen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen – immer im Duktus eines dunklen Untergangszenarios. Aussagen zur gesamtwirtschaftlichen Stagnation der Bundesrepublik seit der Finanzkrise von 2008 oder den veränderten Bedingungen der Globalisierung finden sich an keiner Stelle. Stattdessen sieht die AfD die Ursachen der wirtschaftlichen Krise in einer ausufernden Staatstätigkeit, zu hohen Steuern und Sozialabgaben, insbesondere für Unternehmen und Vermögende, sowie in einem Übermaß staatlicher Regulierungen, verpackt als Kritik an ausufernder Bürokratisierung. Offene Grenzen mit hohen Ausgaben für Geflüchtete, der massenhafte Missbrauch des Bürgergelds und eine ideologiegeleitete, kostenintensive Klimapolitik haben aus AfD-Sicht zu einer fiskalischen Krise geführt. Dazu konstatiert die AfD einen gesellschaftlichen »Werteverfall« im Hinblick auf mangelnde Leistungsbereitschaft, die Auflösung der »Normal«-Familie als Stütze der Gesellschaft und eine fehlende Technologieoffenheit, die notwendige Innovationen verhindere.

Marktradikale Neujustierung des Staates:
Dagegen setzt die AfD in ihrem Wahlprogramm auf marktwirtschaftliche Radikalreformen und eine Staatsschrumpfung im Stile von Musk und Trump: »Staatliche Eingriffe in den Markt werden wir auf ein Minimum reduzieren.« »Damit Unternehmer an die Zukunft des Standorts Deutschland glauben können« will die AfD die Erbschaftssteuer, die ausgesetzte Vermögenssteuer und die Grundsteuer gänzlich abschaffen, die Unternehmenssteuern senken und bei den Einkommenssteuern in Richtung einer Flattax gehen. Auf diese Weise will die AfD die bereits geschliffene Steuerprogression endgültig zerstören und damit die wichtigste Sozialstaatssteuer beseitigen. Das wäre entgegen der Selbstinszenierung als »Partei der kleinen Leute« eine massive Umverteilung zugunsten der oberen Einkommens- und Vermögensbesitzer. Mit ihren Forderungen zur Umverteilung überholt die AfD nach oben sogar die Klientel-Partei FDP, wie eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim herausarbeitet."

Quelle: https://www.surplusmagazin.de/afd-wirts ... isch-wahl/



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Consul
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So 11. Mai 2025, 21:45

Die AfD wehrt sich übrigens entschieden gegen die Anschuldigung, ihre ethnonationalistische Unterscheidung von "Staatsdeutschen"/"Passdeutschen" und "Volksdeutschen"/"Blutsdeutschen" [Wörter von mir gewählt] beinhalte die Forderung, Staatsdeutsche, die keine Volksdeutschen (im ethnokulturellen Sinn) sind, rechtlich zu Bürgern 2. Klasse herabzustufen:

[Link von der Moderation gelöscht, bitte keine Links zur AfD posten ]



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