Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Fr 1. Mär 2024, 07:49
Gründe sind Relationen. Und zwar die Relationen des "für etwas sprechens". Die Tatsache, dass ich Hunger habe, spricht dafür, etwas zu essen zu kaufen. Dass die Geschäfte am Sonntag geschlossen sind, spricht dafür, vorher einzukaufen. Dass es regnet, spricht dafür, den Regenschirm mitzunehmen.
(Das ist natürlich eine vereinfachte Darstellung, in der Regel spielen viel mehr Gründe eine Rolle für uns, oft auch solche, die für unterschiedliches sprechen oder zu sprechen scheinen.)
Unser ganzes Verhältnis zur Wirklichkeit ist durchwoben von Gründen, nach denen ich mich richten kann, an denen ich mich orientieren kann. Solange es Menschen (und andere Lebewesen) gibt, gibt es diese Beziehungen, aber sie sind keine Projektionen von uns, auch wenn sie mit unserer Existenz verbunden sind.
Du sagst, Gründe sind Relationen. Darauf möchte ich eingehen.
[Indessen/Zwischendurch aber noch eine Klärung, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen.
Wenn ich hier von Atomen spreche und Personen und Gründen, dann unterscheide ich grundsätzlich zwischen zwei Dimensionen:
1. Die Welt an sich. Das ist alles das, was unabhängig von irgendeinem Erkenntnissubjekt existiert (ob dieses Erkenntnisssubjekt nun existiert oder nicht) und die vom Erkenntnissubjekt (für den Fall, dass solch ein Subjekt existiert) erschlossen werden möchte, was auf der zweiten Ebene passiert.
2. Die Ebene der Sprache, der Vorstellungen, der Wünsche, der Intentionen und somit der Menschen, der Personen, des Ich, des Du, des Sie, der Verantwortung, der Schuld aber auch der Zahlen, der Formen, der Gesetze etc.
Diese Ebene ist für mich Illusion. Diese Ebene stellt aus ihrer eigenen Perspektive eine mentale (oder anders geartete) Entsprechung der Welt, die unabhängig vom Erkenntnissubjekt existiert.]
Wenn ich mir deine Beispiele anschauen, dann haben 'Gründe' eine Art Verweischarakter mit Handlungsempfehlung, richtig? Hunger verweist auf Essen-Wollen und es empfiehlt sich einkaufen zu gehen. So verstehe ich Gründe auch, zumindest den Fall, wo jemand, der angibt, etwas getan zu haben und es begründet, es genauso tun würde.
Mein Problem in deinen Aussagen ist allerdings weiterhin, dass deine Aussagen eine Annahme enthalten, die ich in Frage stelle; nämlich die Annahme einer Substanz bzw. eines Subjektes.
"Die Tatsache, dass ich Hunger habe, spricht dafür, etwas zu essen zu kaufen", impliziert die Annahme eines 'Ichs'. Hier habe ich das Problem, dass ich nicht verstehe, wem oder was das Subjekt 'ich' in diesem Satz entsprechen soll bzw. auf was in der Wirklichkeit es verweisen soll außer auf einen Atomhaufen. Und weil ich das nicht verstehe, bleibt für mich dementsprechend auch das Prädikat 'Hunger haben' in deinem Satz unverständlich.
Ergänzend noch: Wenn du sagst "Die Tatsache, dass ich Hunger habe, spricht dafür", dann habe ich ein Problem damit, dass 'Tatsachen sprechen können'. Natürlich, könnte man sagen, es ist ja bloß metaphorisch und es ist klar, was gemeint ist. Ich wage mal eine steile These: Metaphern helfen, erklärt aber nicht. Und wenn ein Grund mit 'Für-Etwas-Sprechen' verdeutlicht wird - und die Beispiele ebenfalls -, dann verstehe ich es als Metapher, die ich gern aufgelöst hätte.
Kurz und knapp meine zwei Fragen an dich:
1. Auf was verweist 'ich'?
2. Wenn 'Grund' für 'Für-etwas-Sprechen' steht, Tatsachen aber de facto nicht 'sprechen', was genau verbirgt sich hinter 'Grund' bzw. hinter 'Für-etwas-Sprechen'?