Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ So 6. Okt 2024, 09:24
Consul, du setzt voraus, ohne es zu begründen oder herzuleiten, dass die chemische Definition von Wasser korrekt ist. Dass du das, was gerade infrage steht, zur Grundlage deiner Argumentation machst, kann mich natürlich nicht überzeugen. Was du den „außerwissenschaftlichen Gebrauch“ des Begriffs nennst, ist meiner Meinung nach vielmehr sein eigentlicher Gebrauch. Warum? Weil die Lebenswelt auch für die Naturwissenschaft der unhintergehbare Bezugsrahmen ist. Die Naturwissenschaften abstrahieren von der Vielfalt des Gebrauchs des Begriffs und sehen durch ihre methodische Brille eben nur das, was sie sehen können – und nicht mehr. Das ist an sich vollkommen legitim. Problematisch wird es nur, wenn die Ergebnisse dieser methodischen Reduktion zur letzten und allein maßgebenden Wahrheit erklärt werden.
Die chemische Definition wird der Vielfalt des Phänomens „Wasser“ nicht gerecht. H₂O ist keineswegs die "Normalform" von Wasser, sondern in der Natur sogar äußerst selten. Wasser ist in der Regel immer mehr als nur H₂O. Es enthält Mineralien, Gase und organische Stoffe, die für das Leben essenziell sind. Wasser ist ein Teil des Ökosystems und gilt sogar als die Quelle des Lebens. H₂O allein hätte nie diese Rolle einnehmen können. Die chemische Definition ignoriert diese Tatsachen. Wasser enthält Mikroorganismen und Substanzen, die für das Leben notwendig sind – es gehört zu der Sphäre, in der Leben gedeiht.
Genau genommen, ist H2O die chemische Definition von reinem
leichten Wasser; denn es gibt auch
schweres Wasser (und sogar halbschweres Wasser sowie überschweres Wasser) mit einer anderen Molekularstruktur. Das ändert jedoch nichts an der wissenschaftlich erwiesenen Tatsache, dass reines leichtes Wasser H2O ist, bzw. dass Massen reinen leichten Wassers aus (nichts weiter als) H2O-Molekülen bestehen.
Wir können zwischen
Wasser1 (= reines leichtes Wasser) und
Wasser2 (= wässrige Flüssigkeit, die größtenteils aus Wasser1 besteht) unterscheiden.
Nicht alles, was in Wasser1 oder Wasser 2
befindlich oder
enthalten ist, ist ein Bestandteil davon. In Wasser schwimmende Mikroorganismen, Fische, menschliche Taucher und darin fahrende U-Boote sind
im Wasser und davon umschlossen,
aber sie sind nicht (Bestand-)Teile des Wassers. Denn Wasser (Wasser1 oder Wasser2) besteht nicht aus Mikroorganismen, Fischen, Tauchern oder U-Booten.
Lynne Baker unterscheidet subtil zwischen "x ist Teil von y" und "x ist
ein Teil von y":
"x can be part of y without being a part of y. For example, a particular molecule may be part of the water in this glass without being a part of the water in this glass."
———
"x kann Teil von y sein, ohne ein Teil von y zu sein. Beispielsweise kann ein bestimmtes Molekül Teil des Wassers in diesem Glas sein, ohne ein Teil des Wassers in diesem Glas zu sein." [Übersetzt von Google Translate]
(Baker, Lynne Rudder. Persons and Bodies: A Constitution View. Cambridge: Cambridge University Press, 2000. p. 182)
"x ist Teil von y" =
def "x ist in y befindlich, darin enthalten oder vorhanden, darin eingeschlossen oder davon umschlossen"
"x ist
ein Teil von y" =
def "x ist in y befindlich, darin enthalten oder vorhanden, darin eingeschlossen oder davon umschlossen,
und x ist ein Bestandteil von y"
Ein Beispiel:
Meerwasser ist ein Fall von
Wasser2: Das darin enthaltene Salz ist ein (Bestand-)Teil
des Meerwassers, aber kein (Bestand-)Teil
des im Meerwasser enthaltenen Wassers1; denn Salzmoleküle sind keine
(Bestand-)Teile von reinem leichten Wasser, das bekanntlich nur aus H2O-Molekülen besteht.
Was man aber in Bakers Sinn sagen kann, ist, dass Salze, gelöste Gase und organische Substanzen
Teil desjenigen Haupt(bestand)teils des Meerwassers (qua Wasser2) sind, der aus Wasser1 besteht.
Ein anderes Beispiel: Wenn ein Kind einen Legostein verschluckt hat, dann ist dieser Teil seines Körper, ohne
ein (Bestand-)Teil davon zu sein; denn Legosteine gehören nicht zu den Bausteinen von Lebewesen.