Rationalität

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
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Jörn Budesheim
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Di 24. Sep 2024, 10:49

Was heißt Rationalität?

Ich verstehe darunter folgendes: Rationalität ist die Fähigkeit, sich an Gründen zu orientieren. Gründe sind Tatsachen, die für etwas sprechen. Unser alltägliches Leben ist durchwoben mit Rationalität, das sind oft kleine Dinge: Wenn der Wetterbericht Regen ankündigt, hat man einen Grund den Schirm mitzunehmen.




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Quk
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Di 24. Sep 2024, 11:11

Unter Rationalität verstehe ich nicht nur die Orientierung an Gründen, sondern auch die Erkennung und Analyse solcher Gründe. Die Orientierung allein nenne ich Vernunft. Diese sehe ich als ein Element der Rationalität.




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Thomas
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Di 24. Sep 2024, 13:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 24. Sep 2024, 10:49
Was heißt Rationalität?

Ich verstehe darunter folgendes: Rationalität ist die Fähigkeit, sich an Gründen zu orientieren. Gründe sind Tatsachen, die für etwas sprechen. Unser alltägliches Leben ist durchwoben mit Rationalität, das sind oft kleine Dinge: Wenn der Wetterbericht Regen ankündigt, hat man einen Grund den Schirm mitzunehmen.
Ja, das kann ich nachvollziehen. Rationalität hat ganz wesentlich etwa mit Gründen oder auch Begründungen zu tun. Warum nimmst Du den Schirm mit. Begründung: Es soll regnen, ich möchte nicht nass werden.

Ich würde ergänzen, dass Rationalität eine Möglichkeit oder Strategie ist, mit der Irrationalität des Lebens fertig zu werden. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, das zu tun, aber der Weg über die Rationalität ist definitiv eine davon.




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Jörn Budesheim
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RoloTomasi hat geschrieben :
Di 24. Sep 2024, 13:34
Irrationalität des Lebens
Kannst du skizzieren, was du damit meinst? Unberechenbarkeit? Kontingenz? ...?




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Thomas
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 24. Sep 2024, 13:39


Kannst du skizzieren, was du damit meinst? Unberechenbarkeit? Kontingenz? ...?
Naja, ich meine einfach alles, was nicht rational ist: Das Unbegründete, das Grundlose, das Abgründige; aber auch das Unerkannte, das Unerkennbare, das was über alle Rationalität hinaus existiert. Und ja, auch Kontingentes, Unvorhergesehenes oder Unvorhersehbares. Und auch Faktizitäten wie die, dass es regnet, dass ich Hunger habe, dass es Lebewesen gibt usw.

Also letztlich alles, was Gegenstand von Begründungen werden kann (aber nicht muss). Rationalität ist der menschliche Versuch, genau solche Dinge und Zusammenhänge - eben Irrationales - zu begründen. Das ist ein gedankliches Tun, und dazu nutzt man Sprache, Logik, Argumente usw. Das Irrationale ist immer hintergründig - es besteht, ob man es nun rational fasst oder nicht.




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Jörn Budesheim
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Ach so. Eigentlich würde ich unter irrational etwas anderes verstehen. Irrational handle ich, wenn ich die Gründe kenne, die für X sprechen, mich aber trotzdem anders entscheide. Das kommt erstaunlich oft vor. Regen hingegen ist nicht irrational, sondern - wenn man den Begriff hier unbedingt ins Spiel bringen will: arational, falls es den Ausdruck gibt :-)




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Jörn Budesheim
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RoloTomasi hat geschrieben :
Di 24. Sep 2024, 14:01
das Abgründige
Das ist noch mal was anders, finde ich. Dafür hab ich aber auf die Schnelle keinen guten anderen Ausdruck, vielleicht das Freischwebende des Lebens. Manchmal hängt das direkt an unserer Autonomie: für manche Entscheidungen gibt es keine Autorität als uns selbst, da ist man "radikal" auf sich selbst zurückgeworfen, man kann zum Beispiel keinen "fragen". Dann ist es ein Spiel ohne Netz und doppelten Boden: abgründig eben. Aber vielleicht meinst du etwas anderes.




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Jörn Budesheim
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RoloTomasi hat geschrieben :
Di 24. Sep 2024, 15:33
Ich habe [...] einen durch und durch positiven Begriff des Irrationalen. Das Irrationale ermöglicht Gewissheit, es verhindert sie nicht. Aber es ermöglicht Gewissheit auf eigene Weise und mit eigenen Mitteln - dadurch unterscheidet es sich von den objektiven Wissenschaften. Konzepte rund ums Irrationale sind z.B. Ahnen, Spüren, Wittern, Wähnen, Glauben, Bemerken (im Gegensatz zu Beobachten), Schätzen (im Gegensatz zu Messen); aber auch Intuition, Vernunft (im Sinne von Vernehmen), Instinkt, Gefühl, Phantasie uvm. Dies sind aus meiner Sicht grundlegende Weisen, in denen Menschen in der Erfahrung auf nicht-rationale Weise zu Wissen gelangen.
Interessant. Das meiste davon würde ich - prima vista - unter unsere Rationalität verbuchen. Insbesondere die Gefühle. In der Philosophie der Gefühle werden zum Beispiel die rationalen Gefühle unter dem Titel "Emotionen" untersucht.




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Thomas
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 24. Sep 2024, 14:11
Eigentlich würde ich unter irrational etwas anderes verstehen. Irrational handle ich, wenn ich die Gründe kenne, die für X sprechen, mich aber trotzdem anders entscheide.
Ich würde es etwas anders sehen, und kann dabei gleich auch das Abgründige mit reinbringen. Was Du meinst, ist einfach eine Inkonsequenz im Verhalten, z.B. ein Widerspruch zwischen Einsicht und Tun. Abgründig irrational ist aber vielmehr, dass es selbst für gut begründetes, konsequent vernünftiges Verhalten keinen außerrationalen (!) Grund gibt. Rationalität als solche ist abgründig - weil es für sie keinen Grund gibt. Freischwebend, wie Du schreibst, passt als Metapher ganz gut. Der Vernünftige, wenn er gefragt wird, warum er vernünftig handelt, wird sagen: Weil es eben vernünftig ist. Diese ganze Figur hat keinen Grund außer sich - das meine ich mit abgründig.




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Jörn Budesheim
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RoloTomasi hat geschrieben :
Di 24. Sep 2024, 16:02
Der Vernünftige, wenn er gefragt wird, warum er vernünftig handelt, wird sagen: Weil es eben vernünftig ist. Diese ganze Figur hat keinen Grund außer sich - das meine ich mit abgründig.
Ein Beispiel: Jemand liegt verletzt am Boden und braucht Hilfe, das ist ein guter Grund zu helfen. Der Vernünftige, wenn er gefragt wird, warum er vernünftig handelt, also hilft, wird sagen: "Er brauchte doch Hilfe, siehst du das nicht." Einen Grund außerhalb des Raums der Gründe braucht es nicht und kann es auch nicht geben, denn das wäre wieder ein Grund und daher nicht "außen".




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