Herr K. hat geschrieben : ↑ Mo 20. Nov 2017, 17:56
Im ursprünglichen Sinne der Begriffe können nur Behauptungen oder Meinungen wahr oder falsch sein. Und Behauptungen oder Meinungen setzen notwendigerweise denkende Subjekte voraus, die die Meinungen vertreten oder die Behauptungen äußern. Sätze als eigenständige Essenzen zu postulieren, ist reine Mythologie. Insofern Husserl von "widersprüchlichen Fakten" spricht, die nicht beide wahr sein können, verbindet er "wahr" und "echt". Und so gerät Husserl in dieselbe begriffliche Verwirrung, der sich das deutsche Strafgesetzbuch schuldig macht, wenn es von..."Vortäuschung falscher Tatsachen" spricht..... Nur eine Meinung, ein Bericht über eine Tatsache kann falsch sein. Aber eine Tatsache ist einfach da... Wenn keine Urteile gefällt wurden, dann gibt es nichts, wovon "wahr" oder "falsch" behauptet werden könnte. Natürlich haben sich die Planeten schon lange vor dem Newton in einer Weise bewegt, die dem Gesetz der Schwerkraft entspricht. Doch bevor Newton seine Theorie formulierte (...) gab es im menschlichen Wissen keinen wahren Satz über diese Bewegungen. Nachdem Newton das Gesetz der Schwerkraft als Satz formuliert hatte, wurde dieser Satz aufgrund seines Inhalts auch für die Vergangenheit zutreffend (1921,23).
Vielen Dank für diesen erhellenden Beitrag. Er formuliert viel klarer, was mir intuitiv vorschwebte.
Wahrheit kommt nach meinem Begriff lediglich in Aussagen vor. Wahrheit ist nach meinem Dafürhalten also ein sprachlicher Bezug auf die Welt und zwar einer, der Tatsachen beschreibt. Sie ist aber deshalb nicht eine Konstruktion der Sprechenden, d.h. der
Inhalt resp. der Gegenstand der Wahrheit ist nicht Sprache, sondern das in ihr Artikulierte. Man sollte das deshalb nicht mit Konstruktivismus verwechseln. Wir konstruieren Wahrheit nicht, insofern wir nicht Tatsächlichkeit in die Welt reden, wir rekonstruieren Tatsachen und eine gelungene Rekonstruktion ist Wahrheit.
Eine Privatsprache zu haben ist also eine ganz unpraktische Sache

, weil es uns das Verstehen nicht ganz unmöglich macht, aber doch stark einschränkt. Darum haben wir also eine Sprache entwickelt, die gar keine private ist, sondern eine allgemeine, damit wir auf die sinnlich je individuell gegebene Welt gedanklich Zugriff hätten und diese mitteilbar machen. Ein Psychologismus wäre die je individuelle Gegebenheit aber erst dann, wenn wir sagten, die Phänomene der Welt erschienen uns je individuell und in dieser Gegebenheit handle es sich um je verschiedene, ähnliche Gegenstände und könnten uns mitteilen nur, weil wir empathisch sind, indem wir die Ähnlichkeit einander vermittelten. Wir verblieben als Psychologisten sozusagen im
Ungefähren der je ähnlichen Welt und sprechen dann von Qualia so, als beschränkte sich das Sein der Gegenstände auf ihre je durch uns individuell verfasste Seiendheit. Aber die Gegenstände haben doch eine bestechende Beständigkeit zu erscheinen und sich zu verhalten, und zwar eine so zuverlässige, dass sie uns als Beweis für die Wahrheit jener Aussage dienen kann, die sich auf die Tatsache bezieht.
Wir können Wahrheit also nicht aus dem Nichts produzieren noch ist sie abhängig allein vom Sprech- oder Denkakt, sie kommt aber ohne diese Akte nicht vor, wenigstens nach meinem Begriff. Aber sie kommt auch ohne die Tatsachen nicht vor, die der Wahrheit den Gegenstand geben.
Nun, das ist alles nicht so problematisch, wie ich finde, wenn man sich denn auf diesen Begriff von Wahrheit einigen kann, was wir aber offenbar nicht können. Denn es gibt Anhänger von Wahrheit, die die Unabhängigkeit der Wahrheit proklamieren. Und ich habe grossen Respekt für alle Freiheitskämpfer dieser Welt!

Nun möchten sie uns, die wir sprach- und regelgläubig sind, sagen, wo diese Wahrheit an den Tatsachen selbst vorkomme und zwar als solche, die unabhängig von Sprache und Begriff ist, denn offenbar vermittelt sich auch ihnen Wahrheit durch den Begriff, die sie von den Gegenständen in der Welt haben. Und man möge mir (für mein Privatthema

) erklären, wie diese Wahrheit dann auch noch
unzeitlich wahr sein können soll.
Entschuldigung für den langen Beitrag, aber ich möchte im Anschluss an diese Fragen kurz auf Jörns eingeführte Fettaugen-Analogie eingehen. Wenn man sagt, dass es keine up-and-above-Perspektive über den Tatsachen gebe, sondern dass die Tatsachen selbst Träger von Wahrheit sind, so muss man doch eingestehen, dass diese Tatsachen sich ändern können. Es kann dann aber nicht sein, dass die Tatsache, dass die Tasse dort stand und dort nicht mehr steht, in Unzeitlichkeit wahr bleibt, denn die Tatsache existiert nicht mehr und somit auch die Wahrheit, die sie barg, nicht mehr ist. Man kann aber sagen, die Tatsache bleibt wahr, weil es einmal wahr war und es deshalb
nie mehr nicht gewesen sein kann, dass sie war. Aber dann muss doch die untergegangene Tatsache irgendwo als Tatsache neuer Ordnung weiterbestehen, z.B. als irgendwie erinnerte Tatsache? Aber wo würde diese Information gespeichert, wenn nicht in uns oder unseren Schriften? In einem anderen Thread wurde eine Raumzeitinformation vorgeschlagen, in der dieser einmal gewesene Fakt beinhaltet bleibt. Aber da reden wir doch auch von raumzeitlicher Information und nicht von irgendwie gearteter Nichtraumzeitlichkeit?
Und für Mathematik gilt doch dasselbe: Wenn sie wahr ist, weil es die Welt festgeschrieben hält, dann doch nirgends anders als in der Welt?