Psychologismus?!

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt sich in der Philosophie der Zweig der analytischen Philosophie, deren Grundlagen u.a. auch die Philosophie des Geistes (mind) betreffen
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Alethos
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Sa 18. Nov 2017, 09:20

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:06
Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 08:42
Aber 1000 Jahre finden in einer Zeit statt, so wie 300 Trilliarden Jahre auch. Ewigkeit nicht. Ewigkeit ist keine Zeitkategorie oder aber in Zeit nicht ausdzudrücken.
Ja.
Ewig sind Wahrheiten deshalb, weil die Zeit ihnen nichts anhaben kann. Sie verblassen nicht oder werden weniger, denn die Kategorie von wahr/falsch ist keine des Datums.
Das habt ihr andernorts auch schon gesagt: Aber genau das halte ich für einen Psychologismus :)

Denn, wenn Wahrheit nicht irgendwo konserviert wird (z.B. in einem Buch oder einer chemischen Spur), kann sie nach 300 Milliarden Jahren auch nicht wieder angezapft resp. festgestellt werden. Wenn sie aber irgendwo fortfauert, dann nicht nirgends, sondern irgendwo. Und dieses Irgendwo ist entweder ein logischer Raum oder ein raumzeitlicher Raum. Die Vorstellung also, dass eine Wahrheit nach dem Untergang der Tatsache, die ihr zugrundelag, noch immer sei, auf ewig, halte ich für einen anthropozentrischen Fehlschluss, weil ihr die falsche Annahme zugrunde liegt, dass die Vorstellbarkeit von Ewigkeit diese auch feststelle. Ewigkeit ist aber nirgends bewiesen, nur weil man sie sich denken kann. Der Schluss aber, die Wahrheit sei deshalb eine konstruierte, halte ich gleichzeitig für einen konstruktivistischen Fehlschluss. Ich denke nicht, dass Wahrheit von unserer Fähigkeit, sie zu erkennen, abhängt.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 18. Nov 2017, 09:35, insgesamt 3-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Sa 18. Nov 2017, 09:25

Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 08:54
Aber mir war schon damals nicht ganz klar, wo du den Unterschied zwischen Unzeit und Ewigkeit siehst
"Ewig" oder "Ewigkeit" verstehe ich als zeitliche Kategorie: Etwas ist ewig, wenn es in der Zeit ausgedehnt ist aber weder Angang noch Ende hat (oder zumindest eines von beiden nicht). "Unzeitlich" oder "Unzeitlichkeit" verstehe ich als etwas, was überhaupt keine zeitliche Ausdehnung hat. Es kann durchaus vorkommen, dass jemand "ewig" sagt, aber unzeitlich meint oder umgekehrt, daraus kann man schöne Bonmots machen :-) "Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt." (Wittgenstein)




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Alethos
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Sa 18. Nov 2017, 09:37

Ok, ich verstehe. Dann bliebe noch der Raum, der keiner ist :) Wie würdest du diesen umschreiben?



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Sa 18. Nov 2017, 09:38

Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:20
Die Vorstellung also, dass eine Wahrheit nach dem Untergang der Tatsache, die ihr zugrundelag, noch immer sei, auf ewig, halte ich für einen anthropozentrischen Fehlschluss.
Meines Erachtens entsteht der Fehlschluss, wenn man glaubt, alles, was existiert, müsse eine Ausdehnung in Raum und Zeit haben, dann ergibt sich die Frage gleichsam zwingend, wo sich das fragliche etwas denn befinde (in Raum und Zeit). Aber die Prämisse, dass alles, was existiert in Raum und Zeit existiert muss und sollte man nicht kaufen, da sie offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Psychologismus ist das auf keinen Fall. Psychologismus ist nämlich das Gegenteil: es ist der Versuch, dem "Nichtraumzeitlichen" dennoch einen Ort zuzuweisen: und das ist die Psyche des Einzelnen.




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Alethos
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Sa 18. Nov 2017, 09:46

Aber die Idee, dass es etwas Nichtraumzeitliches überhaupt gebe, muss man auch nicht einfach kaufen. Das ist zwar eine schöne Vorstellungen, aber mehr im Moment leider auch nicht.

Aber ich gehe ja einen Schritt mit und sage: Falls Wahrheit als unzeitig wahr fortfauert, dann in einem logischen Raum. Aber dieser muss einen Ort haben oder man muss aufzeigen, was man damit meint.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 18. Nov 2017, 09:49, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 18. Nov 2017, 09:47

Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:37
Dann bliebe noch der Raum, der keiner ist :) Wie würdest du diesen umschreiben?
Räume, die keine Räume sind, sind keine Räume, würde ich meinen :-) Der logische Raum der Gründe ist zwar nicht 57 km breit, 17 km hoch und 137 km tief sowie 17 Sekunden lang und 9000 Tonnen schwer, jedoch wird er durch die Tatsachen, die für oder gegen etwas sprechen, aufgespannt.




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Sa 18. Nov 2017, 09:49

Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:46
unzeitig wahr fortdauert
was unzeitig ist, hat natürlich keine "Dauer" und somit auch keine "Fortdauer".




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Sa 18. Nov 2017, 09:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:49
Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:46
unzeitig wahr fortdauert
was unzeitig ist, hat natürlich keine "Dauer" und somit auch keine "Fortdauer".
Mir war schon beim Schreiben bewusst, dass das so ist :) Und ich habe das Verb mit Absicht gewählt, um die Problematik zu zeigen.



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Sa 18. Nov 2017, 10:14

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:47
Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:37
Dann bliebe noch der Raum, der keiner ist :) Wie würdest du diesen umschreiben?
Räume, die keine Räume sind, sind keine Räume, würde ich meinen :-) Der logische Raum der Gründe ist zwar nicht 57 km breit, 17 km hoch und 137 km tief sowie 17 Sekunden lang und 9000 Tonnen schwer, jedoch wird er durch die Tatsachen, die für oder gegen etwas sprechen, aufgespannt.
Das alles verstehe ich. Der logische Raum ist nicht zwei- oder dreidimensional.Die Aussage: ‚Räume, die keine Räume sind, sind keine Räume‘ ist natürlich eine tautologische Meisterleistung :) Aber die Aussage selbst findet in einem logischen Raum statt.

Die Tatsachen, die sich logisch von anderen Tatsachen ableiten, haben ihr Sein als abgeleitete Tatsache nicht in Raum und Zeit, sondern sie ergeben sich auseinander durch Stringenz. Diese logischen Aussagen bilden eben die ‚Stützen’ dieses logischen Raums. Das verstehe ich so, dass der logische Raum ein Raum ohne Schwerkraft im herkömmlichen Sinn ist, sondern dass die Schwerkraft der Gründe in ihm wirkt :)

Aber, ich möchte darauf hinweisen, dass du selbst hier Vokabular brauchst, das nicht unwidersprüchlich ist: Für oder gegen etwas sprechen, aufspannen etc. Das sind alles Tätigkeiten, die Zeit brauchen :) Es sind Zeitwörter.
Und du sprichst von Tatsachen gar so, als wären sie nie raumzeitliche. Die Tatsachen, die etwas aufspannen, sind teilweise raumzeitliche.



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Tosa Inu
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Sa 18. Nov 2017, 10:23

Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:20
Das habt ihr andernorts auch schon gesagt: Aber genau das halte ich für einen Psychologismus :)

Denn, wenn Wahrheit nicht irgendwo konserviert wird (z.B. in einem Buch oder einer chemischen Spur), kann sie nach 300 Milliarden Jahren auch nicht wieder angezapft resp. festgestellt werden.
Ja, sie kann dann nicht mehr festgestellt werden.
Ändert aber nichts am Wahrheitsgehalt.
Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:20
Wenn sie aber irgendwo fortfauert, dann nicht nirgends, sondern irgendwo. Und dieses Irgendwo ist entweder ein logischer Raum oder ein raumzeitlicher Raum. Die Vorstellung also, dass eine Wahrheit nach dem Untergang der Tatsache, die ihr zugrundelag, noch immer sei, auf ewig, halte ich für einen anthropozentrischen Fehlschluss, weil ihr die falsche Annahme zugrunde liegt, dass die Vorstellbarkeit von Ewigkeit diese auch feststelle.
Die Tatsache dass ich um 8:24 einen Smilie gepostet habe ist doch auch vorbei. Wo ist das Problem?
Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:20
Ewigkeit ist aber nirgends bewiesen, nur weil man sie sich denken kann.
Stimmt. Zeit auch nicht.
Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:20
Der Schluss aber, die Wahrheit sei deshalb eine konstruierte, halte ich gleichzeitig für einen konstruktivistischen Fehlschluss. Ich denke nicht, dass Wahrheit von unserer Fähigkeit, sie zu erkennen, abhängt.
Das ist ja meien Aussage dahinter.
Etwas kann auch dann wahr sein, wenn wir es nicht erkennen können.
Dass das unbefriedigend ist, finde ich auch.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Herr K.
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Sa 18. Nov 2017, 10:36

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:38
Meines Erachtens entsteht der Fehlschluss, wenn man glaubt, alles, was existiert, müsse eine Ausdehnung in Raum und Zeit haben, dann ergibt sich die Frage gleichsam zwingend, wo sich das fragliche etwas denn befinde (in Raum und Zeit). Aber die Prämisse, dass alles, was existiert in Raum und Zeit existiert muss und sollte man nicht kaufen, da sie offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht. Psychologismus ist das auf keinen Fall. Psychologismus ist nämlich das Gegenteil: es ist der Versuch, dem "Nichtraumzeitlichen" dennoch einen Ort zuzuweisen: und das ist die Psyche des Einzelnen.
Es handelt sich hier wohl um den Universalienstreit, d.h. die Frage, ob abstrakte Objekte (d.h. solche, die nicht in Raum und Zeit existieren und keine kausalen Auswirkungen haben) für sich, d.h. unabhängig von und zusätzlich zu Denkvorgängen existieren (diese Position nennt man Universalien-Realismus oder auch Platonismus) oder ob sie Konstrukte des menschlichen Geistes sind (diese Position nennt man Nominalismus). Ich finde es nun keineswegs offensichtlich, dass der Universalien-Realismus wahr ist, ich bin Nominalist.

Dieser Streit hat übrigens nichts mit Materialismus/Physikalismus zu tun, denn ein Materialist/Physikalist kann widerspruchsfrei ein Platoniker sein.
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Edit: habe meinen Beitrag aus Versehen gelikt, wollte editieren. Das geht nun nicht mehr weg, wenn ich auf den Like klicke.




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Alethos
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Sa 18. Nov 2017, 10:41

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 10:23
Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 09:20

Denn, wenn Wahrheit nicht irgendwo konserviert wird (z.B. in einem Buch oder einer chemischen Spur), kann sie nach 300 Milliarden Jahren auch nicht wieder angezapft resp. festgestellt werden.
Ja, sie kann dann nicht mehr festgestellt werden.
Ändert aber nichts am Wahrheitsgehalt.
Da haben wir ja auch keinen Dissens. Wir haben aber noch keine schlüssige Antwort darauf gegeben, wo und wie dieser Wahrheitsgehalt weiterbesteht. Und zwar dann, wenn die Daten aus diesem Forum gelöscht sind und es nirgends eine elektronische Spur davon gibt (und natürlich auch keine User, die es miterlebt haben und erinnern können).

Die Frage ist also die nach dem Gefäss von Wahrheit, das sich nicht an raumzeitlichen Tatsachen festmachen lässt.



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Tosa Inu
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Sa 18. Nov 2017, 10:58

Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 10:41
Die Frage ist also die nach dem Gefäss von Wahrheit, das sich nicht an raumzeitlichen Tatsachen festmachen lässt.
Entweder es gibt keines, dann wäre etwas wahr, aber nicht (mehr) zu erkennen oder die Seele als eine Art Container von allem.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Alethos
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Sa 18. Nov 2017, 11:11

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 10:58
Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 10:41
Die Frage ist also die nach dem Gefäss von Wahrheit, das sich nicht an raumzeitlichen Tatsachen festmachen lässt.
Entweder es gibt keines, dann wäre etwas wahr, aber nicht (mehr) zu erkennen oder die Seele als eine Art Container von allem.
Der erste Teil deiner Antwort besagt: ‚Wenn es kein Gefäss gibt, dann auch keine Erkennbarkeit, Wahrheit gibt es aber auch ohne dieses Gefäss.‘ Ist das in etwa korrekt wiedergegeben?



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Hermeneuticus
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Sa 18. Nov 2017, 13:05

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 17. Nov 2017, 12:49
Nehmen wir einen Stuhl: Er hat ein Vielzahl von Eigenschaften: eine gewisse Höhe, Breite und Tiefe, wurde vor zehn Jahren hergestellt, ist verschlissen, aus Holz, braun und so weiter. Er hat er über diese Eigenschaften hinaus noch eine weitere Eigenschaft, nämlich diejenige zu existieren? Nein, natürlich nicht. Ich meine sogar, du hättest dich selbst vor kurzem dahingehend geäußert, das das natürlich nicht so ist. Falls du also dieser Ansicht bist: wie soll es dann verschiedene Weisen zu existieren geben? Denn dann müsste man neben den vielen anderen Eigenschaften schließlich doch noch verschiedene Existenzweiseeigenschaften aufzeigen können, zum Beispiel: "etwas, was Dinge immerzu tun, wie atmen (nur leiser), wie das Ticken einer Uhr, aber auf metaphysische Art."
Die Eigenschaften, die der Stuhl hat, lassen sich doch auch als Bestimmungen seiner Existenz auffassen. Dieser Gedanke ist sogar eine Konsequenz aus der Einsicht, dass die Existenz keine zusätzliche Eigenschaft ist. Gerade weil seine Existenz keine zusätzliche Eigenschaft des Stuhls ist, manifestiert sie sich in seinen Eigenschaften. Aus Holz zu sein, eine Höhe von 60 cm zu haben, braun zu sein usw. - das alles (und noch viel mehr) macht die Art und Weise seines Daseins aus.




Hermeneuticus
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Sa 18. Nov 2017, 13:39

Alethos hat geschrieben :
Fr 17. Nov 2017, 21:50
Die Zahl muss hingegen völlig ohne Eigenschaften sein, denn Eigenschaften gehören den Dingen der Raumzeit an.
Nein, warum das? Selbstverständlich haben Zahlen Eigenschaften. Sind es nicht z.B. Eigenschaften der Zahl 8, größer als 7 und durch 4 und 2 teilbar zu sein? Sind "groß" und "klein", "gerade" und "ungerade", "einstellig", "dreistellig" usw. etwa keine Zahleneigenschaften?
Aber beide, der See und die Zahl haben gemeinsam, das Nichtsubjektive zu sein, denn nur als solche sind sie entweder objektives Seiendes (See) oder nicht raumzeitlich Seiendes (Gedanke). In jedem Fall aber sind sie selbsttragend, denn nur als solche sind sie nicht subjektiv.
Das leuchtet mir nicht ein. Man kann zwar das Subjektive und das Objektive so bestimmen, dass damit zwei disjunkte Klassen bezeichnet werden; was zur einen Klasse gehört, kann dann nicht zur anderen gehören. Aber wenn dann Gedanken zur Klasse des Objektiven gehören, fragt sich, wie Nicht-Objekte (= Subjekte) jemals an Gedanken herankommen sollen... ;)




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Alethos
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Sa 18. Nov 2017, 16:43

Hermeneuticus hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 13:39
Alethos hat geschrieben :
Fr 17. Nov 2017, 21:50
Aber beide, der See und die Zahl haben gemeinsam, das Nichtsubjektive zu sein, denn nur als solche sind sie entweder objektives Seiendes (See) oder nicht raumzeitlich Seiendes (Gedanke). In jedem Fall aber sind sie selbsttragend, denn nur als solche sind sie nicht subjektiv.
Das leuchtet mir nicht ein. Man kann zwar das Subjektive und das Objektive so bestimmen, dass damit zwei disjunkte Klassen bezeichnet werden; was zur einen Klasse gehört, kann dann nicht zur anderen gehören. Aber wenn dann Gedanken zur Klasse des Objektiven gehören, fragt sich, wie Nicht-Objekte (= Subjekte) jemals an Gedanken herankommen sollen... ;)
Der Punkt ist doch, dass es eine Vorstellung von Gedanken gibt, die Gedanken weder zum Subjektiven noch zum Objektiven zählt, aber die Alternative nicht nennt, wo sie denn vorkämen. Du hast vorgeschlagen, das Abstrakte als das Gedachte zu denken. Das kann ich nachvollziehen. Was ich (noch) nicht nachvollziehen kann, ist die Idee, dass Gedanken nichts Raumzeitliches seien. Vielleicht liegt das Problem ja bei meinem Sinn von Raumzeitlichkeit und es gibt darüber hinaus keine Probleme :) Aber wir schulden einander doch eine Explikation von Geist und Gedanken als objektiv, aber anders objektiv als das Ontische.
Jörn hat einen buchstäblich spannenden Vorschlag gebracht (logischer Raum, der sich aufspannt), vielleicht kann man das noch weiterentwickeln und ausbuchstabieren. Ich bin im Moment noch der Meinung, dass Gedanken ohne die Denker nicht vorkommen können.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 13:39
Alethos hat geschrieben :
Fr 17. Nov 2017, 21:50
Die Zahl muss hingegen völlig ohne Eigenschaften sein, denn Eigenschaften gehören den Dingen der Raumzeit an.
Nein, warum das? Selbstverständlich haben Zahlen Eigenschaften. Sind es nicht z.B. Eigenschaften der Zahl 8, größer als 7 und durch 4 und 2 teilbar zu sein? Sind "groß" und "klein", "gerade" und "ungerade", "einstellig", "dreistellig" usw. etwa keine Zahleneigenschaften?
Ja, Zahlen haben Eigenschaften dieser Art: grösser als, teilbar durch etc., aber sie haben keine Eigenschaften der raumzeitlichen Art wie das Wasser des Sees vor meinem Haus.



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Sa 18. Nov 2017, 17:28

Hermeneuticus hat geschrieben :
Do 16. Nov 2017, 13:01

Nun kann man verschiedener ontologischer Auffassung darüber sein, ob Abstrakta "eigenständige Entitäten" seien oder nicht. Mir persönlich ist das nicht so wichtig, so lange nur der Unterschied zwischen Abstraktem und Konkretem beachtet wird. Mag sein, dass Gedanken "existieren", aber sie existieren nicht auf die Weise, wie Sprecher und ihre Sätze existieren.
Hier sprichst du nicht einfach davon, dass Gedanken andere Eigenschaften haben als Sprecher und Sätze, sondern, du sagst Sprecher, Sätze und Gedanken existieren auf verschiedene Weisen. So wie du dich da ausdrückst, legst du nahe, dass es verschiedene Weisen des Existierens gibt und nicht nur verschiedene Eigenschaften. So als würde sich die Dinge, um die es da geht, sich nicht allein durch ihre Eigenschaften unterscheiden, sondern darüber hinaus durch die Weisen der Existenz. Doch wenn Existenz keine weitere Eigenschaft ist, wie du unten zugestehst, dann kann sie auch schwerlich in verschiedenen Arten und Weisen vorkommen.

Das, was du im folgenden Zitat sagst, ist jedoch klarerweise etwas anderes.
Hermeneuticus hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 13:05

Die Eigenschaften, die der Stuhl hat, lassen sich doch auch als Bestimmungen seiner Existenz auffassen. Dieser Gedanke ist sogar eine Konsequenz aus der Einsicht, dass die Existenz keine zusätzliche Eigenschaft ist. Gerade weil seine Existenz keine zusätzliche Eigenschaft des Stuhls ist, manifestiert sie sich in seinen Eigenschaften. Aus Holz zu sein, eine Höhe von 60 cm zu haben, braun zu sein usw. - das alles (und noch viel mehr) macht die Art und Weise seines Daseins aus.
Die Formulierung von oben, dass Gegenstände (das worüber man wahrheitsfähige Aussagen machen kann) in verschiedener Weise existieren, wiederholst du hier nicht. Das, was du jetzt sagst, heißt allerdings nicht mehr als: Gedanken haben andere Eigenschaften als Sprecher und ihre Sätze. Das ist zwar trivial, weil alles was verschieden ist, verschiedene Eigenschaften aufweist. Aber damit wäre ich einverstanden, denn dann würde die - wie ich finde - problematische Rede von den Existenzweise ihren Sinn verlieren und man könnte statt dessen einfach sagen: Gedanken, Sprecher und Sätze existieren (nach meiner Ansicht in verschiedenen Bereichen), sie haben diese und jene Eigenschaften ...

Allerdings würdest du dich dann selbst darauf verpflichten, im ersten Zitat auf die Anführungszeichen zu verzichten :-)




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Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 16:43
Ja, Zahlen haben Eigenschaften dieser Art: grösser als, teilbar durch etc., aber sie haben keine Eigenschaften der raumzeitlichen Art wie das Wasser des Sees vor meinem Haus.
Würdest also sagen wollen, dass Zahlen zwar Eigenschaften haben, so dass wir wahre Aussagen über die Zahlen machen können, sie aber dennoch nicht existieren?




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Alethos hat geschrieben :
Sa 18. Nov 2017, 11:11
Der erste Teil deiner Antwort besagt: ‚Wenn es kein Gefäss gibt, dann auch keine Erkennbarkeit, Wahrheit gibt es aber auch ohne dieses Gefäss.‘ Ist das in etwa korrekt wiedergegeben?
Ja, völlig korrekt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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