Freiheit

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 18:54
Keil hätte da zu Buchheim sicherlich ein paar Nachfragen
Ich wollte hier nicht die Position von Buchheim einnehmen, ich habe nur den Autor dieses Zitats genannt. Es ging nur um das Argument, das in diesem Zitat zum Ausdruck kommt.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 18:02
Der Philosoph Thomas Buchheim schreibt: "durch irgendwelche Faktoren muß schließlich all unsere Tätigkeit festgelegt werden, sonst wäre sie ein Zufallsprodukt und nicht eine Entscheidung der Person."
Mein Bezug zu Buchheim beginnt bei dem ersten Anführungszeichen und endet bei dem letzten.




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Jörn Budesheim
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Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 19:12
Damit sind [Gründe] ja erst einmal mentale Zustände und keine physikalischen Zustände.
In dem Argument, was ich oben skizziere, werden Gründe nicht als mentale Zustände verstanden. Jemand kann schließlich Gründe haben, etwas zu tun oder zu lassen, ohne von ihnen zu wissen. Wer allergisch gegen den Wirkstoff X ist, hat gute Gründe die Frucht B, die diesen Wirkstoff enthält, nicht zu essen, auch wenn er nichts von seiner Allergie weiß.




Olivenbaum2024
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Do 29. Feb 2024, 20:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 19:35
Ich wollte hier nicht die Position von Buchheim einnehmen, ich habe nur den Autor dieses Zitats genannt. Es ging nur um das Argument, das in diesem Zitat zum Ausdruck kommt.
Ich von meiner Seite habe es auch so verstanden :)
Ich finde dieses Zitat auch klar. Allerdings wirft dieses Zitat für mich gleich mehrere Fragen nach sich, weswegen dieses Zitat als Argument für dein Für-wahr-Halten des Kompatibilismus für mich schwer nachvollziehbar macht.

Hier die erste Frage, die ich habe:
Im Satz "durch irgendwelche Faktoren muß schließlich all unsere Tätigkeit festgelegt werden, sonst wäre sie ein Zufallsprodukt und nicht eine Entscheidung der Person." ist mit ausgesagt, dass eine Person die Entscheidung trifft.
Was ist eine Person?
Das man umgangssprachlich und dem sprachlichen Ausdruck nach die Entscheidung einer Person zuordnet, damit gehe ich d'accord.
Was ich nicht verstehe, ist, worauf 'Person' in der Wirklichkeit verweist? Ein Individuum, eine 'spezie'll ausgeprägtes Lebewesen? Ich meine es so: Der Mensch besteht aus sehr vielen Atomen, die zueinander in einer lektromagnetischen Wechselwirkung stehen. Oder noch enger: Eine Person ließe sich vollständig in Atome zerlegen. Nun würden wir auf der Ebene von Atomen nicht von 'Entscheidungen' sprechen. Jetzt zoomen wir so weit raus, dass wir das, was wir sehen können, als Person bezeichnen können. Und jetzt die Frage bzgl. Entscheidungen: Die neue Perspektive auf das Atomgeklüngel ermächtigt uns dazu, diesem Atomgeklüngel Attribute wie 'fühlen', 'nachdenken' oder eben 'Entscheidungen treffen' zuzusprechen. Wie kommen wir zu der Idee, dass die Anzahl der sich elektromagnetisch auf einander beziehenden Atome die Attribution bestimmt?; Wie kommen wir dazu, ein Atomgeklüngel Person zu nennen und diesem Entscheidungsfähigkeit zuzusprechen?
Wie du siehst, meine Frage tangiert nicht einmal die Entscheidung zw. Determinismus und Indeterminismus.

Nachschub: Analogie zur Verdeutlichung dessen, was ich sagen möchte: Angenommen in einem 1000 Baum starken Wald fallen 100 Bäume in der Mitte um (wie Dominosteine, weil sie Morsch sind...) Zoomen wir raus, bis wir uns in der Vogelperspektive befinden, erkennen wir nicht mehr die einzelnen umfallenden Bäume, sondern, dass sich der Wald in der Mitte lichtet. Mein Punkt: Natürlich können wir von der Baumansammlung als vom Wald sprechen und von diesem aussagen, dass er sich in der Mitte lichtet oder dass er eine kahle Stelle in der Mitte bekommt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Bäume umfallen und das die Rede vom kahl werdenden Wald genauso metaphorisch ist wie die Aussage von der untergehenden Sonne. Und wenn schon der Übergang von umfallen Bäumen zum lichter werdenden Wald problematisch ist, ist dann nicht der Übergang zwischen elektormagnetisch sich aufeinander beziehenden Atomen zur Entscheidung treffenden Person noch problematischer?
Zuletzt geändert von Olivenbaum2024 am Do 29. Feb 2024, 20:36, insgesamt 1-mal geändert.




Olivenbaum2024
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Do 29. Feb 2024, 20:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 19:51
In dem Argument, was ich oben skizziere, werden Gründe nicht als mentale Zustände verstanden. Jemand kann schließlich Gründe haben, etwas zu tun oder zu lassen, ohne von ihnen zu wissen. Wer allergisch gegen den Wirkstoff X ist, hat gute Gründe die Frucht B, die diesen Wirkstoff enthält, nicht zu essen, auch wenn er nichts von seiner Allergie weiß.
Würden nicht z. B. Wolf Singer oder Gerhard Roth (Deterministen) von Gründen als von unbewussten mentalen Zuständen sprechen?




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Jörn Budesheim
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Do 29. Feb 2024, 20:26

Du nimmst einfach an, ohne einen Grund zu nennen, dass man eine Person vollständig in Atome zerlegen kann.

Das glaube ich nicht. Dazu ein oder zwei Beispiele: Personen können soziale Rollen einnehmen, z.B. Vater sein, Angestellter sein, Vorsitzender eines Sportvereins sein und so weiter. Wir haben es mit sozialen Beziehungen zu tun, die Erwartungen, Verpflichtungen und Ähnliches mit sich bringen. Die Fähigkeit, Verpflichtungen zu übernehmen, kann nicht auf die Ebene der Atome zurückgeführt oder heruntergebrochen werden, das ist meines Erachtens eine Vorstellung, die überhaupt keinen Sinn macht.

Die Idee, dass man Personen auf Atome herunterbrechen kann, unterschlägt außerdem, ohne einen Grund dafür zu nennen, die Möglichkeit, dass es Kausalitäten von "oben nach unten" gibt.

Für diese Behauptung ("Eine Person ließe sich vollständig in Atome zerlegen") bräuchtest du also erstmal ziemlich gute Gründe, ich kaufe es auf keinen Fall ohne.




Olivenbaum2024
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Do 29. Feb 2024, 21:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 20:26
Du nimmst einfach an, ohne einen Grund zu nennen, dass man eine Person vollständig in Atome zerlegen kann.

Das glaube ich nicht. Dazu ein oder zwei Beispiele: Personen können soziale Rollen einnehmen, z.B. Vater sein, Angestellter sein, Vorsitzender eines Sportvereins sein und so weiter. Wir haben es mit sozialen Beziehungen zu tun, die Erwartungen, Verpflichtungen und Ähnliches mit sich bringen. Die Fähigkeit, Verpflichtungen zu übernehmen, kann nicht auf die Ebene der Atome zurückgeführt oder heruntergebrochen werden, das ist meines Erachtens eine Vorstellung, die überhaupt keinen Sinn macht.

Die Idee, dass man Personen auf Atome herunterbrechen kann, unterschlägt außerdem, ohne einen Grund dafür zu nennen, die Möglichkeit, dass es Kausalitäten von "oben nach unten" gibt.

Für diese Behauptung ("Eine Person ließe sich vollständig in Atome zerlegen") bräuchtest du also erstmal ziemlich gute Gründe, ich kaufe es auf keinen Fall ohne.
Da hast du Recht. Ich gebe keine Gründe an.
Ich gehe davon aus, dass sich Deterministen und gewisse Kompatibilisten darauf einigen würden, wenn man sie fragen würde.
In was würdest du das etwas, das vor dir steht und das du als 'Mensch' bezeichnen würdest, zerlegen? Welchen ontologischen Status hätten die Bestandteile?




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AufDerSonne
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Do 29. Feb 2024, 21:05

Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 20:13
Wie kommen wir dazu, ein Atomgeklüngel Person zu nennen und diesem Entscheidungsfähigkeit zuzusprechen?
Atome sind unbelebt. Eine Person ist belebt. Also stellt sich hier noch die Frage, wie aus toter Materie (Atomen) überhaupt ein Lebewesen werden kann, also etwas, das lebt. Das finde ich eine interessante Frage. Ja ich weiss, die Evolution. Aber es ist noch völlig offen, wie aus irgendwelchen Molekülen so etwas wie Leben entstanden sein könnte und wie es vor x-Millionen Jahren tatsächlich genau ablief.

Theoretisch kann man einen Menschen in seine Atome zerlegen. Praktisch bisher nicht. Aber theoretisch gebe ich dir Recht. Man kann einen Menschen in seine Atome zerlegen.



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Olivenbaum2024
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Do 29. Feb 2024, 21:40

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 21:05
Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 20:13
Wie kommen wir dazu, ein Atomgeklüngel Person zu nennen und diesem Entscheidungsfähigkeit zuzusprechen?
Atome sind unbelebt. Eine Person ist belebt. Also stellt sich hier noch die Frage, wie aus toter Materie (Atomen) überhaupt ein Lebewesen werden kann, also etwas, das lebt. Das finde ich eine interessante Frage. Ja ich weiss, die Evolution. Aber es ist noch völlig offen, wie aus irgendwelchen Molekülen so etwas wie Leben entstanden sein könnte und wie es vor x-Millionen Jahren tatsächlich genau ablief.

Theoretisch kann man einen Menschen in seine Atome zerlegen. Praktisch bisher nicht. Aber theoretisch gebe ich dir Recht. Man kann einen Menschen in seine Atome zerlegen.
Danke für deinen Beitrag.

Eine belebte Materie oder wie man es im Mittelalter nannte: 'corpus animatum' (belebter oder besser: beseelter Körper) ist ein sehr schönes Beispiel für einen Körper-Seele-Dualismus.
Sehen wir aber von 'seelischen' Entitäten ab, was bleibt dann übrig?
Was bleibt neben Körper/Materie übrig (an dieser Stelle lasse ich die Unterscheidung zw. Körper und Materie)?

Person, Lebewesen, belebt: Das wären im Rahmen einer Welt, die nur aus physikalischen Entitäten besteht, Attributionen auf der Ebene größerer Atommengen.
Und wenn du auf der Ebene einzelner Atome einen Determinismus annimmst, dann ist die Rede von Nicht-Determinismus oder Willensfreiheit auf der Ebene größerer Atommengen für mich zwar umgangssprachlich unproblematisch, auch physischen Ebene nicht ableitbar. Denn ich wüsste nicht, was bei dem Zusammenschluss vieler Atome neben der bereits bestehenden elektromagnetischen Wechselwirkung dazukommt. Quantitativer Wachstum erzeugt ja keine qualitative Neuschöpfung. Auch wenn quantitativer Wachstum sicherlich eine Neuausrichtung aller Bestandteile nach sich zieht und die Komplexität und Trägheit etc., qualitativ kommt nichts dazu oder?

Meine Annahmen:
- Es gibt keinen Gott.
- Es gibt keine Entitäten außer den physischen Entitäten.




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AufDerSonne
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Do 29. Feb 2024, 22:09

Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 21:40
Auch wenn quantitativer Wachstum sicherlich eine Neuausrichtung aller Bestandteile nach sich zieht und die Komplexität und Trägheit etc., qualitativ kommt nichts dazu oder?

Meine Annahmen:
- Es gibt keinen Gott.
- Es gibt keine Entitäten außer den physischen Entitäten.
Es gibt keinen Gott, ja. Das denke ich auch. Aber es gibt nur physische Entitäten, jein. Bei der Materie/Atomen sind wir einfach sehr sicher, dass es sie gibt.
Ich habe keine Probleme damit mir vorzustellen, wie eine gewisse Logik zu spielen beginnt, wenn sich etwa die Neuronen im Gehirn miteinander verschalten und ein gigantisches Netzwerk bilden. Noch dazu ein sehr schnelles.
Man kann das heutzutage besonders gut bei Computern sehen. Diese können logische Operationen ausführen und sind ja im Aufbau (Transistoren/Schalter) noch recht leicht nachvollziehbar. Wenn ein Computer schon eine minimale Intelligenz/Logik besitzen kann, wieso dann nicht ein viel komplexeres Gehirn?



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Quk
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Do 29. Feb 2024, 23:07

Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 19:12
Quk hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 18:30
Sehr geehrter Herr Thomas Buchheim,

einige Verständnisfragen bleiben mir offen:
Hat es schon immer Gründe gegeben im zeitlosen Sinne, oder entstehen sie?
Falls es schon immer Gründe gab (im Sinne, wie es Zahlen gibt), gab es sie schon vor dem Beginn des Lebens?
Falls Gründe entstehen, wodurch entstehen sie?
Sind Gründe Information?
Falls Gründe Information sind, wo oder wie sind sie oder werden sie gespeichert?
Falls Gründe aus einem Speicher abrufbar sind, wie gelangen sie in den Entscheidungsvorgang der Person?
Sieht aus, als ob hättest du den Herrn Buchheim bereits angeschrieben? :)
Ist dein Fragekatalog rhetorischer Natur oder erwartest du in der Tat einen Antwort von Jörn oder Thomas?
Das sind keine rhetorischen Fragen. Wie oben angemerkt sind das Verständnisfragen. Ich habe darüber schon oft mit Jörn diskutiert, aber ich habe bisher keine Antworten erhalten.

Du bist der Ansicht, man kann eine "Person" P gedanklich in Einzelteile zerlegen. Das denke ich auch, und zwar aus guten Gründen:

1. P dehnt sich aus in Raum und Zeit, P ist also kein Punkt, und schon gar nicht ein Ich-Punkt. Nun untersuche ich seine Ausdehnung wie folgt.
2. Mit all meinen Sinnen sehe ich in P eine Vielgestaltigkeit: P besteht aus unzähligen akustischen Tätigkeiten, unzähligen visuellen Teilen, unzähligen Gerüchen und so weiter. All diese Sachen ändern sich in der Zeit und in ihrer Örtlichkeit.
3. Mich selbst als P auffassend, spüre ich unzählige Gefühle und sonstige mentale Qualitäten, egal ob Illusion oder nicht: Da ist ein vielgestaltiger Geist.
4. Was vielgestaltig ist, lässt sich gedanklich auch in viele Gestalten aufteilen. Wir müssen da gar nicht auf die Elementarteilchen-Ebene hinuntergehen; es reicht schon, wenn mir mein Arm einschläft, da kann "ich" mit "ihm" keine Handlungen mehr ausführen. Da haben wir bereits mehr als ein Teil von P. Oder wenn ein Teil meines Hirns ausfällt und "ich" deswegen keine Gesichter mehr erkennen kann. Offensichtlich gibt es also etliche Gründe für die Auffassung, dass P aus vielen interaktiven Teilen besteht.

Eine These, die diese Vielgestaltigkeit bestreitet, muss zwingend annehmen, dass P nur ein Punkt ist oder, wenn P doch ausgedehnt ist, ein durchweg grauer Einheitsbrei ist. Das ist in meinen Augen absurd. Also für die Annahme, dass man P aufteilen kann, gibt es unendlich viele solide Gründe, für das Gegenteil hingegen nicht. Das Gegenteil kann man offenbar nur "glauben". Ich, jedenfalls, kann das nicht glauben.




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Jörn Budesheim
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Gründe sind Relationen. Und zwar die Relationen des "für etwas sprechens". Die Tatsache, dass ich Hunger habe, spricht dafür, etwas zu essen zu kaufen. Dass die Geschäfte am Sonntag geschlossen sind, spricht dafür, vorher einzukaufen. Dass es regnet, spricht dafür, den Regenschirm mitzunehmen. (Das ist natürlich eine vereinfachte Darstellung, in der Regel spielen viel mehr Gründe eine Rolle für uns, oft auch solche, die für unterschiedliches sprechen oder zu sprechen scheinen.)

Unser ganzes Verhältnis zur Wirklichkeit ist durchwoben von Gründen, nach denen ich mich richten kann, an denen ich mich orientieren kann. Solange es Menschen (und andere Lebewesen) gibt, gibt es diese Beziehungen, aber sie sind keine Projektionen von uns, auch wenn sie mit unserer Existenz verbunden sind.




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Jörn Budesheim
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Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 21:40
Meine Annahmen:
- Es gibt keinen Gott.
- Es gibt keine Entitäten außer den physischen Entitäten.
Wenden wir diese Behauptung auf sie selbst an. Wie kann eine Annahme eine physische Entität sein?

Eine Annahme hat einen Inhalt, in diesem Fall zum Beispiel: "Es gibt nur physische Entitäten". Aus diesem Inhalt folgen logisch verschiedene Dinge. Möglicherweise das folgende: Alles, was existiert, besteht aus Materie und Energie. Moralische Werte und ethische Prinzipien haben keine objektive Grundlage. Paranormale Phänomene oder übernatürliche Kräfte haben keine Grundlage, weil sie mit den Prinzipien der Physik nicht vereinbar sind. Und vieles mehr.

Daraus folgt für mich zwingend, dass Annahmen unter anderem logische Entitäten sind, denn sie existieren in einem (inferentiellen) logischen Netz von "Schlussfolgerungen", die sich aus dem ergeben, was der Fall wäre, wenn die Annahme wahr wäre. Wenn es aber nur physikalische Entitäten gibt und Annahmen u.a. logische Entitäten sind, dann enthält deine Aussage einen klaren Selbstwiderspruch. (Ein Selbstwiderspruch ist im Übrigen ein weiteres Beispiel für eine Entität, die nicht physisch ist.)

Ein anderes Beispiel: Was soll es bedeuten, dass 753te Stelle von PI aus physischen Entitäten besteht?




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Jörn Budesheim
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Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 21:40
Denn ich wüsste nicht, was bei dem Zusammenschluss vieler Atome neben der bereits bestehenden elektromagnetischen Wechselwirkung dazukommt.
spektrum.de hat geschrieben : Den rein mathematischen Beweis, dass Handlungen mehr sein könnten als die Gesamtheit der atomaren Zustände im Gehirn, haben Hoel und seine ehemaligen Laborkollegen Larissa Albantakis und Julio Tononi der University auf Wisconsin in Madison nun vorgelegt. In der mathematischen Sprache der Informationstheorie argumentieren sie, dass die Ursachen vieler Ereignisse nicht in den Bausteinen makroskopischer Objekte liegen können. Stattdessen, so ihre Schlussfolgerung, könnten die makroskopischen Zustände eines physikalischen Systems (wie etwa der psychologische Zustand von Romeos Gehirn) die Zukunft des Systems oft besser vorhersagen, als eine noch so detaillierte Beschreibung des Systems es je könnte.

Quelle




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Mär 2024, 07:49
Gründe sind Relationen. Und zwar die Relationen des "für etwas sprechens". Die Tatsache, dass ich Hunger habe, spricht dafür, etwas zu essen zu kaufen. Dass die Geschäfte am Sonntag geschlossen sind, spricht dafür, vorher einzukaufen. Dass es regnet, spricht dafür, den Regenschirm mitzunehmen. (Das ist natürlich eine vereinfachte Darstellung, in der Regel spielen viel mehr Gründe eine Rolle für uns, oft auch solche, die für unterschiedliches sprechen oder zu sprechen scheinen.)

Unser ganzes Verhältnis zur Wirklichkeit ist durchwoben von Gründen, nach denen ich mich richten kann, an denen ich mich orientieren kann. Solange es Menschen (und andere Lebewesen) gibt, gibt es diese Beziehungen, aber sie sind keine Projektionen von uns, auch wenn sie mit unserer Existenz verbunden sind.
Verständnisfragen (keine rhetorische Fragen):

1. Wie entstehen solche Beziehungen?
2. Wie gelangen diese Beziehungen in das menschliche Wissen?
3. Spielen diese Gründe eine Rolle im menschlichen Entscheidungsvorgang?

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Mär 2024, 08:24
Olivenbaum2024 hat geschrieben :
Do 29. Feb 2024, 21:40
Denn ich wüsste nicht, was bei dem Zusammenschluss vieler Atome neben der bereits bestehenden elektromagnetischen Wechselwirkung dazukommt.
spektrum.de hat geschrieben : Den rein mathematischen Beweis, dass Handlungen mehr sein könnten als die Gesamtheit der atomaren Zustände im Gehirn, haben Hoel und seine ehemaligen Laborkollegen Larissa Albantakis und Julio Tononi der University auf Wisconsin in Madison nun vorgelegt. In der mathematischen Sprache der Informationstheorie argumentieren sie, dass die Ursachen vieler Ereignisse nicht in den Bausteinen makroskopischer Objekte liegen können. Stattdessen, so ihre Schlussfolgerung, könnten die makroskopischen Zustände eines physikalischen Systems (wie etwa der psychologische Zustand von Romeos Gehirn) die Zukunft des Systems oft besser vorhersagen, als eine noch so detaillierte Beschreibung des Systems es je könnte.

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Ja, die Summe aller Teile ist mehr als die Summe. Das ist auch meine Ansicht. Ich bringe dafür immer diese Metapher: Rot und blau sind nicht nur die zwei Teile rot und blau, sondern sie ergeben mehr, nämlich magenta. -- Dieses Mehr führt aber nicht zu dem Schluss, dass der Mensch einteilig sei. Im Gegenteil, es impliziert ja, dass die Summe etwas mehrteiliges enthält.




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Fr 1. Mär 2024, 11:46

Bei diesen Fragen ist es für mich schwer bis unmöglich nachzuvollziehen, wieso sie sich stellen sollten. Ein Beispiel:

"Dass es regnet, spricht dafür, den Regenschirm mitzunehmen."

"Wie entsteht die Beziehung?"
Die Frage versteh' ich überhaupt nicht. Worauf willst du hinaus? Wie sollte es darauf eine Antwort geben können bei so vielen unterschiedlichen Relata?

"Wie gelangen diese Beziehungen in das menschliche Wissen?"
Verstehe ich ebenso wenig. Ich sehe halt, dass es regnet, das liefert mir einen Grund, den Schirm mitzunehmen.

"Spielen diese Gründe eine Rolle im menschlichen Entscheidungsvorgang?"
Hä? Die Autorität von Gründen spielt in unseren Entscheidungen die zentrale Rolle schlechthin.




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Fr 1. Mär 2024, 12:12

Dass Du die ersten zwei Fragen nicht verstehst, verstehe ich wiederum nicht :-) Dein Nichtverstehen dieser Fragen ist vielleicht der Hindergrund (mit "d") dafür, dass Du auch nicht verstehst, was ich mir unter Kausalität vorstelle. Möglicherweise werden wir in diesem Punkt sprachlich und gedanklich nie zusammenkommen.

Die dritte Frage hast Du bejaht. Ich bejahe sie auch. Wir sind uns also einig, dass Entscheidungsvorgänge geschehen?




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Fr 1. Mär 2024, 12:20

Quk hat geschrieben :
Fr 1. Mär 2024, 12:12
Wir sind uns also einig, dass Entscheidungsvorgänge geschehen?
Damit bin ich nicht einverstanden. Mir schwebt stattdessen Pi mal Daumen so etwas vor: Personen treffen Entscheidungen (Regenschirm mitnehmen), bei denen in aller Regel die Autorität von Gründen (es regnet) eine Rolle spielt. Könnte sicher noch präziser formuliert sein.




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Fr 1. Mär 2024, 12:36

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 1. Mär 2024, 12:20
Quk hat geschrieben :
Fr 1. Mär 2024, 12:12
Wir sind uns also einig, dass Entscheidungsvorgänge geschehen?
Damit bin ich nicht einverstanden.
Somit hast Du auch die dritte Frage verneint, die da lautete:

"Spielen diese Gründe eine Rolle im menschlichen Entscheidungsvorgang?"

Ich vermute, Deine Vorstellung von Kausalität ist ganz anders als die meine.




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Jörn Budesheim
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Fr 1. Mär 2024, 12:58

Quk hat geschrieben :
Fr 1. Mär 2024, 12:36
Kausalität
Ich schätze mal, dass du versuchen wirst, Gründe (und damit deren Normativität) loszuwerden. Aber Gründe sind keine Ursachen. Darauf werden wir uns nicht einigen können.




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Fr 1. Mär 2024, 13:05

Gründe will ich keinesfalls loswerden.

Ja, Gründe sind etwas völlig anderes als Ursachen. Den Unterschied habe ich in letzter Zeit mehrmals ausführlich beschrieben.

Loswerden möchte ich gar nichts. Mir scheint eher, jemand will die Kausalität loswerden :-)




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