Wahrheit

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 12:32

Quk hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2024, 12:16
Aber ich verwende sie nicht synonym.
Das natürlich nicht. Aber dass sie verschieden sind, ist der Grund, warum Aussagen (oder Meinungen) eben näherungsweise wahr sein können. (siehe oben)




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Quk
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Fr 23. Feb 2024, 15:11

"Die Sonne ist größer als der Mars."

Wie kann so eine Aussage "halbwahr" sein? Doch nur dann, wenn die Aussage mehrdeutig ist, also wenn sie weitere Aussagen impliziert. Diese hier impliziert, dass kein anderer Mars in einem anderen Sonnensystem gemeint ist. Es könnte woanders einen Doppelstern geben, in dem einer davon auch "Mars" genannt wird. Also, wenn der Einwand der Halbwahrheit besteht, muss man die Aussage präzisieren:

"In unserem Sonnensystem ist unsere Sonne größer als unser Mars."

Wie könnte nun diese präzisiere Aussage wiederum "halbwahr" sein? Auch wieder nur dann, wenn die Aussage mehrdeutig ist. So muss man auch diese abermals präzisieren und so weiter. Das ist im Prinzip auch die wissenschaftliche Methode.

Die Annäherung an die Wahrheit ist nichts anderes als eine fortschreitende Präzisierung der Aussage, beziehungsweise die Reduktion ihrer Mehrdeutigkeit. Die vielen, in der Gesamtaussage implizierten, einzelnen Aussage-Atome sind jedes für sich nur entweder wahr oder unwahr.

Man kann also die Gesamtaussage als eine "genäherte Wahrheit" bezeichnen. Aber der springende Punkt ist doch, welche ihrer einzelnen Aussage-Atome wahr sind. Wenn eine Aussage wirklich eindeutig ist (das meine ich mit "atomar"), und somit nicht mehr teilbar ist, dann ist auch ihre binäre Wahrheits-Skala zwischen null und eins nicht mehr weiter in drei oder mehr teilbar.

Wenn die Richterin urteilt, Müller habe Schmidt getötet, befinden wir uns mit diesem Urteilsspruch auf einer Metaebene über der Wahrheit. Das vollständige Urteil kann nur wahr oder unwahr sein. Selbst wenn in einer quantenmechanischen Parallelwelt etwas anderes geschah, so geht es in diesem Urteil nicht um diese Parallelwelt, sondern um das, was beklagt wird. Und die Beschreibung dessen kann nur entweder wahr oder unwahr sein. Das Urteil kann nur insofern halb wahr sein, als beispielsweise Müller in Wahrheit Meier heißt. Das Aussageatom "dies ist Müller" wäre dann klar falsch, aber nicht halbwahr. Daraus wird also keine Halbwahrheit in dem Sinne, dass Müller den Schmidt nur ein bisschen getötet hat. Sondern in der Menge der Aussagenatome sind manche klar falsch, und die übrigen sind klar wahr.
Zuletzt geändert von Quk am Fr 23. Feb 2024, 15:31, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2024, 15:11
"Die Sonne ist größer als der Mars."
Der Wahrheitswert dieser Aussage ist wahr. Die anderen Wahrheitswerte entfallen damit.




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Quk
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Fr 23. Feb 2024, 15:32

Ich habe meinen letzten Kommentar editiert:

https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... 463#p74463




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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 15:41

Du schreibst: "Wie kann so eine Aussage "halbwahr" sein?" Kann sie nicht, die sie eben einen anderen Wahrheitswert hat. Dass manche Aussagen den Wahrheitswert "wahr" oder "falsch" haben, spricht nicht dagegen, dass andere Aussagen einen dritten Wahrheitswert haben.




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Quk
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Fr 23. Feb 2024, 16:01

Was wäre eine beispielhafte Aussage, die einen dritten Wert zwischen wahr und falsch hat?




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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 16:35

Dazu habe ich auf Seite 1 des Fadens das eine oder andere geschrieben, zum Beispiel: "Das Kino ist ungefähr dahinten [zeigt die Richtung]" oder auch das, was ich heute morgen über den Fortschritt des Wissens geschrieben habe.




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Quk
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Fr 23. Feb 2024, 17:00

"Das Kino ist ungefähr dahinten [zeigt die Richtung]."

Diese Aussage kann meiner Auffassung nach nur entweder wahr oder falsch sein. Beim Wort "ungefähr" mag zwar der Gedanke aufkommen, die Aussage erlaube einen "ungefähren Wahrheitswert". Aber genau das ist eben die Unterscheidung, die ich zu erklären versuche: Der Ja-Nein-Frage stellt sich die Gesamtaussage mit all seinen vielen enthaltenen Aussageatomen; dazu gehört auch das Aussageatom des Begriffs "ungefähr". "Ungefähr" kann man so definieren: Es gibt ein Überall und ein Ungefähr. Das Ungefähr bezeichnet einen Raum, der kleiner ist als das Überall. Es macht also keinen Sinn, zu sagen, X sei ungefähr überall. Mit dem Ungefähr möchte ich die Unendlichkeit auf etwas endliches eingrenzen. Zudem muss der gesuchte Gegenstand kleiner sein als der gezeigte ungefähre Bereich. Denn wenn das Kino so groß ist wie der gezeigte Bereich, dann ist das Kino exakt in diesem Bereich, und das Wort "ungefähr" muss sinnvollerweise durch das Wort "exakt" ersetzt werden.

Der obige Satz sagt aus, dass das Kino nicht überall ist, sondern irgendwo in dem gezeigten Bereich. Das ist wahr oder falsch.

Ich kann auch sagen: "Das Kino ist auf der Erde." Die Erde ist ja auch ein endliches Feld, und das ist größer als ein Kino.

Auf der Erde befindet sich das Kino.
In dem mit dem Finger eingekreisten Bereich befindet sich das Kino.
In Rom befindet sich das Kino.
5 ist größer als 3 und kleiner als 7.
Ich bin doof oder ich bin nicht doof.
Die Sonne ist größer als der Mars. (Ja wie groß denn genau?)


Das sind alles "ungefähre" Aussagen. Trotzdem sind sie nur wahr oder falsch.




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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 17:09

Ich schätze, wir kommen da nicht zusammen. Für dich ist es kein Beispiel, für mich ist es ein klares Beispiel, belassen wir es dabei.




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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 17:16

Quk hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2024, 17:00
Aussage
Das wäre mal interessantes Thema, vielleicht für später, ob "in eine Richtung zeigen" eine Aussage ist.




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Stefanie
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Fr 23. Feb 2024, 17:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2024, 11:56
Wissen und Wahrheit sind jedoch keine Begriffe, die sich einfach "trennen" lassen, sie hängen zusammen, der Begriff des Wissens ist vom Begriff der Wahrheit abhängig. Denn damit das, was jemand glaubt, als Wissen gelten kann, muss es zumindest wahr sein. Und wenn sich eine Aussage, ein Glaube den Tatsachen annähert, dann sind die Aussage, der Glaube eben annähernd wahr.
Bedeutet dies, dass das "Gott existiert" nicht wahr ist?
Damit etwas als Wissen gelten kann, muss es zumindest war sein, allerdings gibt es hier keinerlei Tatsachen, an die sich angenähert werden kann.



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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 17:43

Mit "glauben" meinte ich nicht "glauben" im religiösen Sinn. Vielleicht eher im Sinne von, ich glaube, es ist 4 Uhr.




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Stefanie
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Fr 23. Feb 2024, 17:51

Ich möchte eigentlich nur wissen, ob für sowas wie Glauben auch die Wahrheitskriterien gelten. Tatsachen, messbare, sichtbare, oder Formeln gibt es ja nicht.
Ebenso wahrscheinlich nicht für Gefühle.

Es gibt Ja Nein Vielleicht (es könnte sein...) dieses Vielleicht ist die sich annähernde Wahrheit?



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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 18:06

Was ist dein Vorschlag dazu?




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Stefanie
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Fr 23. Feb 2024, 18:36

Im Moment geht das bei mir so...Beitrag gelesen...aha. Nächsten Beitrag gelesen, ähm wie, usw. wechselnd. Das betrifft beide Positionen. Immer wenn ich denke, jetzt habe ich es...war wohl nichts.
Und mir spukt andauernd die Fuzzy Logik der Waschmaschine im Kopf rum. Ich frag einfach mal.
Jörn
Im Unterschied zur klassischen Logik kann Fuzzy-Logik auch Aussagen verarbeiten, die nicht nur 'wahr' oder 'falsch' sind, sondern auch 'eher wahr' oder 'eher falsch'. Sie verwendet Werte zwischen 0 und 1 für die Wahrscheinlichkeit von Aussagen. Die Fuzzy-Logik wird in verschiedenen Bereichen wie der Regelungs- und Steuerungstechnik, der Bildverarbeitung, bei Haushaltsgeräten und in der Medizin genutzt.
Ich habe versucht das herauszubekommen. Die Fuzzy Logik bei der Waschmaschine regelt die benötigte Wassermenge. Mehr Wäsche mehr Wasser, weniger Wäsche weniger Wasser. In der Regel wird ein Sollwert festgelegt, wieviel Wasser benötigt wird. Je mehr Wäsche in der Trommel, desto mehr Wasser saugt diese Wäsche auf. Ist die Menge des Wassers unterhalb der festgelegten Menge, wird Wasser zugeführt, liegt es über der Sollmenge gibt es kein weiteres Wasser. Das Programm startet und es wird das Wasser eingelassen, immer zunächst die identische Menge Wasser. Dann fängt sich die Trommel an zu drehen und dann nach ein paar mal, wird entweder noch mal Wasser zugefügt oder eben nicht. Ich habe das gestern beobachtet, einmal volle Trommel und einmal halbvoll, identisches Programm. Bei der halbvollen gab es keinen Nachschub, bei der vollen Trommel schon. Das war übrigens eine frierende Angelegenheit, die Maschine steht im Keller.

Wieso ist das ein Beispiel für eher wahr oder eher falsch? Es ist doch klar definiert, wann Wasser zugeführt wird und wann nicht. Mir fehlt die Wahrscheinlichkeit, irgendwie.
Es kann auch sein, dass ich es nicht verstanden habe.



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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 18:42

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 21. Feb 2024, 10:59
Welche Formen der Wahrheit gibt es? (Ich bin mir nicht sicher, ob "Formen" hier ein glücklicher Ausdruck ist, sei's drum.)
  • Aussagen-Wahrheit: Sätze können wahr, falsch, weder noch oder annähernd wahr oder falsch sein.
  • Dasselbe gilt wahrscheinlich für "Meinung" (oder so ähnlich): Die Katze kann meinen, dass der Futternapf in der Küche steht, auch das kann wahr, falsch, weder noch oder annähernd wahr oder falsch sein.
  • Darüber hinaus gibt es einen sogenannten ontologischen Wahrheitsbegriff. Wenn es wahr ist, dass das Universum mit einem Urknall begonnen hat, dann war das wahr, lange bevor es Wesen gab, die etwas meinen oder sagen konnten.
  • Wahrheit ist auch in der Kunst wichtig. Eine Geschichte kann erfunden, also in diesem Sinne nicht "wahr" sein, aber sie kann dennoch Wahrheiten aufzeigen, indem sie z.B. exemplarische Situationen erzählt.
  • ...
Welche anderen "Formen" der Wahrheit gibt es? Oder scheiden welche aus meiner Startliste aus. Wenn ja, warum?

In diesem, wie in allen meinen Fäden, sind Wikipedia Zitate nicht willkommen.
Nun haben sich viele auf den Punkt gestürzt, ob es neben wahr und falsch noch einen dritten Wahrheitswert gibt, oder wie auch immer man das ausdrücken will. Ich habe diesen Punkt nur der Vollständigkeit halber erwähnt, im Grunde geht es mir in diesem Thread nicht darum ...




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Stefanie
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Fr 23. Feb 2024, 19:00

Na ja...das ist halt was Neues. Zumindest für mich gab es bis dahin nur wahr oder unwahr, falsch oder richtig. Wahrscheinlichkeiten sagen, dass etwas nur wahrscheinlich ist. Wie der Wetterbericht, besser die Wetterprognose, 14:00 Uhr soll es schneien. Erst dann, wenn der Tag vorbei ist, weiß man sicher, ob die Wahrscheinlichkeit für Schnee zur Tatsache es gab Schnee geworden ist. Je näher man an die 14:00 Uhr kommt, und die Sonne immer noch scheint, ist dann das annähernd falsch bzw, unwahr, oder? Das Ergebnis: der Wetterbericht ist unwahr. Und letzteres ist der Streitpunkt? Diese Wertung?



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Stefanie
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Fr 23. Feb 2024, 19:02

Und worum geht es Dir hauptsächlich.?



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Jörn Budesheim
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Fr 23. Feb 2024, 19:06

Stefanie hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2024, 19:00
Wahrscheinlichkeiten
Kommen die in dem Startbeitrag vor? Eigentlich doch nicht, oder?




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Jörn Budesheim
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Stefanie hat geschrieben :
Fr 23. Feb 2024, 19:02
Und worum geht es Dir hauptsächlich.?
Das, was ich oben geschrieben habe, nämlich verschiedene Aspekte der Wahrheit zu erforschen, z.B. die Frage nach der ontischen Wahrheit, nach der Wahrheit in der Poesie, in der Kunst etc. Den Begriff in seiner Verschiedenartigkeit oder Weite erkunden.




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