Nauplios hat geschrieben : ↑ Fr 27. Okt 2023, 17:13
Die Systemtheorie beginnt mit einer Unterscheidung, mit der Unterscheidung von System und Umwelt. Würde man nichts unterscheiden, ließe sich auch nichts beobachten; man hätte einzig ein Rauschen. Man beobachtet mithilfe einer Unterscheidung (s. das, was Jörn vorhin dazu geschrieben hat). Das bedeutet jedoch nicht, daß man nicht auch mit einer anderen Unterscheidung beginnen könnte: Subjekt/Objekt oder Bewußtsein/Gegenstand oder Ich/Welt oder Individuum/Gesellschaft oder Sein/Seiendes oder Substanz/Akzidenz oder res cogitans/res extensa oder Ding an sich/Erscheinung oder empirisch/transzendental oder sakral/profan oder gläubig/ungläubig ... Die Frage ist im Grunde eigentlich nur: was läßt sich mit welcher Unterscheidung beobachten? Und daran anschließend: Was spricht für die jeweilige Unterscheidung im Hinblick auf eine
Theorie der Gesellschaft, die in der Lage ist, das Funktionieren der modernen Gesellschaft zu beschreiben?
Es sind also durchaus mehrere Unterscheidungen möglich; unmöglich ist dagegen eine "Ur-Unterscheidung"; das wäre eine Unterscheidung, die nicht auf Unterscheidungen zurückgeht. Ohne Unterscheidung geht nichts. Der Einzige, der beobachten kann ohne Unterscheidungen zu treffen, ist Gott. Deshalb sieht Gott alles, auch daß er sieht, daß er alles sieht. Gott ist gleichsam der Beobachter nullter Ordnung. Ihn können aber auch die Theologen nicht beobachten. Deshalb beobachten sie bevorzugt den Teufel, denn der Teufel (er ist ja von Gott "abgefallen", ist also der erste, der Gott und sich unterscheidet) beobachtet Gott, wenn auch mit dem blinden Fleck, daß er nur sieht, was er sieht und nicht sieht, daß er nicht sieht, was er nicht sieht. So ist der Teufel als theologische Auskunftsquelle von besonderem Interesse. Indem man nämlich den Teufel beobachtet (Beobachtung zweiter Ordnung), der Gott beobachtet (Beobachtung erster Ordnung), der ALLES beobachtet (Beobachtung nullter Ordnung), ist man der Letztinstanz am nächsten.
Absoluter Wahnsinn, ein aussergewöhnlicher Post, danke! Das hat was in meinem Gehirn geöffnet und ich habe fragen, kann sie aber kaum artikulieren.
Ein Beobachter n-ter Ordnung scheint mir, mit der Ausnahme der Ordnung 0, selber nur Beobachtungen (n+1)-ter Ordnung machen zu können, kann man das sagen? Etwa schon der Teufel, wenn er nicht sieht, dass er nicht sieht, was er nicht sieht, dann sieht er ja insbesondere auch sich selbst nicht, wie er nicht sieht, usw. Das scheint mir in dieser "nicht-sehen"-Angelegenheit noch speziell ausgezeichnet, denn da, wenn ich das richtig verstehe, eskaliert ja die Selbstbezüglichkeit bereits auf erster Ordnung in vollem Umfang. Eine Frage wäre dann die Einordnung der Systemtheorie. Soweit ich gehört habe war das Luhmann bewusst und angeblich hat er es auch als Anspruch an eine Systemtheorie formuliert: Eine umfassende Systemtheorie müsste sich selbst als System auch beschreiben können. Aber schon allein mit dem Wort "Systemtheorie" und dem Beginn der Arbeit ist eine Unterscheidung ja bereits gemacht, eine Systemtheorie kann doch gar nicht ohne diese erste Unterscheidung existieren, oder? Andernfalls wäre sie ja gewissermassen eine Beschreibung von Gott - oder, kling zwar absurd müsste aber glaube ich so sein,
wäre Gott? Muss dann paradoxerweise eine umfassende Systemtheorie dann sogleich von sich selber sagen, dass sie selber eigentlich nur ein Gag, eine total unbedeutende Spielerei ist?
Würde sich eigentlich eine Systemtheorie, welche vom Teufel entwickelt würde, von einer Systemtheorie eines Theologen unterscheiden? Oder reicht die angesprochene "Eskalation", falls man das eben so sehen könnte, auf bereits 1. Ordnung schon, dass das jetzt auch keine grosse Rolle mehr spielt?
Es herrscht nun das Gefühl von
Nauplios hat geschrieben : ↑ Sa 28. Okt 2023, 19:55
DAS will ich genauer wissen! HIER spielt die Musik!
Mit einer leisen Sorge, dass man da womöglich die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen beginnt. "Du sollst dir kein Bildnis machen" heisst vielleicht "du sollst keine umfassende Systemtheorie 0-ter Ordnung aufstellen", alles verknüpft sich gerade irgendwie schneller und diffuser, als ich es noch erfassen kann (Ist Mathematik womöglich die Sprache mit der man 0-te Ordnung zu approximieren versucht, ist das womöglich ihr eigentliches Wesen? Ist die gesamte Kunst womöglich der Versuch das einzufangen, von dem wir wenigstens ahnen, dass wir nicht sehen, dass wir es nicht sehen? Etc.).
Ist vielleicht ein total wirrer Post, kann ich noch nicht einschätzen, musste jetzt aber als erster Schritt für meine eigene mentale Hygiene sein.