Was ist Natur?

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 17:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 17:05
Ich stehe gerade auf dem Schlauch. 1+1 ist anscheinend wegen irgendetwas verärgert und mir ist nicht klar worum es geht?! Habe ich irgendetwas nicht mitbekommen?
Ich bin mir auch nicht sicher. Vielleicht habe ich ihn getriggert, als ich schrieb, dass ich klare Sprache liebe. Falls ihn so etwas triggert, schließe ich aus seinem Text, dass er das Klare ablehnt und das Adäquate für hinreichend hält, woraus ich schließe, dass für ihn das Adäquate etwas unklareres ist als das Klare. Ob diese vage These zutrifft, wird wohl nie aufgeklärt werden. Möglicherweise ist sie bereits eine adäquate Wiedergabe der Tatsachen :-)




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Sa 2. Sep 2023, 17:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 17:12
Ich habe gerade ein wenig in meinen Büchern gestöbert auf der Suche nach geeignetem Material, ich überlege auch, ob ich mir noch weitere Bücher zulege, und da bin ich auf das hier gestoßen. Ich kann nicht sagen, dass ich das schon durchdrungen habe und ich weiß auch nicht, ob ich damit einverstanden bin, ich gebe es einfach mal zur Kenntnis:
8.4 Vom Eigenwert und der Schönheit der Natur (Regine Kather Die Wiederentdeckung der Natur Naturphilosophie im Zeichen der ökologischen Krise)

... Werden, wie beim Naturalismus, körperliche Funktionen vollständig physikalisch erklärt, dann werden auch ethische und ästhetische Werte letztlich von molekularen Prozessen, von den Genen und neuronalen Mechanismen, erzeugt. Sie haben kein ontologisches Fundament, sondern werden auf ihren Nutzen für das Überleben, an dem allerdings nicht die Individuen, sondern nur die Gene selbst ein ‚Interesse‘ haben, beschränkt.
Dieser Naturalismus ist für mich ein verkürzter, denn dann fängt es doch erst an, interessant zu werden. Wenn nämlich derart natürlich Entstandenes anfängt gleichsam "sich zu verselbständigen" und fortan quasi "auf eigene Rechnung" zu agieren beginnt. Und auch genau hierdurch Eigenwert erlangt. Nicht anstelle des oben beschriebenen, ich nenne es einmal physikalistischen Naturalismus, sondern zusätzlich zu diesem. Als weitere, entsprechend "bedingt eigenständige" Ebene (mit entsprechend eigenem Wert - s.o.). Das ist für mich weiterhin "Naturalismus", nurmehr, profan gesagt, ein ("entscheidend" etc.) erweiterter... Besagte ("höhere", komplexere usw.) Ebene, obwohl existenziell (z.B. materiell) abhängig von der älteren, elementareren Ebene (-> notwendige Bedingung...!), benutzt selbige so regelrecht für IHRE Zwecke - und beherrscht sie in diesem Sinne sogar. (Überhaupt kann es so nämlich zu so etwas wie s.g. "mentale Verursachung", "Akteurskausalität" usf. erst kommen.)




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 18:04

Jörn, kannst Du mir, wenn Du Lust und Zeit hast, kurz erklären, was "normativ stumm" bedeutet?




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 18:12

Ich dachte, ich hätte das schon erklärt, aber egal. Hier ist die Kurzfassung. Die Idee, dass das Universum normativ stumm ist, ist wahrscheinlich eine der am weitesten verbreiteten Standardauffassungen. Sie besagt, vereinfacht ausgedrückt, dass es im Universum an sich keine Werte gibt, dass Werte nur unsere Projektionen in einem an sich kalten, anonymen, stummen Universum sind. Meine Idee ist, metaphorisch ausgedrückt, dass die Natur der Teil der Wirklichkeit ist, der sprechen lernt.




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 18:13

1+1=3 hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 17:59
Dieser Naturalismus ist für mich ein verkürzter, denn dann fängt es doch erst an, interessant zu werden. Wenn nämlich derart natürlich Entstandenes anfängt gleichsam "sich zu verselbständigen" und fortan quasi "auf eigene Rechnung" zu agieren beginnt. Und auch genau hierdurch Eigenwert erlangt. Nicht anstelle des oben beschriebenen, ich nenne es einmal physikalistischen Naturalismus, sondern zusätzlich zu diesem. Als weitere, entsprechend "bedingt eigenständige" Ebene (mit entsprechend eigenem Wert - s.o.). Das ist für mich weiterhin "Naturalismus", nurmehr, profan gesagt, ein ("entscheidend" etc.) erweiterter... Besagte ("höhere", komplexere usw.) Ebene, obwohl existenziell (z.B. materiell) abhängig von der älteren, elementareren Ebene (-> notwendige Bedingung...!), benutzt selbige so regelrecht für IHRE Zwecke - und beherrscht sie in diesem Sinne sogar. (Überhaupt kann es so nämlich zu so etwas wie s.g. "mentale Verursachung", "Akteurskausalität" usf. erst kommen.)
Dieser Ansicht stimme ich zu.

(Vorausgesetzt, ich habe den Text richtig verstanden.)

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 18:12
Ich dachte, ich hätte das schon erklärt, aber egal. Hier ist die Kurzfassung. Die Idee, dass das Universum normativ stumm ist, ist wahrscheinlich eine der am weitesten verbreiteten Standardauffassungen. Sie besagt, vereinfacht ausgedrückt, dass es im Universum an sich keine Werte gibt, dass Werte nur unsere Projektionen in einem an sich kalten, anonymen, stummen Universum sind. Meine Idee ist, metaphorisch ausgedrückt, dass die Natur der Teil der Wirklichkeit ist, der sprechen lernt.
Danke für die Erklärung. Der "Wert"-Begriff ist hier ethisch gemeint?




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Sa 2. Sep 2023, 18:18

(Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. 😉)




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Sa 2. Sep 2023, 18:21

Jetzt verstehe ich das "normativ" in "normativ stumm" erst...

Das Leben selbst hat für "den Sinn des Lebens" zu sorgen. Der ist nicht schon vorher da.

Z.B.




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 18:28

1+1=3 hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 18:18
(Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. 😉)
Allerdings hast du den Text ziemlich weit oben abgeschnitten :)




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Sa 2. Sep 2023, 18:36

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 18:28
1+1=3 hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 18:18
(Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. 😉)
Allerdings hast du den Text ziemlich weit oben abgeschnitten :)
Das war eigentlich auf Quk gemünzt.




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 20:54

Regine Kather, in "Die Wiederentdeckung der Natur" hat geschrieben : Jeder Organismus schuldet das, was er ist, der Aktivität zahlloser anderer Lebewesen.
Das meinte ich gleich zu Beginn auf Seite 1 oder 2 mit der Formulierung: ... nicht mehr nur "Dinge an sich", sondern auch "für sich" und "für andere.




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Sa 2. Sep 2023, 21:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 20:54
Regine Kather, in "Die Wiederentdeckung der Natur" hat geschrieben : Jeder Organismus schuldet das, was er ist, der Aktivität zahlloser anderer Lebewesen.
Außer Pflanzen (wg. Chlorophyll...) - und selbst z.T. bei diesen - lebt ja auch jedes Lebewesen, zumeist sogar ganz direkt, von anderen Lebewesen. Auch ein Schaf kann ohne Lebewesen als Nahrung nicht existieren.




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 21:39

Jeder Organismus schuldet das, was er ist, der Aktivität zahlloser anderer Lebewesen. ... Außer Pflanzen (wg. Chlorophyll...)

Hier muss ich passen, kannst du das kurz erläutern?




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Sa 2. Sep 2023, 21:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 21:39
Jeder Organismus schuldet das, was er ist, der Aktivität zahlloser anderer Lebewesen. Außer Pflanzen (wg. Chlorophyll...)

Hier muss ich passen, kannst du das kurz erläutern?
Alle Lebewesen - außer Pflanzen (i.d.R.) - brauchen als Nahrung (neben relativ kleiner Rationen Mineralien, "Spurenelementen" etc.) organisches Material, dead or alive. (Pflanzen produzieren [primär ihre eigene] Biomasse dagegen zum weit überwiegenden Teil über ihr Chlorophyll, welches über's Sonnenlicht und gewisse chemische Stoffe aus ihrer Umwelt organisches Material neu synthetisiert.)




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 22:04

Aber manche Pflanzen schulden den Tieren doch das eine oder andere, zum Beispiel bei der Bestäubung, oder? Und indem Pflanzen sich fortpflanzen, wie auch immer, verdanken sie das, was sie sind, zum Beispiel anderen Pflanzen.

Ich meine, der Gedanke, der dort ausgedrückt werden sollte, war, dass das System im Prinzip eine Art große Symbiose, Interaktion, Zusammenspiel oder wie auch immer man es nennen will, ist.




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Sa 2. Sep 2023, 22:27

Ja, das gibt es natürlich auch.

Symbiosen kommen sogar recht häufig vor. Aber sie sind nicht etwa "altruistisch motivert". Sie "stellen sich (ggf. evolutionär) ein", wenn beide Seiten Vorteile davon haben. (Und so sind auch die Grenze zwischen "parasitär" und "symbiontisch" fließend.) Viele Pflanzen (bekanntlich ohne "herkömmliches" Bewusstsein) spannen überaus
"intelligent" und effizient Tiere (Insekten, Spinnen, Vögel, Fledermäuse...) regelmäßig für ihre Zwecke (der Fortpflanzung) ein (Blüten, Früchte). Natürlich tun's die Tiere nicht für umme, und so gelangen sie also an den begehrten Nektar der Blüten oder an das hochwertige Fruchtfleisch der Früchte.
Zuletzt geändert von 1+1=3 am Sa 2. Sep 2023, 22:37, insgesamt 1-mal geändert.




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Stefanie
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Sa 2. Sep 2023, 22:32

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 08:31


Natur (so wie ihr den Begriff in diesen Beiträgen verwendet) und Kultur/Geist sind in meiner Sicht miteinander verbunden, aber kategorial verschieden. Dass sie kategorial verschieden sind, bedeutet, dass wir sie begrifflich trennen können/sollten. Es bedeutet nicht, dass sie unabhängig voneinander existieren können.
Ich verstehe es nicht. Nachlesen half auch nicht.

Wie kann man einerseits sagen, der Mensch gehört zur Natur und es dennoch begrifflich trennen, weil Natur und Kultur unterschiedlichen Kategorien angehören? Welche denn?

Wenn ich von wir spreche, meine ich wir Menschen.

Es ist doch entscheidend, ob wir wie alle anderen Lebewesen zu Natur gehören oder außerhalb stehen. Das ändert doch die Perspektive, wie wir auf die Natur blicken.



Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)

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Sa 2. Sep 2023, 22:39

Man kann es so oder so sehen. Ist Defintionssache. Habe ich weiter oben schon einmal versucht zu erklären.

Also hier:
1+1=3 hat geschrieben :
Fr 1. Sep 2023, 20:55
Ist natürlich auch Ansichts- u./o. Definitionssache. Wenn man bspw. Kultur als das Gegenteil von Natur (auf)fasst.




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Sa 2. Sep 2023, 22:55

1+1=3 hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 21:52
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 21:39
Jeder Organismus schuldet das, was er ist, der Aktivität zahlloser anderer Lebewesen. Außer Pflanzen (wg. Chlorophyll...)

Hier muss ich passen, kannst du das kurz erläutern?
Alle Lebewesen - außer Pflanzen (i.d.R.) - brauchen als Nahrung (neben relativ kleiner Rationen Mineralien, "Spurenelementen" etc.) organisches Material, dead or alive. (Pflanzen produzieren [primär ihre eigene] Biomasse dagegen zum weit überwiegenden Teil über ihr Chlorophyll, welches über's Sonnenlicht und gewisse chemische Stoffe aus ihrer Umwelt organisches Material neu synthetisiert.)
Ein wenig Bio "nachsitzen":
Stoffkreislauf der "Produzenten, Konsumenten und Destruenten":
https://www.biologie-schule.de/stoffkreislauf.php




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 23:43

Jörn und Regine Kather (ich meine Jörn Budesheim, nicht Jörn Kather) möchten lediglich darauf hinweisen, glaube ich, dass jedes Lebewesen nicht ohne ein Stück eines anderen Lebewesen leben kann, egal wie groß oder klein die benötigten Portionen nun sein mögen. Es braucht zumindest eine Zelle von einem anderen Wesen, auf dessen Basis es dann wächst und zu einem eigenen Individuum wird.




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So 3. Sep 2023, 01:16

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 23:43
Jörn und Regine Kather (ich meine Jörn Budesheim, nicht Jörn Kather) möchten lediglich darauf hinweisen, glaube ich, dass jedes Lebewesen nicht ohne ein Stück eines anderen Lebewesen leben kann, egal wie groß oder klein die benötigten Portionen nun sein mögen. Es braucht zumindest eine Zelle von einem anderen Wesen, auf dessen Basis es dann wächst und zu einem eigenen Individuum wird.
Portionen? Da ist mir jetzt nicht klar, ob das nun buchstäblich gemeint ist (etwa als Nahrung), oder im übertragenen Sinn als irgendwie "Gegenstück von einem selbst", oder so, weil ein Lebewesen allein nicht lebensfähig sei. Oder so. Oder dass es sein eigenes Leben von einem anderen Leben erhält. (Da wäre dann der berühmte "Ursprung des Lebens" interessant.)




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