Was ist Natur?

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 10:46

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 09:03
Gesamtmenge
Warum man alles, was es gibt, in diese Gesamtmenge packen muss, leuchtet mir nicht ein. Ich sehe keinen Grund, irrationale Zahlen, Staatskrisen, Planetensysteme, Photonen, minimalistische Musikstücke, Vogelnester, Wolkenkratzer, Alphabete, verbrannte Bibliotheken, Langeweile, den Urknall, die Geisteswissenschaften und unendlich viel mehr unter einen Begriff zu bringen.




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Sa 2. Sep 2023, 10:46

Ich muss jetzt los...




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 11:04

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 09:03
Gesamtmenge
Außerdem müsste geklärt werden, was in diesem Fall mit Gesamtmenge eigentlich gemeint ist. Wenn wir bei den Beispielen bleiben, die ich genannt habe und die man leicht erweitern und diversifizieren könnte, dann scheint mir das weitgehend ein zufälliges Sammelsurium zu sein, bei dem nicht plausibel ist, warum man es Natur nennen sollte. Was genau hält diese Dinge, die ich oben aufgezählt habe und unendlich viel mehr, zusammen, so dass man motiviert sein könnte, sie unter dem Begriff Natur zusammenzufassen?




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 12:02

Wie steht es mit Naturschützern, sind das Personen, die insbesondere Fabriken oder militärische Anlagen schützen wollen? ;)




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 12:21

Da gebe ich Dir völlig Recht.

Es macht im Alltag keinen Sinn, der Gesamtheit einen Namen zu geben.

In der Medizin ist es wichtig, ein künstliches Hüftgelenk von einem natürlichen zu unterscheiden. In der Architektur ist es hilfreich, einen künstlichen Höhlenausgang von einem natürlichen zu unterscheiden.

Die Eingangsfrage dieses Faden verstand ich nicht medizinisch oder architektonisch, sondern philosophisch. Ich machte mir also Hintergedanken, die weiter nach hinten gehen, hinter die Medizin, hinter die Architektur. Und da komme ich zu dem Schluss, dass die Frage, was Natur sei, wenn sie über den Alltag hinausgeht, eine mühsame Frage ist :-)

Es verhält sich ähnlich wie die Frage: "Ist der Mensch ein Tier?" Es gibt viele alltägliche sinnvolle Gründe, diese Unterscheidung zu machen. Andererseits gibt es viele sinnvolle philosophische Gründe, dies nicht zu machen.

Wenn ich nun aber eine Unterscheidung mache zwischen Allem und der Natur als Teilmenge, und diese Unterscheidung nicht philosophisch hinterfrage, sondern alltagsgebräuchlich erkläre, warum soll die Unterscheidung nicht gleich medizinisch oder architektonisch erklärt werden, anstatt philosophisch? Letztere Methode erscheint mir ein bisschen wie der Versuch, leckere Pizzabeläge philosophisch zu erklären. Am Ende sind wir uns doch eh einig, dass sie lecker sind :-)




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 12:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 12:02
Wie steht es mit Naturschützern, sind das Personen, die insbesondere Fabriken oder militärische Anlagen schützen wollen? ;)
Wir beide verneinen diese Frage.

Aber was ist unsere Begründung?

Was hälst Du von dieser Begründung?
"Nein, nicht solche Personen, denn Fabriken sind normativ stumm. Naturschützende Personen kümmern sich um normativ Unstummes."

Ich ziehe diese Begründung vor:
"Nein, denn Naturschützer lieben den Wald, nicht die Fabrik. Sie schützen, was sie lieben."
Zuletzt geändert von Quk am Sa 2. Sep 2023, 12:39, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 12:38

Meine Begründung ist, dass der Begriff Natur eben etwas anderes bezeichnet und nicht Fabriken, auch wenn es keine Fabriken gäbe, gäbe es keine Natur.

Ich habe Deinen längeren Beitrag vorher nicht so richtig verstanden, insbesondere ist mir nicht klar geworden, warum man die verschiedenen Dinge unter eine Überschrift, nämlich Natur, stellen soll. Wenn wir die Dinge im Alltag so oder so unterscheiden, spricht das doch nicht für sich genommen dagegen, sie auch philosophisch so oder so zu unterscheiden.

Meine Fragestellung ist begrifflich/philosophisch/ontologisch. Das schließt nicht aus, sich mit unserer Alltagssprache und den Unterscheidungen, die sie trifft, zu beschäftigen.




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 12:43

Die philosophische Beschäftigung damit finde ich absolut in Ordnung. Ich mache ja selber mit.

Meine Zwischenbilanz während dieser Beschäftigung ist nun halt eben die, wie in meinem vorigen Kommentar beschrieben. Den ich übrigens gerade editiert habe.




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 12:56

Angesichts der Umweltkrise, der Naturzerstörung oder wie immer man es nennen will oder muss, finde ich die Frage naheliegend, was wir eigentlich unter Natur verstehen (sollten). Gerade in der Kunst gibt es zur Zeit viele Ausstellungen zur Natur, ich habe noch nicht im Detail recherchiert, aber es würde mich wundern, wenn es in der Philosophie anders wäre, da müsste es sicher einiges geben, schätze ich.

Um auf die Idee zurückzukommen, dass alles Natur ist: Wenn einfach alles Natur ist, dann wäre auch die Zerstörung von Natur Natur, und das halte ich für eine seltsame begriffliche Festlegung.




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 12:58

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 12:27
Ich ziehe diese Begründung vor:
"Nein, denn Naturschützer lieben den Wald, nicht die Fabrik. Sie schützen, was sie lieben."
Die Naturschützer würden vielleicht sagen, dass sie die Natur schützen und nicht die Fabrik. Ich finde diesen Gedanken nicht abwegig :)




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 13:14

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 12:56
Um auf die Idee zurückzukommen, dass alles Natur ist: Wenn einfach alles Natur ist, dann wäre auch die Zerstörung von Natur Natur, und das halte ich für eine seltsame begriffliche Festlegung.
Das sind in meinen Augen Sprachprobleme, keine Lebensprobleme.

Ich nenne das von vorn herein nicht die "Zerstörung von Natur", sondern die "Zerstörung unseres Lebensraums". Das ist viel genauer. Warum sollte ich mich absichtlich undeutlich ausdrücken? :-)

Was ist dann ein Vulkanausbruch und der von der Lava ausgelöste Waldbrand? Ist das Natur gegen Natur? Wenn ja, was helfen solche Sprachspiele?




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 13:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 12:58
Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 12:27
Ich ziehe diese Begründung vor:
"Nein, denn Naturschützer lieben den Wald, nicht die Fabrik. Sie schützen, was sie lieben."
Die Naturschützer würden vielleicht sagen, dass sie die Natur schützen und nicht die Fabrik. Ich finde diesen Gedanken nicht abwegig :)
Zugestimmt.

Wenn ich da mitmache, nenne ich mich allerdings Waldschützer. Ich liebe die klare Sprache :-)




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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 13:24

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:14
Ich nenne das von vorn herein nicht die "Zerstörung von Natur", sondern die "Zerstörung unseres Lebensraums". Das ist viel genauer.
Dann wäre die Zerstörung unseres Lebensraumes eben Natur. Ich glaube nicht, dass das ein großer Unterschied ist. Auch diese Ausdrucksweise hielte ich für seltsam. Das kann man von mir aus ein Sprachproblem nennen, aber es drückt letztlich etwas aus, nämlich ob man die Dinge richtig oder falsch kategorisiert, und das macht einen Unterschied.

Mir fehlt immer noch etwas, das erklärt, warum man motiviert sein sollte, die vielen verschiedenen Bereiche alle unter die Überschrift Natur zu stellen. Bisher habe ich dazu keine Hinweise erhalten oder habe ich etwas überlesen?




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Sa 2. Sep 2023, 13:25

Ja, die liebe Klarheit. "Alle Klarheiten beseitigt", würde ich sagen. Ich bin raus.




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Jörn Budesheim
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1+1=3 hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:25
Ja, die liebe Klarheit. "Alle Klarheiten beseitigt", würde ich sagen. Ich bin raus.
Oh, ich hoffe nicht, dass ich dir irgendwie auf den Schlips getreten habe und wenn ja wo und wie?




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 13:41

Die Motivation ist die:

Die Unterscheidung ist offenbar nebulös, und das motiviert mich, die Frage zu stellen, warum man mit diesem Nebel überhaupt eine scharfe Grenze ziehen muss. Warum nicht gleich die Einzelheiten beim Namen nennen, anstatt eine Verallgemeinerung zu versuchen? Diese Frage geht auch an mich, wenn ich sage, Natur sei alles. Sie geht aber auch an Dich, wenn Du eine Teilmenge zu sehen glaubst. Diese Teilmenge ist schließlich auch gigantisch groß und vielfältig :-) Ich denke also, wir müssen uns beide diese Frage stellen. Schöne Diskussion, übrigens. Nun, wie gesagt, ich klammere mich nicht an diese Verallgemeinerung, sondern sage lieber "Wald" statt "Natur", oder "Lebensraum" statt "Natur". Immer so konkret und klar wie möglich.

Kannst Du mir noch kurz erklären, was "normativ stumm" bedeutet?




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Sa 2. Sep 2023, 13:46

Fürs erste: Für "alles" brauche ich kein Wort, weil es schon eins gibt, das passt, nämlich "alles" :)




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Quk
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Sa 2. Sep 2023, 13:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:24
Das kann man von mir aus ein Sprachproblem nennen, aber es drückt letztlich etwas aus, nämlich ob man die Dinge richtig oder falsch kategorisiert, und das macht einen Unterschied.
Du möchtest die Suche nach einer universalen Natur-Definition verzahnen mit moralischen "richtig-oder-falsch"-Fragen?




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Stefanie
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Sa 2. Sep 2023, 13:58

Eine Frage, na gut wohl zwei Fragen.

Wenn die Natur das ist, was sich selbst erschafft, gehören alle Lebewesen zur Natur. Dazu gehört auch der Mensch.
Der Biber baut den Damm zum Schutz für sich und seine Nachkommen. Das Material des Damms ist zudem Nahrung.
Der Mensch baut erstmal Behausungen aus dem selben Grund wie der Biber. Zum Schutz gegen Eindringlinge, gegen das Wetter usw.
Mittlerweile weiß man, daß viele Tiere spielen, einfach nur spielen. Der Mensch auch.
Viele Tiere haben Wanderrouten, merken sich Wege, kommen immer wieder dahin zurück. Tiere haben klare Strukturen, Arbeitsteilung, Hierarchien, Familienverbände. Der Mensch auch.
Alle Lebewesen leiden unter den derzeitigen Veränderungen. Der Mensch auch.
Wieso nehmen wir dann alles, was der Mensch tut und erschafft, aus dem, was unter Natur meistens verstanden wird, raus?
Der Mensch hat sich zu breit gemacht, er ist aber auch das einzige Lebewesen, der das wieder ändern kann.

Wenn aber Natur nur das ist, was wächst, grünt, blüht, durch Wetter, durch seismische Aktivitäten etc. entsteht, sind gehören nur Wälder, Berge, Vulkane, Pflanzen, Seen, Flüsse, Meer, etc. zur Natur. Dann gehören aber keine Lebewesen wie der Biber und sein Damm zur Natur, und die Mücke und die Bienen auch nicht.

Ooch nö, schon wieder neue Beiträge während ich tippe. Ihr seid mir zu schnell.

Ich fahre jetzt Geld ausgeben.. ein typisches menschliches Verhalten. Ist das auch Natur?



Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)

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Jörn Budesheim
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Sa 2. Sep 2023, 13:59

Quk hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:51
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Sep 2023, 13:24
Das kann man von mir aus ein Sprachproblem nennen, aber es drückt letztlich etwas aus, nämlich ob man die Dinge richtig oder falsch kategorisiert, und das macht einen Unterschied.
Du möchtest die Suche nach einer universalen Natur-Definition verzahnen mit moralischen "richtig-oder-falsch"-Fragen?
An der Stelle habe ich etwas anderes gemeint, für mich wäre es eine falsche Kategorisierung, alles Natur zu nennen. Falsch und richtig heißt an der Stelle einfach nur, dass es falsche und richtige Kategorien geben kann.




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