NaWennDuMeinst hat geschrieben : ↑ Sa 1. Apr 2023, 15:16
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Sa 1. Apr 2023, 15:01
Lucian Wing hat geschrieben : ↑ Sa 1. Apr 2023, 13:02
Wobei die Diskussion ja um den Reichelt ging. Ich halte das Urteil für ein Unglück (auch wenn's den Reichelt trifft), weil für mich hier die Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt wird. Will man wirklich dahinkommen, dass jemand sich nicht mehr hinstellen darf und sagen: Ein Transmann ist kein Mann, sonst hieße er nicht Transmann? Das ist doch die Richtung, in die es zu gehen scheint.
Wenn ich es richtig sehe, hat ein Landgericht im Wege einer einstweiligen Verfügung das bewusste Misgendern der Trans-Journalistin Janka Kluge auf dem Reichelt-Blog untersagt. Man kann nicht einfach von den konkreten Umständen absehen. Es ist Reichelt nicht verboten worden, die Meinung zu haben und in seinem Beitrag zu vertreten, dass es so etwas wie Trans-Personen nicht gibt.
Es ist aber etwas anderes, eine konkrete Person, die Transfrau Janka Kluge, in einem solchen Blog als Mann zu bezeichnen. Jede Freiheit endet bekanntlich dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Rechtsanwalt Prigge: "Das Landgericht hat hier im Einzelfall entschieden, dennoch hat die Entscheidung eine Signalwirkung. Verschiedene Studien belegen die negativen Auswirkungen von Misgendern auf Betroffene. Hierauf haben wir im Verfahren hingewiesen. Misgendern ist ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und kann rechtliche Konsequenzen haben."
Ich finde das völlig unabhängig vom Transgeschlecht einsichtig. Für mich ist das Teil der Persönlichkeit. Ich will ja auch bei meinem richtigen Namen genannt werden und nicht irgendwie anders.
Sie fühlt sich als Frau. Bitteschön. Dann nennen wir sie auch so. Ich finde so viel Taktgefühl kann die Meinungsfreiheit erlauben.
Auch Anstand und Taktgefühl sind etwas Individuelles. Man könnte sie auch in ein Gesetz gießen und erzwingen - dann wären sie nicht mehr individuell sondern Pflicht. Ich zum Beispiel fühle mich weder als privilegiert noch war ich es noch bin ich es. Aber jeder kann mir ins Gesicht sagen, ohne mich zu kennen, ich sei privilegiert - eben weil ich weiß und Mann bin. Soll das verboten werden?
Egal. Kurz zurück zu dem ominösen Fühlen. Vielleicht kann man mal herausarbeiten, wo die Bruchstellen liegen.
Ich gehe von Folgendem aus: Es gibt ein A = Mensch.
A unterteilt sich in die biologischen Geschlechter x und y und in etwas, was weder x noch y ist. Das ist die wohl auch Grundaussage bei de Waal, und so sehe ich das auch.
Meine Prämisse ist nun, dass Bewusstsein körperabhängig (embodied) ist. Daraus folgt wiederum:
x --> Perspektive a
y --> Perspektive b
Wenn nun a nicht notwendig bedeutet, dass man sich auch in jedem Falle wie x
verhalten muss, bedeutet das aber nicht, dass man als a auch aus der Perspektive b die Welt betrachten kann, sondern nur so, wie x sich aus der Perspektive a die Betrachtung aus der Perspektive b vorstellt. Wenn x wissen möchte, wie es ist, ein y zu sein, müsste er ein y sein. x hat hier aber den Kurzschluss, das seine Vorstellung ihn dazu führt zu glauben, er sei eigentlich ein y und nicht nur ein x, das sich wie ein y verhält. Aus diesem Verhalten kann man aber nicht schließen, dass x auch ein y ist. Ist im Prinzip auch nichts anderes als in der Diskussion um die KI.
Also geht es aus meiner Sicht in der ganzen Frage darum, dass sich ein x gerne wie ein y verhalten möchte und lieber ein y wäre. x kann dann anfangen, sich wie ein y zu verhalten und einige seiner physischen Merkmale ändern zu lassen. Letztlich erzählt de Waal in einem langen Interview mit Spektrum über die Schimpansin Donna genau so einen Fall - nur ohne jede chirurgischen oder chemischen Eingriffe in den Körper. Dass die Schimpansen das akzeptieren, ist doch klar. Das Verhalten Donnas gefährdet die Privilegien der Männchen nicht, sie ist keine Konkurrenz bei den anderen Weibchen.
Wie gesagt: de Waal ist jemand, der alles übers Verhalten definiert - also genau das tut, was hier im Strang über die KI bei manchen streng verpönt ist. Ich glaube, de Waal würde außer seinem Plädoyer für Toleranz nicht auf viel Gegenliebe stoßen in der queeren Community.
Besser als das Video ist übrigens aus meiner Sicht das hier:
https://www.spektrum.de/news/interview- ... en/2105292