www.spektrum.de hat geschrieben : Wie Begriffe das Denken begrenzen können
Begriffe helfen Menschen, die Welt um sie herum zu beschreiben und zu erfassen. Doch manchmal engen sie auch ein, meint unser Kolumnist Matthias Warkus
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»Alles im Universum ist entweder eine Ente oder nicht«
- Jörn Budesheim
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"Wir schaden uns mit unserer durch die westliche philosophische Tradition geprägten Art zu denken oft genug selbst ..." (Matthias Warkus)
Woher kommt mir das bekannt vor?
Woher kommt mir das bekannt vor?
Den Satz "Alles ist entweder eine Ente oder nicht" ist selbst eine Ente. Oder nicht? Den Satz "Ein Satz ist entweder wahr oder falsch" halte ich auch für eine Ente.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 6. Dez 2022, 09:33www.spektrum.de hat geschrieben : Wie Begriffe das Denken begrenzen können
Begriffe helfen Menschen, die Welt um sie herum zu beschreiben und zu erfassen. Doch manchmal engen sie auch ein, meint unser Kolumnist Matthias Warkus
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Das, was wir Wahrheit nennen, ist in Wahrheit ein Prozess. ZB.: Ich spaziere entlang dem Ufer eines Teiches. Da hör ich ein Rascheln und seh die Schilfrohre zittern. Da ist wohl was! Jetzt ein Schnattern! Das müssen Enten sein. Und dann watscheln sie aus dem Schilf heraus ans Ufer. Mit der Fortsetzung der Geschichte könnte sich die Entenhypothese verfestigen oder wieder auflösen.
Also==> Wahrheit wird und vergeht
Wenn sich die Hypothese >Ente< verfestigt hat, gehen wir ganz selbstverständlich davon aus, dass sie in dem Sinne wahr sein muss, dass da auch als die Hypothese noch schwach war, schon eine wahre Ente im Wasser rumplantschte.
Das, was wir "Denken" nennen, ist die Erfindung vertrockneter alter Männer, die sich "Philosophen" nennen. Es aufzugeben wäre vielleicht doch eine Option.Wir schaden uns mit unserer durch die westliche philosophische Tradition geprägten Art zu denken oft genug selbst, aber das Denken ganz aufzugeben ist schließlich auch keine Option.
"Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."
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Ich denke gerne.
Dieser Prozess hat große Ähnlichkeit mit "Geschichten" wie sie uns in Romanen erzählt werden. Wir sollten dabei aber nicht so sehr den fertigen Roman im Blick haben, sondern eher das Werden eines solchen. Manchmal wird das Ende vor dem Anfang geschrieben, manchmal wird die Geschichte umgeschrieben, aus Enten werden Komorane.....aus dem Mörder ein Unschuldiger, aus dem Gärtner ein Bäcker und aus dem Mord ne Ente (also ne Zeitungsente).Das, was wir Wahrheit nennen, ist in Wahrheit ein Prozess.
Dieser Prozess hat größere Ähnlichkeit mit entstehenden und vergehenden Erzählungen als mit sich kontinuierlich umgruppierenden Entitäten (wie zB an sich seienden Enten oder Protonen oder...).
Und in jeder guten Erzählung hat alles eine oder mehrere Bedeutungen. Die können sich gegenseitig sogar widersprechen. Die Welt ist eine in allen Facetten schillernde Erzählung. Und diese Erzählung lebt und pflanzt sich fort. Und verwandelt sich andauernd.
Fortsetzung folgt
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Was bei deinen Einwänden fehlt, ist eine Erläuterung. "Wahrheit ist in Wahrheit ein Prozess" klingt für mich nämlich wie: "Schwarz ist in Wahrheit dunkel".
Ich dachte ich hätte dies zumindest angedeutet. Jede "Wahrheit" hat ihre Geschichte. Wahrheit ist gewordene und vergehende Wahrheit. Und das Gegenteil einer Wahrheit kann eine Wahrheit gewesen sein oder eine werden oder sogar zugleich "wahr" sein.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 6. Dez 2022, 12:43Was bei deinen Einwänden fehlt, ist eine Erläuterung. "Wahrheit ist in Wahrheit ein Prozess" klingt für mich nämlich wie: "Schwarz ist in Wahrheit dunkel".
Am Besten wäre es den Begriff >Wahrheit< ersatzlos zu streichen um stattdessen auf den aktuellen Stand der Erzählung zu verweisen
Die Philosophen wollen die andauernde Wandlung in einen Aggregatszustand, den sie dann Wahrheit nennen, verfestigen. Aus flüssigem Wasser soll festes Eis werden. Aus ES soll ICH, aus dem unheimlichen Meer des Scheins soll Festland werden, aus Nichtwissen soll sicheres (= wahres = nützliches) Wissen werden......Die Welt ist eine in allen Facetten schillernde Erzählung. Und diese Erzählung lebt und pflanzt sich fort. Und verwandelt sich andauernd
Das unfassbar Lebendige soll schockgefroren und zwischen zwei Buchdeckel verpackt werden. Und zwar am Besten für alle Ewigkeit.
Zuletzt geändert von ahasver am Di 6. Dez 2022, 13:21, insgesamt 3-mal geändert.
"Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."
Können Begriffe offene Begriffe sein? Kann man so reden, dichten und singen, dass Begriffe offen bleiben, so dass sie das Leben nicht einengen, nicht auf starre Gleise zwingen? Stattdessen die offene Weite bewahren.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 6. Dez 2022, 09:33www.spektrum.de hat geschrieben : Wie Begriffe das Denken begrenzen können
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Es gilt
zu unterlassen.»das Zurüstende und Abschneidende« des Begriffs
Aber hieße das nicht sich vom Begriff der Wahrheit zu verabschieden?
"Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."
Ähm, wie kommt er darauf?Die Einteilung von Büchern in Genres, die für ihre Vermarktung relevant sind, führt dazu, dass bestimmte Arten von Büchern erst gar nicht geschrieben werden.
Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
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Das könnte mehrere Ursachen haben. Wenn auf diesem Planeten noch nie jemand vor mir ein Gedicht geschrieben hätte, dann hätte ich vermutlich selbst auch keine geschrieben. Das ist zwar nicht sicher, aber ziemlich wahrscheinlich. Das heißt in Kategorien, die ist zwar geben könnte, für die es aber kein Begriff gibt, denkt man womöglich nicht. Ein anderer Grund könnte sein, dass Verlage ein bestimmtes Programm haben und dass Neues, was in keine der bisherigen Kategorien passt, daher eine schlechtere Chance hat, verlegt zu werden.
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In anderen Fäden hier in diesem Forum wird regelmäßig moniert, das Begriffe zu vage und unbestimmt wären. Jetzt hingegen sollen sie per se "zurüstend und abschneidend" sein. Der Umstand, daas Begriffe in der Regel vage sind, man könnte auch sagen offen, spricht meines Erachtens nicht unbedingt dafür, dass Adorno damit generell recht hat.
Außerdem übersieht dieser Gedanke, dass die Wirklichkeit selbst oft in die Bedeutung unserer Gedanken eingeht. Ich habe dazu schon vor einiger Zeit einmal diese kleine Zeichnung samt Text gemacht:
Ich stelle mir vor, wie Theodor am Wiesengrund sitzt. Gerade schickt er sich an zu denken: "Dieses wunderbar volle Grün der Wiese." Doch er bremst sich sofort: er will die Wiese und ihre Farbe natürlich vor dem zurichtenden Zugriff des Subjekts und des Begriffs bewahren.
Plötzlich fällt ihm etwas auf: Wenn er von diesem wunderbar vollen Grün spricht, färbt dann nicht die wirkliche Farbigkeit der Wiese auf den Begriff ab? Ist es nicht die Wiese selbst in ihren vielfältigen Grüntönen, die in diesem Moment die Bedeutung des Begriffes bestimmt. So muss es wohl sein. Wie sollte er das Max erklären?
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Muss eine Wahrheit, wenn sie einmal wahr ist, nicht für immer wahr und schon immer wahr gewesen sein? Eine Wahrheit ist doch für die Ewigkeit gebaut.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 6. Dez 2022, 20:14Das meiste, was wir kennen, ist im dauernden Werden und Vergehen. Das dürfte sich wohl so verhalten. Warum das für die Wahrheit ein Problem sein soll, konntest du für mich bisher nicht plausibel machen.
Wenn 1 + 1 = 2 wahr ist, dann ist es nicht im Laufe der Zeit wahr geworden und vielleicht übermorgen schon wieder falsch.
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Wahrheiten sind zeitlos. Im Moment tippe ich, in wenigen Minuten werde ich etwas anderes tun und nicht mehr tippen. Das ändert aber nichts an dem, was zuvor geschah. Dass ich zum Zeitpunkt t getippt habe, ist morgen, übermorgen und in einer Million Jahre immer noch wahr. Das steht in keinem Konflikt damit, dass (fast) alles im dauernden Werden und Vergehen ist.
Wenn es denn so etwas wie "Wahrheiten" gäbe. Wenn es denn sinnvoll wäre diesen Begriff von Wahrheit zu benutzen. Ich fürchte >Wahrheit< ist die Überschrift eines Glaubensbekenntnisses. Eines Glaubensbekenntnisses, das logisch nicht haltbar ist, was zu tolerieren wäre, das aber zudem brandgefährlich für ein gutes Zusammenleben ist, was nicht mehr zu tolerieren ist.Wahrheiten sind zeitlos.
Unter alle meine Aussagen schreibe ich -bisher nur im Geiste - "Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."
Ansonsten bemühe ich mich um intellektuelle Redlichkeit, was mir zugegebenermaßen nicht immer gelingt.
Zuletzt geändert von ahasver am Mi 7. Dez 2022, 12:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Meine Kritik am Wahrheitsbegriff kann falsch, sinnfrei oder sonst was sein. Sie erfolgt aber (hoffentlich) im Geiste intellektueller Redlichkeit.
Ist Wahrheit Voraussetzung für Irrtum?
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Ohne Wahrheit könnte es natürlich auch keine Glaubensbekenntnisse geben und vor allem keine Logik, denn bei der Logik handelt es sich um die "Gesetze des Wahrseins"