Mi 30. Nov 2022, 21:44
Ich habe mir eine Geschichtspodcast-Folge über Robert Owen angehört, ein "Frühsozialist" und gleichzeitig Industrieller zu Beginn der Industriellen Revolution. Dort wurde erwähnt, dass durch die Industrialisierung beeinflusst, Owen die Gesellschaft als riesige Maschine betrachtet habe. Tatsächlich blicke ich wiederum auf die Gesellschaft als ein informationsverarbeitendes System, als "Computer" - zumindest teilweise. Gibt es denn eigentlich auch eine Parallele in der europäischen Kulturgeschichte, zwischen der Sichtweise auf den Menschen und die Sichtweise auf die Gesellschaft als eine Art "Superorganismus", gebaut und funktionierend ebenso nach einer zeitgeistlichen Sichtweise auf die Welt?
Weiter kam mir beim Mitlesen des Rechte/Pflichten- Threads in Erinnerung, dass man ja im Recht von "juristischer Person" spricht. Eigentlich eine sehr ähnliche Konstruktion wie "künstliche Intelligenz", ein das jeweilige "natürliche" abgrenzendes Adjektiv gefolgt von einem Begriff, der üblicherweise Menschen charakterisiert.
Der Zusammenhang ist womöglich sogar noch stärker: Eine juristische Person, ein Unternehmen, könnte man gewissermassen ja auch als künstliche Intelligenz betrachten. "Moderne" / hippe Konzepte für die Organisation in einem Unternehmen, Holocracy, Sociocracy 3.0, schreiben, dass sie ein Unternehmen als lebendigen Organismus ansehen - zumindest bei Sociocracy fällt tatsächlich auch der Vergleich mit dem Nervensystem.
Wie verhält es sich denn eigentlich mit "juristischer Person", wie sehen die Sprachbegabten / -verständigen denn diesen Begriff?
Ich frage mich, ob diese "Kulturgeschichte der KI" nicht vielleicht ein Teil einer grösseren Erzählung ist.
Vielleicht geht es eigentlich eher darum, dass der Mensch halt irgendwo fasziniert ist von sich selber und von diesem offensichtlichen Gegensatz: Einerseits, dass wir uns für mehr als plumpe Biologie halten, als letztlich nicht erklärbar, als doch so halbwegs mit der Fähigkeit ausgestattet, von Aussen auf die Welt zu blicken, nach dem Vorbild Gottes geformt, oder nach anderen Mythen zumindest mit Gott oder Göttern interagierend. Andererseits unterliegt man offensichtlich den Naturgesetzen, etwa hat die Medizin ja mit der Maschinen-Sichtweise ungeheure Fortschritte erzielt. Atmung, Stoffwechsel, sensorische Wahrnehmung, solche Dinge kann man ja mit Physik und Chemie erklären (und reproduzierbar manipulieren).
Ich würde, das hab ich ja glaube ich in weniger konkreter Form hier auch schon erwähnt, diesen Topos von der "künstlich geschaffenen Lebensform" also eigentlich lieber als Teil der Suche nach Antworten auf "die grosse Fragen" verstehen wollen, als Teil der Auseinandersetzung des Menschen mit sich selber.
"Mentalistisches Vokabular", in seiner exakten Bedeutung ja ohnehin zu schwammig, in Unwissenheit und Unklarheit über jene Fragen, einzuschränken, hiesse das dann nicht auch, auf der Suche nach den Antworten gewisse Wege grundlos abzusperren?