Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Sa 26. Nov 2022, 17:02
Wo genau wird in diesem Faden moralisch argumentiert? Und was genau ist falsch daran? In welchem Beitrag habe ich wem welche Schuld zugewiesen?
In diesem Faden tatsächlich nicht, ich fand auch den Artikel den du verlinkt hast sowohl in dieser Hinsicht als auch allgemein ziemlich gut. Aber es schwingt halt gerade beim Thema "Klima" immer implizit mit. Der "Fussabdruck" hat doch auch eine moralische Komponente, nicht? Auch wenn er, wie ja gerade im Artikel thematisiert wird, nicht so intendiert war. Er sagt mir ja letztlich: "du musst kürzer treten!".
Falsch daran finde ich unter Anderem, dass 1. Moral in meiner Wahrnehmung praktisch nie konsistent vertreten wird, 2. "Fronten" verhärtet werden, weil moralische Verurteilung Leute in die Enge treibt, keine Gesichtswahrung ermöglicht und dieser Druck dann Gegendruck erzeugt (zum Beispiel diese "equal runner"). 3. ich glaube zu beobachten, dass das zu im Affekt getroffenen politischen Entscheidungen führt (also nicht durchdachte).
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Sa 26. Nov 2022, 17:09
Mir ist nicht klar, was deiner Ansicht nach daraus für die Frage des Fadens folgt?
Dass Bewertungen, wenn man sie denn vornehmen will, unglaublich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sind. Die Rolle der AKWs zum Beispiel. Um ehrlich zu sein, das übersteigt mein Fassungsvermögen.
Bewerte ich die jetzt nur nach CO2 Emissionen? Wenn ja, zähle ich dann auch die Rohstoffgewinnung mit, und wegen deren Transports auch ihre globale Verteilung, die Wartung die womöglich aufwendiger ist als bei anderen Kraftwerken und auch Energie benötigt, den Rückbau, die Anzahl der Mitarbeiter die für den Arbeitsweg auch Energie verbrauchen, die Produktion der Ersatzteile,...
Und wenn nein, wie ist radioaktiver Abfall im Vergleich zu CO2 Emissionen zu bewerten? Rechtfertigt die CO2-Lösung, wenn es denn eine ist/wäre, den Atommüll, sehen das zukünftige Generationen dann auch so? Zähle ich Tote nach Energieform (Kernkraft, Öl, Wasser,...)? Oder nach Kilowattstunden, also sind das sinnvolle Metriken (mW schneidet beispielsweise Wasserkraft unheimlich schlecht bezüglich Toten/kWh ab, weil gebrochene Staudämme "gross" wüten)? Muss ich auch wirtschaftliche Faktoren miteinbeziehen, etwa Arbeitsplätze? Oder spielt das Thema "dezentrale Energieversorgung" auch eine Rolle bei der Planung einer zukünftigen Gesellschaft und wenn ja, wie gewichtig? Und wie verhält sich Atomkraft zu anderen Energiegewinnungsmethoden hinsichtlich zukünftigen aber absehbaren technologischen Entwicklungen, etwa der smart grid - Idee? Usw.
Das ist - und wir haben ja den Anspruch einer holistischen Betrachtung - so unheimlich komplex, so verwoben mit anderen Aspekten der Gesellschaft, mit Rückkoppelungseffekten, zeitlichen Horizonten, etc. Egal welche Meinung ich habe, es gibt irgendwo einen sogenannten Experten oder eine Studie, die diese Meinung stützt. Und es gibt dann auch immer, egal wie viele Professoren- und Doktortitel der entsprechende Experte hat, Gegenargumente, weil man eben praktisch "Experte für Alles" sein müsste - was Niemand ist.
Ich weiss noch sehr gut, wie es war, 2011 nach Fukushima, Kernkraft sozusagen zu verteidigen, resp. sie nicht kompromisslos zu verteufeln. Man war ganz rechte Ecke, Kernkraftwerke verteidigten nur Chauvinisten und Ewiggestrige. Gerade mal 10 Jahre später werden AKWs nun genau bei den damals Urteilenden wieder chic. Das wäre mMn ein Beispiel für den 3. Punkt oben, affektive Politik.
Und AKWs sind ja nur ein Teilaspekt der Klimadiskussion.
Und dann kommt halt, in meiner Wahrnehmung, die Moral, eine Versimplifizierung auf einfache Slogans weil man das nicht mehr handeln kann, moralische Argumente aber zumindest oberflächlich "solid" sind: "Opa ist ne Klimasau!", "Fleisch essen ist böse",....
Das beantwortet jetzt glaube ich nicht so wirklich deine Frage, was für die Frage des Fadens folge. Aber ich weiss das selber nicht so genau. Vielleicht einfach, dass ich der Meinung bin, dass man sich das Problem der Komplexität ins Bewusstsein rufen müsste und vielleicht erst darüber reflektieren müsste, wie damit umgegangen werden soll, bevor man entsprechende Fragestellungen in Angriff nehmen kann.