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ahasver
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Sa 15. Okt 2022, 22:40

Körper hat geschrieben :
Sa 15. Okt 2022, 21:17
Die End-Effekte können festgestellt und reproduziert werden, die Formeln können aufgestellt werden und passen wohl erstaunlich gut, aber die Deutungen über das, was (wann) vorhanden ist und über die Abläufe, gehören wohl eher ins Reich der Spekulation.
Was wann vorhanden ist, wird von der Theorie klar vorhergesagt und diese Vorhersagen wurden bisher von allen Experimenten bestätigt.



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Körper
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Sa 15. Okt 2022, 23:22

ahasver hat geschrieben :
Sa 15. Okt 2022, 22:40
Was wann vorhanden ist, wird von der Theorie klar vorhergesagt und diese Vorhersagen wurden bisher von allen Experimenten bestätigt.
Ich gehe davon aus, dass du den Link in meinem Beitrag zu "Superposition" gesehen hast.
Dort wird von "mathematischer Herleitung" und von Problemen bei physikalischer Deutung gesprochen.
Woher weiss man, dass "Superposition" in einer Experiment-Phase vor dem End-Effekt vorliegt?

Die End-Effekte mögen darauf schliessen lassen, aber diese End-Ergebnisse sind ja letztlich komisch.
Woher weiss man angesichts dieser Eigenartigkeit, dass die sehr normale Konsequenz-Idee einer Art "Zusammenlegung der Möglichkeiten" vernünftig ist?




ahasver
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So 16. Okt 2022, 09:23

Woher weiss man, dass "Superposition" in einer Experiment-Phase vor dem End-Effekt vorliegt?
zB aus der Tatsache, dass einzelne Teilchen im Doppelspaltexperiment mit sich selbst interferieren. Und zwar genauso wie von der Theorie vorhergesagt.

Das einzelne Teilchen, das den Doppelspalt passiert hat, besteht in einer Superposition aus I bin durch Spalt A gekommen> und I bin durch Spalt B gekommen >



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ahasver
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So 16. Okt 2022, 11:36

Für das Video ist mir z.B. aufgefallen, dass man die Raumzeit durch das Einführen eines "Gesamtsystems" auszuhebeln versucht, sodass das Problem der Lichtgeschwindigkeit umgangen wird.
Da habe ich mich gefragt "was ist jetzt plötzlich das Gesamtsystem?",
"wie ist es mit der Raumzeit verbunden, hat aber in sich keine Raumzeit?" und
"wie hat man dieses System festgestellt?"
Das ist eine gute, vielleicht weiterführende Kritik an deinem ansonsten sehr guten Video zur Verschränkung.
https://www.youtube.com/watch?v=IVbsnEeVNWo

Meines Erachtens müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass da eine Raumzeit ist in der Objekte gelagert sind oder in der sich Ereignisse ereignen.



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Körper
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So 16. Okt 2022, 17:47

ahasver hat geschrieben :
So 16. Okt 2022, 09:23
zB aus der Tatsache, dass einzelne Teilchen im Doppelspaltexperiment mit sich selbst interferieren. Und zwar genauso wie von der Theorie vorhergesagt.
Langsam, der Versuchsaufbau ist eine Tatsache, das Experiment-Ergebnis ist eine Tatsache, aber der von dir präsentierte Verlauf, ist eine Deutung auf Basis eines Weltbildes.
Ich will nicht sagen, dass es für diese Deutung keinen Anlass gibt, aber sie erreicht nicht den Stellenrang "Tatsache".

Die Deutungs-Idee einer "anfänglichen Superposition, die durch Messung in einen konkreten Zustand übergeht" schliesst doch eigentlich grundsätzlich aus, dass "Superposition" als Tatsache nachgewiesen werden kann.
Wenn wir nur das Werkzeug der Messung haben, wie sollen wir dann an das kommen, was ausserhalb der Messung liegt?
ahasver hat geschrieben :
So 16. Okt 2022, 11:36
Meines Erachtens müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass da eine Raumzeit ist in der Objekte gelagert sind oder in der sich Ereignisse ereignen.
Hast du dann damit nicht exakt die Superposition und den von dir behaupteten Doppelspaltverlauf entsorgt?

Du hast letztens schon so etwas angedeutet wie "das Teilchen gibt es noch gar nicht".
Wenn du dir solche Freiheiten in der Deutung nimmst, dann gestehst du doch indirekt ein, dass es sich nicht um Tatsachen handelt, was bisher (in der Quantenphysik) gedeutet wird.




Körper
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So 16. Okt 2022, 18:05

sybok hat geschrieben :
Sa 15. Okt 2022, 22:00
Du beziehst dich damit scheinbar darauf, dass Physiker Mathematik verwenden, Naturbeobachtungen und Zusammenhänge über Formeln ausdrücken.
Nein, die Aussage, dass man nicht über die Quanteneffekte reden, sondern die Formeln verwenden soll, gepaart mit "keiner versteht die Quantenwelt" usw. usf. sind ja tatsächlich vorgekommen.

So eine Aussage kann auf "positive" oder "negative" Art entstehen.
"positiv" wäre hierbei die Einsicht, dass man schlicht ständig falsche und hinderliche Deutungsansätze produziert.
"negativ" wäre hierbei, dass man versucht, eine Deutung aufrecht zuhalten und sie vor anderen Spekulationen zu schützen.
(in diesem Link wird vom "Kopenhagener Dogma" gesprochen, sodass es wohl eher um die "negativ"-Variante gehen dürfte)

Eigentlich ist es egal, was hiervon zutrifft, denn irgendwie scheint das Deuten nicht zu funktionieren, während das Rechnen Erfolge bringt.
Auf irgendeine Art ist von den Forschern ein Formalismus aufgestellt worden, der sozusagen "besser ist, als ihre Ideen zu der darunterliegenden Welt".

Ich habe damit eigentlich keinerlei Problem und ich stufe das als tolle Leistung ein.

Schwierig wird es für mich dadurch, dass es trotz des Wissens rund um "Deutung schlecht, Formeln gut", keine saubere Trennung zwischen soliden und unsoliden Aussagen gibt.
Wenn es schon innerhalb der Forscher das Motto gibt "hör auf mit deinen Deutungs-Versuchen", dann sollte das innerhalb der Präsentation nach aussen zu einer Unterscheidung führen.

Ich hätte gerne, dass reproduzierbare End-Effekte als Wissen, die Formeln als "zu den End-Effekten sehr gut passend" präsentiert werden, die Deutungen aber davon ausgenommen werden.

In dem Link wird gesagt:
  • Sucht man im 20. Jahrhundert nach einer ähnlich bedeutenden Formel, stößt man schnell auf die Schrödinger-Gleichung. Sie ist die Grundlage zur Berechnung von Quantenphänomenen. Um die Frage nach der grundlegenden Realität, die sie beschreibt, summt ein Basar der Deutungen. Was nicht wenige Physiker dazu verleitet, in der Quantentheorie schlicht ein Prognoseinstrument zu sehen, das nichts über die Realität aussagt.
Wenn es innerhalb (Teile) der Forscher die Meinung gibt, dass dieses Rückgrat der Quantenphysik keine wirkliche Realitätsentsprechung hat, dann sind doch Beschreibung der Form "aus einer Quelle kommt ein Teilchen, das sich in Superposition befindet und erst das Beobachten legt den Zustand fest" eine extrem ungünstige Darstellung.
Bei der Verschränkung wird ein "Teilchensystem in Superposition" behauptet, weil man bei der Idee einer "Informationsübertragung" nicht gegen das Limit der Lichtgeschwindigkeit verstossen möchte.

=> Aus meiner Sicht müsste man den Nicht-Forscher darauf vorbereiten, was er da jetzt zu hören bekommt: den Versuch, die Gültigkeit der Formeln in eine "Weltbild-ähnliche Aussage" umzuwandeln.

Aus der Erinnerung würde ich sagen, diese Klarheit ist mir nicht oft begegnet und die Tendenz, bei den Deutungen immer stärker in die "menschliche Wahrnehmungsrichtung" abzudriften (einige Forscher spielen so langsam mit dem Begriff "Bewusstsein"), finde ich merkwürdig.

Ich habe hier ein Video eines solchen Spezialisten, der mehrmals in diesen 5min auf das "physikalische Streben" Richtung Bewusstsein hinweist.
Der Informationsbegriff in der Quantenphysik ist für solche Leute wohl der Pfad zum Bewusstsein.
Meine Vorsicht-Warnung habe ich geschrieben und jetzt kann ich mir das Treiben ja anschauen, vielleicht wird es sogar lustig.




ahasver
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Mo 17. Okt 2022, 09:24

Körper hat geschrieben :
So 16. Okt 2022, 17:47
Langsam, der Versuchsaufbau ist eine Tatsache, das Experiment-Ergebnis ist eine Tatsache, aber der von dir präsentierte Verlauf, ist eine Deutung auf Basis eines Weltbildes.
Lass uns den Begriff >Tatsache< klären, bevor wir hier weiter reden. Was verstehst du unter >Tatsache<?



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ahasver
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Mo 17. Okt 2022, 09:42

Körper hat geschrieben :
So 16. Okt 2022, 18:05
Eigentlich ist es egal, was hiervon zutrifft, denn irgendwie scheint das Deuten nicht zu funktionieren, während das Rechnen Erfolge bringt.
Auf irgendeine Art ist von den Forschern ein Formalismus aufgestellt worden, der sozusagen "besser ist, als ihre Ideen zu der darunterliegenden Welt".
.................................................

Ich hätte gerne, dass reproduzierbare End-Effekte als Wissen, die Formeln als "zu den End-Effekten sehr gut passend" präsentiert werden, die Deutungen aber davon ausgenommen werden.

.............dann sind doch Beschreibung der Form "aus einer Quelle kommt ein Teilchen, das sich in Superposition befindet und erst das Beobachten legt den Zustand fest" eine extrem ungünstige Darstellung.

Bei der Verschränkung wird ein "Teilchensystem in Superposition" behauptet, weil man bei der Idee einer "Informationsübertragung" nicht gegen das Limit der Lichtgeschwindigkeit verstossen möchte.

Körper hegt ein tiefes Misstrauen gegen die diversen Interpretationen (Deutungen) der Quantentheorie. Ich glaube dass man eine neue Interpretation braucht um weiter zu kommen. Die Quantentheorie (Standardtheorie) ist nicht fertig, schlimmer noch, ich befürchte sie muss auf ein ganz neues "Fundament" gestellt werden um weiter entwickelt werden zu können. Die Mathematik dieses Fundaments wird aus einer neuen, ganz anderen Interpretation kommen. Ich denke wir werden diese neue Interpretation brauchen.


"aus einer Quelle kommt ein Teilchen, das sich in Superposition befindet und erst das Beobachten legt den Zustand fest" Ich denke auch, dass das eine keine gute Erzählung der Sache ist.

Bei der Verschränkung wird Superposition behauptet, weil es von der Theorie verlangt und von vielen unterschiedlichen Experimenten bestätigt wurde. Die wichtigsten davon waren die Tests der Bellschen Ungleichung.



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sybok
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Mo 17. Okt 2022, 15:55

ahasver hat geschrieben :
Mo 17. Okt 2022, 09:42
Ich glaube dass man eine neue Interpretation braucht um weiter zu kommen. Die Quantentheorie (Standardtheorie) ist nicht fertig, schlimmer noch, ich befürchte sie muss auf ein ganz neues "Fundament" gestellt werden um weiter entwickelt werden zu können.
Glaube ich auch, "Quantenmechanik ist nicht fertig" ist ja auch wörtlich DIE Kritik der "alten Garde" um Planck und Einstein.
Mir persönlich scheint die Pfadintegralmethode die intuitivste, klarste Formulierung zu sein. Und da spielt ja die Wirkung die entscheidende, die Theorie von der "klassischen Physik" abgrenzende, Rolle. Und Wirkung wiederum steht stark in Zusammenhang mit Entropie. Wir haben ja in diesem Thread bereits festgestellt, dass Information an sich auch eine grundlegende Grösse in der Physik ist. Überhaupt beginnt die Quantentheorie ja mit Plancks "statistischem Postulat", also mit Überlegungen zu Entropie. Auch das Messproblem kreist ja entscheidend um Informationstheorie. Und dennoch, lese ich Herleitungen, schaue Vorlesungen oder beschäftige mich sonst in irgendeiner Form mit Physik, spielt sie praktisch eine untergeordnete Rolle. Die Rolle eines Werkzeugs, das man kurz auspackt, rumschraubt und -hämmert, und wieder wegräumt.
==> Warum bemüht man sich nicht um eine Theorie der Physik, die auf der Informationstheorie aufbaut? Die Entwicklung der Hamiltonschen Mechanik hat das ja eigentlich für die klassische Mechanik vorgemacht, man müsste vielleicht eine solche Entwicklung für die Quantenmechanik, vielleicht eben gleich für die Physik als Ganzes, wiederholen.




Körper
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Mo 17. Okt 2022, 18:32

ahasver hat geschrieben :
Mo 17. Okt 2022, 09:24
Lass uns den Begriff >Tatsache< klären, bevor wir hier weiter reden. Was verstehst du unter >Tatsache<?
In unserem Fall, die Erfahrbarkeit von etwas Vorhandenem.
Der Versuchsaufbau und auch das End-Ergebnis erfüllen damit den Status "Tatsache".

Die "Superposition" in einer Versuchsphase und das Abbrechen dieser Superposition am Doppelspalt, gehört nicht zu den Tatsachen, sondern es ist gedeutet.
Der Begriff "Position" ist glaube ich der "Vektordarstellung der Möglichkeiten" geschuldet und zeigt, dass es eine rein mathematische Überlegung ist.

Aus der Wahrnehmungs-Analyse lässt sich ganz einfach die Regel ableiten, dass man nur an Wechselwirkungen herankommt, niemals an die Existenz, auf deren Basis Wechselwirkung stattfindet.

Wenn man sich den Versuchsaufbau anschaut, dann befindet sich die, für uns relevante Wechselwirkung auf dem Schirm des End-Ergebnisses.
Nun lautet die Deutung zum Versuchsaufbau so, dass es am Doppelspalt auch zu einer Wechselwirkung kommt, die dann das End-Ergebnis charakteristisch festlegt.
D.h. die Doppelspaltwechselwirkung könnten wir prinzipiell auch noch für Wahrnehmung nutzen (wie auch immer das aussehen könnte).
Laut der Deutung ist aber die erste Wechselwirkung dafür verantwortlich, dass nicht mehr vorhanden ist, was zuvor vorhanden sein soll: "Superposition".
=> Die "Superposition" kann damit eigentlich nie eine Tatsache werden. Ich kann mir auch kein Experiment dazu vorstellen.

"Superposition" ist sozusagen eine Behauptung, die vor jeglicher Prüfung in Sicherheit ist.
Das ist "Gott fügt es" aber auch.
Mit "Superposition" redet man über einen Bereich, an den man nicht herankommt - das ist kritisch und auch ausserhalb von Wissenschaft, denn es kann prinzipiell nie zu Wissen werden.

Die Physiker, die sich nicht auf solche Deutungen einlassen, machen meiner Ansicht nach keinen Fehler, sondern sie sind konsequent, überschreiten die Grenze nicht und bleiben auf der Seite der Wissenschaft.
Behauptung darüber, was "hinter den Wechselwirkungen" liegt, also prinzipiell nicht mehr über Wechselwirkungen erfahrbar ist, gehören zur Philosophie (Ontologie) bzw. Esoterik/Religion.




ahasver
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Do 20. Okt 2022, 22:04

sybok hat geschrieben :
Mo 17. Okt 2022, 15:55

Mir persönlich scheint die Pfadintegralmethode die intuitivste, klarste Formulierung zu sein.
https://www.youtube.com/watch?v=j-eUhdfyPoU



"Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."

sybok
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Fr 21. Okt 2022, 21:00

ahasver hat geschrieben :
Do 20. Okt 2022, 22:04
sybok hat geschrieben :
Mo 17. Okt 2022, 15:55

Mir persönlich scheint die Pfadintegralmethode die intuitivste, klarste Formulierung zu sein.
https://www.youtube.com/watch?v=j-eUhdfyPoU
Wow, super gemacht von Gassner, der Typ ist Klasse! Ab 20:50, abartig, fantastisch!
Diese Theorie ist wirklich eine Schönheit, wie Alles aus dieser Idee herausfliesst,... hat fast etwas spirituelles.

Meinem Gefühl nach könnte das doch ein Ansatzpunkt sein? Von hier aus noch versuchen, irgendwie die implizite Vorgabe von Raum und Zeit loszuwerden und das Ganze irgendwie von der Wirkung auf Entropie und informationstheoretische Prinzipien umzuformulieren.




meyer1910
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So 23. Okt 2022, 11:21

Es ist interessant, wie die meisten Diskussionsteilnehmer die Atomtheorie und den Kausalitätspositivismus zwar als unzutreffend erkannt haben, aber doch in der Frageweise und den Voraussetzungen der modernen Naturwissenschaften, die nach Naturgesetzen und Modellen fragt, verharren. Was sich auf Ebene der Elementarteilchen oder -wellen oder kontingenten Zuständen ereignet, darüber kann man sich mit ganz schwierigen Modellen und Fachwörtern lange den Kopf zerbrechen. Doch auf diesem Weg wird es keine Erkenntnis geben. Der Ausgangspunkt ist ja gerade die Kontingenz , die Nicht-mehr-Modellierbarkeit dieser Vorgänge, sodass man auf solche Weise nur seine Voraussetzungen in die Sache hineinträgt.

Ich bedauere schon länger, dass der Rückschritt von diesen Ergebnissen und das Ins-Auge-Fassen der Konsequenzen für das große Welt- oder Wirklichkeitsbild in der Breite nicht gelingt oder versucht wird. Die Art, in der wir die Wirklichkeit auffassen, ist ja historisch sehr stark durch den Wissenschaftspositivismus bedingt. Fragt man irgendjemanden, woher der Mensch kommt, soll er mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Affen abstammen, fragt man, woher das Leben kommt, sollen vermutlich irgendwelche Asteroiden vor Jahrmillionen mit der Erdoberfläche kollidiert haben, wodurch Säuren ins Wasser gekommen sind und die erste DNA gebildet haben. Ursprung des Seins ist der Urknall. All diese Theorien leiden an dem Mangel, dass sie auf wissenschaftlichen Modellerklärungen beruhen, deren Wert durch die Quantenforschung sehr eingeschränkt, in Bezug auf die Wahrheit geradezu vernichtet wurde. Man kann viele mehr oder weniger schöne Dinge mit den Naturwissenschaften machen, Maschinen bauen, Kunststoffe herstellen u.v.m., die die Alltagserfahrung prägen und scheinbar immense Beweiskraft haben. Aber an die Wahrheit der wirklichen Dinge wird man mit Versuchen und Modellen eben niemals heranreichen.

Hier sollte eigentlich eine große Renaissance der Naturphilosophie anheben. Denn wie gesagt, in Bezug auf die Wahrheit in der Wirklichkeit und ihre Folgen, nach der die Philosophie ja mindestens in großen Teilen fragt, haben wir es seit dem Ende des 18. Jahrhunderts mit einer Methoden- und Kulturwende zu tun, die den Blick auf Kategorien wie den Materialismus, die Kausalität und die mathematische Modellierbarkeit einengt, also auf Kategorien, deren metaphysische Wahrheit eben dieselbe Naturwissenschaft vor hundert Jahren experimentell widerlegt hat. Es steht hier also gewissermaßen ein riesiges Tor offen, um die alte Weisheit ernsthaft zu rezipieren oder weiterzudenken.




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So 23. Okt 2022, 11:58

Herzlich willkommen bei dialogos!




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So 23. Okt 2022, 12:17

meyer1910 hat geschrieben :
So 23. Okt 2022, 11:21
Aber an die Wahrheit der wirklichen Dinge wird man mit Versuchen und Modellen eben niemals heranreichen.
Sind die Ergebnisse der Quantentheorie, denen du anscheinend so eine große Bedeutung beimisst, nicht genau in dieser Art und Weise erwirtschaftet worden?

Ich bin allerdings auch der Ansicht, dass man Wahrheiten nicht generell mit "Versuchen und Modellen" erkennt. Drei Beispiele dafür wären die Mathematik, die Philosophie und die Kunst. Es gibt in diesem Forum gerade einen Faden, der sich mit dieser Frage beschäftigt, namentlich dem Verhältnis von Philosophie und Naturwissenschaft.




ahasver
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Do 27. Okt 2022, 09:45

Zur Pfadintegralmethode will ich ein Bild vorstellen. Ein Bild, das hinkt und das ich so nicht unterschreiben würde, das unsere Diskussion aber anregen könnte:

Es laufen ja keine realen Elementarteilchen auf Pfaden durch die Raumzeit um dann tatsächlich miteinander zu interferieren. Das, was interferiert, sind Möglichkeiten. Möglichkeiten wirken auf tatsächliche, wirken auf faktische Messungen.

Jetzt zum oben versprochenen Bild:

Die Welt ist ein Quantenrechner. Wahrnehmungen oder speziell Messungen sind das, was sich auf dem Bildschirm ereignet. Möglichkeiten sind Rechenvorgänge.
Wir sind also die Benutzeroberfläche hinter der, uns verborgen, Prozesse (Informationsverarbeitung) ablaufen. Die Benutzeroberfläche nennen wir Realität, die Rechenvorgänge Wirklichkeit. Die Rechenvorgänge sind kein Teil der Realität. Der Rechner selbst ist weder real noch wirklich. :oops:

Das Bild hinkt sehr. Ich bitte um Kritik.



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ahasver
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Do 27. Okt 2022, 17:17

Obiges ist natürlich viel zu materialistisch gedacht. Der Quantenrechner, der hinter allem steckt, ist keine Maschine, eher noch ein Lebewesen. Ein lebendes Information verarbeitendes und erzeugendes System. Er ist mit allen individuellen Benutzeroberflächen verbunden. Er besteht natürlich nicht aus Materie, er besteht eher in sich selbst verarbeitender oder mit sich selbst prozessierender Information. Steht also >Geist< näher als >Materie<.

wie gesagt, das soll nur mal die Phantasie anregen. :mrgreen:



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Do 27. Okt 2022, 18:51

ahasver hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 17:17
wie gesagt, das soll nur mal die Phantasie anregen. :mrgreen:
Naja, so ein wenig schimmert da schon "das Ziel der Übung" hervor :-)

Du hast ja oben darauf hingewiesen, dass es um Möglichkeiten geht und nicht um "reale Elementarteilchen".
An diesem Punkt darf man ruhig mal etwas länger verweilen, denn in wiefern geht das als Existenzaussage durch?
Eigentlich überhaupt nicht, denn es gibt keinen Nachweis (schlimmer noch: keine Nachweismöglichkeit!), dass innerhalb einer Experimentphase eine Art "Möglichkeitsraum" vorhanden ist.
"Möglichkeit" ist ein Teil unserer Erzählung, weil wir uns keine Grundlage vorstellen können.

Das wird natürlich fatal, wenn dann plötzlich "die Möglichkeiten" als "auf die Messung einwirkend" behauptet werden.
Magnetisch wird so ein Sprecher zu Existenzbehauptung hingezogen - mit "Möglichkeit" wurde aber die Existenzbasis explizit aus dem Zwang der Ahnungslosigkeit heraus verlassen.

Wenn das Ganze dann wie Schmitz Katze in Richtung "Information" und "Bewusstsein" abgeht (bei Quantentheologie bestimmt Richtung "Seele", "Gott" und all die altbackenen Religionsbehauptungen), dann ist das eigentlich nur noch ein Folgefehler.
Das ist dann zwar peinlich verrückt (Schmerzen an Stellen, die nicht zu mir gehören: Fremdschämen), aber der eigentliche Fehler ist der Wechsel zur Existenzbehauptung.




Lucian Wing

Do 27. Okt 2022, 20:39

ahasver hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 17:17
Obiges ist natürlich viel zu materialistisch gedacht. Der Quantenrechner, der hinter allem steckt, ist keine Maschine, eher noch ein Lebewesen. Ein lebendes Information verarbeitendes und erzeugendes System. Er ist mit allen individuellen Benutzeroberflächen verbunden. Er besteht natürlich nicht aus Materie, er besteht eher in sich selbst verarbeitender oder mit sich selbst prozessierender Information. Steht also >Geist< näher als >Materie<.
Was immer du nun unter "Geist" verstehen möchtest.
Aber es klingt eher nach der Maxime, dergemäß man dann, wenn man alle relationalen Eigenschaften einer Sache, also ihre Ursachen und Wirkungen, erklärt hat, die ganze Sache ohne jedweden Rest erklärt habe. Beim Menschen fällt dann also die Perspektive der ersten Person vollständig weg, sodass es am Ende vollständig wurscht wäre, ob Geist oder Materie oder Mateist oder Geiterie.




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Do 27. Okt 2022, 22:05

Lucian Wing hat geschrieben :
Do 27. Okt 2022, 20:39
Aber es klingt eher nach der Maxime, dergemäß man dann, wenn man alle relationalen Eigenschaften einer Sache, also ihre Ursachen und Wirkungen, erklärt hat, die ganze Sache ohne jedweden Rest erklärt habe. Beim Menschen fällt dann also die Perspektive der ersten Person vollständig weg, sodass es am Ende vollständig wurscht wäre, ob Geist oder Materie oder Mateist oder Geiterie.
"Die Perspektive der ersten Person" entspricht weiteren "Ursachen und Wirkungen". Insofern geht's in der Tat "monistisch" zu ...




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