sybok hat geschrieben : ↑ Mo 12. Sep 2022, 17:31
Und doch glauben wir immer weiter und weiter, wir seien irgendwo ausgezeichnet ...
Ich will noch einmal daran erinnern, worüber wir in diesem Faden reden. Wir reden von künstlicher Intelligenz. Du bist relativ neu in diesem Faden, deswegen hast du vielleicht nicht alle Aspekte, dir behandelt wurden präsent. Wir haben z.b gesprochen über den Intelligenztest von Alan Turing. Ich schätze, du weißt ungefähr, wie er aufgebaut ist. Woran orientiert sich dieser dieser Test? Am Menschen! Wenn die Maschine in der Unterhaltung wie ein Mensch wirkt, dann soll man ihr Intelligenz zu sprechen. Das Maß der Intelligenz ist hier ganz eindeutig der Mensch.
Man baut heute Computer mit neuronalen Netzen. Wovon sind diese Netze denn ursprünglich abgeschaut? Vom menschlichen Gehirn! Computer können lernen, heißt es. Dazu wurden sogar psychologische Befunde herangezogen, die man sich bei der Entwicklung von Kindern abgeschaut hat. Bei den neuronalen Netzen und beim Lernen - was ist hier das Maß? Der Mensch.
Es ist also keineswegs so, dass es sich um eine Marotte von mir handelt, dass ich den Blick auf den Mensch richte bei der Frage nach der Intelligenz. Das hat Turing getan, das tut man, wenn man das menschliche Gehirn zum Vorbild nimmt und das tut man wenn man das Lernen des Menschen nachbilden will.
Ich habe eben gerade etwas in einem Interview mit KI-Forscher Klaus Mainzer gelesen. Seine Arbeitsdefinition für Intelligenz lautet: "Ein System heißt intelligent, wenn es selbstständig und effizient Probleme lösen kann." Das entspricht ziemlich dem, was ich hier vorgeschlagen habe. Leider ist es dem Interviewer nicht eingefallen, Mainzer zu fragen, inwiefern Computer Probleme haben können.
Im Zentrum dieser Debatte steht der Mensch. Und nicht ich habe ihn dort hingestellt, sondern die KI-Forscher selbst. Das ist also keine besondere Form der rückwärtsgewandtheit von mir oder irgendeinen Glaube an eine Sonderstellung des Menschen im Universum, sondern eine einfache Anknüpfung an die Lage der Diskussion.
Und der Einwand, den ich hier in diesem Gesprächsfaden mache, und wenn ich richtig sehe ist es auch der Einwand von nwdm: es ist nicht angemessen, sich den Menschen als Vorbild zu nehmen, aber die sogenannte Innenperspektive dabei einfach mir nichts dir nichts wegzuschieben. Denn hat man einen ganz entscheidenden Aspekt einfach unter den Tisch fallen lassen. Hier in diesem Faden wird dafür in der Regel nicht einmal argumentiert.
Mainzer beschreibt in dem Interview "Lernende Systeme" und er sagt, dass sie "Belohnungen" erhalten. Aber der Interviewer hakt leider nicht ein, und fragt nicht, warum "Belohnung" in Anführungszeichen gesetzt. Und er fragt auch nicht, wie etwas eine Belohnung sein kann, wenn es sich für denjenigen, der belohnt wird, nicht angenehm anfühlt. Das ist für mich kein Nebenaspekt. Ich kann nicht erkennen, wie etwas, was keine intrinsische Motivation hat, etwas zu tun, Probleme haben kann, lernen kann, Belohnung bekommen kann, das ist für mich eine begriffliche und ontologische Unmöglichkeit.
Ein guter Freund von mir war Informatikprofessor und er sagte wiederholt, die Dinger werden nicht intelligent sein, wenn sie nicht ein eigenes Leben führen können bzw müssen. Ein anderer Forscher, dessen Name ich nicht parat habe, meinte etwas ganz ähnliches, aber pointierter ausgedrückt: sie werden nicht intelligent sein, wenn sie keinen Sex haben können. Wenn es nicht so makaber wäre, könnte man an dieser Stelle vielleicht sogar Heidegger bringen mit dem Dasein, dem es in seinen Sein um dieses Sein selbst geht. Für uns geht es immer um etwas. Aber bei den Maschinen ist halt keiner zu Hause, für sie steht nie etwas auf dem Spiel. Und wenn nichts auf dem Spiel steht dann gibt es auch keine Probleme.
Das ist meine Position.
Ich sage hingegen nicht, dass wir es prinzipiell nicht schaffen können "künstliche Intelligenz" herzustellen. Ich glaube z.b, dass das Blade Runner Szenario möglich ist. Soweit ich den Film richtig verstanden habe, sind die Replikanten biologisch oder überwiegend biologisch. In der zweiten Folge, ebenso wie in der ersten Folge, dreht sich viel um die Frage, welche Rechte den Replikanten zugesprochen werden müssten. Und eine der Antworten der zweiten Folge scheint mir zu sein: da sie sich sexuell fortpflanzen können, müssen wir ihnen Personenrechte zugestehen. Das würde ich unterschreiben.
Hier stellen sich natürlich noch andere ethische Fragen. Wenn man versucht, Leben zu schaffen, dann wird man sicherlich viele Fehlversuche bei der Entwicklung haben und damit viel unnötiges Leid die Welt setzen. Das ist zumindest (sehr grob skizziert) der Gedanke von Metzinger. Das halte ich z.b tatsächlich für ein schwerwiegendes Problem.