Kaffeestübchen

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Lucian Wing
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Sa 9. Jul 2022, 10:58

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 10:38
Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 10:24
Je mehr Interessen moralisch aufgeladen werden, desto größer das Konfliktpotenzial.
Ob Interessen zum Konflikt führen hängt nicht davon ab ob sie moralisch aufgeladen werden, sondern sie sind moralisch aufgeladen wenn die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung der eigenen Interessen von anderen Menschen abhängt.
Wie Nauplios schrieb. Alles voller Moral.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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NaWennDuMeinst
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Sa 9. Jul 2022, 11:53

Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 10:58
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 10:38
Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 10:24
Je mehr Interessen moralisch aufgeladen werden, desto größer das Konfliktpotenzial.
Ob Interessen zum Konflikt führen hängt nicht davon ab ob sie moralisch aufgeladen werden, sondern sie sind moralisch aufgeladen wenn die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung der eigenen Interessen von anderen Menschen abhängt.
Wie Nauplios schrieb. Alles voller Moral.
So ist es nun mal. Du schreibst es ja selber: Du möchtest die größtmögliche Freiheit geniessen. Damit stellst Du ganz direkt eine moralische Forderung an andere Menschen Dich auch zu lassen.
Es ist halt mMn einfach Quatsch. Irgendwer hat mit diesem Unsinn angefangen irgendwo einen Bösewicht zu verorten, den bösen "Moralisierer" der aus jedem Konflikt eine Frage der Moral machen will.
Aber das ist halt Unsinn. Der moralische Aspekt tritt von ganz allein auf, wenn für die Erfüllung von Interessen die Mitwirkung und das Einverständnis anderer Menschen nötig ist.

Meiner Meinung nach ist der Moralisierungsvorwurf nur ein Abwehrreflex. Wenn andere Argumente nicht ziehen, wird dem Gegenüber einfach vorgeworfen ein böser Moralisierer zu sein.
Und das ist nichts anderes als ... äähhh... moralisieren ("Stell dieses unmoralische Verhalten ein!").

Anstatt nun dem anderen den Moralisierungsvorwurf zu machen und zu behaupten der andere sei durch seine "moralischen Ansprüche" verantwortlich für Konflikte in der Gesellschaft (was wiederum nichts anderes als ein moralsicher Vorwurf ist), sollte man sich lieber überlegen, wie man Werte und Interessen gewichten will. Denn auch wenn das der erstrebenswerte Zustand ist, so lassen sich nicht immer Interessen ausgleichen. Manchmal müssen andere Interessen auch zurücktreten.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Sa 9. Jul 2022, 12:02, insgesamt 1-mal geändert.



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Lucian Wing
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Sa 9. Jul 2022, 12:00

Als Quintessenz des Plänkelns über Moral und aus der Feststellung, alles voller Moral, könnte man mit Blick auf das Verhältnis zwischen Individuum und Staat die These aufstellen, dass immer mehr Menschen im Staat und in der Politik einen Erziehungsbeauftragten sehen, als dessen Mündel sie sich fühlen.

Das hat auch etwas mit dem zu tun, dass es vielen schwerzufallen scheint, Begriffe auseinanderzuhalten und nicht zu vermengen. Also zu vergessen, dass Freiheit nicht Gerechtigkeit und auch nicht Gleichheit ist. Daher wird der Freiheit mit ihren Schwestern zuleibe gerückt. Es sei moralisch geboten, ihr zu nehmen und den Schwestern zu geben. Damit sie, die Freiheit, mehr werde. Was für ein Irrtum.
Zuletzt geändert von Lucian Wing am Sa 9. Jul 2022, 12:10, insgesamt 1-mal geändert.



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NaWennDuMeinst
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Sa 9. Jul 2022, 12:10

Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:00
Als Quintessenz des Plänkelns über Moral und aus der Feststellung, alles voller Moral, könnte man mit Blick auf das Verhältnis zwischen Individuum und Staat die These aufstellen, dass immer mehr Menschen im Staat und in der Politik einen Erziehungsbeauftragten sehen, als dessen Mündel sie sich sehen.
Das ist Deine Wahrnehmung, die ich nicht teile.
Ich sehe halt einfach nur Interessenkonflikte. Und einige davon scheinen den Menschen so wichtig zu sein, dass sie bereit sind ihr Interesse notfalls auch per Gesetz durchzusetzen, wenn alles gute Zureden und moralische Ermahnen nicht hilft.
Ich weiß auch nicht was daran ungewöhnlich sein soll. Das war ja schon immer so.
Wenn die dreckige Umweltsau nicht einsehen will, dass sie damit anderen Menschen Schaden zufügt, und diese das nicht mit sich machen lassen wollen, dann müssen halt Gesetze dafür sorgen, dass die Umweltsau sich so verhält wie es der Rest der Gemeinschaft fordert. So lange das demokratisch entschieden wird, sehe ich das als vollkommen normal an. Ein Interesse wird halt über ein anderes gestellt. Daran ist nichts Verwerfliches.
Das hat auch etwas mit dem zu tun, dass es vielen schwerzufallen scheint, Begriffe auseinanderzuhalten und nicht zu vermengen.
Das hatten wir schon. Die Leute vermengen da nichts. Sie wissen sehr genau zu unterscheiden zwischen Recht und Gerechtigkeit.
Was Du aber nicht kapierst ist, dass Recht nicht einfach um des Rechts wegen existiert. Es hat einen Sinn und Zweck.



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Jörn Budesheim
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Sa 9. Jul 2022, 12:16

Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:00
Das hat auch etwas mit dem zu tun, dass es vielen schwerzufallen scheint, Begriffe auseinanderzuhalten und nicht zu vermengen. Also zu vergessen, dass Freiheit nicht Gerechtigkeit und auch nicht Gleichheit ist. Daher wird der Freiheit mit ihren Schwestern zuleibe gerückt. Es sei moralisch geboten, ihr zu nehmen und den Schwestern zu geben. Damit sie, die Freiheit, mehr werde. Was für ein Irrtum.
Auch wenn man die Begriffe Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit unterscheiden kann, so muss man doch wohl sagen, dass sie in irgendeiner Form auch zusammenhängen, oder? Der Umstand, dass wir alle frei sind und niemand herausgehoben, spielt dabei sicherlich eine gewisse Rolle.




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Impulsgeber
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Sa 9. Jul 2022, 12:17

Gott ist tot. Moral ist tot. Es lebe das Göttliche! Es lebe die sich an das Lebendige anpassende Moral! Anderseits: Des Menschen Gefühle mögen den Tod und das Leid nicht so gerne haben wie das Lebendige um uns herum. Daueranwendung der Moral auf Tod und Leid als Propagandawaffe innerhalb einer mit Milch und Honig verdeckten Pychologischen Kriegsführung nutzt sie schäbig ab und sie verliert sich in ideologisch-austauschbaren Beliebigkeiten. Der Schauspieler in Kiew begründet seine Forderungen mit Leid und Tod. Moralisiert bis zum Kotzen!



Zum Punkt kommen! Der Kern, der Inhalt einer Thematik: Das Außenherum ist nur Fruchtfleisch für seichte Unterhaltungen. Tiefgehend in der See Mittelpunktum, nicht nur seichte Gewässer dessen betreten.

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NaWennDuMeinst
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Sa 9. Jul 2022, 12:20

Oder anders formuliert: Wir bräuchten viel weniger einengende Gesetze, wenn moralische Forderungen nicht als grundsätzlich böse betrachtet und reflexartig abgelehnt werden würden.
Ich sehe die Ursache für gesellschaftliche Konflikte also eher auf der anderen Seite, nämlich bei denen die nur zu Verhaltensänderungen bereit sind, wenn man sie rechtlich dazu zwingt.



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NaWennDuMeinst
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Sa 9. Jul 2022, 12:30

Impulsgeber hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:17
Der Schauspieler in Kiew begründet seine Forderungen mit Leid und Tod. Moralisiert bis zum Kotzen!
Ja, furchtbar. Der "Schauspieler in Kiev" möchte halt einfach nicht, dass sein Land in Schutt und Asche gelegt und seine Mitmenschen ermordet werden.
Was denkt der sich nur?
:roll:
(An der Stelle kann man sich Moral tatsächlich sparen. Da hilft dann nur noch die Faust, sprich so viele der Okkupanten töten wie möglich)



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Jörn Budesheim
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Sa 9. Jul 2022, 12:47

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:20
Wir bräuchten viel weniger einengende Gesetze, wenn moralische Forderungen nicht als grundsätzlich böse betrachtet und reflexartig abgelehnt werden würden.
Ich schätze den meisten "moralischen Forderungen" kommen wir unentwegt nach, weil sie uns gar nicht als Forderung entgegentreten, sondern als Selbstverständlichkeit.

Ja, wenn wir alle Engel wären, dann bräuchten wir keine Gesetze :)




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Lucian Wing
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Sa 9. Jul 2022, 12:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:16
Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:00
Das hat auch etwas mit dem zu tun, dass es vielen schwerzufallen scheint, Begriffe auseinanderzuhalten und nicht zu vermengen. Also zu vergessen, dass Freiheit nicht Gerechtigkeit und auch nicht Gleichheit ist. Daher wird der Freiheit mit ihren Schwestern zuleibe gerückt. Es sei moralisch geboten, ihr zu nehmen und den Schwestern zu geben. Damit sie, die Freiheit, mehr werde. Was für ein Irrtum.
Auch wenn man die Begriffe Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit unterscheiden kann, so muss man doch wohl sagen, dass sie in irgendeiner Form auch zusammenhängen, oder? Der Umstand, dass alle frei sind und niemand herausgehoben, spielt dabei sicherlich eine gewisse Rolle.
Alle spielen eine Rolle für das Zusammenleben. Aber ich bin bei Isaiah Berlin, wenn er in seinem Buch „Freiheit“ anmerkt:
Um Ungleichheit oder Elend nicht sehen zu müssen, bin ich bereit, meine Freiheit oder einen Teil von ihr zu opfern: vielleicht tue ich das aus freien Stücken und eigenem Antrieb, aber es ist doch die Freiheit, die ich um der Gerechtigkeit, der Gleichheit, der Nächstenliebe willen aufgebe. Ich würde mich zurecht schuldig fühlen, wenn ich in bestimmten Situationen nicht bereit wäre, dieses Opfer zu bringen. Aber ein Opfer ist dann noch nicht die Vermehrung dessen, was da geopfert wird, nämlich die Freiheit, und sei … das, was man zum Ausgleich gewinnt, noch so groß. Jedes Ding ist das, was es ist: Freiheit ist Freiheit und nicht Gleichheit oder Fairness oder Gerechtigkeit oder Kultur oder menschliches Glück oder gutes Gewissen. Wenn meine Freiheit oder die meiner Klasse oder meiner Nation auf der Not einer Anzahl anderer Menschen beruht, dann ist das System, dass diese Verhältnisse stabilisiert und Ihnen Vorschub leistet, ungerecht und unmoralisch. Aber wenn ich die eigene Freiheit beschneide oder aufgebe, um die Bestimmung, mit der mich diese Ungleichheit erfüllt, zu verringern, und hierdurch nicht eine greifbare Zunahme der individuellen Freiheit anderer erreiche, dann kommt es zu einem absoluten Verlust an Freiheit. Das mag durch einen Gewinn an Gerechtigkeit oder Glück oder Frieden ausgeglichen werden, aber der Verlust bleibt, und es wäre eine Verwirrung von Wertbegriffen, wenn ich sagen würde, dass zwar meine liberale individuelle Freiheit über Bord gehe, dafür aber eine andere  Art von Freiheit wie soziale oder ökonomische Freiheit zunehme.



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Jörn Budesheim
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Sa 9. Jul 2022, 12:59

Ich glaube, zumindest auf den ersten Blick, dass ich das anders sehe. Wenn ich ein "Opfer" bringe, um Missstände zu bekämpfen, dann in Ausübung meiner Freiheit. Das ist nach meiner Einschätzung keine Einschränkung der Freiheit, sondern einer ihre vielen Ausdrucksformen.




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Impulsgeber
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Sa 9. Jul 2022, 13:00

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:30
Impulsgeber hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:17
Der Schauspieler in Kiew begründet seine Forderungen mit Leid und Tod. Moralisiert bis zum Kotzen!
Ja, furchtbar. Der "Schauspieler in Kiev" möchte halt einfach nicht, dass sein Land in Schutt und Asche gelegt und seine Mitmenschen ermordet werden.
Was denkt der sich nur?
:roll:
(An der Stelle kann man sich Moral tatsächlich sparen. Da hilft dann nur noch die Faust, sprich so viele der Okkupanten töten wie möglich)
Im Krieg, in der Liebe und in der Politik ist alles erlaubt: Keine Moral oder Moralische Kriege sind gute Kriege, fast ein wenig wie Frieden, nur mit viel Spektakel.

Worin liegt deutsches Interesse bei der ukrainischen Oligarchie die sich als zentralistisch-präsidale Scheindemokratie den Westmedien präsentiert? In den ukrainischen Staatsschulden vielleicht, weil noch nicht genug eigene Staatsschulden durch moralisierende Ideologen angehäuft wurden? Ein weiterer Beweis für die Fremdbestimmtheit Deutschlands Deutscher Staatsbürger. Die Moraldebatte ist nur die Milch und der Honig die den scharfen Senf auf der Politkacke abmildern sollen. Können die dies angerichtet sleber fressen! Die Wahrheit ist: Deutschlands Einmischung in den Ukraine-Konflikt ist wie die Rettung des nicht-menschengemachten Weltklimas aus Deutschland heraus ein idiotisch-ideologisch begründeter Sesselfurzer jener Moralapostel, welche gerade hart im Wind ihr Seglein wehen lässt. Morgen bläst der Wind schon wieder aus anderer Richtung, aber trotzdem muss super-moralisch-moralsierende Betonkopf gegen den Wind fahren. Die Stellung halten! Wir kämpfen mit Amerika bis zum letzten Ukrainer! Damit ja nicht die Milliardengeschäfte mit den ukrainischen Oligarchen leiden. Geschäft und Moral mögen sich, weil Politik und Westmedien es propagieren.

Aber unter geschäftlicher Ausbeutung haben wir Deutsche ja bekanntlich Erfahrung gesammelt. Moral ist der neue Gebieter! Wir müssen zahlen, weil wir moralisch dazu verpflichtet sind. Moral ist tot, gestoben, missbraucht vom Schauspieler in Kiew.
Zuletzt geändert von Impulsgeber am Sa 9. Jul 2022, 13:03, insgesamt 1-mal geändert.



Zum Punkt kommen! Der Kern, der Inhalt einer Thematik: Das Außenherum ist nur Fruchtfleisch für seichte Unterhaltungen. Tiefgehend in der See Mittelpunktum, nicht nur seichte Gewässer dessen betreten.

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NaWennDuMeinst
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Sa 9. Jul 2022, 13:02

Wenn man Freiheit als Wert absolut setzt, dann muss man zwangsläufig damit unzufrieden sein, wenn man sie zugunsten anderer Werte opfert.
Ich würde an der Stelle aber einwenden, dass es mir gar nichts nutzt, wenn ich als freier Mensch verhungere.
Auch Freiheit muss gelegentlich zurücktreten. Solange es nicht immer nur die Freiheit ist die geopfert wird....



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NaWennDuMeinst
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Sa 9. Jul 2022, 13:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:47
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 12:20
Wir bräuchten viel weniger einengende Gesetze, wenn moralische Forderungen nicht als grundsätzlich böse betrachtet und reflexartig abgelehnt werden würden.
Ich schätze den meisten "moralischen Forderungen" kommen wir unentwegt nach, weil sie uns gar nicht als Forderung entgegentreten, sondern als Selbstverständlichkeit.
Das kommt halt drauf an wie stark diese Forderungen als Einschränkung oder Zumutung begriffen werden.
Ja, wenn wir alle Engel wären, dann bräuchten wir keine Gesetze :)
Mir ist schon klar, dass es ganz ohne Gesetze nicht gehen wird, einfach schon deshalb, weil die Interessenlage unterschiedlich ist.
Aber ich finde viele Gesetze müssten gar nicht sein, bzw ich finde es beschämend dass sich der Gesetzgeber teilweise mit Sachen beschäftigen muss, die eigentlich selbstverständlich sein sollten.



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NaWennDuMeinst
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Sa 9. Jul 2022, 13:23

Impulsgeber hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 13:00
Worin liegt deutsches Interesse bei der ukrainischen Oligarchie die sich als zentralistisch-präsidale Scheindemokratie den Westmedien präsentiert?
Es gibt Menschen, die halten alles für eine Lüge. In der Politik wird niemals mit offenen Karten gespielt. Wenn also betont wird, dass es in der Ukraine auch westliche Werte und westliche Lebensweisen zu verteidigen gilt, dann gibt es immer einen der sagt: "Das ist alles nur vorgeschoben.... in Wahrheit will man nur....".
Das ist mir zu schwarz/weiß. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte. Es gibt Gründe die offenliegen, und solche die verdeckt sind.



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Timberlake
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Sa 9. Jul 2022, 14:18

Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 10:24

Ich glaube, wir definieren den Begriff der moralischen Lebensführung unterschiedlich. Dass der Staat mir Steuern abverlangt, gehört nicht zu dem Komplex, den ich meiner moralischen Lebensführung zuordnen würde. Würde der Staat dagegen sagen, ab morgen sind Ehescheidungen verboten, wäre dies natürlich ein eklatanter Eingriff in meine moralische Lebensführung. Wenn vorgeschrieben wird, dass auf Deutschlands Straßen rechts gefahren werden muss, ist das kein Eingriff, dass ich am Karfreitag nicht tanzen darf dagegen schon. Kein Kopftuch tragen zu dürfen ist ebenfalls ein Eingriff in die moralische Lebensführung ebenso wie es einer wäre vorzuschreiben, dass an bestimmten Tagen kein Fleisch gegessen werden darf.

Je mehr Interessen moralisch aufgeladen werden, desto größer das Konfliktpotenzial. Denn Moralbegründungen sind bekanntlich eine heikle Sache.

Völlig richtig , wir definieren den Begriff der moralischen Lebensführung unterschiedlich. Ich definiere die moralischen Lebensführung vorallem an Hand von epochaltypische Schlüsselprobleme ...
  • Was sind epochaltypische Schlüsselprobleme?
    Zur Identifikation epochaltypischer Schlüsselprobleme benennt KLAFKI spezifische Kriterien. Demnach ist ein Themenfeld dann relevant, wenn es sich dabei um "Strukturprobleme von gesamtgesellschaftlicher, meistens sogar übernationaler bzw. weltumspannender Bedeutung handelt, die gleichwohl jeden einzelnen zentral betreffen." Es ist zugleich "epochaltypisch", wenn es sich dabei "um einen in die Zukunft hinein wandelbaren Problemkanon handelt" (KLAFKI 1996, S. 60). Weiterhin sollen die exemplarischen Schlüsselprobleme jeweils "inhaltsbezogene und kommunikationsbe-zogene Komponenten" enthalten, wobei vor allem die Befähigung zum "vernetzenden Denken" eine besondere Rolle spielt (KLAFKI 1996, S. 63

.. also an Hand von Strukturprobleme von gesamtgesellschaftlicher, meistens sogar übernationaler bzw. weltumspannender Bedeutung. Du an Hand von Ehescheidungen, das Tragen von Kopftüchern und nicht zu vergessen , an Hand der Frage , ob man am Karfreitag tanzen darf. Moralische Befindlichkeiten , die man ganz sicher nicht mit den epochaltypischen Schlüsselproblemen identifizieren würde.

Was würdest du den Meinen , welche Definition der moralischen Lebensführung würde denn selbst den moralischen Ansprüchen genügen?

Meine , die sich an epochaltypischen Schlüsselprobleme orientiert oder deine , die sich an Ehescheidungen, das Tragen von Kopftüchern , der Frage , ob man am Karfreitag tanzen darf ... orientiert?
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 13:02
Wenn man Freiheit als Wert absolut setzt, dann muss man zwangsläufig damit unzufrieden sein, wenn man sie zugunsten anderer Werte opfert.
Ich würde an der Stelle aber einwenden, dass es mir gar nichts nutzt, wenn ich als freier Mensch verhungere.
Auch Freiheit muss gelegentlich zurücktreten. Solange es nicht immer nur die Freiheit ist die geopfert wird....

Oder anders gefragt, vor welcher Definition der moralischen Lebensführung , sollte die Freiheit gelegentlich zurück treten. Wo droht denn tatsächlich der Hungertod ? Bei Strukturproblemen von gesamtgesellschaftlicher, meistens sogar übernationaler bzw. weltumspannender Bedeutung oder bei Problemen bei der Ehescheidung, beim Tragen von Kopftüchern oder bei der Frage , ob man am Karfreitag tanzen darf?
Impulsgeber hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 13:00
Im Krieg, in der Liebe und in der Politik ist alles erlaubt:
Sollte etwa auch bei den epochaltypischen Schlüsselprobleme alles erlaubt sein? Stichwort: Wachstumszwang ..
  • "Wachstumszwang (englisch growth imperative) ist ein Begriff aus der Wirtschaftstheorie. Damit werden einerseits Mechanismen auf der Mikroebene bezeichnet, die es für Privathaushalte oder Unternehmen zwingend notwendig machen, Konsum oder Umsatz zu steigern, um die wirtschaftliche Existenz nicht zu gefährden. Auf der Makroebene beschreibt ein politischer Wachstumszwang Situationen, in dem Wirtschaftswachstum notwendig ist, um wirtschaftliche und soziale Instabilitäten zu vermeiden, so dass andere politische Ziele wie Klimaschutz oder eine Reduktion von Ungleichheit dem Wachstumsziel untergeordnet werden. Wachstumskritiker fordern in Anbetracht überschrittener planetarer Grenzen[1] daher politische Maßnahmen, um Wachstumszwänge zu überwinden."
P.S.

An Impuslgeber und NaWennDuMeinst , in dem ich euch beide hier zitiert habe , so dürft auch ihr euch gerne zu den hier, in diesem Beitrag ,aufgeworfenen Fragen positionieren. Wenngleich ich da , zugegebener Maßen , wenig Hoffnung habe . Sind doch diese Fragen zu konkret , als dass man darauf mit einer deutlichen Positionierung eingehen könnte und so erlaube ich mir mal , im Vorgriff darauf, schon mal , eine Antwort ..
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 13:23
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte. Es gibt Gründe die offenliegen, und solche die verdeckt sind.
.. diese Antwort ist wie ein Dietrich . die passt zu jedem Schloss bzw. zu jeder konkreten Entweder-Oder-Frage. So geht übrigens auch Scholzen. ;)




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Lucian Wing
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Sa 9. Jul 2022, 17:24

Timberlake hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 14:18
Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 10:24

Ich glaube, wir definieren den Begriff der moralischen Lebensführung unterschiedlich. Dass der Staat mir Steuern abverlangt, gehört nicht zu dem Komplex, den ich meiner moralischen Lebensführung zuordnen würde. Würde der Staat dagegen sagen, ab morgen sind Ehescheidungen verboten, wäre dies natürlich ein eklatanter Eingriff in meine moralische Lebensführung. Wenn vorgeschrieben wird, dass auf Deutschlands Straßen rechts gefahren werden muss, ist das kein Eingriff, dass ich am Karfreitag nicht tanzen darf dagegen schon. Kein Kopftuch tragen zu dürfen ist ebenfalls ein Eingriff in die moralische Lebensführung ebenso wie es einer wäre vorzuschreiben, dass an bestimmten Tagen kein Fleisch gegessen werden darf.
Was würdest du den Meinen , welche Definition der moralischen Lebensführung würde denn selbst den moralischen Ansprüchen genügen?
Da müsste man ja angeben können, welche moralischen Ansprüche in Bezug worauf?

Mit „moralische Lebensführung“ spreche ich lediglich von dem individuellen Bereich des Lebens, in den weder der Staat noch sonstwer eingreifen sollte. Berlin hatte für den Begriff der negativen Freiheit die Frage aufgeworfen, welcher Bereich des Lebens eines Menschen frei von Einmischung durch andere Menschen oder Institutionen sein soll. Das ist der Bereich, den ich als den der moralischen Lebensführung bezeichne.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 13:02
Wenn man Freiheit als Wert absolut setzt, dann muss man zwangsläufig damit unzufrieden sein, wenn man sie zugunsten anderer Werte opfert.
Ich würde an der Stelle aber einwenden, dass es mir gar nichts nutzt, wenn ich als freier Mensch verhungere.
Auch Freiheit muss gelegentlich zurücktreten. Solange es nicht immer nur die Freiheit ist die geopfert wird....
Freiheit absolut zu setzen ist nicht der Punkt. Der Punkt war, dass Freiheit nicht Gleichheit, Gerechtigkeit, Fairness, Glück usw. ist.

Man könnte deinem Verhungern entgegenhalten, es nutzt mir nichts, wenn ich gleich wie alle anderen bin, weil ich in Nordkorea lebe. Das wäre ein Argument der gleichen Art.



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Sa 9. Jul 2022, 17:59

Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 17:24
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 13:02
Wenn man Freiheit als Wert absolut setzt, dann muss man zwangsläufig damit unzufrieden sein, wenn man sie zugunsten anderer Werte opfert.
Ich würde an der Stelle aber einwenden, dass es mir gar nichts nutzt, wenn ich als freier Mensch verhungere.
Auch Freiheit muss gelegentlich zurücktreten. Solange es nicht immer nur die Freiheit ist die geopfert wird....
Freiheit absolut zu setzen ist nicht der Punkt. Der Punkt war, dass Freiheit nicht Gleichheit, Gerechtigkeit, Fairness, Glück usw. ist.

Man könnte deinem Verhungern entgegenhalten, es nutzt mir nichts, wenn ich gleich wie alle anderen bin, weil ich in Nordkorea lebe. Das wäre ein Argument der gleichen Art.
Ja, es ist ein Argument dafür, dass die Antwort auf die Frage welcher Wert gerade bevorzugt wird situationsabhängig ist.
Du hast es verstanden.



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Sa 9. Jul 2022, 18:56

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 17:59
Erasmus hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 17:24
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 13:02
Wenn man Freiheit als Wert absolut setzt, dann muss man zwangsläufig damit unzufrieden sein, wenn man sie zugunsten anderer Werte opfert.
Ich würde an der Stelle aber einwenden, dass es mir gar nichts nutzt, wenn ich als freier Mensch verhungere.
Auch Freiheit muss gelegentlich zurücktreten. Solange es nicht immer nur die Freiheit ist die geopfert wird....
Freiheit absolut zu setzen ist nicht der Punkt. Der Punkt war, dass Freiheit nicht Gleichheit, Gerechtigkeit, Fairness, Glück usw. ist.

Man könnte deinem Verhungern entgegenhalten, es nutzt mir nichts, wenn ich gleich wie alle anderen bin, weil ich in Nordkorea lebe. Das wäre ein Argument der gleichen Art.
Ja, es ist ein Argument dafür, dass die Antwort auf die Frage welcher Wert gerade bevorzugt wird situationsabhängig ist.
Du hast es verstanden.
Du bist ein Schmeichler, nicht wahr? ;)



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Sa 9. Jul 2022, 23:44

Timberlake hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 14:18
Impulsgeber hat geschrieben :
Sa 9. Jul 2022, 13:00
Im Krieg, in der Liebe und in der Politik ist alles erlaubt:
Sollte etwa auch bei den epochaltypischen Schlüsselprobleme alles erlaubt sein? Stichwort: Wachstumszwang ..
  • "Wachstumszwang (englisch growth imperative) ist ein Begriff aus der Wirtschaftstheorie. Damit werden einerseits Mechanismen auf der Mikroebene bezeichnet, die es für Privathaushalte oder Unternehmen zwingend notwendig machen, Konsum oder Umsatz zu steigern, um die wirtschaftliche Existenz nicht zu gefährden. Auf der Makroebene beschreibt ein politischer Wachstumszwang Situationen, in dem Wirtschaftswachstum notwendig ist, um wirtschaftliche und soziale Instabilitäten zu vermeiden, so dass andere politische Ziele wie Klimaschutz oder eine Reduktion von Ungleichheit dem Wachstumsziel untergeordnet werden. Wachstumskritiker fordern in Anbetracht überschrittener planetarer Grenzen[1] daher politische Maßnahmen, um Wachstumszwänge zu überwinden."
P.S.

An Impuslgeber und NaWennDuMeinst , in dem ich euch beide hier zitiert habe , so dürft auch ihr euch gerne zu den hier, in diesem Beitrag ,aufgeworfenen Fragen positionieren. Wenngleich ich da , zugegebener Maßen , wenig Hoffnung habe . Sind doch diese Fragen zu konkret , als dass man darauf mit einer deutlichen Positionierung eingehen könnte und so erlaube ich mir mal , im Vorgriff darauf, schon mal , eine Antwort ..
Vielleicht ist es für einige Menschen hilfreich, eine Stütze/Gehhilfe zu bekommen, auf welche sie aber nicht angewiesen wären, hätten, täten, fassten sie über Jahre gedehnt mehr "Input/Erkenntnis". Wachstumszwang kommt von der Kapital/Gewinn maximierenden - und damit nicht moralischen - kapitalistischen Weltbeschau, wonach alles dem Gewinn unterworfen wäre. Menschenfeindlicher geht es gleichübel in der kommunistischen Weltbeschau weiter. Starrsinnige Weltbildnisse, festgehalten im Gedanken, vielleicht in Bild, Ton, Kunst. Aber nicht fließendes, nicht Bewegliches in Bewegung, unterscheidet Ideologie von Weltbeschau. Das eine ist religiös oder politisch in Seine... äh...Steine gekloppt, das andere kann aber auch in Stein gekloppt sein, mit dem Unterschied das dessen Zerstörung die Botschaft nicht vergessen macht, da Mensch sie überall um sich herum finden mag, wenn er kann.

Es tut mir Leid. Aber wir sprechen/schreiben die meiste Zeit wohl aneinander vorbei beim Erfassen und Wirken unserer Beiträge, schließe ich Pop Einfachheit mal ab.



Zum Punkt kommen! Der Kern, der Inhalt einer Thematik: Das Außenherum ist nur Fruchtfleisch für seichte Unterhaltungen. Tiefgehend in der See Mittelpunktum, nicht nur seichte Gewässer dessen betreten.

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