Timberlake hat geschrieben : ↑ Do 19. Mai 2022, 02:16
Was erscheint denn in den Sinnfeldern , wenn nicht Gedanken , Gefühle und Einbildungsvorstellungen.
Vielleicht ein paar Zeilen zu dem Begriff Sinnfeld, so wie ich ihn verstehe:
Statt von Sinnfeldern zu sprechen, kann man auch den klassischen philosophischen Begriff verwenden, nämlich Bereiche; das macht Gabriel gelegentlich in Vorträgen auch. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, das gemäß Gabriel Bereiche
nicht generell etwas sind, was wir "konstruieren" oder wie auch immer man sich ausdrücken möchte. ("Konstruieren" steht in Anführungszeichen, weil Gabriel diesen Begriff für notorisch inkohärent halt.)
Ein weiterer Aspekt: Der Umstand, dass ich den Tisch vor mir wahrnehmen kann, hängt auch damit zusammen, dass ich mich im selben physikalischen Feld wie dieser befinde. Das Stichwort ist hier: "Feld". Das ist keine zufällige Nähe zum Ausdruck Sinnfeld, sondern von Gabriel durchaus so beabsichtigt*. Was allerdings nicht heißen soll, dass alle Sinnfelder physikalische Felder sind. Ein Beispiel für ein nichtphysikalisches Sinnfeld sind die natürlichen Zahlen.
Den meisten bereitet insbesondere das "Sinn" in Sinnfeld Schwierigkeiten. Nach meiner Einschätzung kann man diesen Begriff im ersten Schritt - um die Verwirrung zu vermeiden, die durch den Begriff "Sinn" entsteht - durch Begriffe wie Ordnung, Regel oder Struktur ersetzen. Die Gegenstände "innerhalb" von Sinnfeldern sind nach bestimmten Regeln angeordnet. (Dabei ist der Ausdruck "innerhalb" mit Vorsicht zu genießen. Unter anderem weil Sinnfelder weder generell raumzeitlich noch "Behälter" sind.)
Ein Beispiel für ein Sinnfeld ist dieses Zimmer hier, in dem ich mich gerade befinde. Darin kommen Tische, Stühle, ein Sofa, Regale, Lampen, etc vor. Sie fliegen allerdings nicht beziehungslos durch den Raum, sondern bilden zusammen eine gewisse Ordnung, auch dann wenn gerade nicht aufgeräumt ist. (Der Ausdruck "Sinn" im Begriff Sinnfeld, soll u.a. auch garantieren, dass man Sinnfelder nicht umstandslos mit Mengen gleichsetzt, die auch einfach ordnungslose Haufen sein können.)
Ein anderes Beispiel für ein Sinnfeld ist die Stadt Kassel, wo ich lebe. Darin kommen Häuser, Straßen, BewohnerInnen der Stadt, Museen, ein Rathaus, ein Industrieviertel und vieles andere mehr vor.
Ein weiteres Beispiel für ein Sinnfeld ist unser Sonnensystem, darin kommen u.a. die Sonne und die diversen Planeten vor.
Vielleicht wird man doch zugeben, dass das Zimmer, die Stadt und das Sonnensystem sich nicht in unserem Geist befinden :)
......
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Markus Gabriel, in Fiktionen:
"Ohne dem an dieser Stelle zu viel argumentativen, philosophischen Wert zumessen zu wollen, scheint es sogar der Fall zu sein, dass viele Interpretationen der nächsten größeren Durchbrüche der Mikrophysik in ihrem ontologischen Format ziemlich genau wie eine naturalistische Variante einer SFO (Sinnfeld Ontologie) aussehen, worauf mich als einer der Ersten Carlo Rovelli hingewiesen hat. Rovelli selbst interpretiert den physikalischen Feldbegriff (der freilich Pate für die SFO gestanden hat) so, dass die Raumzeit keine Grundlage für alle Felder ist und schon gar kein Behälter, in dem Ereignisse stattfinden (diese Newtonianische Vorstellung wurde durch die Relativitätstheorie widerlegt)."
Carlo Rovelli:
"Die Raumzeit ist das Gravitationsfeld (und umgekehrt). Wie Newton intuitiv erkannte, existiert sie auch ohne Materie an sich. Aber sie ist keine von den übrigen Dingen der Welt geschiedene Entität – wie Newton annahm –, sondern ein Feld wie die anderen. Eher als ein Gemälde auf einer einzelnen Leinwand ist die Welt eine Überlagerung vieler Leinwände, vieler Schichten, von denen das Gravitationsfeld nur ein Feld unter anderen ist. Wie die anderen ist es weder absolut noch gleichförmig oder fest. Vielmehr krümmt, streckt, kontrahiert und ballt es sich zusammen mit den anderen. Gleichungen beschreiben die wechselseitige Beeinflussung sämtlicher Felder. Und die Raumzeit ist ein solches Feld."
"Eher als ein Gemälde auf einer einzelnen Leinwand ist die Welt eine Überlagerung vieler Leinwände", das ist im Prinzip dem Gedanken von Markus Gabriel, dass es die Welt - also die einzelne Leinwand - nicht gibt, sehr ähnlich.