PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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Mi 23. Mär 2022, 05:51

Der deutsche Mathematiker Peter Scholze, der vor einiger Zeit mit der Fields-Medaille ausgezeichnet wurde, sagt in einem Interview:

Ich [Peter Scholze] denke tatsächlich, dass die Zahlen unabhängig von uns sind. In welchem Sinne sie „existieren“ ist vielleicht schwer zu sagen, sicherlich nicht als konkrete Objekte unserer Welt. Ich fühle mich aber wie ein Physiker, der die zugrundeliegenden Gesetze der Zahlen erforscht. So wie der Physiker die Welt ergründet, versuche ich einfach, die ganzen Zahlen zu erforschen. [...] Die Zahlen sind Teil von unserer Welt.

Ich meine, es war in dem selben Interview, in dem er erläutert, dass die Probleme, die er erforscht, selbst für Mathematiker Kollegen schwierig zu verstehen sind. Das heißt, hier geht es nicht einfach um einfache Konstellationen, die man beobachtet: Etwa, dass drei Äpfel und vier Birnen sieben Stück Obst ergeben.

Bevor man von den Forschungen dieses Mathematiker gehört hat, denkt man vielleicht, dass man sich ganze Zahlen noch erklären kann, wenn man ans Abzählen denkt, aber wie sieht es aus mit der tausendsten Stelle hinter dem Komma bei PI?




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Jörn Budesheim
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Mi 23. Mär 2022, 06:26

Aus dem Vorwort des Übersetzers des Buches von David Deutsch "der Anfang der Unendlichkeit", dass ich mir heute morgen gekauft habe. An dieser Stelle erklärt er, warum in dem Buch manche gängige Begriffe, wie der Ausdruck Erkenntnistheorie nicht verwendet werden, sondern durch weniger verfängliche Begriffe ersetzt werden, in diesem Fall, um jeden Anklang an irgendeine abwegige Form von Psychologismus und Subjektivismus von vornherein zu vermeiden:

"Die sogenannte ›Erkenntnistheorie‹ ist vielleicht der wichtigste Zweig der Philosophie, denn ihr sind alle anderen Zweige untergeordnet. Im vorliegenden Text werden Sie stattdessen das Wort ›Wissensphilosophie‹ antreffen – nicht trotz, sondern wegen der herausragenden Bedeutung dieses Zweiges. Denn mit dem Wort ›Erkenntnis‹ schleichen sich schwerwiegende wissensphilosophische Fehler in die deutsche Sprache ein. Zunächst wäre da das Problem, dass jedweder Vorgang der Erkenntnis im Sinne einer Einsicht psychologischer Natur ist. Aber was, wenn wir nicht an der Psychologie, sondern an der Logik des Problemlösens interessiert sind?"

Wenig später geht es gleich vielversprechend weiter:

"So viel zu Psychologie und Subjektivität. Es besteht jedoch noch ein weiteres Problem: Der Begriff ›Erkenntnistheorie‹ kann, wenn er auf eine bestimmte weitverbreitete Art und Weise gedeutet wird, die Kreativität – also das schöpferische Denken, das die Theorie ja erklären soll – leugnen! Wenn ich als Kind lerne, was ein Fahrrad ist und wie es aussieht, dann ist dies ein kreativer, also schöpferischer Akt. Wenn ich danach dank dieses neuen von mir geschaffenen Wissens Fahrräder erkenne, dann geschieht dies hingegen automatisch. Von da an weiß ich ja bereits, wie Fahrräder aussehen, und das bloße Ausführen bereits vorhandenen Wissens ist überhaupt nicht kreativ, sondern mechanisch. Ich kann ab dem Zeitpunkt auch gar nicht anders, als Fahrräder zu erkennen, wann immer ich sie sehe. Das geschieht jedoch wohlgemerkt erst, nachdem ich es gelernt habe – also nachdem ich das dazu notwendige Wissen geschaffen habe. ›Erkenntnis‹ im nicht schöpferischen Sinne – also im Sinne von ›Erkennung‹ oder ›Wiedererkennung‹ – plagt derzeit die Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz, in der man ausgehend von stillschweigenden Annahmen schlechter Wissensphilosophie [Erkenntnistheorie] allen Ernstes meint, menschliche Intelligenz sei nur die ausgeklügelte Form eines Mustererkennungsalgorithmus (neuronale Netze und dergleichen). Da diese Form von ›Erkenntnis‹, so die gängige Meinung, darüber hinaus von Sinnesdaten abhänge, ebnet sie diversen falschen Wissensphilosophien wie dem Empirismus und dem Induktivismus den Weg.

Daher der Begriff ›Wissensphilosophie‹. Das Wort ›Erkenntnis‹ mit ›Wissen‹ zu ersetzen ermöglicht es, den Fokus vom Subjektiven und Psychologischen auf das Objektive und Logische zu lenken ..."

"David Deutsch wurde in Israel geboren und studierte an den Universitäten Cambridge und Oxford. Er lebt in England und ist Fellow der Royal Society sowie Gastprofessor für Physik an der Universität Oxford, wo er dem Centre for Quantum Computation angehört. Seine Arbeiten zur Quantenberechnung legten den Grundstein für dieses Fachgebiet. Darüber hinaus ist David Deutsch einer der führenden Forscher zur Theorie des Multiversums. Zu seinen Auszeichnungen gehört unter anderem der Paul-Dirac-Preis für außerordentliche Beiträge zur Physik."




Körper
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Mi 23. Mär 2022, 10:21

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 22. Mär 2022, 11:55
Und in diesem Raum spielen eben genau die Dinge die größte Rolle, die für manche Wirklichkeiten zweiter Ordnung sind: nämlich (neben anderem) unsere Perspektiven. Sehr bedeutsame "Ansichs" sind in diesem Bereich eben die diversen "Füruns'".
Dir scheint es sehr oft um den Begriff "Perspektive" zu gehen und hier schmückst du ihn mit "Ansichs" und "Füruns'" aus.
Worum soll es dabei gehen?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 22. Mär 2022, 11:55
Wer sagt, dass die Erforschung des Gehirns zeigt, dass wir die Wirklichkeit nicht erkennen können, braucht eine gute Ausrede, um zu erklären, warum wir dann das Gehirn so gut erkennen, dass wir die besagte Behauptung aufstellen können.
Das ist korrekt und genau deshalb wird ein Umstand benötigt, der Sicherheit ins Spiel bringt und das ist die Interaktion.

Aus meiner Sicht ist es eine Tatsache, dass ein Lebewesen aus den Einwirkungen auf die Sinneszellen, durch Reaktion im Nervensystem auf die Zusammenhänge der "auslösenden Situation" schliesst.
Dieses "Wirklichkeit erkennen" unterliegt also einem Vorgang, der erarbeitet sein will.
Da ist selbstverständlich das Risiko von Fehlern enthalten.
Wichtig dabei ist aber, dass es kein freier Erfindungsvorgang ist, sondern Regeln "aus der Wirklichkeit" unterliegt.

Wer möchte, kann sich mal unter einen (gesunden grossen) Baum stellen und von unten das Astwerk anschauen.
Dann kann er die Augen schliessen und sich vorstellen, wie sich dieses Astwerk verändert, wenn er um den Baum herumgeht und dabei nach oben schaut.
Danach kann man wirklich um den Baum herum gehen.
Der Unterschied der Stimmigkeit in Bezug auf Kontinuität und Detailauflösung ist die Qualität der Interaktion.
Ein Nervensystem, das diese Kontinuität und Detailauflösung in Relation zur Bewegung des Körpers nachvollziehen (ohne Konflikte verarbeiten) kann, hat die Situation verstanden und damit Wissen über die Wirklichkeit aufgebaut.
Dieses Wissen besteht aus den Zusammenhängen der Szene und zwar in der Auflösung dieser Szene.
Man kann sagen: "das Nervensystem hat in der Momentaufnahme korrekt auf das geschlossen, was sich hinter den Einwirkungen befindet".

Beim Wechseln der Szene und/oder der Auflösung können sich die Zusammenhänge verändern.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 23. Mär 2022, 05:51
Der deutsche Mathematiker Peter Scholze, der vor einiger Zeit mit der Fields-Medaille ausgezeichnet wurde, sagt in einem Interview:

Ich [Peter Scholze] denke tatsächlich, dass die Zahlen unabhängig von uns sind. In welchem Sinne sie „existieren“ ist vielleicht schwer zu sagen, sicherlich nicht als konkrete Objekte unserer Welt. Ich fühle mich aber wie ein Physiker, der die zugrundeliegenden Gesetze der Zahlen erforscht. So wie der Physiker die Welt ergründet, versuche ich einfach, die ganzen Zahlen zu erforschen. [...] Die Zahlen sind Teil von unserer Welt.
Die Umstände, die zum Aufstellen der abstrakten Prinzipien ("Mathematik") führen, gehören zur Wirklichkeit.
Der Begriff "Existenz" (oder gar "Objekt") ist hier aber nicht angebracht, denn die Prinzipien sind im Nervensystem als Reaktionspotential hinterlegt, d.h. es muss eine konkrete Reaktion entlang dieses Potentials ablaufen, damit das Prinzip angewandt ist.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 23. Mär 2022, 05:51
Bevor man von den Forschungen dieses Mathematiker gehört hat, denkt man vielleicht, dass man sich ganze Zahlen noch erklären kann, wenn man ans Abzählen denkt, aber wie sieht es aus mit der tausendsten Stelle hinter dem Komma bei PI?
Wenn man die tausendste Stelle von PI berechnen kann, dann ist die Rechenvorschrift "das Prinzip von PI".
"PI" ist damit ein Platzhalter für eine Aktivität, die man beliebig aufwendig durchführen kann, was wiederum ein Prinzip ist.

Es gilt immer wieder: Wahrnehmung ist Reaktion.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 23. Mär 2022, 06:26
Aus dem Vorwort des Übersetzers des Buches von David Deutsch "der Anfang der Unendlichkeit"
...
"...Wenn ich als Kind lerne, was ein Fahrrad ist und wie es aussieht, dann ist dies ein kreativer, also schöpferischer Akt. Wenn ich danach dank dieses neuen von mir geschaffenen Wissens Fahrräder erkenne, dann geschieht dies hingegen automatisch."
Dieser Auszug gefällt mir nicht, denn beide Vorgänge laufen "automatisch" ab.
Kein Mensch entwirft den Vorgang sich ein abstraktes Prinzip zu erarbeiten.
Das ist tatsächlich das Hoheitsgebiet der Nervenzellen.

Was genau hinter dem Aufstellen von abstrakten Prinzipien und dem Einsetzen dieser Prinzipien steht, kann man heute noch nicht sagen.
Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit ist ein "Einsetzen" von Prinzipien auch gleich ein "Erweitern" dieser Prinzipien.




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Jörn Budesheim
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Mi 23. Mär 2022, 12:03

Körper hat geschrieben :
Mi 23. Mär 2022, 10:21
Aus meiner Sicht ist es eine Tatsache, dass ein Lebewesen aus den Einwirkungen auf die Sinneszellen, durch Reaktion im Nervensystem auf die Zusammenhänge der "auslösenden Situation" schliesst.
Das ist so ziemlich genau die Position, die der Naturwissenschaftler David Deutsch im ersten Kapitel seines Buchs klar widerlegt. Empfehlenswerte Lektüre.




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Mi 23. Mär 2022, 12:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 23. Mär 2022, 12:03
Das ist so ziemlich genau die Position, die der Naturwissenschaftler David Deutsch im ersten Kapitel seines Buchs klar widerlegt.
Dann hast du ja eine super Ausgangsstellung, um alle notwendigen Details zu dieser Widerlegung zu liefern.
Ich bin gespannt. Oder hast du schon alles dazu gesagt?




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Mi 23. Mär 2022, 13:11

Ich hab dazu schon einiges gesagt, ja stimmt.




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Mi 23. Mär 2022, 13:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 23. Mär 2022, 13:11
Ich hab dazu schon einiges gesagt, ja stimmt.
Siehst du, so habe ich es mir gedacht.

Wie es der Zufall will, liegt mir das Buch "The Beginning of Infinity" von "David Deutsch" (englische Ausgabe 2011) vor.
Deine deutsche Ausgabe wird vermutlich eine Übersetzung dieses Buches sein.

Ein kurzes Stöbern im ersten Kapitel hat ergeben, dass "David Deutsch" gegen die Behauptung angeht, ein Mensch wäre bei der Geburt ein "weisses Papier" in das Erfahrung über die Sinne kommen soll.

Wie du das auf meine Aussage anwenden können möchtest, weiss ich nicht, denn meine Aussage setzt weit vor der Geburt an.
Weit vor der Geburt fängt ein Lebewesen mit Interaktion an.

Hier mal ein Link zur Pränatalen Entwicklung
Im Punkt 3 kannst du nachlesen, was vor der Geburt stattfindet.
Zitat aus dem Link:

Im Verlauf der embryonalen Entwicklung stehen die ersten Rezeptorzellen der Haut und die ersten Motorneurone in ständigem Kontakt, bspw. über die Berührungen des Fötus mit dem Uterus. Dadurch entstehen Reizmuster, die sich immer weiter ausdifferenzieren
Da mir das Buch vorliegt, schlage ich vor, du nennst konkrete Stellen, so dass ich darauf reagieren kann.




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Mi 23. Mär 2022, 14:07

Offensichtlich bist du bereits im richtigen Abschnitt, jetzt musst du es nur noch lesen und über eine Wechselwirkung deutlich hinausgehen, nämlich verstehen, was dort wirklich steht.




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Mi 23. Mär 2022, 17:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 23. Mär 2022, 14:07
Offensichtlich bist du bereits im richtigen Abschnitt, jetzt musst du es nur noch lesen und über eine Wechselwirkung deutlich hinausgehen, nämlich verstehen, was dort wirklich steht.
Ich habe nun das erste Kapitel ein wenig gelesen, aber an diesem Punkt hier habe ich abgebrochen:
Even in everyday life we are well aware that the future is unlike the past, and are selective about which aspects of our experience we expect to be repeated. Before the year 2000, I had experienced thousands of times that if a calendar was properly maintained (and used the standard Gregorian system), then it displayed a year number beginning with ‘19’. Yet at midnight on 31 December 1999 I expected to have the experience of seeing a ‘20’ on every such calendar. I also expected that there would be a gap of 17,000 years before anyone experienced a ‘19’ under those conditions again. Neither I nor anyone else had ever observed such a ‘20’, nor such a gap, but our explanatory theories told us to expect them, and expect them we did.

Quelle:
DAVID DEUTSCH - The Beginning of Infinity - Explanations that Transform the World - 2011 - Kapitel 1: The Reach of Explanations
Der Physiker "David Deutsch" argumentiert hier wohl gegen "Induktionismus", bei dem es irgendwie um reine Wiederholqualitäten à la "Aufzeichnung/Abspielen" zu gehen scheint.

Sorry, ich habe an dieser Stelle mit dem Buch aufgehört, denn das scheint mir auf reine Zeitverschwendung hinauszulaufen.

Wenn dir aus diesem Buch irgendeine Stelle super toll gefällt, dann nenne sie und sag warum sie gut sein soll, aber Argumente können da erst enthalten sein, nachdem wir uns darüber unterhalten haben.
Ich vermute im restlichen Text jedenfalls keine Argumente mehr - eine derartige Illusion ist nach den ersten Seiten schlicht nicht möglich.




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:lol: :lol: :lol:




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Mi 23. Mär 2022, 20:49

Ich freue mich besonders auf das Kapitel, wo er erklärt, dass Blumen objektiv schön sind. Ich habe das schon in einem Video bei YouTube gesehen und bin froh, dass ich das jetzt als deutschen Text zu vorliegen habe.

:lol:




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Do 24. Mär 2022, 06:07

Aber keine Sorge, ich werde das hier nicht (nochmals) zum Thema machen, weil ich nicht die religiösen Gefühle von manchen verletzen möchte. :)




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Do 24. Mär 2022, 09:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 24. Mär 2022, 06:07
Aber keine Sorge, ich werde das hier nicht (nochmals) zum Thema machen, weil ich nicht die religiösen Gefühle von manchen verletzen möchte. :)
Ich wüsste jetzt nicht, wie jemand mit religiösen Gefühlen zu einer derartigen "Sorge" kommen soll, wo du doch noch nicht einmal auf Nachfrage etwas sagen kannst.

Mal abgesehen davon, zu unserem kleinen Austausch:
Was ist denn so schlimm daran, dass du eine konkrete Textstelle nennst?




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Jörn Budesheim
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Fr 25. Mär 2022, 06:53

Körper hat geschrieben :
Mi 23. Mär 2022, 17:31
Der Physiker "David Deutsch" argumentiert hier wohl gegen "Induktionismus", bei dem es irgendwie um reine Wiederholqualitäten à la "Aufzeichnung/Abspielen" zu gehen scheint.
Für diejenigen, die das Buch nicht zur Hand haben: David Deutsch argumentiert dort gegen den Empirsmus als den Irrglauben, dass wir all unser Wissen aus unseren Sinneswahrnehmungen ›ableiten‹. Damit ist eher philosophisch einfach auf der Höhe der Zeit, wie ich meine.




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Fr 25. Mär 2022, 09:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 06:53
David Deutsch argumentiert dort gegen den Empirsmus als den Irrglauben, dass wir all unser Wissen aus unseren Sinneswahrnehmungen ›ableiten‹.
Ein grosses Problem bei solchen "Ismen" sehe ich darin, dass sie mit Teilproblemen starten und über Aussagen zu diesen Teilproblemen nicht hinauskommen.

Hier ein Link zu "Empirismus"
Da werden Formulierungen wie "reines Denken", "wahre Erkenntnis", "Erkenntnisquelle" usw. aufgestellt.
Dahinter steckt keinerlei Konzept, wie das vorliegen soll.

Auch deine Aussage "Irrglauben, dass wir all unser Wissen..." betrifft lediglich ein schwammiges Extremum.

Wer damit einverstanden ist, dass sich ein Mensch aus einer Zelle entwickelt, der muss dieser Zelle gewisse Voraussetzungen unterstellen, sich z.B. zu teilen und über die Teilungen einen Organismus entwickeln zu können.
Wird das philosophisch gesehen als "Wissen" verwaltet?

Die Nervenzellen (Neuronen, Astrozyten usw.) als spezialisierte Variationen der "Anfangszelle", sind Experten was "Reaktion" anbelangt (Begriffe wie "Verbindungen", "Zusammenhänge", "Abläufe", "Korrekturen" usw. gehören in den dortigen Aufgabenbereich).
Dieses "Wissen" (aus meiner Sicht passt hier eher "Mechanismen") steckt in den Zellen, wodurch ein Mensch beim Heranwachsen mit den Reaktionsmöglichkeiten des Nervensystems (egal in welchem Entwicklungsstadium) starten kann.
Alle Möglichkeiten, die wir wahrnehmungstechnisch (dazu zähle ich alles "Mentale") zur Verfügung haben, aber nicht verstehen, basiert auf den Mechanismen der Zellen.

Wie ich weiter oben geschrieben habe:
Wenn ein Kind nur wenig Kontakt zu einer Katze benötigt, um ein Prinzip "Katze" zu lernen, das danach wieder eingesetzt werden kann, dann sind wir im Hoheitsbereich der Nervenzellen.
"Lernen" ist ein Vorgang innerhalb der Nervenzellen.

Wie gross der Respekt vor den Möglichkeiten in den Nervenzellen sein sollte, wird vielleicht dadurch deutlich, dass wir geschätzt 100 Milliarden Neuronen, 100 Milliarden Astrozyten) und geschätzte 100 Billionen Synapsen im Gehirn haben.
Wenn wir jedem Neuron nur eine Variations-Nuance in den Wahrnehmungsmöglichkeiten eines Menschen zuordnen, dann reicht unser Wortschatz nicht aus.
Die Realisierung eines Menschen ist damit aufwendiger, als die Möglichkeiten, die er auf Basis dieser Realisierung zu haben glaubt.

Nun stellt sich die Frage: "darf man solche Mechanismen als 'Wissen' bezeichnen?"
=> eigentlich nicht, denn unsere "Bauart" (samt der Möglichkeiten) ist nicht "unser Wissen".
Bei "Wissen" geht es eher darum, was wir durch den Einsatz solcher Mechanismen ("unserer Bauart") erreichen können.

Im Buch von "David Deutsch" (zumindest was ich davon gelesen habe) geht er "schwammig philosophisch" gegen "schwammig philosophische" Aussagen an.
Das mag einen gewissen Unterhaltungswert haben, aber ich suche in solcher Literatur nicht nach Unterhaltung.




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Jörn Budesheim
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Fr 25. Mär 2022, 09:46

Körper hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 09:38
deine Aussage
Ich bin Jörn Budesheim und nicht David Deutsch.




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Fr 25. Mär 2022, 09:49

Körper hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 09:38
"Lernen" ist ein Vorgang innerhalb der Nervenzellen.
Wäre das wahr, wäre Lernen weitgehend unmöglich, denn wir könnten zum Beispiels niemals etwas über Katzen oder den Urknall lernen, denn beide befinden sich nicht innerhalb der Nervenzellen. Außerdem handelt es sich dabei um einen Kategorien-Fehler. Nicht Nervenzellen lernen etwas, sondern (zumindest manche) Lebewesen.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 09:49
Wäre das wahr, wäre Lernen weitgehend unmöglich, denn wir könnten zum Beispiels niemals etwas über Katzen oder den Urknall lernen, denn beide befinden sich nicht innerhalb der Nervenzellen.
Nicht Katzen müssen sich im Nervensystem befinden, sondern "ihre Zusammenhänge".
Wenn Strahlung (Licht) von der Katze auf die Sinneszellen der Augen treffen, dann starten diese Nervenimpulse.
Die Strahlung von der Katze ist eine Einwirkung auf den Körper, der über seine Nervenimpulse, die Zusammenhänge dieser Einwirkung aufbaut.
Die Impulse aus der Einwirkungen der "Katzen-Strahlung" laufen dabei durch ein bereits bestehendes (weil lange zuvor gelerntes bzw. sogar als Zellfähigkeit vorhandenes) Reaktionspotential und werden dadurch im Sinne eines Umganges von "Körper mit der Umwelt" effizient eingeordnet.
Als Beispiel ist in diesem Reaktionspotential bereits die Fähigkeit enthalten, die Impulse von den Augen in Vorder- und Hintergrund aufzuteilen, so dass "die Katze" als eigener Anteil verwaltet werden kann.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 09:49
Außerdem handelt es sich dabei um einen Kategorien-Fehler. Nicht Nervenzellen lernen etwas, sondern (zumindest manche) Lebewesen.
Ich habe nicht gesagt, dass Nervenzellen lernen, sondern ich habe gesagt, dass "Lernen" ein Vorgang innerhalb der Nervenzellen ist.
Beim "Lernen" verändert sich die "Nervenstruktur" (Verbindungen, Gewichtungen, Stoffausgleichungen).
Wie ich geschrieben habe spreche ich bei Nervenzellen lieber von "Mechanismen" (was auch nicht ganz korrekt ist, aber zumindest eindeutig weg ist von Vermenschlichungen).
Wenn ein Mensch etwas lernt, verändert er sich innerhalb seiner Nervenstruktur.




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Fr 25. Mär 2022, 13:48

Körper hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 13:42
Nicht Katzen müssen sich im Nervensystem befinden, sondern "ihre Zusammenhänge".
Katzen und "ihre Zusammenhänge" (mit oder ohne Anführungszeichen) sind nicht in unserem Kopf und auch nicht in den Nervenzellen. Auch das Verhältnis oder der Zusammenhang zwischen uns und der Katze ist nicht in unserem Kopf, sonst wäre es nicht das Verhältnis oder der Zusammenhang zwischen uns und der Katze.




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Ottington
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Fr 25. Mär 2022, 13:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 13:48
Körper hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 13:42
Nicht Katzen müssen sich im Nervensystem befinden, sondern "ihre Zusammenhänge".
Katzen und "ihre Zusammenhänge" (mit oder ohne Anführungszeichen) sind nicht in unserem Kopf und auch nicht in den Nervenzellen.
Meine schafft das!




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