Das Wesen der Dinge
- Jörn Budesheim
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@Friederike: Wofür oder wogegen argumentierst du an dieser Stelle?
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Ich habe versucht, Böhmes Aussage und Deine Äußerung (gelb sei eine Eigenschaft des Reclamheftes, das Du siehst) unter einen Hut zu bringen, d.h. miteinander verträglich zu machen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 24. Jan 2022, 13:38@Friederike: Wofür oder wogegen argumentierst du an dieser Stelle?
- Jörn Budesheim
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Okay, jetzt verstehe ich was du vorhast, aber ich verstehe nicht, wie das funktionieren soll.
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Warum ist "gelb" eine objektive Eigenschaft des Heftes? Weil wir es so wahrnehmen?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 24. Jan 2022, 09:18In dieser Sicht der Dinge, der ich beipflichte, ist das Gelb eine Eigenschaft des Reclamheftes selbst und nicht etwas, was wir "beilegen".
Woher wissen wir denn, welche "objektive" Fabre das Heft hat?
But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)
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Das mit den Farben ist alles andere als einfach. Z.T. gibt es (relativ) objektive Farben (Farbfrequenzen), z.T. nicht (z.B. abhängig vom Lichteinfall),
Hier ist ein sehr interessantes Youtube-Video, wen's interessiert.
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Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.
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- Friederike
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Die Eigenschaften, die ein Heft zu einem Heft machen, sind einzelne Blätter, die zusammengeklebt oder genäht werden, ein eckiges Format, eine bestimmte Dicke, die das Heft vom Buch unterscheidet - die Farbe jedenfalls gehört nicht zu diesen wesentlichen Eigenschaften. Wenn man also allgemein über ein Heft spricht, dann würde die Angabe der Farbe "beigelegt", wie Böhme es nennt. Sie ergibt sich nicht automatisch, zwangsläufig aus dem Wort "Heft".Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 24. Jan 2022, 19:22Okay, jetzt verstehe ich was du vorhast, aber ich verstehe nicht, wie das funktionieren soll.
Wenn man über dieses Heft hier, das auf dem Tisch liegt, spricht, dann nimmt man eine Ganzheit wahr, man "legt" die Farbe oder auch die Beschriftung dem Heft nicht "bei". Sie gehören zu diesem konkreten Heft dazu, d.h. sie sind Eigenschaften dieses Heftes.
Ich habe meinen Versuch nur noch einmal etwas klarer als gestern formuliert. Damit wäre doch Böhmes Ausdruck "beilegen" in sein Recht versetzt, und Deine Kritik am "beilegen" wäre ebenfalls in ihr Recht versetzt.
Da frage ich mich doch gerade, ob die Farbe eines "Schwarzen Brettes" o.ä. eine wesentliche Eigenschaft ist
Oder die von schwarzen Johannisbeeren, grünen Trauben o.ä.
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Sicher. Auch bei Heften, die den Namen "Reclam" tragen, gehört "gelb" zu den wesentlichen Eigenschaften (früher zumindest waren einige auch "orange").
- Jörn Budesheim
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Das wird vielleicht Jovis aus dem Zusammenhang heraus klären können. Mein Gefühl war, dass Böhme in diesem Satz "In der Regel werden Eigenschaften einem Ding, dem hypokeimenon, als Prädikate beigelegt: als folgten die Dinge der Struktur von sprachlichen Aussagen" generelle Zweifel an unserer Praxis der Prädikation hegt: Wir tun nur so, als folgten die Dinge der Struktur von sprachlichen Aussagen womit wir jedoch "jenes Eigenwüchsige und Insichruhende" der Dinge verfehlen.
Da ich nicht für andere Dinge sprechen kann, will ich mal an mir selbst, als dem "Ding", das mir am direktesten zugänglich ist, versuchen zu erklären, was mich bei dem Satz bewegt hat.
Zunächst einmal verstehe ich den Satz nicht so, dass unsere Praxis der Prädikation die Dinge prinzipiell verfehlt. Sie ist nur - wie soll ich es ausdrücken? - defizitär. Sie ist nützlich und zutreffend für einen bestimmten Bereich oder eine bestimmte Absicht, nämlich für einen relativ unkomplizierten, direkten Zugriff auf das, was uns "angeht", weil es in unsere Aufmerksamkeit oder unser Handlungsfeld gerät.
Aber wenn ich mir mögliche Zuschreibungen für mich selbst vorstelle, egal ob durch mich selbst oder durch andere (J. ist groß, J. ist zurückhaltend, J. ist hungrig, J. ist ein Mensch, J. ist müde ...), dann habe ich nicht das Gefühl, dadurch wirklich als Ich getroffen zu sein. Ich bin nicht Ich und außerdem müde. Ich bin nicht Ich und außerdem ein Mensch etc. Die Struktur des Satzes macht eine Trennung von etwas notwendig, das ungetrennt vorliegt.
Und so stelle ich mir das bei allem vor, was keine Abstraktion ist, sondern ein konkretes Ding. Der Tisch ist nicht ein Tisch und außerdem aus Holz.
Zunächst einmal verstehe ich den Satz nicht so, dass unsere Praxis der Prädikation die Dinge prinzipiell verfehlt. Sie ist nur - wie soll ich es ausdrücken? - defizitär. Sie ist nützlich und zutreffend für einen bestimmten Bereich oder eine bestimmte Absicht, nämlich für einen relativ unkomplizierten, direkten Zugriff auf das, was uns "angeht", weil es in unsere Aufmerksamkeit oder unser Handlungsfeld gerät.
Aber wenn ich mir mögliche Zuschreibungen für mich selbst vorstelle, egal ob durch mich selbst oder durch andere (J. ist groß, J. ist zurückhaltend, J. ist hungrig, J. ist ein Mensch, J. ist müde ...), dann habe ich nicht das Gefühl, dadurch wirklich als Ich getroffen zu sein. Ich bin nicht Ich und außerdem müde. Ich bin nicht Ich und außerdem ein Mensch etc. Die Struktur des Satzes macht eine Trennung von etwas notwendig, das ungetrennt vorliegt.
Und so stelle ich mir das bei allem vor, was keine Abstraktion ist, sondern ein konkretes Ding. Der Tisch ist nicht ein Tisch und außerdem aus Holz.
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Das kann ich nicht wirklich gut nachvollziehen. Der Satz "der Tisch ist schön" trennt nach meinem Sprachgefühl nicht Tisch und Schönheit. Wenn überhaupt, dann führt er Nominator und Prädikator zusammen.
Das wäre nach meinem Sprachgefühl bei "ein schöner Tisch" der Fall, aber nicht bei "Der Tisch ist schön". Im Alltagsgebrauch machen wir hier keinen großen Unterschied, aber soweit ich weiß, gibt es ganze Abhandlungen über das kleine Wörtchen "ist" (von denen ich allerdings keine kenne). Der Unterschied ist also vielleicht nicht ganz trivial.
- Friederike
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Mir ist bis eben Dein Eingangsbeitrag @Jovis, entgangen. Nun, nachdem ich das etwas längere Textzitat gelesen habe, ziehe ich meine Böhme-Interpretation, was das "beilegen" betrifft, zurück.
- Jörn Budesheim
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Unterscheiden ist nicht trennen. Man kann zwar Kopf und Rumpf unterscheiden, das heißt aber nicht, dass man sie trennt :)
Ich bin war begrifflich nicht dasselbe wie irgendeine meiner Eigenschaften, das heißt, ich bin zum Beispiel nicht identisch mit meiner Eigenschaft graue Haare zu haben, da ich noch ein paar andere Eigenschaften habe. Aber das heißt doch nicht, dass ich von meinen Eigenschaften in irgendeiner denkbaren Artundweise getrennt wäre. Und es heißt auch nicht, dass die entsprechenden Sätze eine Trennung vornehmen.
- Jörn Budesheim
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Wenn der Ball für sich nicht "Ball", sondern diese springende, rote Rundheit wäre, dann wüssten Sprecher, die erkennen, dass dieser Ball rund ist, sogar mehr als der Ball selbst. Sie könnten erkennen, dass er dieses "Individuum" ist und in eins ein "Mitglied" der Kategorie "Ball". Denn der Unterschied zwischen wesentlichen und unwesentlichen Merkmalen zeigt ja, dass wir beides erfassen können. Dieser Ball dort ist exakt, der, der er ist, dieses einmalige "Individuum". Und dazu gehört auch, dass er zur Klasse der "Ballartigen" zählt. Manche seiner Eigenschaften machen ihn zum Ball, andere zu diesem ganz besonderen Ball. Das ist im übrigen etwas, was kompetente Begriffsverwender notwendig wissen müssen, sonst wären sie darauf verpflichtet, grundsätzlich alle Bälle miteinander zu verwechseln.Jovis hat geschrieben : ↑So 23. Jan 2022, 19:49Der Satz "Der Ball ist rund" ist ja nicht verkehrt, aber die Struktur dieses Satzes gibt eine Hierarchie vor, die dem Ball, so er denn denken und sprechen könnte, vielleicht gar nicht in den Sinn käme. Er wäre für sich nicht "Ball", sondern diese springende, rote Rundheit.
Das wird dann für die "Individuen" besonders wichtig, wenn wir anfangen, über Lebewesen zu nachzudenken, die zusammen mit Ihresgleichen leben.
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Du bist aber komisch. Bälle haben doch keinen Namen.
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Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)
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Die fand ich aber recht plausibel, und sie deckt sich mit meinen Überlegungen zum Allgemeinen und Besonderen. Was ist der Grund für deinen Rückzug, also wobei hast du das Gefühl, dass Böhme etwas anderes meinen könnte?Friederike hat geschrieben : ↑Di 25. Jan 2022, 17:52Mir ist bis eben Dein Eingangsbeitrag @Jovis, entgangen. Nun, nachdem ich das etwas längere Textzitat gelesen habe, ziehe ich meine Böhme-Interpretation, was das "beilegen" betrifft, zurück.
(Und was es mit dem spekulativen Satz auf sich hat, wüsste ich gelegentlich auch gern ...)
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Es gibt ja einige philosophische Milieus, die den Namen besonders schätzen. Ich glaube, dass der Name hier einfach ein anderer Ausdruck für Individuum im philosophischen Gebrauch des Begriffes ist. Der Name ist dann das, was der Einmaligkeit des Dings Rechnung trägt, während der Begriff, wie man glaubt, dem Ding gleichsam Unrecht antut.
Es gibt ja einige philosophische Milieus, die den Namen besonders schätzen. Ich glaube, dass der Name hier einfach ein anderer Ausdruck für Individuum im philosophischen Gebrauch des Begriffes ist. Der Name ist dann das, was der Einmaligkeit des Dings Rechnung trägt, während der Begriff, wie man glaubt, dem Ding gleichsam Unrecht antut.
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Ist das für Böhme schon Teil unserer Fetischisierung der Dinge, sodass wir die ansich toten Dinge mit Bedeutungen "füllen"/"aufladen"?
Das weiß ich nicht. Ich bin noch in der Einleitung, wo Böhme seine Methode erläutert, den Begriff des Dings umkreist und verschiedene Zugänge darstellt.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Do 27. Jan 2022, 06:31Ist das für Böhme schon Teil unserer Fetischisierung der Dinge, sodass wir die ansich toten Dinge mit Bedeutungen "füllen"/"aufladen"?
Was mich beim Lesen diverser Rezensionen überrascht hat, ist die Tatsache, dass Böhme den Begriff „Fetischismus“ anscheinend nicht nur negativ verwendet, wie ich erwartet hatte (quasi-religiöse Dingverhältnisse, Warenfetischismus etc.). Diese Aspekte werden zwar auch behandelt. Aber für ihn ist unser Verhältnis zu den Dingen offenbar vor allem ein spezifisch kulturelles (deshalb der Titel „Fetischismus und Kultur“), das z.B. Kunst überhaupt erst ermöglicht, als eine Vergegenständlichung unseres Inneren in äußeren Gegenständen. Ich habe mir notiert „Menschwerdung: Dinge werden wichtig, über ihren Gebrauchswert hinaus“, weiß aber gar nicht mehr, ob ich das bei ihm schon gelesen habe oder mir mehr oder weniger von der Lektüre erhoffe.
Eine These seines Buches ist außerdem, dass der Begriff Fetischismus für die europäische Kultur weitaus zutreffender ist als für Gesellschaften, für die er im 19. Jahrhundert verwendet wurde.
Auf jeden Fall eine äußerst anregende Lektüre!