"Ideologische Dimension" - was soll das überhaupt heißen: dass ich den Erfolgsbegriff im Lichte einer Ideologie sehen soll? Im Lichte welcher Ideologie? Ich habe mich nämlich bisher für keine der bekannten Ideologien erwärmen können, ich bin sozusagen "unmusikalisch", was Ideologien betrifft. Geht es nicht auch ohne?
Erfolg
Wenn man das unter Ideologie versteht, dann will ich nichts damit zu tun haben. Ich bin für die ergebnisoffene Erforschung der Realität und nicht für deren Verschleierung zu politischen Zwecken."Ideologien sind Ideen, deren Zweck nicht epistemisch, sondern politisch ist. Eine Ideologie existiert also, um einen bestimmten politischen Standpunkt zu bestätigen, den Interessen bestimmter Menschen zu dienen oder eine funktionale Rolle in Bezug auf soziale, wirtschaftliche, politische und rechtliche Institutionen zu erfüllen. Daniel Bell (1960) bezeichnete Ideologie als "ein handlungsorientiertes System von Überzeugungen", und die Tatsache, dass Ideologie handlungsorientiert ist, weist darauf hin, dass ihre Rolle nicht darin besteht, die Realität transparent zu machen, sondern die Menschen zu motivieren, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen. Eine solche Rolle kann einen Rechtfertigungsprozess beinhalten, der die Verschleierung der Realität erfordert."
https://plato.stanford.edu/entries/law- ... beConcIdeo
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- Jörn Budesheim
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Ich schätze, das war keine Frage nach dem "Wie" (der Methode) sondern eine Frage nach dem "Was" (dem Gegenstand der Betrachtung). Also kein Vorschlag, ideologisch vorzugehen, sondern ein Vorschlag auch die "ideologische Dimension" als ein Moment des Begriffs "Erfolg" in den Blick zu nehmen.
Ich hatte einen Schritt auf Puch zugehen, mich auf seine These einlassen wollen. Aber du hast recht, seine Verabsolutierung ist natürlich nicht zu halten. Die These bezieht sich nur auf Bereiche, in denen wir Zwecke verfolgen, uns Ziele setzen. Alles Zweckfreie, Ziel-Lose wird von ihr nicht erreicht. In dieser Verabsolutierung steckt im Grunde schon das Ideologische, weil damit stillschweigend impliziert wird, dass alles Zweckfreie erfolglos ist und damit tendenziell wertlos.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 31. Okt 2021, 18:57Ich würde mittlerweile auch dem nicht mehr ohne weiteres zustimmen. Es gibt eben auch "Tun"/Sein, bei dem es nicht um Gelingen und Misslingen geht, sondern um anderes. Meine Beispiele waren die Muße und manche Formen der Meditation, wenn man im "being mode", statt im "doing mode" ist. Ich kann mir auch kreative Prozesse vorstellen, bei denen man sich ohne einen Anspruch auf Gelingen treiben oder auch dem Zufall überlässt.
Doch, doch: ich bin für die Freiheit der Forschung, daran ändert sich auch nichts, wenn du deswegen grün anläufst.
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Mit dem Ausdruck "ideologische Dimension" bin ich nicht ganz glücklich. Ich will das, was da im Zitat steht, mit etwas anderen Begriffen fassen, die ich mir jetzt "freischnautze" aus anderen Zusammenhänge klaue: Objektstufig (konkret) und metastufig (abstrakt). Wenn wir den Begriff "Erfolg" als Teil der Handlungstheorie betrachte, dann wird er nach meiner Vorstellung metastufig/abstrakt verwendet. Die verschiedenen Handlungen: Fensterschließen, Französisch lernen und Eierkochen unterscheiden sich zwar sehr auf der Objektstufe, aber metastufig haben sie etwas gemeinsam: es wird etwas angestrebt und für den Fall, dass es erreicht wird, gilt die Handlung als gelungen. Jetzt ist es aber möglich, den Erfolg gleichsam von der Metastufe (abstrakte Ebene der Betrachtung) auf die Objektstufe "herunterzuziehen". Und dann kann ich die Dinge auf zwei verschiedene Weisen betrachten. Handlungstheoretisch ändert sich nicht viel. Ich habe Erfolg mit dem Versuch erfolgreich zu sein, wenn ich erfolgreich wurde. Aber damit habe ich ein neues/anders Objekt auf der Objektstufe. Nicht das handlungstheoretische Objekt, denn das befindet sich eine Stufe höher (auf einer abstrakten Ebene), sondern ein gesellschaftstheoretisches/soziologisches Objekt: der gesellschaftliche Erfolg. Das ist eben ein ganz anderer (objektstufiger) Gegenstand. Im Prinzip ist das nichts anderes als zuvor schon festgestellt, nur in anderen Begriffen, die vielleicht diesen "Ebenenwechsel" deutlicher machen.
Die handlungstheoretische Metastufe ist vermutlich nicht die einzige Metastufe. Ich kann den Begriff auch in der Evolutionstheorie nutzen. Dann sind die Arten, die überleben, die erfolgreichen und das, obwohl die Evolutionstheorie sich in der Regel frei von Begriffen wie Ziel und Zweck hält. Also noch mal ein ziemlich anderer Begriff.
Dann hätte man als Anfang der Sammlung drei Begriffe herausgearbeitet. Zwei auf der Metastufe - der handlungstheoretische und der evolutionstheoretische Erfolgsbegriff. Und einen auf der Objektstufe - den "soziologischen"/gesellschaftstheoretischen Erfolgsbegriff - das gefällt mir etwas besser als: "ideologische Dimension". Auch wenn vermutlich etwas ähnliches gemeint ist, oder?
Kannst du mir erklären, was der Unterschied ist zwischen "ideologisch vorgehen" und "die ideologische Dimension in den Blick nehmen". Bei solchen Feinheiten komme ich nicht ganz mit.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 1. Nov 2021, 06:20Ich schätze, das war keine Frage nach dem "Wie" (der Methode) sondern eine Frage nach dem "Was" (dem Gegenstand der Betrachtung). Also kein Vorschlag, ideologisch vorzugehen, sondern ein Vorschlag auch die "ideologische Dimension" als ein Moment des Begriffs "Erfolg" in den Blick zu nehmen.
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Beim "ideologischen Vorgehen" geht es darum, wie man etwas macht. Wenn zum Beispiel, die Antworten auf alle Fragen, immer schon festliegen, dann ist man womöglich ideologisch vorgegangen. "Die ideologische Dimension in den Blick nehmen" heißt, sich ihr zuwenden, sie betrachten, sie analysieren, sie zum Gegenstand der Untersuchung machen, o.ä. Also einfach: der Unterschied zwischen "wie" und "was".
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Btw.: wenn das stimmt, dann wären Meditation und Muße keine Handlungen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 1. Nov 2021, 09:19Wenn wir den Begriff "Erfolg" als Teil der Handlungstheorie betrachte, dann wird er nach meiner Vorstellung metastufig/abstrakt verwendet. Die verschiedenen Handlungen: Fensterschließen, Französisch lernen und Eierkochen unterscheiden sich zwar sehr auf der Objektstufe, aber metastufig haben sie etwas gemeinsam: es wird etwas angestrebt und für den Fall, dass es erreicht wird, gilt die Handlung als gelungen.
Um was zum Beispiel?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 31. Okt 2021, 18:57Es gibt eben auch "Tun"/Sein, bei dem es nicht um Gelingen und Misslingen geht, sondern um anderes.
Ich befürchte, dass es unmöglich ist, etwas zu tun, ohne eine Absicht oder einen Zweck zu verfolgen. Selbst wenn man sich absichtlich treiben lässt, tut man es immer mit einem Ziel: entweder man will die Entspannung genießen, man will der Kreativität auf die Sprünge helfen, oder - wenn man es oberhalb der Niagarafälle tut - sich das Leben nehmen. Meines Erachtens kann der Mensch nichts mit Absicht tun, ohne eine bestimmte Absicht zu verfolgen (was Erfolg/Misserfolg impliziert). Sollte er trotzdem etwas ohne jede Absicht tun (zum Beispiel im Schlaf) dann kann man es nicht als "Tun" bezeichnen, sondern nur als "Geschehen".Meine Beispiele waren die Muße und manche Formen der Meditation, wenn man im "being mode", statt im "doing mode" ist. Ich kann mir auch kreative Prozesse vorstellen, bei denen man sich ohne einen Anspruch auf Gelingen treiben oder auch dem Zufall überlässt.
Kannst du mir ein Beispiel für eine zweckfreie, Ziel-lose Handlung nennen?Jovis hat geschrieben : ↑Mo 1. Nov 2021, 07:39Ich hatte einen Schritt auf Puch zugehen, mich auf seine These einlassen wollen. Aber du hast recht, seine Verabsolutierung ist natürlich nicht zu halten. Die These bezieht sich nur auf Bereiche, in denen wir Zwecke verfolgen, uns Ziele setzen. Alles Zweckfreie, Ziel-Lose wird von ihr nicht erreicht.
Hä???Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 1. Nov 2021, 09:19Mit dem Ausdruck "ideologische Dimension" bin ich nicht ganz glücklich. Ich will das, was da im Zitat steht, mit etwas anderen Begriffen fassen, die ich mir jetzt "freischnautze" aus anderen Zusammenhänge klaue: Objektstufig (konkret) und metastufig (abstrakt). Wenn wir den Begriff "Erfolg" als Teil der Handlungstheorie betrachte, dann wird er nach meiner Vorstellung metastufig/abstrakt verwendet. Die verschiedenen Handlungen: Fensterschließen, Französisch lernen und Eierkochen unterscheiden sich zwar sehr auf der Objektstufe, aber metastufig haben sie etwas gemeinsam: es wird etwas angestrebt und für den Fall, dass es erreicht wird, gilt die Handlung als gelungen. Jetzt ist es aber möglich, den Erfolg gleichsam von der Metastufe (abstrakte Ebene der Betrachtung) auf die Objektstufe "herunterzuziehen". Und dann kann ich die Dinge auf zwei verschiedene Weisen betrachten. Handlungstheoretisch ändert sich nicht viel. Ich habe Erfolg mit dem Versuch erfolgreich zu sein, wenn ich erfolgreich wurde. Aber damit habe ich ein neues/anders Objekt auf der Objektstufe. Nicht das handlungstheoretische Objekt, denn das befindet sich eine Stufe höher (auf einer abstrakten Ebene), sondern ein gesellschaftstheoretisches/soziologisches Objekt: der gesellschaftliche Erfolg. Das ist eben ein ganz anderer (objektstufiger) Gegenstand. Im Prinzip ist das nichts anderes als zuvor schon festgestellt, nur in anderen Begriffen, die vielleicht diesen "Ebenenwechsel" deutlicher machen.
Die handlungstheoretische Metastufe ist vermutlich nicht die einzige Metastufe. Ich kann den Begriff auch in der Evolutionstheorie nutzen. Dann sind die Arten, die überleben, die erfolgreichen und das, obwohl die Evolutionstheorie sich in der Regel frei von Begriffen wie Ziel und Zweck hält. Also noch mal ein ziemlich anderer Begriff.
Dann hätte man als Anfang der Sammlung drei Begriffe herausgearbeitet. Zwei auf der Metastufe - der handlungstheoretische und der evolutionstheoretische Erfolgsbegriff. Und einen auf der Objektstufe - den "soziologischen"/gesellschaftstheoretischen Erfolgsbegriff - das gefällt mir etwas besser als: "ideologische Dimension". Auch wenn vermutlich etwas ähnliches gemeint ist, oder?

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[Zwischenbemerkung] Wichtig ist vermutlich auch die Begriffe "Ziel" und "Zweck" aufzudröseln. Manches ist Selbstzweck, kann also nur bedingt verfehlt werden. Manche Ziele setzt man sich autonom, manche werden heteronom gesetzt ... und vermutlich anderes mehr. [/Zwischenbemerkung]
Ich würde ja gerne über die Implikationen des Erfolgsbegriffs mit dir plaudern, mir kommen jedoch keine in den Sinn, das ist ein echtes Hindernis, glaubst du nicht?
Meines Erachtens sind Meditation und bewusstes Abschalten sehr wohl Handlungen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 1. Nov 2021, 09:39Btw.: wenn das stimmt, dann wären Meditation und Muße keine Handlungen.
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Die Frage ist, ob Puchs Behauptung, dass es keine Handlung ohne Zweck oder Absicht gibt, korrekt ist.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mo 1. Nov 2021, 09:55[Zwischenbemerkung] Wichtig ist vermutlich auch die Begriffe "Ziel" und "Zweck" aufzudröseln. Manches ist Selbstzweck, kann also nur bedingt verfehlt werden. Manche Ziele setzt man sich autonom, manche werden heteronom gesetzt ... und vermutlich anderes mehr. [/Zwischenbemerkung]
Ich denke nicht. Wenn das so wäre, gäbe es keine Handlungen mehr die "versehentlich" stattfinden.
But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)