Argumentative Bringschuld (Beweislast)

Argumente gehören zum Kernbestand der Philosophie. Die Argumentationstheorie ist derjenige Bereich Philosophie, der sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst.
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Tarvoc
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Fr 6. Okt 2017, 13:35

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 11:29
Da versuchst Du aber nun Politisches reinzuquälen (genau davor bin ich geflüchtet)
Zu Recht! Die ersten Formulierungen der Menschenrechte waren ganz klar und eindeutig politische Akte. Das Aufkommen des Begriffs der Menschenwürde ist damit ebenfalls historisch eng verbunden.
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 11:29
Sonst bekommt die Würde tatsächlich eine Art Almosencharakter und das scheint mir dann doch wieder zu schwach zu sein.
Wie kommst du denn darauf? Almosen werden nicht gefordert, sondern erbettelt.

Die amerikanischen und französischen Revolutionäre, die die ersten Erklärungen der Menschenrechte verfassten, liefen damit nicht zu ihren Monarchen und bettelten sie an, diese Erklärungen doch anzuerkennen, sondern sie erzwangen die Anerkennung, und wo die bestehenden Regierungen sie nicht anerkannten, ersetzten sie sie. Wir Deutschen hatten nie eine erfolgreiche Revolution und unsere Menschenrechte und Menschenwürde wurden, wo wir sie denn überhaupt hatten, aus Gründen des öffentlichen Friedens von oben festgeschrieben - und auch das nur, weil die jeweiligen Obrigkeiten entweder selbst solche Revolutionen durchgemacht hatten und daher bereits von den Menschenrechten überzeugt waren (so wie die Siegermächte nach dem 2. Weltkrieg), oder weil sie sehr unmittelbar Schiss haben mussten, dass sie sich einer gegenübersehen könnten (so wie im Kaiserreich und in der Weimarer Republik). Daher können wir uns Menschenrechte anscheinend nur als etwas vorstellen, das von den Obrigkeiten erbettelt wird.
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 11:29
Ich sehe darin eher den Appell den eigenen Blick zu schulen oder zu schärfen, das ist irgendwo in der Mitte zwischen dem Schönen und dem Guten.
Wer bei der Betrachtung von Armut den Fokus auf das Schöne oder Gute hat, sieht die Armut falsch.

(Wo hier bereits die Darstellung von Armut im Film erwähnt wurde: Es ist natürlich auch von Nachteil, wenn man arme Menschen nur aus Filmen kennt. Da ist ja der Blick bereits durch Kamera, Inszenierung und Schnitt weitestgehend vorbestimmt. Ja, das gilt auch für Dokumentarfilme. Auch für die Techniken filmischer Inszenierung kann man allerdings einen Blick entwickeln.)



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Tosa Inu
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Sa 7. Okt 2017, 09:15

Wie gesagt, ich bin an politiklastigen Diskussionen und Spekulationen nicht interessiert.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Tarvoc
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Sa 7. Okt 2017, 15:44

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 7. Okt 2017, 09:15
Wie gesagt, ich bin an politiklastigen Diskussionen und Spekulationen nicht interessiert.
Menschenrechte und Menschenwürde sind allerdings ein Thema, das sich von seiner politischen Dimension gar nicht ablösen lässt.



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novon
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So 8. Okt 2017, 01:09

Tarvoc hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 13:45
Damit, dass Menschenwürde als Zuschreibung existiert, habe ich kein Problem.
Die richtige Formulierung wäre afaik jene, dass Menschenwürde jedem Menschen voraussetzungslos zukommt. Das mag im weitesten eine Zuschreibung darstellen, nur bedarf es niemanden, der zuschriebe, sondern lediglich Institutionen, die dies anerkennen.




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Tarvoc
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So 8. Okt 2017, 04:36

novon hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 01:09
Das mag im weitesten eine Zuschreibung darstellen, nur bedarf es niemanden, der zuschriebe, sondern lediglich Institutionen, die dies anerkennen.
Die Institutionen sind freilich "niemand". :ugeek:



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novon
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So 8. Okt 2017, 22:34

Tarvoc hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 04:36
novon hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 01:09
Das mag im weitesten eine Zuschreibung darstellen, nur bedarf es niemanden, der zuschriebe, sondern lediglich Institutionen, die dies anerkennen.
Die Institutionen sind freilich "niemand". :ugeek:
Hmm... Drehen wir das doch mal auf Kurs: Menschenwürde bedarf keiner Zuschreibung. Sie kommt jedem Menschen unbedingt zu.




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Herr K.
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So 8. Okt 2017, 22:44

novon hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 22:34
Hmm... Drehen wir das doch mal auf Kurs: Menschenwürde bedarf keiner Zuschreibung. Sie kommt jedem Menschen unbedingt zu.
Weil?




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novon
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Mo 9. Okt 2017, 00:02

Herr K. hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 22:44
novon hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 22:34
Hmm... Drehen wir das doch mal auf Kurs: Menschenwürde bedarf keiner Zuschreibung. Sie kommt jedem Menschen unbedingt zu.
Weil?
Siehe angebrachtes Like @Tommy. (Wobei ich "den meisten" durch "jeden" ersetzen würde. Dies trägt grob der Tatsache Rechnung, dass Menschen nicht in bessere und schlechtere dividiert werden können.)




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Herr K.
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Mo 9. Okt 2017, 00:26

Tommy hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 23:45
Herr K. hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 22:44
novon hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 22:34
Hmm... Drehen wir das doch mal auf Kurs: Menschenwürde bedarf keiner Zuschreibung. Sie kommt jedem Menschen unbedingt zu.
Weil?
Weil das Gegenteil bekannte Konsequenzen hat.
Es ist ja nicht so, dass die Ideen der Menschenwürde und die Menschenrechte am grünen Tisch, sozusagen aus Langeweile und anlasslos entstanden sind.
Menschenwürde und Menschenrechte erfüllen einen Zweck. Sie sollen zum einen die Grundbedürfnisse des Menschen sichern und ihn zum anderen vor Willkür schützen. Und das liegt im Interesse der meisten Menschen.
Und das ist keine Zuschreibung, weil?




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Tarvoc
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Mo 9. Okt 2017, 00:55

Herr K. hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 00:26
Tommy hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 23:45
Herr K. hat geschrieben :
So 8. Okt 2017, 22:44

Weil?
Weil das Gegenteil bekannte Konsequenzen hat.
Es ist ja nicht so, dass die Ideen der Menschenwürde und die Menschenrechte am grünen Tisch, sozusagen aus Langeweile und anlasslos entstanden sind.
Menschenwürde und Menschenrechte erfüllen einen Zweck. Sie sollen zum einen die Grundbedürfnisse des Menschen sichern und ihn zum anderen vor Willkür schützen. Und das liegt im Interesse der meisten Menschen.
Und das ist keine Zuschreibung, weil?
Wollte ich auch gerade fragen.



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novon
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Mo 9. Okt 2017, 01:01

Herr K. hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 00:26
Und das ist keine Zuschreibung, weil?
Weil es ganz prinziell nicht infrage stehen kann. Worauf willst du hinaus?




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novon
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Mo 9. Okt 2017, 01:46

Tommy hat geschrieben :
Mo 9. Okt 2017, 01:02
Sorry, ich habe die Frage anders verstanden. Ich dachte es ginge um die Frage, warum es überhaupt sowas wie eine Idee der Menschenrechte und Menschenwürde gibt.
Ob die Menschenwürde nun zugeschrieben (also es gibt sie nicht, es wird nur behauptet es gäbe sie) oder ob sie Teil des Menschseins ist (ist Menschsein zugeschrieben?) weiß ich nicht. Die einen sagen so, die anderen so.
Zum Beispiel sagen die Christen, die Würde wurde uns von Gott verliehen. Sie sei das, was uns von allen anderen Geschöpfen (z.B. dem Tier) unterscheide.
Wiederum andere sagen die Würde sei überhaupt nicht verliehen oder zugeschrieben, sondern sie sei einfach "angeboren", wobei das wohl irgendwie die gleiche Vorstellung wie die christliche ist, nur ohne das Element "Gott".
Der Nächste meint nun was er nicht anfassen oder sehen kann, das gibt es auch nicht.

Mir ist das alles ehrlich gesagt völlig egal. Für mich zählt nicht was die Würde nun genau ist, und wie man sie beweisen kann, sondern nur was daraus folgt wenn wir sie leugnen.
Das heißt die richtige Frage ist für mich nicht, ob es Würde wirklich gibt, oder ob sie nur eine fixe Idee oder Zuschreibung ist, sondern welchen Nutzen Würde für uns hat. Ich glaube der (reale) Nutzen rechtfertigt, dass wir die Würde des Menschen als existent anerkennen.
Welche Relevanz des von dir Gesagten wolltest du ansonsten denn wohl auch einfordern wollen...




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Jörn Budesheim
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Fr 1. Dez 2017, 09:14

Ich hab "aufgeräumt" und hoffentlich dabei nichts gelöscht oder so :?

Der Themenstrang Tatsache/Wahrheit/ontische Wahrheit ist jetzt hier zu finden > https://www.dialogos-philosophie.de/vie ... 8759#p8759




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iselilja
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Fr 15. Dez 2017, 21:45

Tommy hat geschrieben :
Di 5. Sep 2017, 22:01
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 5. Sep 2017, 05:29
Alethos hat geschrieben :
Di 5. Sep 2017, 05:17


Beide
Die beiden Punkte (X und Y) sind dann strittig, wenn die Diskutanten (A und B) unterschiedliche Ansichten darüber haben, wenn nicht, dann nicht :)

Diskussionen, in denen alles strittig ist, können nicht mal starten. Denn ohne ein paar Prämissen, die beide für wahr halten, kann niemand ein Argument vortragen.
Das war doch aber nicht die Frage, und das ist auch nicht meine Position.
Die Frage war, wer die Bringschuld hat, und meine Position dazu ist: Beide. Denn was für den einen vollkommen klar ist, ist für den anderen strittig und umgekehrt. Jetzt zu sagen die Bringschuld habe immer nur einer, setzt für mich die - ungerechtfertigte - Annahme voraus, dass stets nur die Ansicht des anderen strittig ist. Das sieht der andere aber wohl ganz anders. Für den ist vielleicht die eigene Position vollkommen klar, und der andere äußert Strittiges.
Dass man sich in manchen Punkten auch einig sein kann (oder muss), will ich damit nicht leugnen.
Das ist etwas, was man in vielen Diskussionen tatsächlich beobachten kann. Und wer genau hinschaut wird sich auf Dauer davon auch nicht ausklammern. :-)

Traditionell und auch irgendwie intuitiv richtig scheint zu sein, dass derjenige, der eine Behauptung aufstellt auch (natürlich nur auf Nachfrage) die Beweislast SEINER Behauptung trägt. Und genau hier entstehen mE oft Probleme, die aber von keiner Seite zu verantworten sind. Wie Du bereits erläuterst.. was für den einen strittig, erscheint dem anderen völlig klar. Dadurch entsteht natürlich auch bei dem, der traditionell die Beweislast tragen soll die Frage, was genau denn daran noch zu beweisen wäre. Und genau diese Frage zu klären benötigt oft eigentlich eine Art Metadiskussion, in der bestimmte (oftmals stark vom eigentlichen Thema abweichende) Fragen zuvor geklärt werden müssen. Na.. hört sich das nicht nach einem echten PhilosophieForum an? :-) Wir kennen das doch im Grunde alle.




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Jörn Budesheim
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Do 12. Dez 2019, 20:51

Jonas Pfister, in philosophische Werkzeuge hat geschrieben : Verschieben der Beweislast

Das Verschieben der Beweislast ist ein Fehlschluss, bei dem eine Regel des vernünftigen Argumentierens verletzt wird. Ein Beispiel: Angenommen, jemand behauptet, es gebe überhaupt kein Wissen. Das ist eine Behauptung, die man begründen muss. Die Beweislast liegt in diesem Fall bei dem, der diese These aufstellt, und nicht bei dem, der behauptet, dass wir Wissen haben. Zunächst einmal gibt es nämlich gute Gründe dafür, anzunehmen, dass es Wissen gibt. Erstens sagen wir von uns und anderen, dass wir Wissen haben, und es wäre erstaunlich, wenn diese Zuschreibungen immer falsch sein sollten. Zweitens gibt es klare Fälle, in denen wir tatsächlich behaupten, dass wir etwas wissen, zum Beispiel dass es diese Gegenstände hier gibt, die wir jetzt wahrnehmen. Es kann sein, dass wir uns irren. Aber angesichts dieser Gründe sind nicht wir dazu verpflichtet, zu beweisen, dass es Wissen gibt, vielmehr muss derjenige, der behauptet, dass es kein Wissen gibt, diese These begründen. Wer seiner Begründungspflicht nicht nachkommt und stattdessen von anderenverlangt, dass diese beweisen, dass das Gegenteil wahr ist, der begeht den Fehlschluss des Verschiebens der Beweislast.




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