Ist alles mit allem verbunden?

Aspekte metaphysischer Systementwürfe und der Ontologie als einer Grunddisziplin der theoretischen Philosophie können hier diskutiert werden.
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NaWennDuMeinst
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So 24. Jan 2021, 23:17

Alethos hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 19:46
Aber deine Frage war ja, wie der Richter wissen könne, welche Sinnfelder er für die Beurteilung der Frage nach der Rechtmässigkeit des Nichtbezahlens der Pizza ansteuern müsse. Und meine Antwort war: Er muss den Sachverhalt befragen. Er gibt ihm die Sinnfelder vor.
Es werden hier aber ZWEI Sinnfelder "vorgegeben", nämlich meines und das des Kellners.
Natürlich wird der Richter nicht das Sinnfeld des Kellners zur Beurteilung heranziehen, sondern meins (es sei denn er ist völlig bekloppt).
Aber wie kommt er dazu, wenn - wie Du behauptest - die Sinnfelder alle gleichwertig sind?
Wenn der Richter das annehmen würde könnte er ja gar keine Entscheidung treffen, dann müsste er vielleicht annehmen, dass sich nicht ergründen lässt, ob es eine Pizza gab oder nicht, denn es gab sie in einem Sinnfeld und in einem anderen gab es sie nicht.
Wieso ist nun das Sinnfeld ausschlagebend in dem es die Pizza nicht gab?
Woran entscheidet sich das, wenn die Sinnfelder stets alle gleichwertig sind?

Ich sage: Ich habe keine Pizza bekommen.
Der Kellner sagt: Doch, er hat eine bekommen.

Jetzt muss doch der Richter ermitteln, was nun (in dieser! Welt, und nicht in vielen Welten) Fakt ist: Habe ich nun eine bekommen oder nicht?
Und wenn der Richter jetzt annehmen würde, dass sowohl das Sinnfeld des Kellners als auch mein Sinnfeld hier beide gleichwertig sind, dann kann er das gar nicht mehr entscheiden.
Er kann das erst entscheiden wenn er festlegt, dass das Sinnfeld des Kellners hier zu ignorieren ist..
Und das ist eine Priorisierung (eine Bevorzugung eines Sinnfeldes, nämlich meines gegenüber dem des Kellners), oder nicht?
Und deshalb verstehe ich nicht wie Du behaupten kannst die Sinnfelder seien alle gleich viel "wert".
Sind sie ja in dem Fall - in dem entschieden werden muss was Fakt ist - gerade nicht!
Hier entscheidet der Richter ja ganz klar, dass mein Sinnfeld bei der Frage ob es eine Pizza gegeben hat mehr Aussagekraft hat als das Sinnfeld des Kellners.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am So 24. Jan 2021, 23:53, insgesamt 2-mal geändert.



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NaWennDuMeinst
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So 24. Jan 2021, 23:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 19:41
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 19:01
Mit so einer Realitätsauffassung kann aber keiner arbeiten und Entscheidungen treffen
Damit arbeiten wir jedoch andauernd, ohne kämen wir gar nicht zurecht. Sogar unsere Wissenschaften haben wir entsprechend eingerichtet, sie alle untersuchen nämlich verschiedene Bereiche, sprich Sinnfelder. Unser ganzes Leben besteht darin, dass wir uns in vielen verschiedenen Bereichen mit vielen verschiedenen Ordnungen zurechtfinden können. Es ist sinnlos so zu tun, als sei das irgendetwas exotisches, was kein Mensch auf der Welt begreift. Denn es ist einfach unser Alltag.
Nein, ist es nicht.
Ich muss nicht jedesmal mit meinem Arbeitgeber darüber diskutieren, welches Sinnfeld wir anwenden wollen, wenn es um die Auszahlung meines Lohns geht.
Und wenn der mir sagen würde, dass das nicht gezahlte Geld in irgendeinem Sinnfeld gezahlt wurde, und alle Sinnfelder ja gleichberechtigt nebeneinander her stehen, ich also auf jeden Fall irgendwie existentes Geld bekommen habe, dann würde ich ihn fragen ob er noch ganz dicht ist.
Wenn du in eine Pizzeria gehst, dann gehst du in einen solchen Bereich, in dem bestimmte Regeln gelten, zum Beispiel, dass du beim Kellner bestellst und am Ende auch bezahlst.
Ja, aber nur für eine echte Pizza, und nicht für eine die in irgendeinem beliebigen Sinnfeld existiert.
Andere Sinnfelder sind da einfach irrelevant.
Wenn du auf der Karte auf eine bestimmte Pizza zeigst, vielleicht weil du ihren Namen nicht aussprechen kannst, dann holt der Kellner keine Schere und schneidet sie aus und legt sie auf deinen Teller.
Es sei denn er hat vorher Alethos gelesen und meint, alle Sinnfelder und Existenzformen seien gleichwertig.
Wenn man wieder in eine Pizzeria gehen darf, kannst du den Kellner ja mal fragen, wie er dieses Wunder vollbringt, Pizza auf Karte von Pizza auf Teller und zu unterscheiden.
Einen richtigen Kellner brauche ich das nicht fragen. Wenn ich meine Pizza aber bei Euch bestellen würde wäre ich mir da nicht mehr so sicher.
Mir ist es nämlich wirklich nicht erklärbar wie ihr das macht und gleichzeitig davon ausgeht, dass alles Sinnfelder gleichberechtigt nebeneinander her existieren.
Denn ganz offensichtlich ist das nicht so. Offenbar spielen die anderen Sinnfelder in einer Pizzeria nicht die geringste Rolle, weil der Gast keine Gedankenpizza haben will sondern eine real existierende.
Und er will dann sicher nicht darüber diskutieren, dass eine gedachte Pizza ja auch "irgendwie existiert".
Und wenn du fernsiehst, dann würdest du nichts verstehen, wenn du dich nicht darauf verstehen würdest, viele verschiedene Sinnfelder zu unterscheiden.
Ja, eben. Ich nehme nämlich nicht an, dass die Axt im Fanatsyfilm für mich genauso gefährlich werden kann wie eine echte Axt.
Und ich sage absichtlich "echte Axt", weil die andere nunmal nicht echt ist, auch wenn Alethos beteuert sie sei genauso existent wie die echte.
Das stimmt nämlich einfach gar nicht. Sie ist auf eine ganz andere Weise existent als die Axt mit der du dir in den Fuß haust.
Ich denke nämlich, dass du es drauf hast, zwischen einer Dokumentation und einer Fiktion zu unterscheiden
Vor allem habe ich es drauf nicht anzunehmen, dass "existieren" das selbe meint wie existieren.



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Mo 25. Jan 2021, 00:05

Das Problem entsteht einfach wenn zwei unterschiedliche Sinnfelder für sich die Fakten zum selben Sachverhalt beanspruchen.
Gibt es nun ein Coronavirus, oder nicht?
Der Sinnfeld-Philosoph müsste nun eigentlich sagen, dass es im Sinnfeld der Verschwörungstheorien als nicht existent angenommen wird, im Sinnfeld der Virologie aber schon.
Und nun haben wir den Salat. Denn mit dieser Aussage können wir, wenn es um die Entscheidung geht ob Maßnahmen durchgeführt werden oder nicht, absolut nichts anfangen.
Das hilft Niemanden weiter.
Die Entscheidung könnte ja erst getroffen werden, wenn man ein Sinnfeld eliminiert, das heißt wenn man sagt, dass das eine Sinnfeld relevant ist und das andere nicht.
Wie entscheiden wir denn nun aber welches Sinnfeld relevant ist?
Wenn der Sinnfeld-Philoosph sagt, dass es "die Welt" nicht gibt, dann kann es auch keine Welt geben die vorgibt welche Sinnfelder zu welchen Zeiten relevanter wären als andere.

Aber so ist es eben nicht. Natürlich gibt es "die Welt", denn nur "die Welt" kann uns letztlich durch gelebte Erfahrung mit ihr zeigen welche Sinnfelder in welchen Situationen ausschlaggebend sind und welche nicht, indem sie uns vor Augen führt was passiert, wenn wir die Sinnfelder (und deren Relevanz) durcheinander bringen. So wie uns "die Welt", wenn wir uns bei der Frage nach der Existenz des Coronavirus beim Sinnfeld der Verschwörungstheorien bedienen, ganz gleichgültig zeigt was die Folge dieser Verwechslung ist.
Wenn ich ein Gewicht anheben will, dann muss ich Kraft aufwenden, weil eine Schwerkraft existiert. Und das gibt uns "die (eine!) Welt" vor. Sinnfelder hin oder her.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mo 25. Jan 2021, 00:32, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos
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Mo 25. Jan 2021, 00:18

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 23:17
Alethos hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 19:46
Aber deine Frage war ja, wie der Richter wissen könne, welche Sinnfelder er für die Beurteilung der Frage nach der Rechtmässigkeit des Nichtbezahlens der Pizza ansteuern müsse. Und meine Antwort war: Er muss den Sachverhalt befragen. Er gibt ihm die Sinnfelder vor.
Es werden hier aber ZWEI Sinnfelder "vorgegeben", nämlich meines und das des Kellners.
Natürlich wird der Richter nicht das Sinnfeld des Kellners zur Beurteilung heranziehen, sondern meins (es sei denn er ist völlig bekloppt).
Aber wie kommt er dazu, wenn die Sinnfelder alle gleichwertig sind?
Wenn der Richter das annehmen würde könnte er ja gar keine Entscheidung treffen, dann müsste er vielleicht annehmen, dass sich nicht ergründen lässt, ob es eine Pizza gab oder nicht, denn es gab sie in einem Sinnfeld und in einem anderen gab es sie nicht.
Wieso ist nun das Sinnfeld ausschlagebend in dem es die Pizza nicht gab?
Woran entscheidet sich das, wenn die Sinnfelder stets alle gleichwertig sind?

Ich sage: Ich habe kein Pizza bekommen.
Der Kellner sagt: Doch, er hat eine bekommen.

Jetzt muss doch der Richter ermitteln, was nun Fakt ist: Habe ich nun eine bekommen oder nicht?
Und wenn ich jetzt annehme, dass sowohl das Sinnfeld des Kellners als auch mein Sinnfeld hier beide gleichwertig sind, dann kann ich das gar nicht mehr entscheiden.
Ich kann das erst entscheiden wenn ich sage: Das Sinnfeld des Kellners ist egal, das andere Sinnfeld gilt.
Und das ist eine Priorisierung (eine Bevorzugung eines Sinnfeldes), oder nicht?
Und deshalb verstehe ich nicht wie Du behaupten kannst die Sinnfelder seien alle gleich viel "wert".
Sind sie ja in dem Fall - in dem entschieden werden muss was Fakt ist - gerade nicht!
Ich verstehe deinen Einwand, aber ich verstehe auch, wo er mich m.E. falsch versteht. Mit Gleichwertigkeit der Dinge und Begriffe meine ich die ontologische Gleichberechtigung. Dinge und Begriffe sind bezüglich der Frage, was existieren überhaupt bedeutet, gleichrangig. Sie alle existieren gleichermassen. Sie sind aber nicht gleich relevant in unterschiedlichen Sachverhalten, das können sie auch nicht durchgängig sein, weil sich Sachhalte unterscheiden können, wenn sie aus anderen Dingen und Begriffen bestehen. Für gewisse Sachverhalte können sie sogar völlig irrelevant sein. Gleichwertigkeit bezieht sich also allein auf die allgemeinste Seinsebene der Ontologie, nämlich auf die Frage, was existieren überhaupt bedeutet.


Der Richter soll eine Wahrheit feststellen. Die Aussage: „Du hast eine Pizza gegessen“ ist wahr, und zwar für den Fall, dass ich nur geträumt habe, dass du sie gegessen hast (nämlich in meinem Traum ist es wahr, dass du sie gegessen hast) sowie für den Fall, dass ein nicht-gedankliches Du sie gegessen hat (im Fall, dass ich mir nicht bloss einbildete, dass du sie gegessen hast, sondern dass du sie unabhängig von meinem Denken tatsächlich gegessen hast - physisch oder in deiner Einbildung).

Als Richter kann ich unmöglich bestimmen, welche Wahrheit ich zu gewichten habe, wenn ich nicht eine Determinante hinzunehme, die die Triangulation bezeugt, also angibt, auf welches Feld sich die Behauptung x bezieht. Wenn ich weiss, dass von der Pizza nur in der Realität des Gedankenfelds die Rede ist, nicht aber in einer gemeinsam gegebenen Realität, dann kann ich die Behauptung x zuordnen und sagen: „Das ist bloss Einbildung“. Die Einbildung des einen hat subjektive Objektivität. Die Objekte der Einbildung haben Realität nur in dieser Form als Eingebildetes. Die Realität, die aber ein Ankläger anruft, wenn er sagt: „Du hast das und das gemacht!“ betrifft nicht nur dieses gedankliches Feld, sondern ein Feld mindestens, das dem Richter und mir auch gegeben sein kann.

Wenn der Richter also wissen kann, dass ich die Pizza gegessen habe, weil ich sie in einem Feld gegessen habe, in dem
sich feststellen lässt, dass ich sie gegessen habe, dann hat er es mit einem solchen gemeinsam gegeben Feld zu tun. Gleichermassen muss uns auch das Recht selbst, das er sprechen wird, gemeinsam
gegeben sein dadurch, dass wir unter diese Rechtsprechung fallen. Dadurch, durch dieses gemeinsame Gegebensein der Felder, d.h. durch das gemeinsame vorkommen in diesen Feldern begründet sich Intersubjektivität und nur sie ist relevant für solche Entscheidungen, die uns als Intersubjekte betreffen (weil wir nur in ihnen als Intersubjekte existieren).



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Jörn Budesheim
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Mo 25. Jan 2021, 05:40

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 23:48
gleichwertig
Gleichwertig ist allerdings nicht dasselbe wie gleichartig oder beliebig.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 23:48
Ich nehme nämlich nicht an, dass die Axt im Fanatsyfilm für mich genauso gefährlich werden kann wie eine echte Axt.
Und ich sage absichtlich "echte Axt", weil die andere nunmal nicht echt ist, auch wenn Alethos beteuert sie sei genauso existent wie die echte.
Wenn du nicht alles daran geben würdest, die SF nicht zu verstehen, sondern gerade einen Fantasy Film schauen würdest, dann lägen die Dinge allerdings sicher anders. Dann könntest du nämlich unterscheiden, was innerhalb des Films passiert und was nicht. Innerhalb des Filmes gibt es Streitäxte, die innerhalb des Filmes genauso echt sind, wie die Filmungeheuer, die es ebenso nur innerhalb des Filmes, aber nicht außerhalb des Filmes gibt. Der Film "behauptet" das auch nicht, weil er nicht als Dokumentation daherkommt.

Was du bei deinem Einwänden im Grunde weg lässt, ist das, was die Sinnfeld Ontologie wirklich sagt: existieren heißt irgendwo vorkommen. Und "irgendwo vorkommen" heißt Teil einer Ordnung sein.

Das ist das wichtigste!

Es gibt in der Sinn Feld Ontologie niemals ein Existieren schlechthin, bzw existieren als Teil der einzigen großen Ordnung. Es geht immer darum, in welchem der vielen verschiedenen Bereiche etwas wirklich vorkommt. Und alles was überhaupt existiert, existiert immer in irgendeinem Bereich.

Den zweiten wichtigen Teil lässt du andauernd weg. Natürlich ist es ein riesen Unterschied, ob die Axt im Film vorkommt oder bei dir auf dem Tisch liegt. Die Sinnfeld Ontologie ist nicht da, um diesen Unterschied zu leugnen, sondern um ihn zu machen. Denn das ist der Kern der Theorie!

Äxte in Filmen können dir natürlich nicht gefährlich* werden, weil sie in Filmen existieren und nicht in deiner Lebenswelt. Aber im Film ist die Axt natürlich gefährlich, sie kann den Figuren im Film das Leben kosten, aber eben nur dort. Die Sinn Feld Ontologie behauptet gerade nicht, dass das, was in einem Sinn Feld existiert automatisch auch in einem anderen (oder gar jedem anderen) Sinn Feld existiert.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 23:48
Ja, aber nur für eine echte Pizza, und nicht für eine die in irgendeinem beliebigen Sinnfeld existiert.
Andere Sinnfelder sind da einfach irrelevant.
Nichts anderes behauptet die Sinnfeld-Ontologie. Was echt ist, entscheidet sich im vorliegenden Fall innerhalb des Bereiches Pizzeria. Alle anderen Felder sind für deine Bestellungen und die Bezahlung einfach irrelevant.

Und wenn jetzt jemand daherkommt und behauptet, dass die Pizza in Wahrheit gar nicht existiert, weil in Wahrheit nur subatomare Partikel im Kraftfeldern existieren und die Pizza im Grunde eine Illusion ist, dann würde ihn die Sinnfeld Ontologie zurechtweisen und deine Pizza in der Pizzeria als echt verteidigen.

Ein Kerngedanke der Sinnfeld-Ontologie ist, dass die Wirklichkeit in vielfältiger Art und Weise lesbar ist, weil sie in sich selbst bunt ist.

By the way: Das steht nicht im Widerspruch zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Dazu ein Ausschnitt aus einem Interview von Markus Gabriel: "Ich habe jüngst bei den Physikern an der Universität Tokio einen Vortrag über meine Sinnfeldontologie gehalten, da meldete sich ein Stringtheoretiker und sagte: »Das ist doch ganz konservative Quantenmechanik, was Sie da machen!« Dem habe ich gesagt, ich hätte damit nichts zu tun, ich sei ja kein Physiker. »Doch, das ist reine Quantenmechanik«, sagte der daraufhin! Er konnte keinen Unterschied sehen zwischen dem, was ich anbiete, und der sogenannten relationalen Interpretation der Quantenmechanik. Die wird in der Philosophie wenig diskutiert. Am ehesten noch von Carlo Rovelli, einem im Moment sehr populären Physiker, der, nebenbei gesagt, auch ein durchaus guter Philosoph ist. Carlo hat mir als Erster beibringen wollen, der Neue Realismus sei im Grunde eine Form von Quantenmechanik."

Und an andere Stelle nochmal - Markus Gabriel, in Fiktionen:

"Ohne dem an dieser Stelle zu viel argumentativen, philosophischen Wert zumessen zu wollen, scheint es sogar der Fall zu sein, dass viele Interpretationen der nächsten größeren Durchbrüche der Mikrophysik in ihrem ontologischen Format ziemlich genau wie eine naturalistische Variante einer SFO aussehen, worauf mich als einer der Ersten Carlo Rovelli hingewiesen hat. Rovelli selbst interpretiert den physikalischen Feldbegriff (der freilich Pate für die SFO gestanden hat) so, dass die Raumzeit keine Grundlage für alle Felder ist und schon gar kein Behälter, in dem Ereignisse stattfinden (diese Newtonianische Vorstellung wurde durch die Relativitätstheorie widerlegt).

Carlo Rovelli:
Die Raumzeit ist das Gravitationsfeld (und umgekehrt). Wie Newton intuitiv erkannte, existiert sie auch ohne Materie an sich. Aber sie ist keine von den übrigen Dingen der Welt geschiedene Entität – wie Newton annahm –, sondern ein Feld wie die anderen. Eher als ein Gemälde auf einer einzelnen Leinwand ist die Welt eine Überlagerung vieler Leinwände, vieler Schichten, von denen das Gravitationsfeld nur ein Feld unter anderen ist. Wie die anderen ist es weder absolut noch gleichförmig oder fest. Vielmehr krümmt, streckt, kontrahiert und ballt es sich zusammen mit den anderen. Gleichungen beschreiben die wechselseitige Beeinflussung sämtlicher Felder. Und die Raumzeit ist ein solches Feld."

Das, was Rovelli metaphorisch als einzelne Leinwand bezeichnet, ist gewissermaßen einer der Hauptgegner der Sinnfeld Ontologie. Das ist nämlich die Idee, dass alles nur auf eine einzige Art und Weise lesbar ist und zugleich die Idee, dass es einen basalen alles bestimmenden Teppich der Tatsachen gibt =ein einziges Bild. Dagegen wendet Gabriel ein, dass immer entscheidend ist, welche wirkliche Leinwand (=Bereich) man gerade in den Blick nimmt. Existieren heißt immer auf so einer Leinwand von vielen zu existieren, denn die Dinge existieren ja nicht isoliert, sondern immer in Zusammenhängen. Diese wirklichen Zusammenhänge nennt Gabriel eben Sinnfelder.


* es sei denn du erschrickst dich so sehr, dass du einen Herzkasper bekommst.




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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 25. Jan 2021, 00:05
Der Sinnfeld-Philosoph müsste nun eigentlich sagen, dass es [das Virus] im Sinnfeld der Verschwörungstheorien als nicht existent angenommen wird, im Sinnfeld der Virologie aber schon.
Der Sinnfeld-Philosoph würde folgendes sagen: beide Theorien handeln zwar von dem Virus. Die Verschwörungstheorie liegt aber falsch, weil sie behauptet, dass in unserer Lebenswelt kein Virus vorkommt. Entscheidend ist immer die Angabe des Bereiches. In der Theorie vorkommen ist nicht dasselbe wie in Wuppertal vorkommen.




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Alethos hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 18:39
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 18:22
Wie soll das gehen?
Ja, und was mich auch interessieren würde: Was folgt daraus?

Das weiß ich auch nicht, habe mir noch keine Gedanken dazu gemacht!
Interessant!




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 18:47
Meines Erachtens läuft es ziemlich zwingend auf irgendeine Form von Reduktionismus und Monismus hinaus. Und damit man geistige Entitäten einbinden kann, dürfte wahrscheinlich irgendeine Form von objektiven Idealismus angestrebt sein. Alles ist Geist und Materie ist nichts als geronnener Geist, wie es manchmal heißt.

Dass man das machen kann, ohne der Vielfalt der Phänomene Gewalt anzutun, kann ich mir von meinem Teil nicht vorstellen.

Ja, vielleicht ist da etwas dran...
Dazu möchte ich persönlich sagen, ich bin religiös gesehen: ohne Bekenntnis
Aber natürlich sind einige Punkte in verschiedenen Religionen eine Überlegung wert. Aber an die Wiedergeburt glaube ich z.B. überhaupt nicht.
Das ich da irgendwo wieder auftauchen muss, nein danke! Ok, vielleicht als Katze eines liebevollen Besitzers wäre noch ok...


Was ich damit sagen möchte... Ich denke nicht das es in diese Richtung läuft.

Aber vielleicht beeinflusst es mehr als man denkt?!




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Ich für meinen Teil denke, dass man sowohl Idealist sein kann als auch Atheist. (Atheismus wäre mein "Bekenntnis".)




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Burkart hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 22:34
Eine Verbindung von "Fingernagel" und (deiner) 5 könnte schon sein, dass wir 5 Finger an einer Hand haben.
Worin besteht die Verbindung? Welcher Art ist sie? Wie dockt der Fingernagel an die 5 an?




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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 23:17
Und wenn der Richter jetzt annehmen würde, dass sowohl das Sinnfeld des Kellners als auch mein Sinnfeld hier beide gleichwertig sind, dann kann er das gar nicht mehr entscheiden.
Du nutzt hier Sinnfeld so ähnlich wie "Sichtweise": Und wenn der Richter jetzt annehmen würde, dass sowohl die Sichtweise des Kellners als auch meine Sichtweise hier beide gleichwertig sind, dann kann er das gar nicht mehr entscheiden. Und zusammen mit "gleichwertig" kommt dann (übertrieben formuliert) heraus, dass jede Sichtweise richtig ist. Aber das ist nicht Sinnfeld-Ontologie. Gemäß der Sinnfeld-Ontologie ist entscheidend, ob du in der Pizzeria (=Sinnfeld namens Pizzeria) warst und dort eine Pizza (=Sinnfeld namens Pizza) bekommen hast, und zwar gemäß dem, was in einer Pizzeria in unserer Lebenswelt üblicherweise als Pizza gelten darf. Und das ist eine Tatsache, die unabhängig von deiner Sichtweise und der des Kellners besteht. Gemäß der Metapher von Rovelli wird der Richter versuchen, die relevante Leinwand zu rekonstruieren, um herauszufinden, wer von euch beiden sie richtig dargestellt hat.

"Gleichwertig" (im Sinne von Alethos) bedeutet etwas ganz anders als du vermutlich glaubst. E geht zum Beispiel nicht darum, dass alle Sichtweisen gleichwertig sind. Es geht darum, dass der Begriff "Existieren" nicht an einen bestimmten Bereich geknüpft ist, also etwa der Bereich der Physik. Etwas, was im Bereich der schönen Literatur vorkommt, das existiert auch, und zwar gemäß demselben Begriff von "Existieren". Damit ist aber nicht gesagt, dass die Dinge, die in Romanen vorkommen Dinge derselben Art sind wie die Dinge, die in unserer Lebenswelt vorkommen. Geschichten, wie zum Beispiel "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" existieren zum Beispiel nur unter der Bedingung, dass sie gelesen/aufgeführt werden. Dennoch gibt es wahre Sätze über die Geschichte - "Jim Knopf" ist (in der Geschichte) wirklich mit dem Paket geschickt worden. Wer die Geschichte anders liest, irrt. Innerhalb der Fiktion gibt es Tatsachen, natürlich auch solche für die es in unserer Lebenswelt keine Entsprechung geben kann, wie zum Beispiel Scheinriesen. In Jim Knopf gibt es Scheinriesen, in Kassel nicht.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 23:17
das Sinnfeld des Kellners
Das Sinnfeld des Kellners ist jedenfalls nicht einfach dessen Sichtweise. Die Sinnfelder, in denen Kellner auftauchen sind zum Beispiel Restaurants, Ausflugslokale oder ähnliches. Also diejenigen Ordnungen, in denen Kellner, Gäste (zum Beispiel du), Kaffee und Kuchen oder Pizza, Speisekarten, Bestellungen, Bezahlungen, Trinkgelder und ähnliches erscheinen. Dementsprechend gibt es in Bezug auf die fragliche Pizza auch ein Sinnfeld, nämlich diese bestimmte Pizzeria.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 23:17
Es werden hier aber ZWEI Sinnfelder "vorgegeben", nämlich meines und das des Kellners.
Ihr gehört also beide zum selben Sinnfeld, nämlich du als Gast und der Andere als Kellner.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Jan 2021, 09:28
Burkart hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 22:34
Eine Verbindung von "Fingernagel" und (deiner) 5 könnte schon sein, dass wir 5 Finger an einer Hand haben.
Worin besteht die Verbindung? Welcher Art ist sie? Wie dockt der Fingernagel an die 5 an?
Die Verbindung ist sprachlich-gedanklich, ggf. vom Kontext genauer abhängig.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Mit anderen Worten: es gibt keine Verbindung von Nagel und 5 für sich selbst.




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Alethos hat geschrieben :
Mo 25. Jan 2021, 00:18
Wenn der Richter also wissen kann, dass ich die Pizza gegessen habe, weil ich sie in einem Feld gegessen habe, in dem
sich feststellen lässt, dass ich sie gegessen habe, dann hat er es mit einem solchen gemeinsam gegeben Feld zu tun. Gleichermassen muss uns auch das Recht selbst, das er sprechen wird, gemeinsam gegeben sein dadurch, dass wir unter diese Rechtsprechung fallen. Dadurch, durch dieses gemeinsame Gegebensein der Felder, d.h. durch das gemeinsame vorkommen in diesen Feldern begründet sich Intersubjektivität und nur sie ist relevant für solche Entscheidungen, die uns als Intersubjekte betreffen (weil wir nur in ihnen als Intersubjekte existieren).
Wenn ich richtig sehe, entspricht das im Großen und Ganzen, dem, was ich geschrieben habe. Was mich jedoch irritiert ist, dass du den Ausdruck "Intersubjektivität" nutzt.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Jan 2021, 13:16
Mit anderen Worten: es gibt keine Verbindung von Nagel und 5 für sich selbst.
Was heißt bzw. meinst du mit "für sich selbst"?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Sie sind nicht für sich selbst verbunden, sondern durch etwas anderes, nämlich Gedanken über sie.




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AndreaH hat geschrieben :
Mo 25. Jan 2021, 08:28
Alethos hat geschrieben :
So 24. Jan 2021, 18:39


Ja, und was mich auch interessieren würde: Was folgt daraus?

Das weiß ich auch nicht, habe mir noch keine Gedanken dazu gemacht!
Interessant!





Unendliche Möglichkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen!




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Jan 2021, 18:30
Sie sind nicht für sich selbst verbunden, sondern durch etwas anderes, nämlich Gedanken über sie.
Das würde ja auch bedeuten, Atome sind immer getrennt voneinander und die Verbindungen werden nur von Anziehungskräften gehalten?! Oder?
Dann kann man gar nicht sagen Atome sind miteinander verbunden?




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Icg versuche mal an einem Beispiel zu illustrieren, was ich gemeint habe:

Nehmen wir mal an, wir haben zwei Elemente. Im ersten Fall des Beispiels sind sie durch physikalische Kräfte miteinander verbunden, das heißt sie selbst sind miteinander verbunden. Im anderen Fall besteht die Verbindung allein dadurch, dass irgendjemand sie denkt. In diesem Fall sind sie nicht selbst miteinander verbunden. Die Verbindung besteht nicht intrinsisch durch verbindende Kräfte, sondern extrinsisch und hat mit ihrem physikalischen Zustand nichts zu tun, dieser würde sich gar nicht ändern, wenn die Gedankenverbindung nicht bestünde, sie ist dem System rein äußerlich.

Eine Verbindung muss natürlich nicht physikalisch realisiert sein. Weiter oben habe ich ein Gedicht gepostet, dort sind die Elemente durch den Sinnzusammenhang verknüpft, auch in diesem Fall ist die Verbindung intrinsisch. Auch die Reihe der natürlichen Zahlen ist nicht physikalisch verbunden, sondern durch die Regel, die diese Reihe ausmacht. Auch das würde ich eine intrinsische Verbindung nennen. Es muss eine Verbindung der Sache nach sein, nicht einfach eine rein äußerliche, die Sache nicht wirklich tangiert.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Jan 2021, 14:15
Alethos hat geschrieben :
Mo 25. Jan 2021, 00:18
Wenn der Richter also wissen kann, dass ich die Pizza gegessen habe, weil ich sie in einem Feld gegessen habe, in dem
sich feststellen lässt, dass ich sie gegessen habe, dann hat er es mit einem solchen gemeinsam gegeben Feld zu tun. Gleichermassen muss uns auch das Recht selbst, das er sprechen wird, gemeinsam gegeben sein dadurch, dass wir unter diese Rechtsprechung fallen. Dadurch, durch dieses gemeinsame Gegebensein der Felder, d.h. durch das gemeinsame vorkommen in diesen Feldern begründet sich Intersubjektivität und nur sie ist relevant für solche Entscheidungen, die uns als Intersubjekte betreffen (weil wir nur in ihnen als Intersubjekte existieren).
Wenn ich richtig sehe, entspricht das im Großen und Ganzen, dem, was ich geschrieben habe. Was mich jedoch irritiert ist, dass du den Ausdruck "Intersubjektivität" nutzt.
Ja, ich war schon, als ich es schrieb, nicht ganz zufrieden damit.

Eigentlich zielte der letzte Teil meines Beitrags auch auf das Gegenstück des ontologischen Pluralismus‘: auf den epistemologischen Pluralismus. Die Frage von NWDM lautet ja sinngemäss, wie nun der Richter wissen könne, dass dieses und nicht jenes Sinnfeld relevant sei. Ich meine, dass diese Frage teilweise auch die Erkenntnis / die Erkenntnisfähigkeit betrifft. Der Richter muss ja sozusagen das resp. die „richtige(n) Sinnfeld(er) in den Blick nehmen, und dazu benötigt er auch Urteilskraft. Es nützt nichts, wenn der Richter die „Atomwelt“ oder die „fiktionale Welt“ einer erfundenen Geschichte betrachtet, wenn er die Frage zu beantworten hat: „Was geschah nun in dieser Pizzeria mit dem Kellner und der Pizza? Wurde sie gegessen oder nicht und wurde sie bezahlt oder nicht?“. Auf diese Frage geben ja nicht x-beliebige Bereiche Auskunft, sondern nur jene, die diesen Sachverhalt bezeugen können. Er muss also Unterscheidungsvermögen auf die verschiedenen Weisen des Gegebenseins von Tatsachen anwenden und auf jene Sachverhalte eingehen, die durch die Frage „Was ist wo vorgefallen?“ überhaupt aufgeworfen sind.

Er wird m.E. also jene Bereiche ermitteln müssen, in denen die Pizza, der Kellner, ich und der Umstand des Nichtbezahlens der Pizza gleichermassen stattgefunden haben (sollen), und das kann nicht der Bereich der Gedanken eines Subjekts sein, weil da die Pizza eben nicht in der Weise vorkommt, wie ich sie, in der Weise ich mit ihr vorkomme, essen kann. Diese Bereiche sind vielmehr die Sachverhalte, wie ich sagen wollte, in denen wir alle (Pizza, Kellner, nicht geflossenes Geld etc...) als Dinge gemeinsam prädiziert sind, das sind etliche Bereiche wie bspw. die raumzeitliche Ebene des Restaurants, in welchem die raumzeitliche Pizza und mein raumzeitliches Ich gleichermassen vorkommen. Im Gedanken des einen Subjekts komme ich und die Pizza aber gerade nicht als raumzeitliche Objekte vor. Aber auch die rechtliche Sphäre, in der die gleichen Rechte und Pflichten für mich wie für den Kellner gelten, müssen uns beide betreffen, das heisst wir müssen im Sinne des Rechts beide darin vorkommen als Rechtssubjekte. Der Kellner kann sich ja auch ein Recht vorstellen, in dem es keine Beweislast gibt, sondern er allein durch Aussage verfügen kann, was zu beweisen war. Aber natürlich kann das nicht die rechtliche Sphäre sein, in der ich mit ihm als Gleichberechtigter vorkomme, was aber gerade die Ordnung des Rechts (von dem hier die Rede ist und welches der Richter anzuwenden hat) gebietet. Da irrt sich der Kellner einfach, und das muss der Richter erkennen können, was er kann, wenn er die Sachlage richtig beurteilt.

Sinnfelder und Sinne (also die Art und Weise, auf diese Sinnfelder referenzieren zu können), das gehört zusammen. Erkennen zu können, zu welchem Bereich die Tatsache gehört, das ist essenziell, um sich in der vielgestaltigen Wirklichkeit zurechtzufinden.

Die unterschiedlichen Bereiche zu unterscheiden, das gelingt uns ganz gut, wie du sagtest, indem wir bspw. eben erkennen, dass das, was sich in einem SiFi-Film in der Flimmerkiste abspielt nicht in derselben Weise, sprich: nicht am selben Ort vorkommt, wie die Gedanken, die ich mir zu diesem Film mache oder das Popcorn, das ich dabei knabbere. Diese „Ebenen“ sind verschiedene, und wir können das i.d.Regel auch erkennen.

Was uns aber offenbar Mühe macht, ist diese als vielschichte Wirklichkeit erlebte Realität auch in einer Theorie von allem, was es gibt, zu denken. Da wollen wir, so scheint es, immer zurück auf den festen Boden einer (ganz verlässlichen) Seinsschicht.



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Alle lächeln in derselben Sprache.

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