Was ist (menschliches) Handeln und warum handeln Menschen?

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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So 24. Sep 2017, 10:31

Sorry, ich kann dir nicht folgen. Ich verstehe nicht mal, wovon du redest?




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Jörn Budesheim
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So 24. Sep 2017, 10:55

Stößt du dich an dem Begriff Psychologismus? Psychologismus ist nicht Anti Psychologie oder etwas in der Art. Ein Beispiel für Psychologismus, der eine Spielart des Naturalismus ist, ist meines Erachtens der Versuch, Logik auf psychische Kategorien und Vorgänge zurückzuführen. Der Neurozentrismus dürfte vielleicht ein würdiger Nachfolger des Psychologismus sein, insbesondere wenn er Strukturen des Denkens mit Strukturen des Gehirns identifiziert.

Wenn ich mich über Naturalismus, Psychologismus und Neurozentrismus beklage, dann heißt es aber nicht, dass ich die Naturwissenschaften, die Psychologie oder die Hirnforschung nicht schätze. Das Gegenteil ist der Fall.




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Herr K.
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So 24. Sep 2017, 11:06

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 05:35
SEP hat geschrieben : Wenn das Eigeninteresse mit der Befriedigung aller Präferenzen identifiziert wird, dann ist jede bewusste Handlung eigennützig
Vielleicht eine schlechte Übersetzung? Meines Erachtens nicht wirklich richtig. Und zwar aus demselben Grund wie weiter oben die Verwendung des Wortes Egoismus falsch ist. Wer sagt, dass eine Handlung eigennützig ist, der tadelt sie. "Eigennützig" ist kein beschreibender Begriff sondern ein wertender. Ein Beispiel: Obwohl es in diesen Moment keinem anderen nützt, dass ich meinen Kaffee trinke, ist die Handlung, die ich gerade vollziehe, natürlich nicht eigennützig.

Die Worte "eigennützig", "egoistisch" oder "altruistisch", haben nur deshalb einen Sinn, weil wir mit unseren Handlungen auch die Interessen der anderen berücksichten können und in der Regel auch sollen (oder gemeinschaftlich mit diesen handeln). "Eigennützig" und "egoistisch" sind wie gesagt Begriffe, die offensichtlich wertend und nicht bloß beschreibend sind und besagen, dass bei einer Handlung die Interessen der anderen nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Vielleicht eine schlechte Übersetzung, ja. Gemeint ist das so: z.B. der Soladt, der sich auf die Granate wirft, um seine Kameraden zu retten, hat das Interesse, seine Kameraden zu retten. Das ist sein eigenes Interesse. Dennoch tut er es nicht um des eigenen Interesses wegen, sondern wegen seiner Kameraden.

"Egoismus" ist in dem Zusammenhang wertfrei gemeint, egoistisch ist eine Handlung demnach, wenn ihr primäres Ziel das eigene Wohl ist. Wäre es wertend gemeint, so wie Du sagst, wäre die These des psychologischen Egoismus offensichtlich falsch und nur wenige Menschen vertreten offensichtlich falsche Positionen. Hier ist das Prinzip der wohlwollenden Interpretation angesagt. Im Alltag wird "egoistisch" oft wertend verwendet, das ist richtig, jedoch ist das nicht die einzig richtige Verwendung. In der Philosophie und in den Sozialwissenschaften wird "egoistisch" meist nicht wertend verwendet. So gibt es z.B. auch die Position des Ethischen Egoismus, der behauptet, dass es notwendig und hinreichend für eine Handlung sei, dass sie das eigene Selbstinteresse maximiere. Damit wird aber nicht auch behauptet, dass Ethischer Egoismus schlecht sei.




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Jörn Budesheim
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So 24. Sep 2017, 11:21

Das mag alles sein. Aber meine Ausführung ging ja noch weiter. Und meine Vermutung war, dass die verfehlte Verwendung des Begriffes auf ein falsches Paradigma zurückgeht.

Es ergibt sich dabei auch noch ein anderes Problem. Wenn der Terminus technicus nicht entsprechend eingeführt wird, sondern einfach zitiert wird, die weiß man dann, wer ihn wie versteht?

Solche Termini technici können im guten Glauben erstellt werden, aber irgendwann geraten sie in Umlauf, und werden dann verstanden nach dem alltäglichen Muster der Begriffe, man bedenke z.b. den Begriff "das egoistische gen". Ich will nicht vermuten, dass der Autor tatsächlich glaubt, dass Gene egoistisch sein können. Aber ich wette meinen Kopf drauf, dass der Großteil der Rezipienten oder derjenigen, die das Buch nur vom Hörensagen kennen, es genauso versteht und nicht anders.

Zudem ist die ja falsche Theorie, dass wir alle wesentlich Egoisten sind, und zwar im alltäglichen Gebrauch des Wortes, extrem weit verbreitet. In den vielen Jahren, in denen ich Mitglied in verschiedenen Philosophie Foren war, war es mit großem Abstand die Haupt-Theorie der allermeisten User.




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Herr K.
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So 24. Sep 2017, 11:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 11:21
Zudem ist die ja falsche Theorie, dass wir alle wesentlich Egoisten sind, und zwar im alltäglichen Gebrauch des Wortes, extrem weit verbreitet. In den vielen Jahren, in denen ich Mitglied in verschiedenen Philosophie Foren war, war es mit großem Abstand die Haupt-Theorie der allermeisten User.
Ich hatte auch schon ein paar solcher Diskussionen mit Leuten, die sich selber als "Egoisten" bezeichneten. Aber das war nicht wertend gemeint, (im Sinne von "rücksichtslos"), sondern im Sinne des Psychologischen Egoismus. Demnach ist das Vorliegen von Kooperation noch keine Widerlegung des Egoisten, denn bei vielen Kooperationen ist es plausibel, anzunehmen, dass diese primär wegen des eigenen Wohles eingegangen werden. Nehmen wir an, Fritz macht einen Vertrag mit Lisa. Dann wird es meist so sein, dass dieser Vertrag zum Vorteil von Fritz ist und zum Vorteil von Lisa und beide den Vertrag deswegen eingehen, weil sie selber einen Vorteil davon haben. Hätten sie selber jedoch keinen Vorteil dadurch, würden sie den Vertrag nicht eingehen.

Das Bild, das die Alltagssprache von einem Egoisten zeichnet, nämlich: ein Egoist kooperiert niemals, ist recht merkwürdig, denn das impliziert, dass ein Egoist sehr dumm sein muss.

Auch das "egoistische Gen" ist mE wertfrei gemeint.




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Jörn Budesheim
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So 24. Sep 2017, 11:41

Du hast nun allerdings meine Einwände weiträumig umfahren :-)




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Herr K.
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So 24. Sep 2017, 11:47

Du sagtest: "Zudem ist die ja falsche Theorie, dass wir alle wesentlich Egoisten sind, und zwar im alltäglichen Gebrauch des Wortes, extrem weit verbreitet."

Dem habe ich widersprochen. Die Theorie, dass wir alle Egoisten seien, mag zwar weit verbreitet sein, aber dann nicht im wertenden Sinne. Wenn jemand sagt, dass wir alle Egoisten seien, bedeutet das nicht auch, dass er meinte, wir seien alle rücksichtslos, unkooperativ und würden über Leichen gehen.




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Jörn Budesheim
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So 24. Sep 2017, 11:49

Herr K. hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 11:47
Dem habe ich widersprochen. Die Theorie, dass wir alle Egoisten seien, mag zwar weit verbreitet sein, aber dann nicht im wertenden Sinne.
Okay. Darauf können wir uns nicht einigen. Meine Erfahrungswerte sind völlig andere. Ich schätze, dass nur der Bruchteil eines Prozents des Mannes auf der Straße überhaupt weiß, was der terminus technicus besagen soll. Und was die user in Foren angeht, dürfte der Wert nur unwesentlich höher liegen.




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Alethos
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So 24. Sep 2017, 12:04

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 23. Sep 2017, 13:40
Alethos hat geschrieben :
Sa 23. Sep 2017, 11:18
Friederike hat geschrieben :
Fr 22. Sep 2017, 14:51

Auch eine "echte altruistische Handlung" kann die Absicht verfolgen, sich selbst in einen besseren Zustand zu versetzen.
Ja, so sehe ich das auch.
Nur wäre das dann, gemäß der Definition, dass Altruismus der Wunsch ist, das Wohlergehen eines anderen zu vergrößern (und Egoismus, das eigene) keine altruistische Handlung.
Wenn ich sage, dass ich jemandem 1000 € schenke um mich so richtig gut zu fühlen, ist das Motiv auch dann egoistisch (da es mir ja um mich geht), wenn der die 1000 € gut gebrauchen kann.
Helfe ich jemanden hingegen, weil ich meine, dass er Hilfe gut gebrauchen kann und bemerke nachher, dass es mir gut geht, weil ich stolz auf mich bin, gelobt oder belohnt werde, war das Motiv dennoch altrusitisch.
Unter Altruismus verstehe ich eine Handlung, deren beabsichtigte Wirkung der Nutzen für einen anderen ist. Die Motivation zu helfen, entspringt hier einer nicht eigennützigen Absicht. Bei einer extremen Form wird vom eigenen Selbst ganz abgesehen, so dass unter Umständen sogar der Untergang des eigenen Selbst in Kauf genommen wird, damit ein anderer vorankommen könne. Somit könnte man in gewissen Situationen Selbstaufopferung synonym zu Altruismus verwenden. Ich denke, das ist eine vielleicht einschränkende Begriffsverwendung, aber auch eine gängige Interpretation von Altruismus.

Nun kann man aber auch festhalten, was wir ja mehrheitlich konzediert haben, dass eine Handlung eine Absicht verfolgt. Es ist zudem ja auch so, dass eine Absicht eine Setzung des Handelnden ist. Der Handelnde hat die Absicht, etwas zu bewirken, weshalb er handelt. Die Handlung verfolgt also stets den Erfolg einer Absicht, d.h. die Handlung nützt in erster Linie der Absicht, derentwegen die Handlung vollführt wird. Da es nun aber ein Selbst ist, das diese Absicht hat, ist sie seine eigene. Die Handlung nützt also in erster Linie einer eigenen Absicht, und daraus kann man folgern, dass eine Handlung a priori (d.h. ungeachtet der anderen Absichten, die sie verfolgt) eigennützig ist.

Diese Definition von Eigennutz entzieht sich auch jeder Wertung, da sie die conditio sine qua non für Handlungen ist. Es kann keine Handlung geben, wenn es kein Selbst gibt, das eine Absicht setzt, die seine eigene ist, derentwegen er die Handlung vollführt. Allerdings muss man aber auch sagen, dass dies nur die rudimentärste Form der Beabsichtigung ist, weil sie gerade alle anderen Absichten, die einer Handlung zugrunde liegen, aussen vor lässt. Diese Qualität der Eigennützlichkeit einer jeden Handlung ist sozusagen nicht einmal ein Wunsch erster Ordnung, sondern Konsequenz aus der Tatsache, dass ein Selbst handelt (und kein anderer).

Wir stellen aber fest, dass Handlungen andere, höhere Ziele verfolgen als den Erfolg der eigenen Beabsichtigung. Diese stellt sozusagen nur die psychodynamische Grundverfassung dar, ohne die überhaupt keine Handlung in Bewegung geriete. Die Handlung kann von diesem Punkt aus ganz uneigennützige Ziele verfolgen, z.B. einem Bettler Geld zu geben.

Wenn ich einem Bettler 10€ gebe, dann verfolge ich damit ja nicht einfach nur eine einzige Absicht. Selten sind bei rational abgewogenen Handlungen die Absichten eindimensional. Ich kann zugleich das Ziel verfolgen, ihm zu helfen, damit er sich etwas zu essen kaufen kann, ich kann zugleich die Absicht verfolgen, ein guter Mitmensch zu sein, ich kann auch die Absicht verfolgen, mich dabei gut zu fühlen, der zu sein, der ich sein will. Das hindert oder mindert die altruistische Tat in keiner Weise, sondern gehört zur Multidimensionalität unserer Absichten, dass wir mehrere Absichten zugleich verfolgen.



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Herr K.
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So 24. Sep 2017, 12:10

Wikipedia - Egoismus:
Meist aber wird ein Egoist als ein kurzsichtig Handelnder im Sinne eines Raffgieregoisten verstanden, der es kaum akzeptieren kann, wenn andere Menschen ihm gegenüber sich ebenso raffgierig zeigen. Der Raffgieregoist räumt sich selbst also mehr Freiheiten ein, als er anderen zugesteht.

„Egoismus“ wird meistens abwertend als Synonym für rücksichtsloses Verhalten verwendet und als „unanständig“ beurteilt. Der Begriff beschreibt dann die Haltung, ausschließlich äußerliche persönliche Interessen zu verfolgen ohne Rücksichtnahme auf die Belange oder sogar zu Lasten anderer. Egoismus wird in diesem Zusammenhang als Gegenteil von Altruismus und Solidarität kritisiert, was allerdings nur dann zutrifft, wenn bei der Beurteilung des Handelns der innere Nutzen gar nicht in Betracht gezogen wird.
Ich habe ja nun auch schon ein paar Jahre Forenerfahrung auf dem Buckel, aber ich habe noch nie erlebt, dass jemand behauptet hätte, wir wären alle Egoisten im obigen Sinne. Weit verbreitet kann diese Ansicht daher nicht sein. Außerdem ist sie allzu offensichtlich falsch, das würde ja implizieren, dass Menschen immer nur zu ihrem aktuellen, kurzfristigen, kurzsichtigen Vorteil handeln und niemals langfristig planen würden. Und nach meiner Erfahrung vertreten recht wenige Menschen Positionen, die so offensichtlich falsch sind.




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Alethos
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So 24. Sep 2017, 12:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 05:35
SEP hat geschrieben : Wenn das Eigeninteresse mit der Befriedigung aller Präferenzen identifiziert wird, dann ist jede bewusste Handlung eigennützig
Vielleicht eine schlechte Übersetzung? Meines Erachtens nicht wirklich richtig. Und zwar aus demselben Grund wie weiter oben die Verwendung des Wortes Egoismus falsch ist. Wer sagt, dass eine Handlung eigennützig ist, der tadelt sie. "Eigennützig" ist kein beschreibender Begriff sondern ein wertender. Ein Beispiel: Obwohl es in diesen Moment keinem anderen nützt, dass ich meinen Kaffee trinke, ist die Handlung, die ich gerade vollziehe, natürlich nicht eigennützig.

Die Worte "eigennützig", "egoistisch" oder "altruistisch", haben nur deshalb einen Sinn, weil wir mit unseren Handlungen auch die Interessen der anderen berücksichten können und in der Regel auch sollen (oder gemeinschaftlich mit diesen handeln). "Eigennützig" und "egoistisch" sind wie gesagt Begriffe, die offensichtlich wertend und nicht bloß beschreibend sind und besagen, dass bei einer Handlung die Interessen der anderen nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Ich schicke einmal voraus, dass wir ganz unterschiedliche politische Hintergründe haben. Das ist vielleicht deshalb wichtig festzuhalten, weil eine politische Einstellung natürlich auch erst einmal eine innere Einstellung deutlich werden lässt. Eigennutz, das sei etwas, was z.B. dem Grundsatz der Gerechtigkeit zuwiderlaufe. Das halte ich für eine politische Fragestellung, nicht in erster Linie für eine philosophische. Zum zweiten ist es vielleicht wichtig, das vorauszuschicken, weil wir die Philosophie nicht in der Art betreiben sollten, wie Politiker, deren Hauptaufgabe es ist, die eigenen normativen Einstellungen zum Erfolg zu führen. Anders gesagt: Philosophen debattieren andere Gehalte, nämlich kontingente. Politiker hingegen debattieren die Durchsetzung der einen Wahrheit, die Gesetz werden soll. Ich will damit sagen, ob wir den Begriff Eigennützlichkeit oder Egoismus als termini technici untersuchen wollen, in der Art zu fragen, ob er n dieser Weise zu verwenden sei oder in einer anderen, ist das eine. Man kann darüber, ob man den Begriff mehrheitlich so oder auch anders verwendet, durchaus diskutieren. Das andere ist aber diesem Begriff eine negative Wertung zuzusprechen oder gar zu sagen, er tadle eine Handlung. Es schwingt in dieser Bewertung von Eigennutz als etwas Negatives ja eine konkrete Vorstellung mit, und ich halte diese für politisch motiviert, nicht aber für philosophisch produktiv. :)

Dies alles gesagt, könnte man nun jetzt der Frage nach Qualität von Eigennützlichkeit nachgehen, wenn wir das wollen. Wichtiger scheint mir in diesem Zusammenhang aber die Fragestellung nach den verschiedenen Kontextualisierungen von Handlungen: Handlungen in Kooperationen mit anderen Handelnden. Handlungen, die sich in einem Nacheinander von vielen Einzelhandlungen ergeben. Reflektierte Handlungen und nicht oder kaum reflektierte Handlungen etc.



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Herr K.
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So 24. Sep 2017, 12:34

Alethos hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 12:04
Wenn ich einem Bettler 10€ gebe, dann verfolge ich damit ja nicht einfach nur eine einzige Absicht. Selten sind bei rational abgewogenen Handlungen die Absichten eindimensional. Ich kann zugleich das Ziel verfolgen, ihm zu helfen, damit er sich etwas zu essen kaufen kann, ich kann zugleich die Absicht verfolgen, ein guter Mitmensch zu sein, ich kann auch die Absicht verfolgen, mich dabei gut zu fühlen, der zu sein, der ich sein will. Das hindert oder mindert die altruistische Tat in keiner Weise, sondern gehört zur Multidimensionalität unserer Absichten, dass wir mehrere Absichten zugleich verfolgen.
Ja, es kann mehrere Absichten/Ziele geben, jedoch gibt es wohl immer ein primäres Ziel. Nach der Altruismus-Definition von Batson wäre nun die Handlung, einem Bettler 10 € zu geben, dann nicht altruistisch sondern egoistisch, wenn dabei das primäre Ziel das wäre, sich selber gut zu fühlen. Eben das ist auch die Behauptung des Psychologischen Egoismus: das primäre Ziel jeder Handlung sei das eigene Wohl. Batson hat dazu nun eine Menge ausgeklügelter Experimente entwickelt und durchgeführt, deren Ergebnisse dem Psychologischen Egoismus widersprechen.




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Jörn Budesheim
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So 24. Sep 2017, 12:43

Alethos hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 12:04
Nun kann man aber auch festhalten, was wir ja mehrheitlich konzediert haben, dass eine Handlung eine Absicht verfolgt. Es ist zudem ja auch so, dass eine Absicht eine Setzung des Handelnden ist. Der Handelnde hat die Absicht, etwas zu bewirken, weshalb er handelt. Die Handlung verfolgt also stets den Erfolg einer Absicht, d.h. die Handlung nützt in erster Linie der Absicht, derentwegen die Handlung vollführt wird. Da es nun aber ein Selbst ist, das diese Absicht hat, ist sie seine eigene. Die Handlung nützt also in erster Linie einer eigenen Absicht, und daraus kann man folgern, dass eine Handlung a priori (d.h. ungeachtet der anderen Absichten, die sie verfolgt) eigennützig ist.
Eine Absicht zu erreichen markiert einen Erfolg, aber es macht aus einer Handlung nicht apriori eine eigennützige. Wenn wir anderen helfen, dann handeln wir nicht eigennützig und zwar auch dann, wenn wir selbst einen eigenen Nutzen davon haben. Eigennützig zu handelt heißt, den eigenen Nutzen in unangemessener Weise über die Belange der anderen zu stellen. Es ist doch hochgradig irreführend, die Begriffe so komplett gegen die ihre alltägliche Bedeutung zu verwenden, finde ich.




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Herr K. hat geschrieben :
Sa 23. Sep 2017, 23:27

Man kann davon ausgehen, dass der Soldat die Situation erfasst hat und sich mit der Absicht, seine Kameraden zu retten, auf die Granate geworfen hat. Sowas ist nach meinem Verständnis eine Handlung. Was fehlt Dir dabei? Muss vorher erst ein längeres Überlegen erfolgen, reicht kein kurzes Überlegen?
Ich bezweifle, dass er überhaupt überlegt hat.




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Jörn Budesheim
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Daraus dass jemand eine Situation sofort erfasst und entsprechend handelt, folgt doch nicht, dass es keine Handlung ist.




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Alethos
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 12:43
Eine Absicht zu erreichen markiert einen Erfolg, aber es macht aus einer Handlung nicht apriori eine eigennützige. Wenn wir anderen helfen, dann handeln wir nicht eigennützig und zwar auch dann, wenn wir selbst einen eigenen Nutzen davon haben. Eigennützig zu handelt heißt, den eigenen Nutzen in unangemessener Weise über die Belange der anderen zu stellen. Es ist doch hochgradig irreführend, die Begriffe so komplett gegen die ihre alltägliche Bedeutung zu verwenden, finde ich.
Einverstanden bin ich mit der Auffassung, dass jemandem zu helfen, eine nicht eigennützige Tat darstellt. Nicht einverstanden bin ich mit der Wertung, dass es apriori eine Unangemessenheit sei, die eigenen Belange über die der anderen zu stellen. Ich jedenfalls nutze den Begriff 'Eigennutz' nicht apriori negativ.

Wenn aber die Assoziation mit selbstsüchtig, rücksichtslos und/oder ungerecht überwiegt, dann ist Eigennützlichkeit klar negativ besetzt.



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Nicht einverstanden bin ich mit der Wertung, dass es apriori eine Unangemessenheit sei, die eigenen Belange über die der anderen zu stellen.
Das behaupte ich auch nicht. Statt dessen habe ich geschrieben, dass es eigennützig ist, wenn man den eigenen Nutzen in unangemessener Weise über die Belange der anderen zu stellt.




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So 24. Sep 2017, 13:38

Herr K. hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 12:34
Nach der Altruismus-Definition von Batson wäre nun die Handlung, einem Bettler 10 € zu geben, dann nicht altruistisch sondern egoistisch, wenn dabei das primäre Ziel das wäre, sich selber gut zu fühlen. Eben das ist auch die Behauptung des Psychologischen Egoismus: das primäre Ziel jeder Handlung sei das eigene Wohl. Batson hat dazu nun eine Menge ausgeklügelter Experimente entwickelt und durchgeführt, deren Ergebnisse dem Psychologischen Egoismus widersprechen.
Interessant. Primäres Ziel, sekundäres Ziel etc. heisst ja dann, dass mehrere Absichten hinter einer Handlung stecken können.

Anstatt von Zielen können wir auch von Wünschen sprechen. Das Ziel entspringt einem Wunsch erster Ordnung, wenn es sich auf die Absicht bezieht, zwischen einem Stück Sahnetorte zu wählen oder einem Sommersalat. Ob ich hingegen jemandem helfe oder nicht, mithin kooperiere, das kann kein Wunsch erster Ordnung sein, weil sich der Wille zur Kooperation auf eine starken Wertung stützt. Das Selbst wird mit Blick auf ein bestimmtes Soseinwollen in die Tiefe gehend befragt. Und die Antwort lautet: 'Ja, ich will Geld spenden, weil es gut ist, Bedürftigen zu helfen.', wenn diese Selbstbefragung z.B. die Einsicht befördert hat, dass jeder Mensch ein Recht auf Wohlergehen habe.
Zuletzt geändert von Alethos am So 24. Sep 2017, 13:53, insgesamt 1-mal geändert.



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Segler hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 12:52
Herr K. hat geschrieben :
Sa 23. Sep 2017, 23:27
Man kann davon ausgehen, dass der Soldat die Situation erfasst hat und sich mit der Absicht, seine Kameraden zu retten, auf die Granate geworfen hat. Sowas ist nach meinem Verständnis eine Handlung. Was fehlt Dir dabei? Muss vorher erst ein längeres Überlegen erfolgen, reicht kein kurzes Überlegen?
Ich bezweifle, dass er überhaupt überlegt hat.
Das finde ich eine merkwürdige Annahme. Theoretisch könnte das zwar sein, der Soldat könnte sich rein zufällig auf die Granate geworfen haben, in dem Falle hätte er sich ebenso zufällig auf einen Stein in der anderen Zimmerecke geworfen haben können. Ich sehe jedoch keinen Grund zu dieser Annahme, plausibler erscheint mir die Annahme, dass der Soldat die Situation erfasst hat und seine Kameraden retten wollte.

Woher rührt Dein Zweifel daran? Meinst Du, dass es nicht möglich sei, in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung zu treffen?




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So 24. Sep 2017, 13:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Sep 2017, 13:29
Nicht einverstanden bin ich mit der Wertung, dass es apriori eine Unangemessenheit sei, die eigenen Belange über die der anderen zu stellen.
Das behaupte ich auch nicht. Statt dessen habe ich geschrieben, dass es eigennützig ist, wenn man den eigenen Nutzen in unangemessener Weise über die Belange der anderen zu stellt.
Das ist korrekt, du hast das so, wie von mir wiedergegeben, nicht gesagt. Ich korrigiere.

Wenn du aber sagst, den eigenen Nutzen in unangemessener Weise über die Belange der anderen zu stellen, sei eigennützig, gibst du nur eine Bedeutung von Eigennützlichkeit wieder. Man kann nämlich den eigenen Nutzen in angemessener Weise über die Belange der anderen setzen. Und hier musst du zustimmen, sonst ist deine Erwiderung auf meine falsche Wiedergabe deiner Position ohne Sinn :) Aber sie ist es nicht, weshalb ich mich korrigiere.

Wir müssen konsequenter Weise sagen, dass Eigennutz nicht per se negativ besetzt ist. Und weil das so ist, halte ich die Aussage, man tadle eine Handlung, wenn man sie als eigennützig beschreibe, für einseitig. Sie ist nicht falsch, aber auch nicht wirklich vollumfänglich wahr.
Zuletzt geändert von Alethos am So 24. Sep 2017, 13:55, insgesamt 1-mal geändert.



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