Ja, ich meine genau jene Art von Schul- und Traditionsbildung, die in der Philosophie nichts Ungewöhnliches ist. Zwei Faktoren kommen bei Habermas noch hinzu, die ihn fundamental von Blumenberg unterscheiden. Da ist zum einen die Tatsache, daß Habermas als ein streitbarer Intellektueller sehr schnell zu einer öffentlichen Figur wurde, die in den jungen Bundesrepublik der 60er Jahre mit Vordenkerfunktionen ausgestattet war. Blumenberg hingegen meidete die Öffentlichkeit, wann immer sich Gelegenheit geboten hätte und beschränkte sich auf Glossen und Anekdoten in der NZZ und FAZ. Im Streit, in der Kontroverse, im argumentativ geführten Diskurs sah er nicht das bevorzugte Medium der Philosophie. In dem kleinen Vorlesungsmitschnitt, der in dem Film "Der unsichtbare Philosoph" zu hören ist, mißbilligt er Seminare, weil er in der Philosophie ein "Handwerk" sah, daß man wie andere Handwerke auch besser im Vollzug demonstrieren könne; deshalb seien Vorlesungen das richtige Format für dieses Zeigen. Während Habermas den "Strukturwandel der Öffentlichkeit" begleitete, blieb Blumenberg für die Öffentlichkeit "unsichtbar". -Friederike hat geschrieben : ↑Mo 18. Nov 2019, 13:10
Konkret: Du meinst mit dem schulbildenden Verfahren, daß Akademiker, die eine Professur innehaben, dafür Sorge tragen, wissenschaftliche Mitarbeiter und wissenschaftliche Assistentinnen zu haben, die die Arbeit ihres Doktorvaters (ihrer Doktormutter) bzw. ihres Förderers einer wissenschaftlichen Ausbildung fortführen?
Mir fällt noch ergänzend zum akademischen Netzwerk, der Verbindung zu den "richtigen" Kreisen ein, daß es wohl auch darauf ankommt, ob Themen den zeitgeistigen philosophischen Nerv treffen. Das mag gegebenenfalls eben erst nach dem Tode eines Autors der Fall sein. Ich kann das weder für Blumenberg noch für Habermas beurteilen, aber theoretisch scheint mir die Aktualität eines bearbeiteten Themas durchaus eine maßgebliche Rolle zu spielen (das, was für "aktuell" angesehen wird). Es scheint mir vergleichbar -wenn Du gestattest- mit einem irgendeinem neuen Produkt, das eine Firma auf den Markt wirft. Erfolgreich verkaufen läßt es sich dann, wenn ein Konsumbedarf besteht ... oder aber auch, wenn ein Bedarf geweckt werden kann.
Der zweite Faktor betrifft die Aufnahme von und den Anschluß an Theorien aus benachbarten Disziplinen, aus der Sprachphilosophie, der analytischen/postanalytischen Philosophie. Habermas war hier immer für Anreicherungen seiner eigenen Theorie der Kommunikation offen. Blumenberg hat zeitgenössische Strömungen in der Philosophie über den Kreis von Poetik und Hermeneutik hinaus kaum kontaktiert. Ich war erstaunt, in den Paradigmen an einer Stelle Alfred Jules Ayer beiläufig erwähnt zu finden.
"Markt ... verkaufen ... Aktualität ... Konsumbedarf"
Ob es einen meßbaren Bedarf an Philosophie gibt und je gegeben hat, kann ich nicht beurteilen. Offenbar muß es aber zumindest eine öffentlich-rechtliche Nachfrage nach fernsehaffinen Philosophen geben (Precht, Eilenberger u.a.), die es sich nicht nehmen lassen, in "Sternstunden" das Publikum unterhaltend aufzuklären, also aufklärend zu unterhalten. Ja gut, es mag auch einen "Markt" für Philosophie geben. Was auf diesem Markt Angebot sein und Nachfrage befriedigen kann - es sei dahingestellt.