Kaffeestübchen

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4947
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

So 17. Mai 2020, 12:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Mai 2020, 11:37
Gehirnforscher sollen angeblich das, was man denkt mittlerweile relativ zuverlässig vorhersagen können. So ein Gerät hätte ich gern, dann könnte ich mir doch die ganze Nachdenkerei sparen.
Ich verstehe das Wort "vorhersagen" in diesem Zusammenhang nicht. Du meinst relativ zuverlässige Aussagen darüber treffen, was jemand in einem bestimmten Moment denkt, oder wie?

Abgesehen davon - wenn dies Psychologen oder Sozialforscherinnen o.ä. behaupten würden, dann würde es mir einigermaßen einleuchten, aber Hirnforschende ... nö.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 17. Mai 2020, 20:02

Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Mai 2020, 15:00
Dieser Ansicht liegt die deterministische Auffassung zugrunde, dass das Hirn handelt und nicht die Person. Was immer ich mir bewusst mache, ich mir als Person, von der ich meine, dass sie der Autor der Entscheidung und damit eigentlicher Movens meines Tuns sein müsste, würde ständig nur dem Hirn hinterher parodieren. Wenn man mit dieser Ansicht zufrieden ist, soll man sie haben.. ich teile sie nicht.
Ich vermute mal, dass dieser Wissenschaftler nicht einfach behauptet, dass er Entscheidungen vorhersagen kann, sondern dass er entsprechende Testreihen vorzuweisen hat. Dass das Gehirn eine wichtige Rolle bei unserem Denken und Entscheidungsprozessen spielt, dürfte doch wohl unbestritten sein. Daraus folgt ja noch nicht, dass das Gehirn denkt, oder?




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 17. Mai 2020, 21:05

Wenn man doch vorhersagen kann, was jemand denkt, noch bevor er es bewusst denkt, dann denkt sich der Gedanke im Hirn. Denken ist so gesehen kein Tun des denkenden Subjekts, sondern Nachvollzug neuronal vorgefasster Denkmomente.

Was denkt denn, wenn das Bewusstsein erst im Anschluss denkt, was es vorher in neuronalen Prozessen vorbereitet hat? Das 'Ich' kann es ja nicht sein, oder wir beginnen das Ich neu zu begreifen als Einheit zwischen seinen biologischen und hirnphysiologischen Prozessen und der Selbstwahrnehmung in der Form des erlebten Ichs.
Dann fragt sich aber, inwiefern dieses Ich, das handelt und das wir wahrnehmen, wenn wir sagen: "Ich bin", ein Ich des autonomen Vollzugs seiner eigenen Entscheidungen sein kann, also inwiefern er wollen kann, was er will und folglich denken kann, was er denken will.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 18. Mai 2020, 05:22

Alethos hat geschrieben :
So 17. Mai 2020, 21:05
Was denkt denn, wenn das Bewusstsein erst im Anschluss denkt, was es vorher in neuronalen Prozessen vorbereitet hat?
Du hast die Antwort ja selbst gegeben:
Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Mai 2020, 15:00
die Person




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 18. Mai 2020, 05:55

Im Grunde gibt es diese Diskussion ja schon seit Jahrzehnten, wenn mich nicht alles täuscht. Bekannt dafür ist Benjamin Libet mit seinen Versuchen und dem Begriff Bereitschaftspotential, dazu findet man vieles im Internet. Die Leute sollten einen Finger heben und den Moment der bewussten Entscheidung festhalten, ich meine, in dem sie irgendwo eine Taste gedrückt haben, dann stellte man im Nachhinein fest, dass es jeweils zuvor bereits die Aktivierung eines sogenannten Bereitschaftspotentials im Gehirn gab. Das galt dann als Widerlegung des freien Willens. Benjamin Libet selbst ist immer davon ausgegangen, dass man - selbst wenn das Bereitschaftspotential schon aktiviert ist - immer noch ein "Vetorecht" hat.

Dazu gibt es auch Untersuchungen: "... Jetzt wird man aber das einfache Gegenexperiment machen müssen, das übrigens Alfred R. Mele in Florida auch gemacht hat. Man sagt den Leuten, sie heben gleich ihren linken Finger, und wenn die These des Neurodeterminismus richtig wäre, würde sich der Finger heben, und die Testpersonen wären ganz erschrocken. Die würden diesen Vorgang ja als etwas erleben, was ihnen passiert, ob sie wollen oder nicht. Das ist aber nicht so. Einige sagen, nachdem sie über ihr Bereitschaftspotenzial informiert worden waren: Ich hebe überhaupt gar keinen Finger. Dann geht plötzlich das Bereitschaftspotenzial runter." (Markus Gabriel im Gespräch mit Matthias Eckhold)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 18. Mai 2020, 06:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Mai 2020, 11:37
Gehirnforscher sollen angeblich das, was man denkt mittlerweile relativ zuverlässig vorhersagen können. So ein Gerät hätte ich gern, dann könnte ich mir doch die ganze Nachdenkerei sparen.
Alethos hat geschrieben :
Sa 16. Mai 2020, 15:00
Es ist ein widerspenstiges Hirn, das meinige :)
Friederike hat geschrieben :
So 17. Mai 2020, 12:20
Ich verstehe das Wort "vorhersagen" in diesem Zusammenhang nicht. Du meinst relativ zuverlässige Aussagen darüber treffen, was jemand in einem bestimmten Moment denkt, oder wie?
Ja, stimmt. Es ist wie bei der Werbung: Das was angekündigt wird und das, was schließlich geliefert wird, stimmt nicht immer überein. (Allerdings war der kleine Beitrag von mir ja auch eher aus Lust an einem Joke entstanden...)

Das Drücken von irgendwelchen Tasten oder das Heben von Fingern und das Bedenken einer Position durch eigene Überlegungen, die Lektüre diverser philosophischer Bücher, Gedichte oder Romane oder Diskussionen (z.b. in philosophischen Foren) ist natürlich noch ein "kleiner" Unterschied :)

Ob man schon sehr viel weiter ist, als irgendwelche Tastendrückereien vorherzusagen, weiß ich nicht. Ich meine jedoch vor kurzem gelesen zu haben, dass es bereits andere Versuche gibt, Entscheidungsprozesse vorherzusehen, nämlich durch das Auslesen der Mimik.

Ich meine, auch Facebook, Google, Twitter und Co sind schon recht gut darin Entscheidungen auf Basis des bisherigen Verhaltens vorauszusehen. Ich erinnere mich an die Formulierung in einem Text, den ich gelesen habe, dass Facebook besser weiß, was Herr X demnächst tun wird als seine Frau :) kann jetzt aber keine Quelle dafür liefern. Im Kaffeestübchen muss man schließlich auch keine Quellen liefern ...




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 18. Mai 2020, 10:16

chash.online hat geschrieben : Im ersten Quartal schrumpfte das deutsche Bruttoinlandprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 2,2 Prozent. Verglichen mit anderen europäischen Ländern kommt die deutsche Wirtschaft somit bislang mit einem blauen Auge davon. Hierzulande konnte es nämlich vermieden werden, die Wertschöpfung in nahezu allen Sektoren für Wochen einzustellen. Frankreich, Italien oder Spanien hat die Krise viel härter getroffen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 18. Mai 2020, 11:26

Seite zur Online-Meditation: omline




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4947
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 18. Mai 2020, 14:06

Wie gut, daß Du den philosophischen Betrieb am Laufen hältst @Jörn. Danke !!! (damit meine ich nun nicht die voranstehende Verlinkung, wie man irrtümlich annehmen könnte :mrgreen: ).




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 8182
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 18. Mai 2020, 17:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Mai 2020, 11:26
Seite zur Online-Meditation: omline
Oh...Mann...

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Mai 2020, 05:55

Dazu gibt es auch Untersuchungen: "... Jetzt wird man aber das einfache Gegenexperiment machen müssen, das übrigens Alfred R. Mele in Florida auch gemacht hat. Man sagt den Leuten, sie heben gleich ihren linken Finger, und wenn die These des Neurodeterminismus richtig wäre, würde sich der Finger heben, und die Testpersonen wären ganz erschrocken. Die würden diesen Vorgang ja als etwas erleben, was ihnen passiert, ob sie wollen oder nicht. Das ist aber nicht so. Einige sagen, nachdem sie über ihr Bereitschaftspotenzial informiert worden waren: Ich hebe überhaupt gar keinen Finger. Dann geht plötzlich das Bereitschaftspotenzial runter." (Markus Gabriel im Gespräch mit Matthias Eckhold)
Wie cool, ich dachte mal wieder, als ich eben davor wieder das mit Libet las, Libet Du kannst mich mal, Ich hebe meinen Finger, wenn ich das will...mein Bereitschaftspotenzial geht hier immer den Bach runter.



Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 18. Mai 2020, 18:53

Fundstück aus dem Netz: „Nach Aristoteles ist der Geist thyrathen, das heißt er kommt ‚zur Tür herein’; aber wir wissen nicht, woher er kommt.“ (Frankl 1996, 117, zitiert nach Gerald Dittel)

Einfach mal zum Genießen!




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mo 18. Mai 2020, 22:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Mai 2020, 10:16
chash.online hat geschrieben : Im ersten Quartal schrumpfte das deutsche Bruttoinlandprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 2,2 Prozent. Verglichen mit anderen europäischen Ländern kommt die deutsche Wirtschaft somit bislang mit einem blauen Auge davon. Hierzulande konnte es nämlich vermieden werden, die Wertschöpfung in nahezu allen Sektoren für Wochen einzustellen. Frankreich, Italien oder Spanien hat die Krise viel härter getroffen.
In der Schweiz schätzt man 7 Minusprozente. Da sage ich nur: "Om".



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 19. Mai 2020, 06:28

Das like gilt natürlich nicht dem Minus, sondern dem om :)




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4947
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Di 19. Mai 2020, 15:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Mai 2020, 18:53
Fundstück aus dem Netz: „Nach Aristoteles ist der Geist thyrathen, das heißt er kommt ‚zur Tür herein’; aber wir wissen nicht, woher er kommt.“ (Frankl 1996, 117, zitiert nach Gerald Dittel)

Einfach mal zum Genießen!
Bei den letzten beiden Gottesdienstbesuchen -mit Mundschutz, 2 Teilnehmer*innen jeweils auf einer Kirchenbank, zwischen den Reihen immer eine ungenutzte Reihe, kein Gesang, nur Summen- war mir so, als sei von der Trinität der Hl. Geist viel intensiver präsent als sonst. Bild




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 22. Mai 2020, 09:27

Die Interview-Serie des Kunstbalkons geht weiter. Diesmal wurde die Kasseler Künstlerin Anna Hoffmann befragt > https://kunstbalkon.de/sieben-fragen-an-anna-hoffmann/




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4947
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 22. Mai 2020, 17:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 22. Mai 2020, 09:27
Die Interview-Serie des Kunstbalkons geht weiter. Diesmal wurde die Kasseler Künstlerin Anna Hoffmann befragt > https://kunstbalkon.de/sieben-fragen-an-anna-hoffmann/
Daraus diese Frage + Antwort:
Kunstbalkon hat geschrieben : 5. Gibt es gute Kunst oder ist das alles bloß "subjektiv"?
Weil alles subjektiv ist, gibt es gute und weniger gute Kunst.
Falls Hoffmann meint, es gäbe gute und weniger gute Kunst, weil die Beurteilung als "gut" oder "nicht gut" im Auge der Betrachtenden liegt, dann verstehe ich ihre Aussage. Das würde allerdings bedeuten, es gäbe kein anderes Kriterium als das des Gefallens für gute oder weniger gute Kunst.

Aber ich weiß nicht so recht - vielleicht meint sie was ganz Anderes, worauf ich nur nicht komme. :roll:




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 22. Mai 2020, 17:20

Vielleicht hat sie ja auch nicht als Philosophin sondern als Künstlerin geantwortet? Und wer weiß vielleicht ist die Antwort "nicht Fisch nicht Fleisch" - oder auch die Frage?




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4947
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 22. Mai 2020, 17:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 18. Mai 2020, 18:53
Fundstück aus dem Netz: „Nach Aristoteles ist der Geist thyrathen, das heißt er kommt ‚zur Tür herein’; aber wir wissen nicht, woher er kommt.“ (Frankl 1996, 117, zitiert nach Gerald Dittel)
Einfach mal zum Genießen!
Entschuldigt, aber wirklich entschuldigen will und muß ich mich eigentlich gar nicht - :lol: ich lese gerade zur "Geist"-Wirkung dieses Zitat:
Abt Urban hat geschrieben : Tanzen sie nach dem Takt und in der Hoffnung des Hl. Geistes, und der Himmel wird sich ihnen öffnen."
(Kloster Einsiedeln, Pontifikalamt Christi Himmelfahrt 2020).

Bei "Geist" assoziiere ich fast immer spontan den Hl. Geist. Deswegen das zweite Mal die Wendung. Ich kann nichts dafür. 8-) Und wenn man sowas liest, dann wird einem doch sofort ganz flirrend leicht.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4947
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Fr 22. Mai 2020, 17:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 22. Mai 2020, 17:20
Vielleicht hat sie ja auch nicht als Philosophin sondern als Künstlerin geantwortet? Und wer weiß vielleicht ist die Antwort "nicht Fisch nicht Fleisch" - oder auch die Frage?
Die Frage könnte nicht Fisch nicht Fleisch sein? :lol: Und Künstlerinnen sprechen doch die gleiche/dieselbe Sprache wie Philosophinnen ... nein, ich meine, was sie da antwortet, das muß doch einen Sinn ergeben, den alle Menschen verstehen, gleich welcher Profession. Ach @Jörn, Deine Worte verstehe ich noch weniger als die von Anna H. *freundlichseufz*




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 22. Mai 2020, 18:31

Künstler und Philosophen sprechen zwar vielleicht beide Deutsch (Italienisch, Russisch, Suaheli,...), könnten sich aber dennoch in ihrer Herangehensweise unterscheiden. Wo Philosophen klären, möchten Künstler manchmal verunklären und die Dinge in der Schwebe halten, vielleicht stellt sie auch die Frage infrage? Und das ist dann die Antwort!

Letztens habe ich bei einem Künstler gelesen, dass er die Frage nicht durch eine Antwort verderben will...




Antworten