So 18. Apr 2021, 11:39
Wir sind damals auf sehr weitläufige Umwege geraten und haben dabei das Ziel aus den Augen verloren. „Was ist Geist?“, das ist nach wie vor die Frage.
Wir müssen aufpassen, dass wir uns durch Frageformeln der Art „Was ist x?“ nicht zu Antworten der Art: „x=y“ hinreissen lassen. Offensichtlich ist Geist in seinen vielfältigsten Ausprägungen nicht dieses x oder dieses y, und, was er ist, lässt sich nicht auf eine Gleichung überhaupt bringen, weil sich diese alsbald verflüchtigt, als wir sie formulieren. Geist ist vielfältig, Geist ist wandelbar, da ist gewiss eine Intuition, die wir alle teilen, und jede Formel, auf die er gebracht werden soll, müsste wandelbar sein wenigstens in jenem Maß, als wir uns durch sie wandeln. Denn wir sind offenbar Geisthabende, wenigstens wir Menschen, die denekn, haben Geist - und wenn nicht, so wenigstens einen Begriff von etwas, das wir so nennen. Wenn wir denken und uns im Denkprozess verändern und Denken eine Ausdrucksform des Geistes ist, so ändern wir uns teilweise wenigstens durch den Geist und er sich durch uns, indem wir denken. Diesen dialektischen Weg müssen wir beschreiten, wenn wir uns anschmiegen wollen an eine Definition von Geist, die nicht einem starren Muster folgt, sondern sich aufwiegt im Gang der sich verändernden Dinge und Tatsachen. Ein solcher Geist, sprich, muss sich denken, wenn er sich verstehen soll und er muss sich ausdrücken, wenn er wahrhaftig, d.h., überhaupt sein soll.
Und so versuche ich hier keine Volte, Freunde, wenn ich entgegen dem oben gesagten behaupte, dass Geist die Fähigkeit der Wirklichkeit ist, sich zu denken. Das ist keine Formel der Art „x=y“. Kein x wird hier beschrieben aus dem y. Wirklichkeit ist und hat kein Gleichstellungsnominativ.
Wie dem auch sei. Wir dürfen nicht meinen, dass zu denken nur eine Fähigkeit der Menschen sei oder gar eine Eigenschaft des Hirns, des Zehs oder vielleicht des Knies. Alles, was existiert, denkt, weil alles, was existiert, Bedeutung hat, da es sich begrifflich verfasst. Alles Seiende ist Sprache, weil es spricht, weshalb es sich überhaupt ausdrücken lässt durch Sprechende. Was der Sprechende hebt in seiner Sprache und in seinem Denken, das ist die Bedeutung des Wirklichen: Dass wir denken können, überhaupt, dass sich etwas denken lässt, das ist, weil es schon gedacht ist durch sich selbst im Sein. Ein Stein, der auf dem Boden, neben einem anderen oder im Erdreich liegt, der lebt in der Wirklichkeit dieser Tatsachen als Liegendes. Das neben dem anderen Liegende. Das Stein Seiende. Der sich dort aktualisierende Begriff. Und er ist, mitsamt den anderen, die sich zu ihm zu Tatsachen verhalten, Existierendes, so dass alle Tatsachen die lebende Wirklichkeit darstellen: Nicht nur die lebenden Tatsachen der lebendigen Tiere und Pflanzen, sondern der lebenden Wirklichkeit des brodelnden Seins. Des brummenden. Des stillen. Des vogelzwitschernden und wasserplätschernden.
So, will ich sagen, dass Geist die sich denkende Wirklicheit ist. Die Bedeutung, die überall durchbricht: in unseren menschlichen Denkvermögen, im künstlerischen Ausdruck und in der Kraft zur Kreativität. Im Mondlicht beschienenen Felsen auf einem gottverlassenen Hügel und überall auf jeder Ebene der kleinsten und grössten Strukturen des Gesamts. Geist ist das: die unendlich wirkende Kraft des Wirklichen in allen seinen Ausdrucksformen.
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Alle lächeln in derselben Sprache.