Es ist doch nicht so, dass wir an einer in Not geratenen Person nicht zugleich die Regel erkannten, die uns zum Helfen anleitet.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Mi 15. Jan 2020, 06:19Der Grund, warum man jemand rettet, ist dass die Person in Not ist, und nicht die Regel. Die Tatsache, dass das Leben der Person in Gefahr ist, liefert uns direkt ein Grund, ihr zu helfen. Wir helfen nicht, weil es eine Regel ist, zu helfen. Es ist vielmehr umgekehrt: weil es richtig ist, Personen in Not zu retten, kann man diese Regel aufstellen.
Vielleicht ist 'anleiten' genau das falsche Wort, weil das Befolgen einer Regel eben genau so ausgelegt werden kann: Als leite sie uns an, dabei ist es ja gerade nicht sie, die uns anleitet. Es ist das Richtige, das Gute, das für sie spricht.
Ich habe den Eindruck, dass du "Regelhaftigkeit" so genau nicht empfindest. Du scheinst zu sagen, dass nach der Regel zu handeln, ein vom konkreten Moment abstrahiertes Handeln zeige, der blossen Regel folgend. Dabei habe ich ein ganz anderes Empfinden: Die Regel stellt kein Rezept dar, sie ist auch nicht das 'Musterbeispiel' einer Anleitung zum rechtschaffenen Tun für Situation A, B und C, sie impliziert eben keinen 'substanzlosen Schluss', sondern ist ganz konkret verwoben mit dem Umstand, durch den sie in uns handlungsanleitend wird.
Sie denke ich nicht als schematisches Konstrukt, das sich auf Situationen anwenden lässt, wie sich eine Handlungsempfehlung in einem Ratgeber auf x-beliebige Situationen anwenden lässt. Ich denke sie mir in einem moralischen Sinn verwoben mit der Wirklichkeit der Situation: Es ist eine moralisch relevante Tatsache, dass jemand leidet und mit dieser Tatsache geht einher die objektive Richtigkeit des Helfensollens in der Form der Regel. Regeln sind, so gedacht, nichts Lebloses, sondern vom Gefühl der lebendigen Fürsorge füreinander durchdrungene Einsicht in die Richtigkeit.