Markus Gabriel - Warum es die Welt nicht gibt

Markus Gabriel (* 6. April 1980 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn.
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Alethos
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Di 29. Aug 2017, 22:50

Herr K. hat geschrieben :
Di 29. Aug 2017, 22:09

Es geht mir um den Unterschied zwischen einem Objekt, seiner Bezeichnung und seiner Repräsentation, siehe dazu auch La trahison des images von Magritte, (ich wollte das Bild einfügen, ging aber leider nicht, egal, Du kennst es ja eh).

Das ist keine Pfeife, das ist die Repräsentation einer Pfeife. Ebenso gibt es in meinem Supermarkt-Prospekt oder in einem Superman-Comic keine Brötchen, sondern ggf. Repräsentationen von Brötchen.

Nun sagt man zwar, dass z.b. in einem Supermarkt-Prospekt Brötchen vorkämen, aber man meint das nicht wörtlich - wenn jemand sagte, er wolle noch Brötchen besorgen, würde er wohl ziemlich irritiert gucken, wenn man ihm den Supermarkt-Prospekt reichte und sagte: "hier, da sind Brötchen drin, nimm doch die". Wenn man es aber wörtlich meint - was Du und Gabriel anscheinend tun - dann wäre zu erklären, was denn in dem Falle "Brötchen" eigentlich bezeichnen soll, wenn weder "Kleingebäck bestehend aus Mehl" (oder so), noch eine Abbildung eines Brötchens gemeint ist.

Ich verstehe nun auch nicht, wieso wir uns nicht einfach darauf einigen können, dass im Supermarkt-Prospekt Abbildungen von Brötchen vorkommen und dass Abbildungen von Brötchen keine Brötchen sind, das ist es nämlich, was ich für offensichtlich wahr halte.
Da habe ich keine grossen Einwände, nur kleine :): Wir können uns einigen drauf zu sagen, dass eine Repräsentation von Brot in einem Prospekt nicht das Brot ist, welches wir kaufen. Aber wir sagen ja auch nicht: Das ist ein Brot und meinen damit dieses greifbare essbare Teigding, sondern verweisen stets auf das Abbild von Brot durch einen reflexiven Akt. Es gibt also im Prospekt ein Brot, nämlich dieses, das wir dort als Brot erkennen, das sich in Wirklichkeit essen liesse, wäre es ein Brot. Die Abbildung eines Brots ist also die Abstraktion eines wirklichen Brotes. Das abstrakte Brot, welches wir so bezeichnen und implizit als Abbild erkennen, existiert deshalb im Sinnfeld Prospekt.

Und Superman existiert eben in einem Sinnfeld Comic als fliegender blaustrümpfiger Superheld auch nur als Abstraktion eines Supermans, den wir im Sinnfeld ''Himmel über Berlin' als solchen wiedererkennen würden und aufgrund seiner Erscheinung im Sinnfeld 'Himmel über Berlin' in seiner fliegenden Existenz bestätigen könnten. Aber deshalb existiert ja Superman ja auch, die Frage ist einfach immer, in welchem Sinnfeld.



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Jörn Budesheim
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Mi 30. Aug 2017, 05:40

Der Suchbegriff "mögliche Welten" ergibt ziemlich viele Treffer. Ich habe jetzt mal komplett nach Zufall einen Teil kopiert und füge ihn hier ein.
.. Was aber wirklich und möglich ist, wird nicht im Allgemeinen dadurch festgelegt, dass es natürliche Arten mit spezifischen Individuationsbedingungen gibt. Es ist mir etwa unmöglich, der nächste Präsident der USA oder Thailands zu werden. Doch Präsident(inn)en sind keine natürlichen Arten. Ich bin auch nicht mit den natürlichen Arten identisch, aus denen mein Körper etwa gerade besteht (auch nicht mit meiner DNA). Die mich betreffenden modalen Variationen gehen weit über dasjenige hinaus, was andere dadurch artikulieren, dass sie sich etwa mit Hilfe schlechter Beschreibungen auf meinen Körper als raumzeitliches Individuum beziehen, das aus natürlichen Arten besteht. Modale Variationen über Arnold Schwarzenegger können wir deswegen auch nicht dadurch überprüfen und präzisieren, dass wir uns fragen, unter welchen Bedingungen wir ein bestimmtes Lebewesen namens Arnold Schwarzenegger überhaupt für wirklich halten, da Arnold Schwarzenegger zwar ein Lebewesen ist, aber in vielen Sinnfeldern erscheint, in denen Identitätskriterien bestehen, die für natürliche Arten nicht gelten. ..




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Jörn Budesheim
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Mi 30. Aug 2017, 06:46

Sein und Schein

Stellen wir uns für einen Moment mal vor, wie lebten in einer möglichen Welt, in der es weder Markus Gabriel noch Sinnfeld Ontologien gäbe. In einer solchen Welt würde sich doch auch niemand (außer natürlich Philosophen) darum sorgen, dass es eine Gefährdung der Wahrheit bedeute, wenn Menschen falsche Ansichten hegen. Und niemand würde Ansichten mit dem verwechseln, wovon sie handeln. Niemand würde bestreiten, dass es Ansichten gibt. Und niemand würde die Ansicht von Hans mit der Ansicht von Ursula verwechseln, nur weil es beides Ansichten sind.

Nichts davon bestreitet die Ontologie von Markus Gabriel, im Gegenteil, sie macht das stark! Dass es in meiner Vorstellung Bier geben mag, bedeutet leider noch nicht, dass es im Kühlschrank Bier gibt. Diesen Unterschied hebt Markus Gabriel eben gerade nicht auf. Er greift nur die Vorstellung an, dass es einen einzigen privilegierten Bereich gibt, der letztendlich darüber entscheidet, was es wirklich wirklich gibt. Denn Vorstellungen und ihre Gegenstände gehören ebenso zu den verschiedenen Wirklichkeiten wie Bier in Kühlschränken. Wer das behauptet, legt sich allerdings nicht auf die Behauptung fest dass Kühlschränke und Vorstellung einfach dasselbe sind. Denn Gabriel greift ja genau diese Idee an, nämlich, daß im Grunde alles einfach dasselbe ist, zum Beispiel Materie.

Es gibt nach Gabriel viele verschiedene Wirklichkeiten, die alle wirklich sind, aber nicht alle gleich.




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Mi 30. Aug 2017, 07:57

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 06:46
Sein und Schein

Stellen wir uns für einen Moment mal vor, wie lebten in einer möglichen Welt, in der es weder Markus Gabriel noch Sinnfeld Ontologien gäbe. In einer solchen Welt würde sich doch auch niemand (außer natürlich Philosophen) darum sorgen, dass es eine Gefährdung der Wahrheit bedeute, wenn Menschen falsche Ansichten hegen. Und niemand würde Ansichten mit dem verwechseln, wovon sie handeln. Niemand würde bestreiten, dass es Ansichten gibt.
Also, da bin ich etwas anderer Ansicht. Sind wir nicht exakt mit dieser Thematik seit etwa 2 Jahren konfrontiert (Fake News usw.) und war nicht das Ausmaß der Irritationen so groß, dass dies ein nicht unerheblicher Grund war, dass dieses Forum entstand?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 06:46
Nichts davon bestreitet die Ontologie von Markus Gabriel, im Gegenteil, sie macht das stark! Dass es in meiner Vorstellung Bier geben mag, bedeutet leider noch nicht, dass es im Kühlschrank Bier gibt.
Und dass jemand sagt: "Wir schaffen das" und andere meinen, dies sei falsch ... ?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 06:46
Diesen Unterschied hebt Markus Gabriel eben gerade nicht auf. Er greift nur die Vorstellung an, dass es einen einzigen privilegierten Bereich gibt, der letztendlich darüber entscheidet, was es wirklich wirklich gibt. Denn Vorstellungen und ihre Gegenstände gehören ebenso zu den verschiedenen Wirklichkeiten wie Bier in Kühlschränken. Wer das behauptet, legt sich allerdings nicht auf die Behauptung fest dass Kühlschränke und Vorstellung einfach dasselbe sind. Denn Gabriel greift ja genau diese Idee an, nämlich, daß im Grunde alles einfach dasselbe ist, zum Beispiel Materie.

Es gibt nach Gabriel viele verschiedene Wirklichkeiten, die alle wirklich sind, aber nicht alle gleich.
An der Stelle ist man ja fast an die Großdiskussion über den Konstruktivismus erinnert: Wie real ist die Wirklichkeit?
Wir haben da ja - wie ich finde, recht eindruckvoll - herausgebarbeitet, dass die Rede davon, dass alles Wirklichkeit sei, die aber nur Konstrukt sei und dass es zu der Realität dahinter ohnehin kein Durchkommen gäbe, insofern unhaltbar ist, weil zentrale Begriffe hier äquivok verwendet wurden, wie etwa der, der Realität und warum man sie angeblich nicht erfassen kann, nicht erklärt werden konnte.

Nachdem dies nun geklärt ist, emergieren nun neue Fragen, die sich eigentlich alle um das Metathema des Verhältnisses von Ontologie zur Erkenntnistheorie drehen und dem Versuch einer Fusion der beiden, in einer monistischen Welt, die die meisten als real annehmen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 30. Aug 2017, 08:45

Herr K. hat geschrieben :
Di 29. Aug 2017, 22:09
Ich probiere es noch ein letztes Mal. :D

Nun sagt man zwar, dass z.b. in einem Supermarkt-Prospekt Brötchen vorkämen, aber man meint das nicht wörtlich - wenn jemand sagte, er wolle noch Brötchen besorgen, würde er wohl ziemlich irritiert gucken, wenn man ihm den Supermarkt-Prospekt reichte und sagte: "hier, da sind Brötchen drin, nimm doch die".
Ich probiere es noch ein vorvorletztes Mal. (Und dann vielleicht noch mal, aber dann ist Schluss .... vermutlich)

Nehmen wir gleich das "richtige" Leben: Die Person, der wir das Supermarkt-Prospekt reichen und sagen, "nimm doch diese Brötchen", würde vermutlich sofort verstehen, wie wir das gemeint haben - es sollte eben ein Witz sein. Vermutlich würde sie ein schräges Gesicht ziehen, je nachdem, wie sie zu Flachwitzen steht :-). Denn beiden wäre klar, dass hier zum Zwecke des Witzes die "Sinnfelder" vertauscht wurden. Der Witz beruht also darauf, dass es Sinnfelder gibt, die man unterscheiden kann und muss, um nicht in Konfusion zu geraten (das gilt selbst dann, wenn die Protagonisten dieser kleinen Episode nicht GabrielSpeech sprechen.)

Du hast weiter oben vorgeschlagen, die fraglichen Begriffe mit Indizes zu versehen, damit man sie nicht verwechselt. Allerdings reicht dir aus Gründen, die ich nicht verstehe, bei Romanen, Prospekten, Comics, etc. eine einfach Indizierung nicht. Denn sonst hätte wir ja nicht das Problem, was wir haben. Es reicht dir nicht, zu sagen Brötchen [Prospekt] und Brötchen [Bäcker] sind verschieden. Die willst zusätzliche Indizes: Brötchen [Prospekt, Brötchendarstellung] via Brötchen [Bäcker] . Aber warum?

Meines Erachtens kann diese doppelte Indizierung wortwörtlich genommen sogar ziemliche Verwirrung stiften. In einem berühmten Roman gibt es neben dem Hauptdarsteller nämlich auch die Darstellung des Hauptdarstellers, das Bildnis des Dorian Gray. In dem Roman kommt beides vor. Da wir hier von einem Roman sprechen, ist es für einen kompetenten Sprecher überhaupt kein Problem zu erkennen, dass Dorian Gray dort, aber nicht in Wanne Eickel vorkommt :-) Und zwar auch dann, wenn er mit der Nomenklatur der Sinnfeld-Ontologie nicht vertraut ist. Er weiß dann auch, dass in dieser Romanwelt Bildnisse altern, was in Wanne Eickel nicht vorkommt und Personen im Gegenzug jung bleiben, was im "Lebensweltbereich" nicht vorkommt.

Dass wir aus pragmatischen Gründen unseren "Lebensweltbereich" oft als erste Referenz nehmen, ist davon unbenommen. Denn wer das tut, behauptet damit ja nicht zugleich, dass es nur einen einzigen wirklichen Bereich gibt*. Er bezieht sich nur eben implizit auf den Bereich, der den beteiligen Sprechern gerade besonders wichtig ist. Dass man dann problemlos über andere Bereiche reden kann, ist eine Alltagserfahrung, etwa wenn wir im Alltagsgespräch über Filme reden, dort reden wir über Sarah und John Connor ohne in Gefahr zu geraten, dass wir nicht verstanden werden. Jeder weiß dann, dass ein anderer Bereich gemeint ist ...

*Öfter und öfter ist es allerdings so, dass die Leute den fraglichen "Lebensweltbereich" als nicht wirklich betrachten, weil sie glauben, dass hinter ihrem Rücken fremde Mächte - die eigntliche Wirklichkeit - ihr Handeln bestimmen - etwa das Gehirn oder das Unterbewusste.




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Mi 30. Aug 2017, 09:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 08:45
Nehmen wir gleich das "richtige" Leben: Die Person, der wir das Supermarkt-Prospekt reichen und sagen, "nimm doch diese Brötchen", würde vermutlich sofort verstehen, wie wir das gemeint haben - es sollte eben ein Witz sein. Vermutlich würde sie ein schräges Gesicht ziehen, je nachdem, wie sie zu Flachwitzen steht :-). Denn beiden wäre klar, dass hier zum Zwecke des Witzes die "Sinnfelder" vertauscht wurden. Der Witz beruht also darauf, dass es Sinnfelder gibt, die man unterscheiden kann und muss, um nicht in Konfusion zu geraten (das gilt selbst dann, wenn die Protagonisten dieser kleinen Episode nicht GabrielSpeech sprechen.)
Das ist ja im Grunde ein Plädoyer dafür, dass wir im Alltag über ein intuitives Sensorium bezüglich Kontexten oder Sinnfeldern verfügen und das stimmt ja.

Nur geht es in der Philosophie ja nicht immer darum. Brandoms Making it Explicit ist ja auch "nur" der Versuch, das was wir tun, wenn wir Alltag spielen zu explizieren. In dem Sinne ist das nix Neues, weil es unseren Alltag nicht verändert, wir verstehen nur im besten Fall auf einmal was wir tun. Unser Können geht dem Wissen aber meistens voraus, wenn nicht immer.

Also, Alltag in Ehren, aber hier soll ja auch expliziert werden, was es nun genau mit den Brötchen auf sich hat und dass da jede Hausfrau intutiv mit klar kommt ist zwar richtig, aber kein Gegenargument. Und natürlich klafft eine Lücke zwischen einem Einzelding und seiner Repräsentation. Brandoms Antwort ist, dass er diese Lücke insofern negiert, als er sagt, primär seien unsere normativen Spiele und auch er spricht ja von fiktionaler, numerischer und physischer Existenz, in dem Sinne, dass sie logischen Subjekten zukommt.

Gabriel will immer wieder (wie Husserl oder Quine) auch ein wenig an der Logik rütteln, was man im mittleren Teil des ersten Modalitäten-Textes lesen kann. In diesen Passagen gefällt er mir gut.



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Mi 30. Aug 2017, 09:36

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 09:26
Und natürlich klafft eine Lücke zwischen einem Einzelding und seiner Repräsentation.
Es gibt einen Unterschied zwischen Pfeifen und Bildern von Pfeifen*, ebenso wie einen Unterschied zwischen Bilder von Brötchen und Brötchen. Aber das ist kein Unterschied tout court, so dass das eine zur wahren Wirklichkeit zählt, das andere bloß zum Schein, den Repräsentationen oder wie immer man es nennen will. Es klafft hier keine Lücke, insbesonder keine metaphysische Lücke.

Noch mal, weil ich glaube, dass es so wichtig ist: Gabriel macht Unterschiede stark. Er zieht sie nicht ein,er ebnet sie nicht ein. Er macht nach meiner Einschätzung das ganze Gegenteil. Er will eine bunte Ontologie - in der es jedoch keinen metaphysischen Referee-Bereich gibt. Das bringt nach meinem Dafürhalten auch kein "Wahrheitsproblem" mit, weil Dinge in der Vorstellung etwas anderes sind als Dinge auf dem Tisch. Von bloß imaginierten Talern kann ich im Supermarkt um die Ecke nichts kaufen, außer in eben der Imagination, falls dort auch ein Supermarkt vorkommt.

Wahr ist die Ansicht, dass im Bereich B die Tatsache T vorliegt, genau dann, wenn im Bereich B eben diese Tatsache vorliegt.

*Wobei ich den Magritte noch etwas anders interpretieren würde, wiewohl auch dieser Aspekt mitspielt.




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Mi 30. Aug 2017, 10:05

iselilja hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 17:24
Das Sinnfeld ist nicht im Kopf oder irgendwo als Relation zwischen Kopf und Gegenstand. Schon das einzelne Quadrat an der Tafel ist bereits Sinnfeld
Ja und nein :-)

Was in einem Bereich vorkommt, kann selbst ein Bereich sein. Daher stimme ich dem Zitat zu und sage ja: "das einzelne Quadrat an der Tafel ist bereits Sinnfeld"

Aber die Pointe des Gedankenexperiments war meines Erachtens, dass in dem Raum, den Gabriel markiert in verschiedenen Sinnfeldern verschiedenes vorkommt. Im Sinnfeld Geometrie kommen die Quadrate vor, im Sinnfeld Physik kommen eben die fraglichen Elemenar-Teilchen vor, die man kaum zählen kann. Das ist Gabriels ontologische Relativität. Je nach Hinsicht, sieht man etwas anderes. Wobei die Hinsicht nicht das, was man sieht, überhaupt macht, sondern nur das, was eh schon da ist in den (Hin-)Blick nimmt. Die Ansicht, dass im Sinnfeld Geometrie im fraglichen markierten Raum, vier Quadrate vorkommen, ist falsch, weil sie nicht den Tatsachen entspricht. Aber auch zu den Tatsachen gehört eine Ortsangabe.




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Mi 30. Aug 2017, 10:07

Herr K., Alethos, Tosa Inu, iselilja, epitox - Sie haben Post!




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Mi 30. Aug 2017, 10:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 09:36
Es gibt einen Unterschied zwischen Pfeifen und Bildern von Pfeifen*, ebenso wie einen Unterschied zwischen Bilder von Brötchen und Brötchen. Aber das ist kein Unterschied tout court, so dass das eine zur wahren Wirklichkeit zählt, das andere bloß zum Schein, den Repräsentationen oder wie immer man es nennen will.
Ja, sag ich ja. So ist auch Brandoms Ansatz. Das wäre ja ein andere Alternative zum Naturalismus.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 09:36
Noch mal, weil ich glaube, dass es so wichtig ist: Gabriel macht Unterschiede stark. Er zieht sie nicht ein. Er macht nach meiner Einschätzung das ganze Gegenteil. Er will eine bunte Ontologie - in der es jedoch keinen metaphysischen Referee-Bereich gibt.
Klar, dass er sich für einen Pluralismus einsetzt, ist mir nicht entgangen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 09:36
Das bringt nach meinem Dafürhalten auch kein "Wahrheitsproblem" mit, weil Dinge in der Vorstellung etwas anderes sind als Dinge auf dem Tisch. Von bloß imaginierten Talern kann ich im Supermarkt um die Ecke nichts kaufen, außer in eben der Imagination, falls dort auch ein Supermarkt vorkommt.
Na gut, das ist die Mindestbedingung. Du versprichst Dir ja im Bereich der Wahrheit Verbesserungen, da setze ich dann voraus, dass es nicht schlimmer wird.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 09:36
Wahr ist die Ansicht, dass im Bereich B die Tatsache T vorliegt, genau dann, wenn im Bereich B eben diese Tatsache vorliegt.
Das ist ja genau die Korrespondenztheorie, die manchen das Blut ins Gesicht treibt. So Latour (den Gabriel anführt), aber auch mir. Ich kann damit immer weniger anfangen, eben aus Gründen der Alltagsuntauglichkeit, da wir eben sehr oft nicht wissen, ob eine Behauptung mit einer Tatsache korrespondiert und das nicht im Fall exotischer mathematischer Probleme oder dunkler Energie, sondern bereits im Alltag.
Thomas Mann war dann ein guter Vater, wenn er die Kriterien erfüllte, die jemanden zu einem guten Vater machen, nur sind diese a) variabel und b) sind sich nicht mal seine Kinder darüber einig, was denn jetzt der Fall war.
Man kann nun sagen, das seien einfach Meinungen, die spielen dann aber eine sehr umfangreiche Rolle und die sog. Tatsachen blieben erneut auf die Dinge beschränkt, die man zwiefelsfrei nachmessen kann, also schnöder Naturalismus.

Ich hätte es gerne auch bunter und m.M.n. ist mit der (oft entwertenden) Trennung von Realität hier und Phantasie da kein Blumenpott zu gewinnen. In der aufdeckenden Psychotherapie hat man längst erkannt, dass es nichts bringt, jemandem, der seinen Vater für einen Tyrann hält, nun zu "beweisen" dass er sich irren muss, weil nichts dafür spricht und es sich "nur" um ein Phantasieprodukt handeln kann. Man flicht sozusagen die Kohärenztheorie der Wahrheit ein und sagt: Gut, wenn es so ist: Was bedeutet das? Was heißt es für weitere Beziehungen und dergleichen?
Die Pointe ist hier auch nicht, dass man am Ende einsichtig wird und doch noch seinen Irrtum erkennt, sondern, dass man akzeptiert, dass es doch ziemlich unterschiedliche Innenwelten gibt. Und Innenwelten sind eben auch nach meiner Überzeugung nicht von einer metaphysischen Wirklichkeit oder Realität abgekoppelte minderwertige Kopien oder Deutungen und die beste Annährung an "die Wirklichkeit" gewinnt, wie sich das Popper, m.E. zu naiv vorstellt.

Es geht also um eine echte Alternative oder potente Ergänzung zur Korrespodeztheorie, nicht darum, sie dann doch wieder unverändert einzuführen.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:07
Herr K., Alethos, Tosa Inu, iselilja, epitox - Sie haben Post!
Habe ich schon gesehen und gelesen, danke. Ich habe ja das Buch und die Passagen gestern auch gelesen.



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Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:20
Tatsachen blieben erneut auf die Dinge beschränkt, die man zwiefelsfrei nachmessen kann, also schnöder Naturalismus.
Nur kurz, weil ich zwischendurch auch mal arbeiten muss :-) In der Einleitung von SuE spricht er ausführlich über das Vage. Nachmessen und Zählen sind eben nicht in allen Feldern brauchbar. Vielfalt first! :-)




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:26
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:20
Tatsachen blieben erneut auf die Dinge beschränkt, die man zwiefelsfrei nachmessen kann, also schnöder Naturalismus.
Nur kurz, weil ich zwischendurch auch mal arbeiten muss :-) In der Einleitung von SuE spricht er ausführlich über das Vage. Nachmessen und Zählen sind eben nicht in allen Feldern brauchbar. Vielfalt first! :-)
Klar, und so unterschiedliche Denker wie Heidegger, Habermas, Luhman, Latour, Wilber und Brandom und vermutlich jede Menge mehr, würden zustimmen.
Aber die Kritik ist das eine, neue Grundsteine und Fundamente einer postnaturalistischen Theorie zu legen, das andere.
Jetzt aber frohes Schaffen.



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Mi 30. Aug 2017, 10:46

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:42
Kritik
Er kritisiert das nicht nur, er schafft auch eine positive Ontologie zur Lösung.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:46
Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:42
Kritik
Er kritisiert das nicht nur, er schafft auch eine positive Ontologie zur Lösung.
Klar, Brandom mit seinem Normativismus, Wilber mit seiner Holontheorie auch. Das freut mich und ich denke man kann die besten Elemente zusammenfügen, ich bin recht zuversichtlich, dass das gelingen wird. Eine Neuorientierung hinsichtlich der Rolle des Subjekts und seiner Innenwelten drückt schon längst bis in die Praxis durch. Wir tragen unseren Teil dazu bei, das finde ich gut.



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Mi 30. Aug 2017, 10:56

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:53
Wir tragen unseren Teil dazu bei, das finde ich gut.
Yepp. Wir gehören zu den Multiplikatoren :-)




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Mi 30. Aug 2017, 13:06

Tosa Inu hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 10:20

Das ist ja genau die Korrespondenztheorie, die manchen das Blut ins Gesicht treibt. So Latour (den Gabriel anführt), aber auch mir. Ich kann damit immer weniger anfangen, eben aus Gründen der Alltagsuntauglichkeit, da wir eben sehr oft nicht wissen, ob eine Behauptung mit einer Tatsache korrespondiert und das nicht im Fall exotischer mathematischer Probleme oder dunkler Energie, sondern bereits im Alltag.
Thomas Mann war dann ein guter Vater, wenn er die Kriterien erfüllte, die jemanden zu einem guten Vater machen, nur sind diese a) variabel und b) sind sich nicht mal seine Kinder darüber einig, was denn jetzt der Fall war.
Man kann nun sagen, das seien einfach Meinungen, die spielen dann aber eine sehr umfangreiche Rolle und die sog. Tatsachen blieben erneut auf die Dinge beschränkt, die man zwiefelsfrei nachmessen kann, also schnöder Naturalismus.

Ich hätte es gerne auch bunter und m.M.n. ist mit der (oft entwertenden) Trennung von Realität hier und Phantasie da kein Blumenpott zu gewinnen. In der aufdeckenden Psychotherapie hat man längst erkannt, dass es nichts bringt, jemandem, der seinen Vater für einen Tyrann hält, nun zu "beweisen" dass er sich irren muss, weil nichts dafür spricht und es sich "nur" um ein Phantasieprodukt handeln kann. Man flicht sozusagen die Kohärenztheorie der Wahrheit ein und sagt: Gut, wenn es so ist: Was bedeutet das? Was heißt es für weitere Beziehungen und dergleichen?
Die Pointe ist hier auch nicht, dass man am Ende einsichtig wird und doch noch seinen Irrtum erkennt, sondern, dass man akzeptiert, dass es doch ziemlich unterschiedliche Innenwelten gibt. Und Innenwelten sind eben auch nach meiner Überzeugung nicht von einer metaphysischen Wirklichkeit oder Realität abgekoppelte minderwertige Kopien oder Deutungen und die beste Annährung an "die Wirklichkeit" gewinnt, wie sich das Popper, m.E. zu naiv vorstellt.

Es geht also um eine echte Alternative oder potente Ergänzung zur Korrespodeztheorie, nicht darum, sie dann doch wieder unverändert einzuführen.
Ich verstehe deinen Standpunkt rein gefühlsmässig. Aber ich sehe kein theoretisches Konzept am Horizont, das eine sinnvolle Alternative böte. Den Subjektivismus zu ontologisieren (Ich sage auch nicht, dass du eine solche Ansicht vertrittst), so dass man die Fantasie zum reinen ontologischen Nennwert nähme und sie im Lebensweltbereich gleichrangig mit allen anderen Aussagen gelten liesse, das kann ja dann auch nicht der Sinn sein und grenzt an einen absurden Relativismus. Zu sagen, der 'Urknall ist verursacht durch den Furz eines spanischen Gauls' gälte ja gleichrangig mit allen anderen, sinnvolleren Aussagen, wenn man keine sinnfeldliche Einschränkung machen würde.

Absurd deshalb, weil alle möglichen Aussagen gleichrangig wahr würden, denn die 'Ansicht von etwas' kann nicht falsch sein, wenn sie nicht restringiert wird. Darum stimme ich auch mit Jörn nicht überein in diesem sprachlichen Punkt: 'Eine Ansicht kann falsch sein in Bezug auf das, wovon sie handelt.' Ich behaupte, dass dies nicht so ist, sondern dass eine Ansicht gar nichts anderes zum Sinnfeld hat als Bewusstsein etc. und in diesem Sinnfeld unwidersprochen bleibt. Das, wo jenes extistiert, auf das eine Ansicht Bezug nimmt, das findet wiederum in einem anderen Sinnfeld statt. Einem lebenswirklichen. Aber die Ansicht, die von etwas handelt, bezieht sich auf etwas Lebenswirkliches ohne davon zu handeln. Eine Ansicht findet in einem sehr privaten Sinnfeld statt und hat dort Gültigkeit.

Wenn man diese sprachliche Unterscheidung weglässt, gerät man in Schwierigkeiten, eine Meinung und einen Beweis unterscheidbar zu machen. Weil das, wovon die Meinung handelt und das, wovon der Beweis handelt, dasselbe wäre. Es gibt aber nicht beweisbare Meinungen wie z.B. die Frage nach politischer Einstellung. Man verpasst meines Erachtens den sinnfeldontologischen Ansatz, finde ich.



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Mi 30. Aug 2017, 13:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 08:45
Du hast weiter oben vorgeschlagen, die fraglichen Begriffe mit Indizes zu versehen, damit man sie nicht verwechselt. Allerdings reicht dir aus Gründen, die ich nicht verstehe, bei Romanen, Prospekten, Comics, etc. eine einfach Indizierung nicht. Denn sonst hätte wir ja nicht das Problem, was wir haben. Es reicht dir nicht, zu sagen Brötchen [Prospekt] und Brötchen [Bäcker] sind verschieden. Die willst zusätzliche Indizes: Brötchen [Prospekt, Brötchendarstellung] via Brötchen [Bäcker] . Aber warum?
Mir reichen einfache Indizes, ich brauche keine doppelten, es reicht mir, wenn man so indiziert: Brötchen[Gebäck], Brötchen[Brötchendarstellung], Brötchen[Vorstellung], Brötchen[abstrakt]. Analog dazu Superman: Superman[Person], Superman[Supermandarstellung], Superman[Vorstellung], Superman[abstrakt].

Eine solche Indizierung ist für mich zwar nur die zweitbeste Lösung, denn eigentlich meine ich, dass Repräsentationen, Abbildungen und Vorstellungen von Brötchen oder Superman mitnichten Brötchen bzw. Superman seien, aber ich kann damit leben, da ich dann weiß, was jeweils gemeint ist und kann es für mich in meinen Sprachgebrauch übersetzen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 08:45
Meines Erachtens kann diese doppelte Indizierung wortwörtlich genommen sogar ziemliche Verwirrung stiften.
Keine doppelte Indizierung, s.o.

Im Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" wird Dorian Gray[Person] und Dorian Gray[Bildnis von Dorian Gray[Person]] beschrieben. Ebenso wird in Superman-Comics Superman[Person] dargestellt.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 09:36
Es gibt einen Unterschied zwischen Pfeifen und Bildern von Pfeifen*, ebenso wie einen Unterschied zwischen Bilder von Brötchen und Brötchen. Aber das ist kein Unterschied tout court, so dass das eine zur wahren Wirklichkeit zählt, das andere bloß zum Schein, den Repräsentationen oder wie immer man es nennen will. Es klafft hier keine Lücke, insbesonder keine metaphysische Lücke.
Es klafft keine metaphysische Lücke zwischen der Vorstellung einer Pfeife, der Darstellung einer Pfeife und einer Pfeife. All das gibt es. Das mit der metaphysischen Lücke, die angeblich jemand behauptet, ist mE ein red herring. Der springende Punkt ist, dass, wenn es z.B. eine Darstellung von Superman gibt, es deswegen noch nicht Superman gibt. Indiziert: aus 'es gibt Superman[Repräsention]' folgt nicht: 'es gibt Superman[Person]'.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 09:36
Noch mal, weil ich glaube, dass es so wichtig ist: Gabriel macht Unterschiede stark. Er zieht sie nicht ein,er ebnet sie nicht ein. Er macht nach meiner Einschätzung das ganze Gegenteil.
Meiner Einschätzung nach ebnet Gabriel sehr wohl ein und schafft damit Verwirrung. Ein Einhorn[Vorstellung] ist kein Einhorn[Lebewesen], daher ist es verwirrend, ohne nähere Bestimmung zu sagen, es gäbe Einhörner auf der Rückseite des Mondes, weil es den Gedanken daran gäbe. Wenn man Klarheit herstellen wollte, dann müsste man das zumindest so sagen: es gibt Einhörner[Vorstellung] auf der 'Rückseite des Mondes[Vorstellung]'. Und auch: es gibt Bier[Vorstellung] in meiner Vorstellung.




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Mi 30. Aug 2017, 15:21

Alethos hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 13:06
Ich verstehe deinen Standpunkt rein gefühlsmässig. Aber ich sehe kein theoretisches Konzept am Horizont, das eine sinnvolle Alternative böte. Den Subjektivismus zu ontologisieren (Ich sage auch nicht, dass du eine solche Ansicht vertrittst), so dass man die Fantasie zum reinen ontologischen Nennwert nähme und sie im Lebensweltbereich gleichrangig mit allen anderen Aussagen gelten liesse, das kann ja dann auch nicht der Sinn sein und grenzt an einen absurden Relativismus.
Richtig. Ich verorte mich da ähnlich wie Gabriel zwischen postmoderner Beliebigkeit und hartem Naturalismus.

Ich bin da eher praktisch unterwegs, mein (für die Praxis gedachtes) Weltbild dahinter ist, dass man die Weltbilder (die ich so nenne) anderer nicht (außer in bestimmten Ausnahmen) versuchen sollte zu korrigieren, sondern akzeptiert, dass sie sind, wie sie sind.
Alethos hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 13:06
Absurd deshalb, weil alle möglichen Aussagen gleichrangig wahr würden, denn die 'Ansicht von etwas' kann nicht falsch sein, wenn sie nicht restringiert wird.
Das ist ja auch meine Frage an Gabriel, der wahr/falsch zwar in einem Sinnfeld unterscheidet, aber bislang habe ich noch nicht verstanden, wie er festlegen will, welches Sinnfeld nun den Referenzwert bildet. (Falls jemand sein Sinnfeld kreiert und als Alternative anbietet.)
Alethos hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 13:06
Darum stimme ich auch mit Jörn nicht überein in diesem sprachlichen Punkt: 'Eine Ansicht kann falsch sein in Bezug auf das, wovon sie handelt.' Ich behaupte, dass dies nicht so ist, sondern dass eine Ansicht gar nichts anderes zum Sinnfeld hat als Bewusstsein etc. und in diesem Sinnfeld unwidersprochen bleibt. Das, wo jenes extistiert, auf das eine Ansicht Bezug nimmt, das findet wiederum in einem anderen Sinnfeld statt. Einem lebenswirklichen. Aber die Ansicht, die von etwas handelt, bezieht sich auf etwas Lebenswirkliches ohne davon zu handeln. Eine Ansicht findet in einem sehr privaten Sinnfeld statt und hat dort Gültigkeit.
Wenn ich es richtig verstanden habe, entspricht das ungefähr dem, was ich auch meine.
Alethos hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 13:06
Wenn man diese sprachliche Unterscheidung weglässt, gerät man in Schwierigkeiten, eine Meinung und einen Beweis unterscheidbar zu machen. Weil das, wovon die Meinung handelt und das, wovon der Beweis handelt, dasselbe wäre. Es gibt aber nicht beweisbare Meinungen wie z.B. die Frage nach politischer Einstellung. Man verpasst meines Erachtens den sinnfeldontologischen Ansatz, finde ich.
Die meisten sogenannten Fakten sind ja Meinungen. Wenn man es wirklich ernst meint mit der Differenzierung sind Fakten Messungen und logische Ableitungen auf der Basis bestimmter metaphysischer Systeme. Größe, Gewicht und Satz vom Widerspruch, sozusagen. Der Rest sind Meinungen, unterfüttert mit Statistik oder Autoritätsargumenten.

Womit aber nicht gemeint ist, dass ich Meinungen kritisiere, im Gegenteil, es ist wichtig, dass wir welche haben. Ich denke sogar, dass die sogenannten Fakten eher etwas überbewertet sind. Man darf nicht völlig auf sie verzichten, weil sie den Rahmen für unsere Sprachspiele bilden, eine zu große Rolle spielen sie aber nicht, unsere Meinungen - oder, weil das besser bekömmlich ist: Urteile - aber umso mehr.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Mi 30. Aug 2017, 17:09

Alethos hat geschrieben :
Di 29. Aug 2017, 22:50
Es gibt also im Prospekt ein Brot, nämlich dieses, das wir dort als Brot erkennen, das sich in Wirklichkeit essen liesse, wäre es ein Brot. Die Abbildung eines Brots ist also die Abstraktion eines wirklichen Brotes. Das abstrakte Brot, welches wir so bezeichnen und implizit als Abbild erkennen, existiert deshalb im Sinnfeld Prospekt.
OK.
Alethos hat geschrieben :
Di 29. Aug 2017, 22:50
Und Superman existiert eben in einem Sinnfeld Comic als fliegender blaustrümpfiger Superheld auch nur als Abstraktion eines Supermans, den wir im Sinnfeld ''Himmel über Berlin' als solchen wiedererkennen würden und aufgrund seiner Erscheinung im Sinnfeld 'Himmel über Berlin' in seiner fliegenden Existenz bestätigen könnten.
In Ordnung.
Alethos hat geschrieben :
Di 29. Aug 2017, 22:50
Aber deshalb existiert ja Superman ja auch, die Frage ist einfach immer, in welchem Sinnfeld.
Damit allerdings bin ich nicht einverstanden. Wenn man denn nun meint, dass Superman auf vielfältige Art und Weise existieren könne, z.B. als Person, als Abbildung, als Bezeichnung, als Repräsentation, als Abstraktion und als Vorstellung, dann muss man das jeweils Gemeinte auch dazusagen, es reicht dann nicht, nur das Sinnfeld anzugeben, denn daraus ergibt sich das Gemeinte zumindest für mich keineswegs automatisch. Oben beim Brot hast Du es gemacht (abstraktes Brot), hier aber lässt Du es plötzlich weg.

Können wir uns vielleicht vorläufig auf folgenden Satz einigen: "Aber deshalb existiert ja Superman als Abstraktion auch, die Frage ist immer, in welchem Sinnfeld."?

(Unabhängig, ob wir uns darauf einigen können oder nicht, ist mir noch nicht klar, wie Gabriel das sieht.)




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