Stefanie hat geschrieben : ↑ Mo 4. Feb 2019, 23:51
Die Aussage ein jeder/Jede sieht es anders, ist kein Anspruch, sondern eine Aussage, aufgrund von eigenen gemachten Erfahrungen.
Das kann durchaus auch als Anspruch gemeint sein. Meines Erachtens kann man es als (eins von vielen möglichen) Qualitätsmerkmalen betrachten, wenn ein Kunstwerk offen ist. Das gilt auch für den Rätselcharakter mancher Kunstwerke. Was ja zusammenhängt. Denn damit sind in aller Regel ja keine Rätsel gemeint, die eine klare Lösung haben, die man auch noch irgendwo nachschlagen oder erfragen kann, wie bei einem Bilderrätsel in einem dieser Rätsel Heftchen, wo die Rätsel auf den letzten Seiten aufgelöst werden.
Bei vielen Kunstwerken ist das oftmals ganz anders. Das "je ne sais quoi" gehört in vielen Fällen wesentlich dazu und lässt sich nicht auflösen. Und soll sich auch nicht auflösen lassen; das ist ein Anspruch an die Arbeit.
Ich habe eine gewisse Erfahrung, was Vermittlung von Kunstwerken angeht, wenn man so will: auf beiden Seiten. Also sowohl als Vermittler als auch im Publikum. Und da ist meine Erfahrung, dass der Umstand, dass es "jede/r anders sieht", in der Regel als "Anspruch" auftritt. Es ist dann nicht nur eine nüchterne Feststellung eines Sachverhaltes, sondern es wird Wert darauf gelegt, dass es so ist und auch so sein sollte.
Warum genau es so ist, wird in der Regel nicht eigens thematisiert. Oftmals scheint es mir darum zu gehen, damit die eigene Individualität und Freiheit zum Ausdruck zu bringen und zu unterstreichen.
In demselben Zusammenhang mache ich jedoch oft widersprechende Erfahrungen. Oftmals wird von dem Vermittler erwartet oder erhofft, dass er den Rätselcharakter der Arbeit auflöst und sie im Grunde gründlich erklärt. Dieses Element bedeutet X, jenes Element bedeutet y und das hier bedeutet z. Aus "ich weiß nicht, was soll es bedeuten" soll werden: "Aha! ich habe es verstanden." Damit wird nicht nur die Beunruhigung, die von manchen Arbeiten ausgeht, negiert, sondern eigentlich auch die eigene Freiheit, die manchmal eben nicht zur Ruhe kommt.