das Zentrum der Welt

Dieses Unterforum beschäftigt sich mit dem Umfang und den Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit sowie um die speziellen Gesichtspunkte des Systems der modernen Wissenschaften.
Tosa Inu
Beiträge: 2300
Registriert: Mo 31. Jul 2017, 19:42
Kontaktdaten:

Sa 26. Aug 2017, 11:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 06:44
(Donald Davidson, den man im weitesten Sinne einen Sprachphilosophie nehmen könnte, hat meines Erachtens relativ überzeugend gezeigt, dass wir uns beispielsweise gar nicht unterhalten könnten, wenn wir nicht einen großen Pool gemeinsamer Wahrheit voraussetzen könnten.)
Noch nicht mal streiten.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Aug 2017, 12:59

?




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Sa 26. Aug 2017, 16:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 06:44
iselilja hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 01:43
... trennen sich plötzlich unsere Auffassungen ...
Das könnte bedeuten, dass es eine sehr sehr große Basis gemeinschaftlicher Ansichten über die Wirklichkeiten gibt, über die wir nie sprechen, weil sie eben kaum strittig sind :)
Ich weiß nicht, ob hier gemeinschaftlich mit gleichartig verwechselt werden könnte. Dass wir in der Kommunikation gleichlautende Begriffe (genaugenommen sind es in der Sprache ja Wörter) verwenden, sagt nichts darüber aus, was wir unter den Begriffen jeweils konkret und im Detail verstehen. Wir beide könnten theoretisch stundenlang über etwas erzählen und dabei glauben, dass wir über das selbe reden.. bis dann irgendwann in einem spezifischen Zusammenhang eine Art Widerspruch auftritt, was plötzlich Zweifel aufkommen lässt. Sicherlich.. unsere gemeinsame Basis ist in der Sprache ja mehr oder weniger "hinterlegt". Doch wenn ich bspw. Kühlschrank sage oder schreibe, dann passiert in Deinen Gedanken etwas mit nahezu 100%iger Wahrscheinlichkeit anderes als in meinen Gedanken. Du denkst vielleicht an ein weißes Modell, ich an ein rostiges etc.

Soweit einverstanden?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Aug 2017, 18:07

iselilja hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 16:55
Soweit einverstanden?
Nee, leider nein :-)

Ich hatte etwas ganz, ganz anderes im Sinn. Vielleicht passt hier auch der Begriff "Hintergrundüberzeugungen" (à la Searle). Davon haben wir eine unübersehbar große Zahl und zwar ein jeder. Das ist in aller Regel eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten, die wir selten bis nie explizit äußern, zum Beispiel >

dass die meisten Dinge nach unten fallen, dass Mäuse selten größer als Katzen sind und oft ein graues Fell haben, dass nach der Nacht der Morgen kommt, dass Menschen in aller Regel zwei Augen, eine Nase und einen Mund haben, dass die meisten Finger am Ende Fingernägel haben, dass es für vieles eine Ursache gibt, dass Menschen oft Wünsche haben und manchmal wütend werden, dass Schreibtischen meisten Beine haben, der Mond manchmal in der Nacht zu sehen ist, dass Polizisten gelegentlich eine Uniform tragen, Hunde manchmal bellen und Vögel zumeist fliegen können, aber Nonnen nicht ...

Solcher Ansicht hat jeder in unüberschaubar großer Zahl. Diese Hintergrundüberzeugungen kann man natürlich nicht alle explizit machen und so liegen sie auch nicht vor. Sie dürften zwar von Person zu Person variieren (teilweise sogar erheblich), aber es gibt ausreichend große Überschneidungen und diese geteilten Hintergrundüberzeugungen tragen viele unserer Kommunikationen.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 26. Aug 2017, 18:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 18:07

Solcher Ansicht hat jeder in unüberschaubar großer Zahl. Diese Hintergrundüberzeugungen kann man natürlich nicht alle explizit machen und so liegen sie auch nicht vor. Sie dürften zwar von Person zu Person variieren (teilweise sogar erheblich), aber es gibt ausreichend große Überschneidungen und diese geteilten Hintergrundüberzeugungen tragen viele unserer Kommunikationen.
Ich höre gerade von meinem Haus aus Status Quo, die unten in der Bucht spielen. Mein Beitrag wird jetzt auch durch Hintergrundmusik getragen :) Aber ich vermute, ein solches Tragen meinst du nicht.

Mir gefällt diese Vorstellung von getragener Kommunikation. Dass ein Gespräch, eine Kommunikation quasi durch konventionellen Auftrieb auf der Ebene des gegenseitigen Verstehens gehalten wird. Wenn wir uns ständig über ganz selbstverständliche Sachverhalte gegenseitig in Zweifel zögen, müsste ein einfacher Satz den Umfang eines Lexikons haben und in explanatorischen Exzessen enden. In Sprache aber schwingt schon eine gewisse Selbstversichertheit mit, oder um es mit einem ökonomischen Begriff auszudrücken, eine Investitionssicherheit, dass die getätigten Aussagen im Markt des Verstehens einen verlässlichen Wert haben. Denn wo wir Gründe austauschen, da ist die Verlässlichkeit der Tatsachen Gegenwert, sozusagen die Währung. Und nur weil wir uns nicht jedesmal über den Nennwert unserer Begriffe und Aussagen rückversichern müssen, kann Verstehen erfolgen. Selbstvertändlich gibt es aber auch Fälschungen, sozusagen Begriffs-Blüten, und Fremdwährungen, wo sich ein zweiter und dritter prüfender Blick lohnt. Und auch Umrechnungsfehler geschehen immer wieder, so dass ein fairer Austausch mit Gründen unmöglich wird. Aber allein schon die Tatsache, dass wir eine gemeinsame Sprache haben, ist Ausdruck dieser Bewährtheit von Begriffen, auf die wir unsere Kommunikationen immer wieder stützen. Eine fliegende Nonne würde zwar unser kleines Weltbild ins Wanken bringen, (also besser man hat kein allzu starres :)), aber auch das würde mit der Zeit zum Bestand an gesicherten Tatsachen gezählt, auf die wir uns getrost verlassen können.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Aug 2017, 19:03

Alethos hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 18:58
Selbstvertändlich gibt es aber auch Fälschungen, sozusagen Begriffs-Blüten, und Fremdwährungen, wo sich ein zweiter und dritter prüfender Blick lohnt.
Schön gesagt und auch richtig, wie ich schätze. Daher gehen Philosophie und Kunst so oft an Eingemachte, die selbstverständlichen "Hintergrundwahrheiten" von denen natürlich immer auch welche gar keine sind :-)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Aug 2017, 19:10

Alethos hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 18:58
konventionellen
Ja, manches davon ist vermutlich "konventionell". Ich bin aber Realist auch in dem Sinn, dass ich ein Optimist in Bezug auf unsere Erkentnisfähigkeiten bin. Ich glaube viele unserer Hintergrundüberzeugungen sind einfach wahr und nicht bloß Üblichkeiten oder Übereinkünft.




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 26. Aug 2017, 19:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 19:03
Alethos hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 18:58
Selbstvertändlich gibt es aber auch Fälschungen, sozusagen Begriffs-Blüten, und Fremdwährungen, wo sich ein zweiter und dritter prüfender Blick lohnt.
Schön gesagt und auch richtig, wie ich schätze. Daher gehen Philosophie und Kunst so oft an Eingemachte, die selbstverständlichen "Hintergrundwahrheiten" von denen natürlich immer auch welche gar keine sind :-)
Ja, das ist sicherlich so, dass Philosophen nicht zu den genügsamsten Menschen zählen, die es gibt :) Und Künstler erschüttern ja teilweise geradezu die Konvention und zerschlagen sie, um aus den Trümmern wieder Neues zu schaffen. Kreativität ist eine umtreibende Kraft, und ich sehe eine gewisse Verwandschaft zwischen Künstlern und Philosophen. Es gibt sie nicht als Prototypen, sondern nur als Originale. :)



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Sa 26. Aug 2017, 19:27

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 19:10
Alethos hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 18:58
konventionellen
Ja, manches davon ist vermutlich "konventionell". Ich bin aber Realist auch in dem Sinn, dass ich ein Optimist in Bezug auf unsere Erkentnisfähigkeiten bin. Ich glaube viele unserer Hintergrundüberzeugungen sind einfach wahr und nicht bloß Üblichkeiten oder Übereinkünft.
Ja, ich glaube, ich verstehe. Es gibt für Realisten eine höhere Instanz als die blosse Übereinkunft: die Wahrheit. Für den Optimisten ist es nicht die letzte, sondern die nächst höhere?

Mir ist bewusst, dass Wahrheit ein sehr problematischer Begriff ist. Aber ich glaube sogar ans Gute mit Sokrates.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Aug 2017, 19:38

:-)




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

So 27. Aug 2017, 00:46

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 18:07
iselilja hat geschrieben :
Sa 26. Aug 2017, 16:55
Soweit einverstanden?
Nee, leider nein :-)

Ich hatte etwas ganz, ganz anderes im Sinn. Vielleicht passt hier auch der Begriff "Hintergrundüberzeugungen" (à la Searle).
Achso, das meinst Du. Ja sicherlich haben wir ein gemeinsames Repertoire an Verständnis, sonst wäre es ja auch seltsam und nutzlos Kinder zusammen in die Schule zu schicken. Also einen gemeinsamen Pool an Wissen, aus dem wir alle mehr oder weniger schöpfen sehe ich auch, klar -> common sense halt.

Davon unabhängig aber gibt es noch mehr als genug Potential zur Differenzierung.. und ich kann nicht sagen, welches von den beiden tatsächlich überwiegt.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

So 27. Aug 2017, 07:08

iselilja hat geschrieben :
So 27. Aug 2017, 00:46
einen gemeinsamen Pool
Dieser gemeinsame Pool ist dasjenige, was auch die Differenzen trägt. Sonst wüsste man nämlich noch nicht mal wovon gesprochen wird, wenn man sich bei etwas streitet :) ich für meinen Teil gehe davon aus, dass das uns verbindende Weltwissen, der Boden der Gemeinsamkeiten das Trennende weit übersteigt :) noch mal im Gefühl ist das für den Ausgangspunkt dieses Threads, falls ich ihn einigermaßen richtig verstanden habe, durchaus von Belang ...




Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

So 27. Aug 2017, 08:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 27. Aug 2017, 07:08
iselilja hat geschrieben :
So 27. Aug 2017, 00:46
einen gemeinsamen Pool
Dieser gemeinsame Pool ist dasjenige, was auch die Differenzen trägt. Sonst wüsste man nämlich noch nicht mal wovon gesprochen wird, wenn man sich bei etwas streitet :) ich für meinen Teil gehe davon aus, dass das uns verbindende Weltwissen, der Boden der Gemeinsamkeiten das Trennende weit übersteigt :) noch mal im Gefühl ist das für den Ausgangspunkt dieses Threads, falls ich ihn einigermaßen richtig verstanden habe, durchaus von Belang ...
Also ich verstehe das in etwa so.

Es gibt diese gemeinsame Sphäre der Übereinstimmungen im Denken, im Sprechen, ja oftmals sogar im Handeln usw. Dies ist sozusagen der "Beweis", dass wir auch tatsächlich alle in ein und der selben Welt leben und alle in etwa "gleich ticken". Wir kennen die selben Naturgesetze, wir kennen die selben Hauptstädte der einzelnen Länder auf diesen Planeten, wir kennen die selben Planeten im Sonnensystem, wir kennen die Liebe usw.

Und es gibt den Bereich der Vorstellungen, der Überlegungen, der Phantasien und Entscheidungen. In dieser Sphäre ist jeder auf sich selbst gestellt. Weil es a) keine tatsächliche durchführbare Vergleichsmöglichkeit gibt (eine solche wäre nur im Rahmen der Übereinstimmungen möglich bspw. mittels Sprache (ich hatte ja bereits auf das Problem Wort/Begriff hingewiesen)). Und weil es b) einem niemand abnehmen kann.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 30. Aug 2017, 09:24

iselilja hat geschrieben :
So 27. Aug 2017, 08:19
Und es gibt den Bereich der Vorstellungen, der Überlegungen, der Phantasien und Entscheidungen. In dieser Sphäre ist jeder auf sich selbst gestellt. Weil es a) keine tatsächliche durchführbare Vergleichsmöglichkeit gibt (eine solche wäre nur im Rahmen der Übereinstimmungen möglich bspw. mittels Sprache (ich hatte ja bereits auf das Problem Wort/Begriff hingewiesen)). Und weil es b) einem niemand abnehmen kann.
Nur kurz, ich hoffe ich kann später noch mal darauf zurück kommen: es ist sicher richtig, dass einem Überlegungen und Entscheidungen niemand abnehmen kann. Das betrifft jedoch den Akt des Überlegens, den kann jeder nur selbst vollziehen. Aber Überlegungen haben meist einen Gegenstand, eine innere Logik und dergleichen - das gehört in geisser Hinsicht zum Bereich des Öffentlichen, finde ich. Gedanken kann man erfassen. Das heißt für mich, sie können nicht einfach etwas "privates" oder "individuelles" sein. Oder?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 1. Sep 2017, 16:08

Was wir gemeinsam erlebten (von Julia Hartwig)

nicht aufgeschrieben
die Erinnerungen
wie ein brachliegender Garten
all diese Fragen
blieben ohne Antwort
...
das Innere ist unbekannt
und widerspricht allem
was in klarer Sprache gesagt wird

(gekürzt, aus Sinn und Form)

Als ich das las, fiel mir dieser Thread ein :-) Insbesondere natürlich beim letzten Absatz des Gedichtes.




Benutzeravatar
Elim Garak
Beiträge: 17
Registriert: Mi 20. Sep 2017, 16:44

Mi 20. Sep 2017, 17:25

Ich habe das Geschriebene ehrlich gesagt nur überflogen, es waren zu viele Beiträge.
Als ich einen Artikel in dieser Rubrik "Wissenschaftstheorie" sah, erwartete ich zwar etwas zu Positivisten und den Kampf Poppers, aber man kann ja nicht alles haben:

Mein Senf zu Sprache. Es ist in diesem Zusammenhang interessant das Lernverhalten von Menschen und Schimpansen zu betrachten. Menschen unterscheiden sich von Schimpansen dahingehend, dass Menschen imitierend lernen, vor allem in der Kindheit. Das ist meines Erachtens auch eine Voraussetzung für die Vielzahl unterschiedlicher, und sehr wortreicher Sprachen und Kulturen. Es ist zwar notwendig um komplexe Kulturen auszubilden, gleichzeitig erschwert es aber auch den Umgang mit anderen Individuen, die andere Dinge imitiert haben. Es sei denn, wir könnten in der Kindheit imitierend lernen, wie wir mit anderen Menschen umgehen.

Und Kinder gehen nicht in die Schule, weil sie ein gemeinsames Verständnis von Worten, Konzepten etc. haben.
Sie gehen eher in die Schule, damit sie ein gleiches Verständnis erlangen.

Achja, und zum Thema "Wahrheit" schweige ich mal. Siehe Signatur.



"Die Wahrheit, Doktor, die liegt im Auge des Betrachters. Ich erzähle nie die Wahrheit, weil ich der Ansicht bin, dass die Wahrheit nicht existiert." DS9 - Cardassians

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 26155
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 20. Sep 2017, 18:54

Ja, stimmt, diese Fähigkeit zu imitieren ist eine der Voraussetzung für den sogenannten Wagenhebereffekt. Das sehe ich so ähnlich.

Die Fähigkeiten mit anderen Menschen umzugehen werden aber nicht vollends gelernt, z.b. kommen Kinder mit der Veranlagung anderen zu helfen bereits zur Welt. Ich habe dazu irgendwo Materialien von Tomasello, ich könnte das mal raussuchen, WE. ich wieder etwas mehr Luft habe :)




Benutzeravatar
Elim Garak
Beiträge: 17
Registriert: Mi 20. Sep 2017, 16:44

Mi 20. Sep 2017, 19:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 20. Sep 2017, 18:54
Ja, stimmt, diese Fähigkeit zu imitieren ist eine der Voraussetzung für den sogenannten Wagenhebereffekt. Das sehe ich so ähnlich.

Die Fähigkeiten mit anderen Menschen umzugehen werden aber nicht vollends gelernt, z.b. kommen Kinder mit der Veranlagung anderen zu helfen bereits zur Welt. Ich habe dazu irgendwo Materialien von Tomasello, ich könnte das mal raussuchen, WE. ich wieder etwas mehr Luft habe :)
Ich kenne die Experimente dazu. Kinder bis zum Alter von 5 teilen häufiger. Später wird Teilen abgelehnt oder verhandelt. Dabei zeichnet sich der Teilende durch eine stärkere Verhandlungsposition aus.
Die Frage ist aber auch, ab wann der Mensch sich seiner Individualität in einer Gemeinschaft richtig bewusst wird. Es wäre auch interessant dahingehend ein Experiment zu machen, also zu schauen wie Kinder bis 5 und Kinder älter als 5 auf Fremde reagieren und zwar in Relation zu dem Verhalten gegenüber ihren Eltern, Geschwistern, Bekannten etc.
Die Fähigkeit zu Teilen erlangt das Kind bis 5 ja, weil es ein quasi hilfloses Lebewesen ist. Der Mensch ist viel länger von den älteren Individuen in der Gruppe abhängig als andere Säugetiere. Folglich erfährt es ja andauernd das Teilen von Ressourcen und es ist abhängig von dieser Teilung.



"Die Wahrheit, Doktor, die liegt im Auge des Betrachters. Ich erzähle nie die Wahrheit, weil ich der Ansicht bin, dass die Wahrheit nicht existiert." DS9 - Cardassians

Benutzeravatar
Elim Garak
Beiträge: 17
Registriert: Mi 20. Sep 2017, 16:44

Mi 20. Sep 2017, 19:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 20. Sep 2017, 18:54
Die Fähigkeiten mit anderen Menschen umzugehen werden aber nicht vollends gelernt, z.b. kommen Kinder mit der Veranlagung anderen zu helfen bereits zur Welt
Informationen zu dem Experiment hätte ich wirklich gerne. Denn ich frage mich, wie man das in Erfahrung bringen möchte. Natürlich sind gewisse Reflexe vorhanden, wie das Greifen nach etwas oder das saugen an etwas. Doch die Fähigkeit zu teilen, direkt nach Geburt?
Und wenn man dann eben wartet bis der Mensch etwas älter geworden ist, dann würde kein Ergebnis meine These von oben widerlegen können. Außer man würde den Menschen direkt nach Geburt isolieren und jeden Kontakt zu Menschen und anderen Lebewesen verhindern. Ethisch ist solch ein Experiment mit Menschen nicht machbar, ich weiß von Affenexperimenten, aber finde gerade keine Ergebnisse.
Ich meine, dass dieses Experiment bereits durchgeführt wurde, in der Vergangenheit. Und wenn ich mich recht entsinne ist es schiefgegangen und heute ist es ethisch nicht vertretbar. Damals auch nicht, aber da hat es eben keinen interessiert.

EDIT:
1. Zu den Affenversuchen habe ich mittlerweile etwas gefunden, es sind die Experimente von Harry Harlow an Resusaffen. Interessant: völlig isoliert aufgewachsene Affen sind unfähig Nachkommen aufzuziehen und in ihrem Sozialverhalten total gestört!
2. Versuche an Menschen reichen zwar bis Herodot zurück, sind aber Legenden.
Zuletzt geändert von Elim Garak am Mi 20. Sep 2017, 19:43, insgesamt 1-mal geändert.



"Die Wahrheit, Doktor, die liegt im Auge des Betrachters. Ich erzähle nie die Wahrheit, weil ich der Ansicht bin, dass die Wahrheit nicht existiert." DS9 - Cardassians

Benutzeravatar
iselilja
Beiträge: 1551
Registriert: Mi 26. Jul 2017, 19:53

Mi 20. Dez 2017, 12:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 30. Aug 2017, 09:24

Nur kurz, ich hoffe ich kann später noch mal darauf zurück kommen: es ist sicher richtig, dass einem Überlegungen und Entscheidungen niemand abnehmen kann. Das betrifft jedoch den Akt des Überlegens, den kann jeder nur selbst vollziehen. Aber Überlegungen haben meist einen Gegenstand, eine innere Logik und dergleichen - das gehört in geisser Hinsicht zum Bereich des Öffentlichen, finde ich. Gedanken kann man erfassen. Das heißt für mich, sie können nicht einfach etwas "privates" oder "individuelles" sein. Oder?
Ich musste mich jetzt erst einmal wieder ein wenig in den roten Faden einlesen, bevor ich darauf antworten kann. Ist ja auch schon wieder etwas her. :-)

Ich glaube worauf ich mit meiner Argumentation hinaus wollte (also auch dem Titel des Threads geschuldet) und auch immer noch will, ist die innere Gewißheit, dass man selbst einfach da ist. Vgl. dazu Heideggers Daseins-Begriff - das läuft in etwa in diese Richtung. Die primäre Privatheit des eigenen Daseins ist mE auch der Schlüssel zum Verstehen dieses Threads, denn ich bin ja da in dieser Welt, die ich von Geburt an primär für mich erschließen muss, um darin leben/überleben zu können (in der Welt steht ja nirgends geschrieben, wie ich diese Welt zu erschließen hätte, auch in den Genen steht nicht, welche Fehler ich machen muss um selbst daraus lernen zu können). Was nicht ausschließt, dass ich bedingt (vornehmlich in der Wachstumsphase) auf Hilfe von anderen Menschen angewiesen bin und damit die Intersubjektivität (die Öffentlichkeit) eine substanzielle Rolle spielt. Das steht auch für mich soweit außer Frage. Und dennoch, bin ich es der entscheiden muss, welche Hilfe er annimmt und welche intersubjektiven Übereinstimmungen (bspw. wahre Aussagen) er auch für richtig anerkennt, damit sie in seinem Leben eine Rolle spielen / einen für das eigene Dasein relevanten Sinn ergeben. Ja es erfordert geradezu die Privatheit des eigenen Denkens, das allgemein Anerkannte (Intersubjektive/Öffentliche) überhaupt bezweifeln zu können - siehe Kopernikus.

Kannst Du damit soweit etwas anfangen?

ps: Um Deine Frage aber jetzt endlich auch zu beantworten.. ich denke nicht, dass es eine Frage ist, ob das Öffentliche quantitativ höher gewichtet ist als das Private. Dieser Thread soll das private etwas mehr ins Bewußtsein zurückrufen, da es allenortes (gerade in der Wissenschaft) zu sehr negiert wird. Wir brauchen nämlich beides um menschenmöglich leben zu können. Ich glaube, uns kommt das Öffentliche nur deshalb so wichtig vor, weil wir inzwischen so viele sind, und wir eigentlich kaum noch die Chance haben, diesem auszuweichen. Wäre man plötzlich ganz allein auf der Erde, würde man in diesem Moment auch begreifen, dass sich deswegen die Welt um einen herum nicht aufhört zu drehen.

pps: Und auch Kant ermutigt nicht grundlos dazu, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Das ist mE genau das, was dieses Zentrum der Welt ausmacht. Die Welt dreht sich um mich, solange ich sie erschließe.. ich selbst bin der unbewegte Beweger nach Aristoteles. Man sollte das auch nicht mit einem Solipsismus verwechseln, dessen Kernaussage ja im Grunde wäre, ich bin der substanzlose Erschaffer dieser Welt.




Antworten