Wenn ich (Gott bewahre) eine Totalamnesie erleiden würde ... und aus dem Nichts erwache, konnte ich dennoch zurecht sagen, dass ich jetzt wach bin. Selbst wenn ich dann frage: "Wer bin ich?" und nichts mehr über mich weiß, so doch immerhin dies: "Ich bin ich." Oder?
Wer, wie, was ist "ich"?
- Jörn Budesheim
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Wahrscheinlich ja. Das Ich bleibt gesetzt über alle Veränderung hinweg, die ich als dieses Ich durchmache, allein dadurch, dass ich bin. Auch wenn ich im Koma läge (Gott bewahre) und keine Erkenntnis hätte: Ich hörte nicht auf Ich zu sein.
Aber deshalb wäre ichdennoch ein anderer als heute, verändert, gealtert oder wie auch immer neu. Ich bin nicht einfach Ich in einer für immer feststelltbar einheitlichen Form.
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Alle lächeln in derselben Sprache.
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- Jörn Budesheim
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"Die Herausbildung des Ich ist ein ontogenetischer Prozess, bei dem es z.b. die markante Stufe gibt, dass Kinder im Alter von 18 Monaten lernen, sich selbst im Spiegel zu erkennen. Bemerkenswerterweise können dies auch Schimpansen, Delfine und Elefanten, sodass ich zwei Frage stellen: Wie entwickelt sich das menschliche Ich? Und: Gibt es Vorstufen eines voll ausgebildeten Ich, die wir schon im Tierreich finden können? Bei normaler Entwicklung bildet sich mit dem dritten Lebensjahr ein autobiographisches Gedächtnis heraus, dass beim Erwachsenen zunehmend ausgefeilter wird." (Albert Newen, Handbuch philosophischer Grundbegriffe)
- Friederike
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Meine Frage danach, in welchem Lebensalter Kinder ungefähr lernen "ich"-Sätze zu sprechen, beruhte auf einem Irrtum. Unterstellt, Ihr hättet konkrete Daten nennen können, dann wäre ich um nichts schlauer gewesen. Wenn ein Kind einen "ich"-Satz sagt, dann bedeutet dies nichts weiter, als daß das Kind die Anwendung von "ich"-Sätzen gelernt hat. Der Hintergrund meiner Frage war jedoch der, daß es mir um die Herausbildung des "Ich" oder des Selbstbewußtseins ging.
Mein Vorschlag ist, daß wir die Wörter "Ich" und "Selbstbewußtsein" wegen Untauglichkeit ad acta legen. Gemeint ist doch die Fähigkeit einer Person, sich selbst zum Objekt zu machen? Oder noch einfacher, über die eigene Person, ihre Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen Aussagen zu machen. Die Spiegelgeschichte und die Tiere würde ich weglassen, weil sie ähnlich "dunkel" ist wie der Begriff "Ich".
Was ich interessant finde, das ist der Ausdruck "autobiographische Erinnerung". Den habe ích im Kontext der Entwicklungsgeschichte noch nie gehört. @Jörn, kannst Du etwas dazu sagen, wie man bei dreijährigen Kindern das Vorhandensein dieser auf die eigene Person bezogenen Erinnerung feststellt? Also beispielsweise so, daß das Kind sagen kann "ich war gestern bei der Großmutter"?
Mein Vorschlag ist, daß wir die Wörter "Ich" und "Selbstbewußtsein" wegen Untauglichkeit ad acta legen. Gemeint ist doch die Fähigkeit einer Person, sich selbst zum Objekt zu machen? Oder noch einfacher, über die eigene Person, ihre Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen Aussagen zu machen. Die Spiegelgeschichte und die Tiere würde ich weglassen, weil sie ähnlich "dunkel" ist wie der Begriff "Ich".
Was ich interessant finde, das ist der Ausdruck "autobiographische Erinnerung". Den habe ích im Kontext der Entwicklungsgeschichte noch nie gehört. @Jörn, kannst Du etwas dazu sagen, wie man bei dreijährigen Kindern das Vorhandensein dieser auf die eigene Person bezogenen Erinnerung feststellt? Also beispielsweise so, daß das Kind sagen kann "ich war gestern bei der Großmutter"?
- Jörn Budesheim
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Gemeint ist doch nicht nur die Fähigkeit einer Person, sich selbst zum Objekt zu machen! Ich finde, dass sehr viel mehr gemeint ist :-) Und wir haben ja auch schon einiges zusammen getragen, finde ich.
Ich als Zentrum der Erkenntnis-Perspektive auf die Welt. Ich als das Subjekt dieser Erkenntnis (Ich weiß es, es ist mein Wissen.)
Ich als Zentrum der Perspektive auf das Ich. Das Ich, das sich selbst unmittelbar gegeben ist. “Das Ich ist ein empfundener Bezug zu sich selbst.” (Alethos) Dazu gehört das “Ich”, welches einen Körper hat: Das sind meine Arme und Beine.
Das Ich als Urheber der eigenen Handlungen.
(Die Person, die ich bin, ist ein spezifisches Exemplar der Ich-Gattung, welches für diese Handlungen gegenüber anderen Exemplaren einstehen kann/muss)
Das Ich als Player im Spiel des Gebens und Nehmens der Gründe. Als Autorität und Verantwortlicher für den eigenen Einsatz, das Gesagte und Getane.
Das Ich als Zentrum der eigenen Autobiografie, der diversen Geschichten.
Das Ich als Subjekt der Freiheit
Das Ich, das sich (mit)konstituiert, indem es sich eine Bild von sich selbst macht.
Das Ich als das Begehrende …
Das Ich, das geboren wurde und sterben muss.
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Da fehlt sicher einiges und man konnte es auch besser ordnen, aber es ist ziemlich sicher ziemlich vielfältig :-)
Friederike hat geschrieben : ↑Mi 30. Mai 2018, 07:58Mit dem sprachlichen "ich" werden gesellschaftliche Subjekte hervorgebracht.
Ich als Brennpunkt/Schwerpunkt/Zentrum der Wahrnehmungs-Perspektive auf die Welt. Ich als das Subjekt dieser Erfahrung (Man nimmt alles vom eigenen Standpunkt aus wahr und ist der/diejenige, die/die es wahrnimmt. Ich habe es gesehen, es war meine Erfahrung.)
Ich als Zentrum der Erkenntnis-Perspektive auf die Welt. Ich als das Subjekt dieser Erkenntnis (Ich weiß es, es ist mein Wissen.)
Ich als Zentrum der Perspektive auf das Ich. Das Ich, das sich selbst unmittelbar gegeben ist. “Das Ich ist ein empfundener Bezug zu sich selbst.” (Alethos) Dazu gehört das “Ich”, welches einen Körper hat: Das sind meine Arme und Beine.
Das Ich als Urheber der eigenen Handlungen.
(Die Person, die ich bin, ist ein spezifisches Exemplar der Ich-Gattung, welches für diese Handlungen gegenüber anderen Exemplaren einstehen kann/muss)
Das Ich als Player im Spiel des Gebens und Nehmens der Gründe. Als Autorität und Verantwortlicher für den eigenen Einsatz, das Gesagte und Getane.
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Da fehlt sicher einiges und man konnte es auch besser ordnen, aber es ist ziemlich sicher ziemlich vielfältig :-)
Das ist, denke ich mal, die Ausgangslage, an der sich meine wiederkehrende Frage immer dreht.Jörn:
(Man nimmt alles vom eigenen Standpunkt aus wahr und ist der/diejenige, die/die es wahrnimmt. ...)
Warum sehe ich die Welt nur mit meinen Augen. Wie kann es sein, dass nur man die Welt nur aus einer Perspektive sieht, und dies bei 8 Mrd. Menschen auf der Welt.
Nee, ich denke da jetzt nicht weiter darüber nach.....
Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)
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- Jörn Budesheim
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Ich denke, ähnliche Fragen haben wir gewälzt, als wir Thomas Nagel in den Thread über das objektive Selbst diskutiert haben :) da hast du was verpasst!
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Die Aufgabe ist das Sammeln gewesen, ja. Und ich wollte alle Bedeutungen des groß geschriebenen "Ich" unter einen einzigen Begriff zu bringen versuchen. Das scheint mir jetzt allerdings eine ähnliche Reduzierung des Vielfältigen wie die, "ich" für den Namen, mit dem jede Person sich selbst bezeichnet, zu reservieren (und das großgeschriebene Ich zu streichen). Das heißt, "ich" nur in der sprachlich-grammatikalischen Verwendung für sinnvoll zu halten. Denn das Zusammentragen hat ja gerade ergeben, daß wir in unterschiedlichen Zusammenhängen vom "Ich" sprechen und damit unterschiedliche Phänomene der jeweils eigenen Person entfalten.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 1. Jun 2018, 17:10Gemeint ist doch nicht nur die Fähigkeit einer Person, sich selbst zum Objekt zu machen! Ich finde, dass sehr viel mehr gemeint ist Und wir haben ja auch schon einiges zusammen getragen, finde ich.
Ich sehe mich so individuell, dass ich mich absolut nicht mit einem verallgemeinernten "Ich" in Gänze identifiziert sehe.
Ich sehe mich nicht als Variation. Ich bezeichne mit "ich" absolut nur mich aus jeweiliger Perspektive.
Ich sehe mich nicht als Variation. Ich bezeichne mit "ich" absolut nur mich aus jeweiliger Perspektive.
""Wahrheit" ist immer nur theoretisch." proximus
- Friederike
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Ich möchte nachfragen, weil ich unsicher bin, ob ich Dich richtig verstehe. "ich" ist immer "ich, hier, jetzt"?
Ich bedeute mit "Ich" mich, die jeweilige Perspektive, die ich mit dem je Ausgesagten bedeuten möchte.Ich möchte nachfragen, weil ich unsicher bin, ob ich Dich richtig verstehe. "ich" ist immer "ich, hier, jetzt"?
Auch "Hier" und "Jetzt" sind für mich Perspektiven unter anderen.
Und da (hier und jetzt) ist m.E. auch Fantasie.
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Dann haben wir da also noch ein öffentliches und ein privates Ich.Stefanie hat geschrieben : ↑So 20. Mai 2018, 19:03Es scheint so, dass viele Menschen entweder den öffentlichen Raum auf der Straße etc. jetzt auch als geschützten Raum empfinden, oder einfach nicht darüber nachdenken, dass sie sich nicht in den eigenen Wänden mit ihrer Privatsphäre befinden. Andererseits... werden sie darauf aufmerksam gemacht, wo sich gerade befinden, reagieren manchen fast schon aggressiv, weil man gezwungerermaßen in ihren privaten Bereich eingedrungen ist. Dann ist es auf einmal wieder ein privater Raum.
Oder eher ein "Soziales Ich"?
"Ein Mensch hat so viele soziale Ich's, wie es Individuen gibt, die ihn beobachten." (William James) Allerdings kann man sich gegen die Blicke der anderen offenbar auch immunisieren und abkapseln.
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Hermann Schmitz hat geschrieben : Bei Mach haben wir den Satz „Das Ich ist unrettbar“. Es wird ersetzt durch einen Komplex von Empfindungen. Dabei darf man nicht fragen: „Wer hat die Empfindungen?“. Niemand hat die Empfindungen. ...
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Ich will unserer Ich-Sammlung noch etwas unverzichtbares hinhören: "Wo Es war, soll Ich werden" (Freud)
Dass dies eine Sammlung sein/werden soll ist mir nun deutlicher geworden.
Deine Frage will ich noch beantworten.
Eine verallgemeinernte Aussage die mit z.b. "das Ich" bezeichnet ist.
Beispiel: Das Ich ist grün.
Deine Frage will ich noch beantworten.
So richtig klar ist mir das nicht. Was ist ein "verallgemeinertes Ich" ?
Eine verallgemeinernte Aussage die mit z.b. "das Ich" bezeichnet ist.
Beispiel: Das Ich ist grün.
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