Nicht offen?
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@ Jörn Budesheim, @ Quk
Ich widerspreche. Auch die empirische Welt ist nicht offen für unendlich viele Erfahrungen, es sind nur wenige substantielle Erfahrungen, die relevant sind. Selbstverständlich ist die Kenntnis eines individuellen Lebewesens in der Raumzeit unendlich, aber das ist eine rein extensionale Größe, eines meiner Lieblingsworte, das wieder auf Ablehnung stoßen dürfte. Was zu des Tieres Taxonomie gehört, ist doch einfach abzuzählen, und da kann zwar eine Differenzierung notwendig werden, weil sich eine Variante abspaltet, das kann man aber nicht unendlich offen nennen. Einem Huftier wachsen keine Flügel.
Umgekehrt sind zwar mathematische Objekte ziemlich abgeschlossen, aber, wie ich schon sagte, mit jeder Differenzierung öffnet sich der mathematische Raum. Hat man sich einmal Gedanken über die Metrik gemacht, muß man die unterschiedlichsten Metriken berücksichtigen.
Ich widerspreche. Auch die empirische Welt ist nicht offen für unendlich viele Erfahrungen, es sind nur wenige substantielle Erfahrungen, die relevant sind. Selbstverständlich ist die Kenntnis eines individuellen Lebewesens in der Raumzeit unendlich, aber das ist eine rein extensionale Größe, eines meiner Lieblingsworte, das wieder auf Ablehnung stoßen dürfte. Was zu des Tieres Taxonomie gehört, ist doch einfach abzuzählen, und da kann zwar eine Differenzierung notwendig werden, weil sich eine Variante abspaltet, das kann man aber nicht unendlich offen nennen. Einem Huftier wachsen keine Flügel.
Umgekehrt sind zwar mathematische Objekte ziemlich abgeschlossen, aber, wie ich schon sagte, mit jeder Differenzierung öffnet sich der mathematische Raum. Hat man sich einmal Gedanken über die Metrik gemacht, muß man die unterschiedlichsten Metriken berücksichtigen.
- Jörn Budesheim
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Ich bin mir nich nicht sicher was du mit dem Beispiel zeigen willst... aber ganz unabhängig davon und am Rand bemerkt: gemalte Kreise für sich kommen ja eigentlich nicht wirklich in der Wirklichkeit vor, sondern gemalte Kreise auf einem Stück Papier oder an einer Wand oder gesprüht mit Spray an einer Garagentür und so weiter...
- Jörn Budesheim
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Stellen wir uns vor, ein Glas steht am Rande eines Tisches, über den Tischrand hinaus, so dass es in einer "instabilen" Position ist, bzw zu sein scheint. In diesem Fall sehen wir nicht nur das Glas, sondern, dass es möglicherweise fallen könnte, vom Fallen bedroht ist. Abstrakt gesagt, was wir sehen, sehen wir immer vor einem Horizont von Möglichkeiten. Ich denke, das kann auch zu der besagten Offenheit für Erfahrungen gehören.
"Mathematischen Gegenständen entsprechen andere Bewusstseinsstrukturen als empirischen Gegenständen. Letztere lassen immer Erfahrungen offen, während mathematische Sätze keine Steigerung der Einsicht zulassen." (Ferdinand Fellmann)
Was soll ich mir eigentlich unter "Bewusstseinsstrukturen" vorstellen? Bitte nur ernstgemeinte Antworten.
Noch ein Beispiel: Wenn ich aus der Entfernung jemand einen Einkaufswagen Richtung Parkplatz schieben sehe, der Einkauswagen ist bis oben gefüllt, dann sehe ich im Prinzip ja eine kleine Geschichte, obwohl ich nur einen winzigen Ausschnitt davon sehe. Vermutlich sehe ich gerade jemanden, der eingekauft, zu seinem Wagen geht und die Einkäufe für die Woche nach Hause fährt, vielleicht hat er auch Besuch oder plant eine Party.
"Mathematischen Gegenständen entsprechen andere Bewusstseinsstrukturen als empirischen Gegenständen. Letztere lassen immer Erfahrungen offen, während mathematische Sätze keine Steigerung der Einsicht zulassen." (Ferdinand Fellmann)
Was soll ich mir eigentlich unter "Bewusstseinsstrukturen" vorstellen? Bitte nur ernstgemeinte Antworten.
Noch ein Beispiel: Wenn ich aus der Entfernung jemand einen Einkaufswagen Richtung Parkplatz schieben sehe, der Einkauswagen ist bis oben gefüllt, dann sehe ich im Prinzip ja eine kleine Geschichte, obwohl ich nur einen winzigen Ausschnitt davon sehe. Vermutlich sehe ich gerade jemanden, der eingekauft, zu seinem Wagen geht und die Einkäufe für die Woche nach Hause fährt, vielleicht hat er auch Besuch oder plant eine Party.
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Ich kann leider nur antworten, ohne den Sinn der Fragen verstanden zu haben.
Ein gemalter Kreis besteht aus einer nur annähernd kreisrunden Linie, genauer einer Farbbahn, die vielleicht mehrfach angesetzt, übermalt, verschmiert ist. Ein mathematischer Kreis ist eine ideale eindimensionale unendliche Punktmenge, die man sich mit einer vom Zirkel gezeichneten Linie veranschaulichen kann. Allerdings kann man bei einer dichtliegenden Punktemenge, die von einer stetig differenzierbaren Funktion beschrieben wird, auch von einer Linie oder Kurve reden. Dann ist der Kreis eine geschlossene Linie/Kurve, die einen konstanten Abstand von einem Punkt hat.
Ja. Also gibt es da unendlich viele Einsichten.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Sa 26. Okt 2024, 23:36Ein mathematischer Kreis ist eine ideale eindimensionale unendliche Punktmenge.
In einem empirisch abtastbaren Farbkleks sind ebenfalls unendlich viele Einsichten möglich, zum Beispiel weil er sich wegen des Quantenrauschens ständig verändert.
(Nebenthema: Warum ein idealer Kreis eindimensional sein soll, verstehe ich nicht. Ich fasse ihn zweidimensional auf.)
- Jörn Budesheim
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Weil ein gemalter Kreis gar keine Punkte hat, sondern aus Farbe, Graphit, einer Einritzung und vielem anderen mehr auf diversen Untergründen besteht.Quk hat geschrieben : wie viele Punkte hat ein gemalter Kreis? Wie viele Punkte hat ein mathematischer Kreis?
- Jörn Budesheim
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Fellmann hat geschrieben : Mathematischen Gegenständen entsprechen andere Bewusstseinsstrukturen als empirischen Gegenständen. Letztere lassen immer Erfahrungen offen, während mathematische Sätze keine Steigerung der Einsicht zulassen.
Diese Formulierung ist wertvoll.
Wichtig ist aber meines Erachtens, dass Fellmann von anderen Bewusstseinsstrukturen spricht. Gemäß deiner eigenen Formulierung ist Erfahrung der fraglichen empirischen Gegenstände sinnlich und immer für weitere Erfahrungen offen, während mathematische Sätze rational sind (und wenn man die Regel beim Kreis entdeckt hat) lässt das keine weitere Steigerungen (dieser Einsicht) zu.
Fellmann entspricht ja bei den empirischen Gegenständen nicht von Einsichten, sondern von Erfahrungen, wie du selbst sagst von Sinnlichkeit. Und die Sinnlichkeit ist nur auf einen bestimmten Bereich der Wirklichkeit zugeschnitten. Das Quantenrauschen gehört meines Erachtens nicht dazu.
- Jörn Budesheim
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Nehmen wir noch mal den Kreis als Beispiel. Wenn wir ihn sehen können, wissen wir damit, dass es sich nicht wirklich um einen Kreis handelt, sondern nur um einen Stellvertreter oder ein Symbol, wie immer man es nennen will. Dennoch können wir dann unsere Bewusstseinsstrukturen so justieren, dass wir nicht primär die sinnliche Wahrheiten des Kreises in den Blick nehmen, etwa die bestimmte Kreide-Textur auf der grünschwarzen Tafel, sondern eben sein geometrisches Sein. Wir können davon abstrahieren, dass er gezeichnet ist, und uns einem anderen Seinbereich zuwenden, so dass unsere Einsichten bei bestimmten wahren Sätzen einrasten können. Wir können aber auch jeden Moment umjustieren, die Bewusstseinsstruktur also wechseln und ihn als Zeichnung sehen.
Wenn wir denselben Kreis jedoch nicht von der Schulbank aus, sondern beim Schlendern durch eine Kunstausstellung sehen, ist es vielleicht angemessen ihn in einer Art Mix Struktur des Bewusstseins als gezeichneten Kreis in den Blick zu nehmen.
Die Wirklichkeit ist für uns lesbar, weil wir uns für unterschiedliche Bereiche unterschiedlich justieren können.
Ich habe natürlich nicht die geringste Ahnung, ob unsere gemeinsamen unterschiedlichen Interpretationen der Intention von Fellmann entsprechen, finde aber solche freien Reflexionen dennoch interessant.
Wenn wir denselben Kreis jedoch nicht von der Schulbank aus, sondern beim Schlendern durch eine Kunstausstellung sehen, ist es vielleicht angemessen ihn in einer Art Mix Struktur des Bewusstseins als gezeichneten Kreis in den Blick zu nehmen.
Die Wirklichkeit ist für uns lesbar, weil wir uns für unterschiedliche Bereiche unterschiedlich justieren können.
Ich habe natürlich nicht die geringste Ahnung, ob unsere gemeinsamen unterschiedlichen Interpretationen der Intention von Fellmann entsprechen, finde aber solche freien Reflexionen dennoch interessant.
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Der Kreis ist als eine (geschlossene) Linie/Kurve auf einer zweidimensionalen Fläche eine eindimensionale Figur. Der Punkt ist dimensionslos. Eine quadratische Punktemenge wäre wie eine verzweigte Linie eine zweidimensionale Fläche.
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So ist es. Der Kreis ist eine Eigenschaft einer Punktemenge, nicht eines einzelnen Punkts. Am einzelnen Punkt mache ich nur eine punktuelle Erfahrung. Der Kreis ist ein komplexes Ding, in dem die Punkte nicht isoliert, herausgenommen werden können. Wenn ich aus der Gleichung x²+y²=r² einen einzigen Punkt herausnehme, zB aus dem Einheitskreis den Punkt (1/√2,1/√2), habe ich keinen Kreis mehr. Sehen kann man das freilich nicht, da der sichtbar gemachte, mit dem Zirkel gezogene Kreis kein Kreis ist, vom Kreis durch den 0-dimensionalen Punkt nichts abgezogen wird. Ich könnte den Kreis als reellen Kreis (mit reellen Koordinaten) und als rationalen Kreis verstehen, der eine besteht aus einer abzählbaren Punktemenge, der andere aus einer überabzählbaren. Aussehen, wenn ich Eindimensionalität sehen könnte, täten sie beide gleich, denn beide Punktmengen liegen dicht. Hier kann ich von der überabzählbaren Menge eine überabzählbare abziehen, und habe immer noch eine abzählbar unendliche Menge. Aber einen ganz anderen mathematischen Gegenstand.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 27. Okt 2024, 05:46Alle diese Punkte existieren nach einer einzigen Regel, sie haben denselben Abstand vom Mittelpunkt.
Aber nicht den selben Winkel. Unendlich viele Winkel bilden einen geschlossenen Kreis, andernfalls wäre der Kreis offen, womit wir zufällig einen weiteren Aspekt zum Thema bekommen: Ein Kreis ist nicht offen. -- Eine Linie übrigens auch nicht. Wir brauchen dazu keinen Kreis. Wir brauchen nur etwas, das größer ist als nichts.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 27. Okt 2024, 05:46Alle diese Punkte existieren nach einer einzigen Regel, sie haben denselben Abstand vom Mittelpunkt.
Alles was größer ist als ein unendlich kleiner Punkt -- nehmen wir ein Gemälde --, bietet unendlich viele Punktbetrachtungen. Die Betrachtung jedweden Punktes und jedweder Punktekombination ist empirisch und erkenntnistheoretisch nicht weniger sinnvoll als die Betrachtung eines Ritzes oder Goldatoms oder Ockerpigments auf einer Leinwand. Außerdem fokussieren all diese speziellen Betrachtungen abermals Punktekombinationen -- innerhalb des Ritzes, des Atoms, des Pigments und so weiter. Des Weiteren spielt da die zeitliche Veränderung mit, denn Empirie und Erkenntnis sind immer zeitliche Prozesse und damit veränderlich: Kaum hast du etwas gelernt, schon gibt es etwas neues, nämlich mindestens die neue Erfahrung, die wiederum neue Fragen aufwirft.
- Jörn Budesheim
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Du sprichst hier durchgängig von "betrachten", aber Kreise sind gar nicht empirisch gegeben, man kann sie überhaupt nicht betrachten.
Sicher. Kein Einwand meinerseits.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 27. Okt 2024, 06:20Nehmen wir noch mal den Kreis als Beispiel. Wenn wir ihn sehen können, wissen wir damit, dass es sich nicht wirklich um einen Kreis handelt, sondern nur um einen Stellvertreter oder ein Symbol, wie immer man es nennen will. Dennoch können wir dann unsere Bewusstseinsstrukturen so justieren, dass wir nicht primär die sinnliche Wahrheiten des Kreises in den Blick nehmen, etwa die bestimmte Kreide-Textur auf der grünschwarzen Tafel, sondern eben sein geometrisches Sein.
Zwischendurch möchte ich um eine Klärung bitten: Was meint Fellmann mit "mathematischer Satz"? Ist das eine mathematische Formel? Oder ist das auch eine mathematische Beschreibung wie etwa "Punkt A ist bei Winkel 7°, Radius 9 Einheiten"?
Ich kann sie betrachten. Vielleicht habe ich eine besondere Begabung?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 27. Okt 2024, 10:51Du sprichst hier durchgängig von "betrachten", aber Kreise sind gar nicht empirisch gegeben, man kann sie überhaupt nicht betrachten.
Ich verstehe es nicht. Wieso?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 27. Okt 2024, 10:51Du sprichst hier durchgängig von "betrachten", aber Kreise sind gar nicht empirisch gegeben, man kann sie überhaupt nicht betrachten.
Ich sehe jeden Tag gemalte Kreise. Jeder und jede sieht welche. Über jeden gibt es kurze und lange Geschichten. Über mache können sich Menschen auch richtig aufregen.
Der, die, das.
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
(Sesamstraße)
Wer, wie, was?
Wieso, weshalb, warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm!
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- Jörn Budesheim
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Ja sicher, Bilder von Kreisen gibt es, es gibt auch in Geometriebüchern Hilfskonstruktionen Illustrationen, um sich die Welt der Geometrie vorzustellen, aber geometrische Kreise, Quadrate, Dreiecke etc. sind abstrakte Gegenstände.