Aus der Mathematik lernen

Die Philosophie der Mathematik fragt, ob mathematische Objekte wie Zahlen existieren. Sie fragt nach der erstaunlichen Effektivität mathematischer Modelle in den Naturwissenschaften und wie mathematische Erkenntnisse gewonnen werden.
Wolfgang Endemann
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So 7. Jul 2024, 18:10

Nicht immer. Manchmal wundert man sich, warum ein Gebäude nicht als Kartenhaus schon längst zusammengestürzt ist.




Timberlake
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Di 13. Aug 2024, 01:16

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
So 7. Jul 2024, 11:05
Wie ich schon sagte: die Unendlichkeit der Menge der Primzahlen liegt im Begriff, ist aber nicht unmittelbar erkennbar. Damit ist sie nach der einen Definition analytisch, nach der anderen nicht. Und das gilt für alle nichttrivialen mathematischen Sachverhalte. Hier spielt dann noch eine Rolle der spezifische Charakter der mathematischen Sachverhalte, sie werden heute, nach der großen Grundlagenkrise der Mathematik, als axiomatisierte verstanden, dh nicht als Realstrukturen, sondern als mögliche, setzbare, als hypothetische Wahrheit. Die Sache verkompliziert sich, weil es Begriffsrealisten gibt.
Nur mal so als Frage . Meinst du mit der großen Grundlagenkrise der Mathematik Gödels Unvollständigkeitssätze ...

spektrum.de hat geschrieben :
Gödels Unvollständigkeitssätze: Ein Schock für Mathematiker

Gödel lässt den Traum platzen

Im 20. Jahrhundert träumten viele Mathematikerinnen und Mathematiker davon, ein solches Fundament zu finden und zu beweisen, dass es sowohl vollständig (alle mathematischen Wahrheiten lassen sich damit beweisen) als auch konsistent ist, also nicht zu Widersprüchen führt. Doch ein gerade einmal 25-jähriger Logiker, Kurt Gödel, machte 1931 die Hoffnungen zunichte: Sein erster Unvollständigkeitssatz besagt, dass es in allen hinreichend starken widerspruchsfreien Systemen zwangsläufig unbeweisbare Aussagen gibt. Und als wäre das nicht genug, legte er einen zweiten Unvollständigkeitssatz nach, wonach hinreichend starke widerspruchsfreie Systeme nicht beweisen können, dass sie widerspruchsfrei sind.

»Gott existiert, weil die Mathematik konsistent ist. Der Teufel existiert, weil wir es nicht zeigen können«
André Weil

Wenn gleich mir nun allerdings nicht ganz klar ist , was man daraus für das (nicht mathematische) Leben lernen kann , um dazu auf die Frage des Themenstarters zurück zu kommen ...
Burkart hat geschrieben :
Sa 1. Jun 2024, 11:51

Die Mathematik ist ja eigentlich für Zahlen u.ä. geschaffen und wird meist in diesem Sinne benutzt, gerne auch in entsprechend Mathematik-lastigen anderen Wissenschaften u.ä., die Physik z.B. kommt oft ohne sie gar nicht aus.
Klar, man kann auch über sie philosophieren und so als Objekt analysieren.
Aber seht ihr es auch, dass man aus der Mathematik für das (nicht mathematische) Leben lernen kann?

Möglicherweise weiß ja Wolfgang Endemann eine Antwort auf diese Frage.
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
So 7. Jul 2024, 10:22


"Analytische Urteile
Junggesellen sind unverheiratet. (1)
Katzen sind Tiere. (2)
Tische sind Möbelstücke. (3)
Brüder sind männliche Geschwister. (4)
Goldringe bestehen aus Gold. (5)
Uhren messen die Zeit. (6)


Die Urteile a1 bis a6 sind korrekt. Sie beruhen auf dem aristotelischen Sprachaufbau, also sind 1. widerspruchsfrei definiert (wie a1 und a6) und stehen 2. im Falle von a2 bis a5 in einem korrekten Teil-Ganzes-Verhältnis (mengentheoretisch: Enthaltensein). Nach diesen Beispielsätzen sind a-Urteile trivial.

So könnte ich mir vorstellen , dass es deshalb auch in diesen (nicht mathematischen) hinreichend starken widerspruchsfreien Systemen zwangsläufig unbeweisbare Aussagen gibt. So zu sagen Gödels Unvollständigkeitssätze: Ein Schock für die , die da meinen , dass die Urteile a1 bis a6 korrekt sind.

spektrum.de hat geschrieben :
Gödels Unvollständigkeitssätze: Ein Schock für Mathematiker

Gödel lässt den Traum platzen

Konkret bedeutet das: Sobald man ein Fundament gefunden hat, das mächtig genug ist, um die bekannten Zusammenhänge der modernen Mathematik zu erzeugen, enthält es zwangsläufig Aussagen, die sich weder beweisen noch widerlegen lassen. Darüber hinaus kann man nicht herausfinden, ob das Axiomensystem nicht vielleicht doch irgendwann zu einem Widerspruch führt, etwa einer offensichtlich falschen Aussage wie 2 = 1.
Möglicherweise kann man auch bei diesen (nicht mathematischen) Axiomensystemen nicht herausfinden , ob sie nicht vielleicht doch irgendwann zu einem Widerspruch führen , etwa einer offensichtlich falschen Aussage wie Junggesellen sind verheiratet.




Wolfgang Endemann
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Di 13. Aug 2024, 11:26

Timberlake hat geschrieben :
Di 13. Aug 2024, 01:16

Nur mal so als Frage . Meinst du mit der großen Grundlagenkrise der Mathematik Gödels Unvollständigkeitssätze ...
Ja, genauer: die Periode von der ersten Entdeckung der Antinomie der Cantorschen Mengenlehre durch Russell bis zur endgültigen Lösung durch Gödel.
Der Weilsche Spruch ist ein bon mot, selbstverständlich metaphorisch zu begreifen. Man könnte auch sagen, es ist die Tragik der conditio humana, daß die Natur uns mit der Fähigkeit zu Denken ausgestattet hat und gleichzeitig verwehrt hat, bis zu Ende denken zu können.

"was man daraus für das (nicht mathematische) Leben lernen kann , um dazu auf die Frage des Themenstarters zurück zu kommen"
Man sollte zweierlei daraus lernen: 1. Denken ist eine mühsame Tätigkeit, die schiefgehen kann. Hauptsächlich kann man das Denken nicht schematisieren, automatisieren, es muß reflektierbar bleiben. 2. kann man sich auf die Gesetze der Logik verlassen. Man kann mit ihnen zwar keine Wahrheit erzeugen, aber man kann mit ihnen auch nichts falsch machen, sie führen zu keinen Fehlern, wenn der Fehler nicht schon in den Vorannahmen steckt. Nicht ganz trivial ist bspw der Schluß von A→B auf ⌐B→⌐A.

"deshalb auch in diesen (nicht mathematischen) hinreichend starken widerspruchsfreien Systemen zwangsläufig unbeweisbare Aussagen gibt."
Wenn eine inhaltliche (i.e. eine naturwissenschaftliche) Theorie die Mathematik auf einem Niveau, das mindestens die Stärke der Peanoarithmetik besitzt, das sind alle Wissenschaften, die stetige Vorgänge beschreiben, Bewegungsgesetze formulieren, mit kontinuierlichen Größen arbeiten, also mit reellen Zahlen, einsetzt, überträgt sich die Unvollständigkeit auf die inhaltliche Theorie, dann können wir nicht mehr das Wissensgebiet vollständig theoretisch erfassen, dann sind uns unentscheidbare Sachverhalte gegeben.
Auf unser Alltagsdenken hat das allerdings keinen Einfluß, das bleibt auf der anschaulich-intuitiven Ebene, da denken wir unterhalb der Ebene, auf der die prinzipiellen Grenzen des Denkens sichtbar werden.




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