Aus der Mathematik lernen
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Ich habe gesagt, die Ausgedehntheit ist in derselben Weise an die Dinglichkeit gebunden wie die Schwere, also kann man nicht das eine ein analytisches Urteil nennen, das andere ein synthetisches, beide Urteile sind von gleicher Art. Mein Urteil "Quatsch" ist sehr viel harmloser als das Urteil "falsch", denn ich konzediere, daß man so, wie hier Kant zitiert wird, argumentieren kann. Allerdings kann man ebenso gut umgekehrt argumentieren und kommt zum gegenteiligen Urteil. Relativ gesehen hat man jedesmal richtig argumentiert, aber wenn dabei gegensätzliche Urteile herauskommen, ist das eben nicht sinnvoll, das meint Quatsch. Daher sage ich, auf diese perspektivabhängige Einordnung sollte verzichtet werden, weil sie zu Widersprüchen führt. Das Urteil, daß die Argumentation falsch ist, ist ein sehr viel härteres Urteil. Letzteres akzeptierst Du, über den harmloseren Quatsch regst Du Dich auf - vielleicht verstehen Dich andere, ich verstehe das nicht.
- Jörn Budesheim
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Das ist meines Erachtens ein Argument "von der falschen Seite". Kant macht ja keine Physik, sondern spricht von verschiedenen Arten von Urteilen und Begriffen. Eine empirische Betrachtung der Gegenstände liefert keine Analyse der Begriffe und Urteile. Und eine Begriffsanalyse kann man nicht mit physikalischen Methoden machen, z.B. mit dem Teilchenbeschleuniger im CERN oder aus dem Physikbuch, sondern nur durch logische Analyse. Ich habe mir seine Argumentation heute Morgen noch einmal angeschaut und in Teilen wiedergegeben, sie überzeugt mich auch nicht wirklich, aber das kann natürlich an mir liegen, das müsste man noch einmal im Detail untersuchen. Kurz: mein Punkt ist, dass man Begriffe und ihre Beziehungen durch logische Analyse klären sollte, und nicht durch physikalische oder empirische Methoden bzw. Argumente.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Do 27. Jun 2024, 18:21Ich habe gesagt, die Ausgedehntheit ist in derselben Weise an die Dinglichkeit gebunden wie die Schwere, also kann man nicht das eine ein analytisches Urteil nennen, das andere ein synthetisches, beide Urteile sind von gleicher Art.
Der Begriff "Schwerelosigkeit" ist meines Erachtens ein Indiz, dass Kant im Recht ist, denn der Begriff führt nicht zu einem inneren logischen Widerspruch wie etwa "rundes Quadrat". Der Begriff Schwerelosigkeit impliziert das Fehlen von Schwere, was ohne logischen Widerspruch verstanden werden kann. Das zeigt, dass Schwere keine begrifflich notwendige Eigenschaft von Körpern ist, sondern eine "zusätzliche Eigenschaft", die durch ein synthetisches Urteil "hinzugefügt" wird oder eben nicht. Ob es Schwerelosigkeit wirklich gibt, ist für dieses Argument nämlich unerheblich.
Kant mag mit seiner Begriffsanalyse falsch liegen, Quatsch ist es jedenfalls nicht.
Bul**hit ist aber auch nicht schön, Jörn, finde ich. Auch dann nicht, wenn das als zitierter Begriff daherkommt.
Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 31. Mai 2024, 17:47... sind nichts anderes als kompletter ...
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Begriffe können zur Bezeichnung von Strukturen gebildet werden und zur Bezeichnung von komplexen Sachverhalten in der Realität. Einfache Sachverhalte in der Realität werden denotativ benannt, diese Begriffe sind Namen. Liegen keine einfachen Sachverhalte vor, kann man trotzdem manchmal die Sachverhalte kenntlich unterscheiden und benennen, aber sie sind dann noch nicht begriffen. Für das Begreifen in Begriffen von realen Sachverhalten muß ich das nicht offensichtliche verstehen/wissen, dazu benötige ich Erfahrungswissen, das ich mit wissenschaftlich organisierter Empirie, in Analyse der Sachverhalte gewinne. Insofern hängen Begriffe für Realsachverhalte ganz entscheidend von wissenschaftlicher Empirie ab. Das Denken kann keinen Sachverhalt der Realität erklären, denn die Realität ist kontingent, aber es kann sie angemessen erfassen. Davon geht man aus, solange diese Erfassung auf keinen Widerspruch trifft, falsifiziert wird.
Anders ist es bei logischen und mathematischen Strukturbegriffen. Die werden nach Zweckmäßigkeit definiert und in einem widerspruchsfreien Begriffssystem zusammengefaßt. Diese Begriffe sind als unabhängig von Erfahrung wahr zu betrachten und können überall, wo es möglich ist, dh die Axiome des Begriffssystems erfüllt sind, eingesetzt werden.
Es gibt also realitätsabhängige inhaltliche und realitätsunabhängige universelle Strukturbegriffe.
<Der Begriff> "Unausgedehntheit" <ist meines Erachtens ein Indiz, dass Kant im Recht ist, denn der Begriff führt nicht zu einem inneren logischen Widerspruch wie etwa "rundes Quadrat". Der Begriff> Unausgedehntheit <impliziert das Fehlen von> Ausgedehntheit, <was ohne logischen Widerspruch verstanden werden kann. Das zeigt, dass> Ausgedehntheit <keine begrifflich notwendige Eigenschaft von Körpern ist, sondern eine "zusätzliche Eigenschaft", die durch ein synthetisches Urteil "hinzugefügt" wird oder eben nicht. Ob es> Ausgedehntheit <wirklich gibt, ist für dieses Argument nämlich unerheblich.>
So, nun darfst Du das alles Quatsch nennen.
Anders ist es bei logischen und mathematischen Strukturbegriffen. Die werden nach Zweckmäßigkeit definiert und in einem widerspruchsfreien Begriffssystem zusammengefaßt. Diese Begriffe sind als unabhängig von Erfahrung wahr zu betrachten und können überall, wo es möglich ist, dh die Axiome des Begriffssystems erfüllt sind, eingesetzt werden.
Es gibt also realitätsabhängige inhaltliche und realitätsunabhängige universelle Strukturbegriffe.
<Der Begriff> "Unausgedehntheit" <ist meines Erachtens ein Indiz, dass Kant im Recht ist, denn der Begriff führt nicht zu einem inneren logischen Widerspruch wie etwa "rundes Quadrat". Der Begriff> Unausgedehntheit <impliziert das Fehlen von> Ausgedehntheit, <was ohne logischen Widerspruch verstanden werden kann. Das zeigt, dass> Ausgedehntheit <keine begrifflich notwendige Eigenschaft von Körpern ist, sondern eine "zusätzliche Eigenschaft", die durch ein synthetisches Urteil "hinzugefügt" wird oder eben nicht. Ob es> Ausgedehntheit <wirklich gibt, ist für dieses Argument nämlich unerheblich.>
So, nun darfst Du das alles Quatsch nennen.
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Natürlich nicht. Aber das Wissen ist so fortgeschritten, daß man fast nur noch durch ausgeklügelte empirisch-wissenschaftliche Befragung der Welt neue Erkenntnisse gewinnt. Das Basiswissen erwirbt selbstverständlich immer noch jeder neue Mensch durch seine eigenen Sinne, dafür braucht man keine Wissenschaft, da genügen die menschlichen Grundkompetenzen.
Nichtorganisierte Empirie führt ebenfalls zu Erfahrungswissen, denke ich. Wenn zum ersten Mal im Leben kochendes Wasser zufällig auf die Haut spritzt und weh tut, ist die Schmerzfeststellung eine Empirie, die zufällig geschah.
Danke, dann bin ich ja beruhigt.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Do 27. Jun 2024, 23:26Natürlich nicht. Aber das Wissen ist so fortgeschritten, daß man fast nur noch durch ausgeklügelte empirisch-wissenschaftliche Befragung der Welt neue Erkenntnisse gewinnt. Das Basiswissen erwirbt selbstverständlich immer noch jeder neue Mensch durch seine eigenen Sinne, dafür braucht man keine Wissenschaft, da genügen die menschlichen Grundkompetenzen.
Ist es nicht so, dass viele für den Menschen wichtigen Erkenntnisse und Erfahrungen gerade nicht durch empirisch-wissenschaftliche Befragungen gewonnen werden? Freiheit, Würde, Hass, Liebe, Glück, Schmerz....
Beim Schmerz war ich wie Quk auch. Wenn ich mit nackten Füßen Wäsche aufhänge, nicht merke das eine Wäschklammer runtergefallen ist und ich dann auf diese trete....ganz schön viel Autsch.
Der, die, das.
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Urteile über was sind hier unser Zusammenhang? Es geht um Körper. Der Ausdruck kommt in deinem Text nicht mal vor. Das kann man nicht einfach weglassen, ohne den Sinn zu verfälschen.Wolfgang Endemann hat geschrieben : ↑Do 27. Jun 2024, 22:11das Fehlen von> Ausgedehntheit, <was ohne logischen Widerspruch verstanden werden kann
Zu sagen, ein Körper ist unausgedehnt, ist meines Erachtens ungereimt. Zu sagen, er sei ausgedehnt, ist hingegen trivial.
Ganz anders ist es bei den Urteilen über Körper mit dem Prädikat Schwerelosigkeit. Zu sagen, dass ein Körper [nicht] schwerelos ist, fügt eine Information hinzu, die nicht bereits im Begriff des Körpers enthalten war.
- Jörn Budesheim
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Nicht alle Wissenschaften sind empirisch. Es gibt zwar eine empirische Philosophie, aber die Philosophie ist keine empirische Wissenschaft im eigentlichen Sinne. Weitere Beispiele sind: Literaturwissenschaft, Mathematik, Logik, Theologie, Ethik, Informatik usw.
So etwas wie "das Wissen" gibt es nicht, denn jedes Wissen bezieht sich auf bestimmte Bereiche, und die Wirklichkeit ist eben kein homogener Bereich. Unser moralisches Wissen scheint mir zum Beispiel nicht sehr weit fortgeschritten zu sein, wenn man den Zustand des Planeten betrachtet. Natürlich gibt es auch hier Fortschritte, keine Frage. Aber wenn man sich die vielen grausamen Kriege anschaut ... und die Zerstörung der Welt, in der wir und viele andere Lebewesen leben, dann kann man nicht sagen, dass das Wissen so weit fortgeschritten ist.
Philosophie überhaupt eine "Wissenschaft" zu nennen, konnte ich noch nie nachvollziehen. Ich weiß, dass viele Leute sie so bezeichnen.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 28. Jun 2024, 07:57... Philosophie ist keine empirische Wissenschaft im eigentlichen Sinne.
Ich bezeichne sie eher als Fragenschaft.
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Doch, unser Wissen ist enorm fortgeschritten. Bis in Ecken hinein, wo es völlig belanglos ist. Leider haben wir aber das Wichtigste nicht gelernt, zu unterscheiden und richtig zu entscheiden, was für uns das Wichtigste ist, sein sollte, die richtige Gewichtung. Und so verhalten wir uns da, wo es drauf ankommt, noch so wie die Urzeitmenschen.
Die Hauptursache für all die Schäden ist meines Erachtens weniger der Wissensstand (wir wissen ja bereits, warum das alles kaputt geht), sondern eher die Emotionen des Menschen, wie etwa Trotzreaktionen ("ich lass mir nix befehlen"), Ausblendreflex ("wird schon gut gehen"), Egoismus ("die andern sind schuld") und viele weitere Emotionen. Emotion schlägt Ratio. Was die Evolution dringend anpassen muss, sind die Reaktionsarten der Emotionalität.
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@ Quk
Schon. Aber auf einem reflektierten Niveau, nicht naiv. Wenngleich es zur systematischen Reflexion dazugehört, immer wieder auf den Ausgangspunkt zurückzukommen. Aber die Reflexion durchläuft dabei ein Riesengebiet, läßt sich (hoffentlich) von keinen Grenzen bremsen, verfolgt dabei hartnäckig einmal angenommene Gedanken, bis sie sich aufgebraucht haben. So könnte man die Philosophie die Reflexionswissenschaft nennen.
Schon. Aber auf einem reflektierten Niveau, nicht naiv. Wenngleich es zur systematischen Reflexion dazugehört, immer wieder auf den Ausgangspunkt zurückzukommen. Aber die Reflexion durchläuft dabei ein Riesengebiet, läßt sich (hoffentlich) von keinen Grenzen bremsen, verfolgt dabei hartnäckig einmal angenommene Gedanken, bis sie sich aufgebraucht haben. So könnte man die Philosophie die Reflexionswissenschaft nennen.
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PS. Das schließt, um auf den blog-Ausgangspunkt zurückzukommen (ich vermisse übrigens Burkart, den Autor), die Reflexion der Mathematik ein. So ist Philosophie die inhaltliche Universalwissenschaft, wie Logik und Mathematik die formalen Universalwissenschaften.
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@ Jörn Budesheim
Noch einmal:
<Zu sagen, ein Körper ist> unschwer, <ist meines Erachtens ungereimt. Zu sagen, er sei> schwer, <ist hingegen trivial.>
<Zu sagen, dass ein Körper [nicht]> unausgedehnt <ist, fügt eine Information hinzu, die nicht bereits im Begriff des Körpers enthalten war.>
Das ist Unsinn, Ausgedehntheit und Schwere können nicht dem Körper hinzugefügt werden, denn sie sind im konsistent gebildeten Begriff Körper enthalten. Ich glaube, Du bist der Einzige, der sich einen Körper ohne Schwere vorstellen kann.
Noch einmal:
<Zu sagen, ein Körper ist> unschwer, <ist meines Erachtens ungereimt. Zu sagen, er sei> schwer, <ist hingegen trivial.>
<Zu sagen, dass ein Körper [nicht]> unausgedehnt <ist, fügt eine Information hinzu, die nicht bereits im Begriff des Körpers enthalten war.>
Das ist Unsinn, Ausgedehntheit und Schwere können nicht dem Körper hinzugefügt werden, denn sie sind im konsistent gebildeten Begriff Körper enthalten. Ich glaube, Du bist der Einzige, der sich einen Körper ohne Schwere vorstellen kann.
- Jörn Budesheim
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Sie werden auch nicht dem Körper hinzugefügt. Wir reden hier über Urteile.
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Man kann kein philosophisches Urteil über einen physikalischen Sachverhalt bilden (wenn man nicht mit dem Denken aufs Mittelalter zurückgeht). Ob physikalische Dinge Ausgedehntheit oder Schwere besitzen, ist keine philosophische, sondern eine physikalische Frage. Die Physik hat sie bisher beidemal mit ja beantwortet, geht weiter davon aus, auch wenn die dunkle Materie noch etwas verborgen ist.
- Jörn Budesheim
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Wir reden hier aber eben nicht über Physik, sondern über Begriffe und Urteile. Die Physik kann nicht festlegen, wie wir unsere Begriffe bilden und sie untersucht auch keine Begriffe. Wenn die Physik uns sagen würde, dass Körper stets schwer sind, dann hätten wir es eben mit einem entsprechenden Erweiterungsurteil zu tun, wie wir es uns von der Physik ja auch erhoffen. Deswegen betreiben wir ja Physik, um unser Wissen zu erweitern. Wir erwarten von der Physik ja nicht nur "Trivialitäten", die in unseren Begriffen schon beschlossen waren.