Platons Gleichnisse (... und die Realität der Ideen)

Burkart
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So 7. Apr 2024, 20:38

Nauplios hat geschrieben :
So 7. Apr 2024, 18:35
AufDerSonne hat geschrieben :
So 7. Apr 2024, 15:17
Burkart hat geschrieben :
So 7. Apr 2024, 15:11
Ja, die gibt es offensichtlich, weil diese dann gedanklich "spielen" und/oder vom Menschen bzw. dem Denken abstrahieren.
Unser Gehirn ist halt ein lustiges Organ. Ich denke, es kann viel mehr als man sich vorstellen kann. (Was zur Folge hat, dass man gewisse Dinge ins Reich des Existierenden puscht, die dort nicht hingehören.) (Sie sind effektiv nur in unserem Kopf vorhanden.)
Zu diesen "gedanklichen Spielen", den "Abstraktionen" des Denkens und zum "Reich des Existierenden" habe ich an gewohnter Stelle eine kleine Sprachnachricht hinterlegt, in der ich versuche, diese einzelnen Aspekte ein wenig aufeinander zu beziehen; dabei gehe ich auch kurz auf die letzten Beiträge von Alltag, Jörn, Infinitum und Andrea ein.
Leider weiß ich nicht, an welcher Stelle du sie hinterlegt hast. An der einzigen mir bekannten habe ich gerade nachgefragt.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Nauplios
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So 7. Apr 2024, 22:05

Burkart hat geschrieben :
So 7. Apr 2024, 20:38

Leider weiß ich nicht, an welcher Stelle du sie hinterlegt hast. An der einzigen mir bekannten habe ich gerade nachgefragt.
Hab' an der "einzigen Dir bekannten Stelle" gerade den entsprechenden Link gesetzt, Burkart. ;)




Alltag
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Mo 8. Apr 2024, 00:29

Ja, das wäre dann eine Höhle als Ort der Gefangenschaft, aus dem herauszugelangen ein Vorgang der Befreiung ist. Dabei leistet der Rückkehrer einen Dienst der Aufklärung, indem er den in der Höhle Verbliebenen den Weg ans Licht weist. Der Rückkehrer tritt auf in der Rolle des Befreiers und er muß die Befreiten aber auch davon überzeugen, daß sein Wissen die eigentliche Wirklichkeit erfaßt, während die Höhlenbewohner nur die abkünftige Wirklichkeit in Form von Schatten wahrnehmen. Somit ergibt sich ein Aufklärungsgefälle, eine Hierarchie zwischen dem Wissenden und den Ahnungslosen und den um das Wissen Betrogenen, denen etwas vorgegaukelt wird.
Lass mich dem Seienden des Seienden (on to on) den Namen Idee geben und mit Parmenides untersuchen was mit Idee gemeint sein könnte.
- Die Wirkung des ersten Merksatzes des Parmenides, dass «nur das Seiende ist und das Nichtseiende zu verwerfen ist» liegt im Bergen der Idee, wobei das Seiende sowohl aktiv ist als auch passiv erleidet und zwar so wie wir es sprachlich kennen. Um zu erleiden, ist ein anderes nötig (!), sodass das Seiende strukturiert wird in So-Seiendes und infolge erleiden in zugehörig Anderes. Wobei das Andere nicht zu verwechseln ist mit dem zu verwerfenden Nichtseienden.

Diese Strukturierung zeigt die Bedeutung von Erleiden und der Gast aus Elea fragt, ob Nicht-so-Seiendes erleiden könne. – Wir stimmen im Alltag mit Verweis auf <Schein> zu und weisen auf dessen Struktur <Einbildung |Ähnlichkeit |Täuschung |Phantasie |Traumata> hin.
– So dass der Gast aus Elea nachfragt, welcher Art das erleidende Nicht-so-Seiende denn nun doch notwendigerweise ist. – Was uns im Alltag nicht in Verlegenheit bringt, weil da eh schon alles relativ statt absolut ist.
– So dass der Gast aus Elea genüsslich präzisiert: ja, das Nicht-so-Seiende bezieht sich notwendig auf das erlittene (Er)leiden und ist (genau) diesbezüglich relativ.

Nun wer sind die Gaukler? Diejenigen die immerzu vom absoluten reden und zu ihren Gunsten das Relative abwerten.
- So dass der Gast aus Elea ernsthaft fragt, was hat das Nicht-so-Seiende denn auf sich - und wir im Alltag schmunzelnd antworten, das Mögliche macht das Nicht-so-Seiende aus. [würde der Philosoph von kontingent reden?]




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AufDerSonne
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Mo 8. Apr 2024, 11:08

Hallo Nauplios.
Ich habe soeben dein Audio-Beitrag gehört. Vielen Dank, auch dass du auf jeden einzeln eingehst. Das ist cool.
So wie ich es verstanden habe, haben nach Platon die Ideen mehr Wahrheit als die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist ein Abbild der ewig wahren Ideen. Also Platon denkt gerade anders herum als ich. Für mich sind die Ideen ein Versuch der Wirklichkeit beizukommen, sie zu ordnen. Ein Versuch von unserem Gehirn bzw. von uns.
Aber wenn Platon recht hat, wo sind dann diese Ideen? Schweben die in der Luft herum? Im Weltall? Das verstehe ich nicht ganz. Und wie verläuft der Prozess der Manifestation der Ideen in der Wirklichkeit. Also wie kommen die Ideen in die Wirklichkeit? Durch unsere Handlungen?

Ich glaube, dass das alles in unserem Kopf ist. Die Ideen sind in unserem Gehirn/Kopf. Sie entstehen dort und vergehen auch wieder. Ich finde die Computer-Analogie nicht schlecht. So wie ein Computer Speicher hat, wo er die gespeicherten Informationen abrufen kann, so haben wir ein Gedächtnis, wo die Erinnerungen gespeichert sind, die wir gezielt abrufen können. Auch hat unser Gehirn, wie der Computer, wahrscheinlich eine Art Prozessor, der dauernd Informationen verarbeitet. Aber das alles passiert in unserem Gehirn! Und da es viele Menschen gibt auf der Erde, in vielen Köpfen.

Ich habe einfach Mühe damit, die Wirklichkeit als Schöpfung einer Ideenwelt zu betrachten. Es ist doch gerade umgekehrt? Wie dachte Aristoteles darüber? Das würde mich noch interessieren. Denn er habe offenbar Platons Zwei-Welten-Welt abgelehnt.



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Jörn Budesheim
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Mo 8. Apr 2024, 12:39

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 11:08
Aber wenn Platon recht hat, wo sind dann diese Ideen? Schweben die in der Luft herum? Im Weltall? Das verstehe ich nicht ganz.
Die Idee, dass Ideen in der Luft herumschwirren oder im Weltall zu finden sind, findest du anscheinend seltsam. Aber warum findest du dann die strukturell gleiche Idee, dass sie nämlich im Kopf sind, nicht ebenfalls seltsam? Das verstehe ich nicht ganz.




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Nauplios
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Mo 8. Apr 2024, 19:40

@Burkart

Ich antworte Dir mal an dieser Stelle. - Beim "Grün" kommt es nicht auf den konkreten Farbton an. Der variiert natürlich von jedem grünen Gegenstand zum nächsten grünen Gegenstand. Mit "Idee" ist die "Gestalt", die "Form" gemeint, die sich in den unterschiedlichen Anwendungsfällen von "grün" zeigt. Was sich an einem konkreten Gegenstand als "grün" zeigt, ist aber immer nur ein Anwendungsfall von "grün", eine individuelle Ausprägung von "grün", eine je individuelle Gestaltung. "Idee" meint dagegen keine Konkretion von "grün", sondern die "Grün-heit" als etwas Allgemeines, das alle Konkretionen unter sich zusammenfaßt, die höchst denkbare Abstraktion aller grünen Vereinzelungen.

(Diese Erklärung nur unter dem Vorbehalt der Revision.) ;)




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AufDerSonne
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Mo 8. Apr 2024, 19:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 12:39
Die Idee, dass Ideen in der Luft herumschwirren oder im Weltall zu finden sind, findest du anscheinend seltsam. Aber warum findest du dann die strukturell gleiche Idee, dass sie nämlich im Kopf sind, nicht ebenfalls seltsam? Das verstehe ich nicht ganz.
Logischerweise ist das seltsam. Aber nicht, wenn ich an meine Erfahrungen denke. Wenn mein Kopf, bzw. mein Gehirn, kaputt ist, dann sind diese Ideen nicht mehr vorhanden. Also meine Ideen. Aber auch die "allgemeinen" Ideen sind ja meine Ideen. Man kann schlussendlich nur eigene Ideen haben.



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Nauplios
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Mo 8. Apr 2024, 20:03

Alltag hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 00:29
Ja, das wäre dann eine Höhle als Ort der Gefangenschaft, aus dem herauszugelangen ein Vorgang der Befreiung ist. Dabei leistet der Rückkehrer einen Dienst der Aufklärung, indem er den in der Höhle Verbliebenen den Weg ans Licht weist. Der Rückkehrer tritt auf in der Rolle des Befreiers und er muß die Befreiten aber auch davon überzeugen, daß sein Wissen die eigentliche Wirklichkeit erfaßt, während die Höhlenbewohner nur die abkünftige Wirklichkeit in Form von Schatten wahrnehmen. Somit ergibt sich ein Aufklärungsgefälle, eine Hierarchie zwischen dem Wissenden und den Ahnungslosen und den um das Wissen Betrogenen, denen etwas vorgegaukelt wird.
Lass mich dem Seienden des Seienden (on to on) den Namen Idee geben und mit Parmenides untersuchen was mit Idee gemeint sein könnte.
- Die Wirkung des ersten Merksatzes des Parmenides, dass «nur das Seiende ist und das Nichtseiende zu verwerfen ist» liegt im Bergen der Idee, wobei das Seiende sowohl aktiv ist als auch passiv erleidet und zwar so wie wir es sprachlich kennen. Um zu erleiden, ist ein anderes nötig (!), sodass das Seiende strukturiert wird in So-Seiendes und infolge erleiden in zugehörig Anderes. Wobei das Andere nicht zu verwechseln ist mit dem zu verwerfenden Nichtseienden.

Diese Strukturierung zeigt die Bedeutung von Erleiden und der Gast aus Elea fragt, ob Nicht-so-Seiendes erleiden könne. – Wir stimmen im Alltag mit Verweis auf <Schein> zu und weisen auf dessen Struktur <Einbildung |Ähnlichkeit |Täuschung |Phantasie |Traumata> hin.
– So dass der Gast aus Elea nachfragt, welcher Art das erleidende Nicht-so-Seiende denn nun doch notwendigerweise ist. – Was uns im Alltag nicht in Verlegenheit bringt, weil da eh schon alles relativ statt absolut ist.
– So dass der Gast aus Elea genüsslich präzisiert: ja, das Nicht-so-Seiende bezieht sich notwendig auf das erlittene (Er)leiden und ist (genau) diesbezüglich relativ.

Nun wer sind die Gaukler? Diejenigen die immerzu vom absoluten reden und zu ihren Gunsten das Relative abwerten.
- So dass der Gast aus Elea ernsthaft fragt, was hat das Nicht-so-Seiende denn auf sich - und wir im Alltag schmunzelnd antworten, das Mögliche macht das Nicht-so-Seiende aus. [würde der Philosoph von kontingent reden?]
Bei der Paasage "... liegt im Bergen der Idee ..." bin ich ein wenig zusammengezuckt. ;) Deine Überlegungen zu Platon/Parmenides führen hinab in den Anfang des philosophischen Denkens, Alltag. Was schon für Platon gilt, gilt umso mehr für Parmenides (wie überhaupt für die Vorsokratiker), daß nämlich die Darstellungsform (bei Platon ist das der Dialogs, bei Parmenides ist es das Lehrgedicht) auf's engste verknüpft ist mit dem Denken des Anfangs. Betritt man die Fragmente des Parmenides, verläßt man das uns vertraute Denken als Reflexion. Man befindet sich buchstäblich in einer anderen Welt. Deswegen ist der Parmenides Platons so überaus schwer verständlich. - Ich bin mir nicht so sicher, ob wir dieses anfängliche Denken "entbergen" können (bei Heraklit haben wir vor einiger Zeit einen Versuch unternommen).

p.s.: Ich glaube, es war Gedankenfeder, der sich mit den Vorsokratikern beschäftigt. Diese Fragmente gehören nach meiner Einschätzung zu dem Schwierigsten, was die europäische Philosophie zu bieten hat.




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Nauplios
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Mo 8. Apr 2024, 20:27

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 11:08

Hallo Nauplios.
Ich habe soeben dein Audio-Beitrag gehört. Vielen Dank, auch dass du auf jeden einzeln eingehst. Das ist cool.
Nichts zu danken, AufDerSonne. ;) Das Ganze befindet sich natürlich noch in der Erprobungsphase. Die Audio-Dateien sind mit einem Smartphone gemacht und erfüllen natürlich nicht die gängigen Qualitätsanforderungen. Ich seh' es mehr als ein Experiment. Immerhin, technisch funktioniert es. Man braucht dazu nur ein Smartphone (oder ein Tablet oder Notebook) und eine kostenlose App, ein virtuelles Diktiergerät (ist auf den meisten Smartphones eh vorhanden).

Wenn Du das mal ausprobieren möchtest, kannst Du das gerne versuchen. Angesichts von Platons Schriftkritik im siebten Brief liegt eigentlich nichts näher als die mündliche Form! ;)

p.s.: eine Implementierung von Audio-Dateien ins Forum - wäre das nicht der nächste Schritt in der Welt digitalisierter Kommunikation? - Dialogos könnte hier Pionier-Arbeit leisten! - Wer sich für diese Form interessiert, kann eine pN an Andrea, Infinitum oder mich schreiben; dann kriegen wir das hin.




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Jörn Budesheim
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AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 19:44
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 12:39
Die Idee, dass Ideen in der Luft herumschwirren oder im Weltall zu finden sind, findest du anscheinend seltsam. Aber warum findest du dann die strukturell gleiche Idee, dass sie nämlich im Kopf sind, nicht ebenfalls seltsam? Das verstehe ich nicht ganz.
Logischerweise ist das seltsam. Aber nicht, wenn ich an meine Erfahrungen denke. Wenn mein Kopf, bzw. mein Gehirn, kaputt ist, dann sind diese Ideen nicht mehr vorhanden. Also meine Ideen. Aber auch die "allgemeinen" Ideen sind ja meine Ideen. Man kann schlussendlich nur eigene Ideen haben.
Woher weißt du, dass es nicht so ist: Wenn dein Kopf kaputt ist, verschwindet deine Fähigkeit, Ideen zu erfassen, so wie deine Fähigkeit, Blumen zu pflücken, verschwindet, wenn deine Finger steif und ungeschickt werden. Aber die Blumen verschwinden nicht.

Du hast aber das Argument offen gelassen: Warum ist die Vorstellung seltsam, dass die Ideen in der Luft schwirren und durch den Raum fliegen, aber nicht seltsam, dass sie im Kopf sind?




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Mo 8. Apr 2024, 21:19

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 20:57
Woher weißt du, dass es nicht so ist: Wenn dein Kopf kaputt ist, verschwindet deine Fähigkeit, Ideen zu erfassen, so wie deine Fähigkeit, Blumen zu pflücken, verschwindet, wenn deine Finger steif und ungeschickt werden. Aber die Blumen verschwinden nicht.

Du hast aber das Argument offen gelassen: Warum ist es seltsam, dass die Ideen in der Luft schwirren und durch den Raum fliegen, aber nicht seltsam, dass sie im Kopf sind?
Ideen kommen von Menschen. Sie werden mir mitgeteilt von anderen Menschen oder ich komme selbst darauf. Alle Ideen, auf die ich nicht selbst gekommen bin dank meines Gehirns, kamen von anderen Menschen. Woher sonst?
Übrigens. Wenn ich keine Blumen mehr pflücken kann, dann werde ich auch keine eigenen Blumen mehr haben.



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Mo 8. Apr 2024, 21:28

Du umgehst einfach die Frage.




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Mo 8. Apr 2024, 21:34

Im Kopf ist ein Gehirn. Ein Gehirn ist eine komplexe Struktur, die Ideen ermöglicht. Künstliche Intelligenz gibt es schon in einfacher Form. Eine KI hat doch auch erst Ideen, wenn die Hardware vorhanden ist?



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Mo 8. Apr 2024, 21:48

Die Struktur des Universums ist notwendigerweise deutlich komplexer als die das Gehirns. Aber wie dem auch sei, du weichst nach wie vor dem Argument aus, weil die Schatten an der Wand deine Meinung bestimmen.




Burkart
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Mo 8. Apr 2024, 22:23

Nauplios hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 19:40
@Burkart

Ich antworte Dir mal an dieser Stelle. - Beim "Grün" kommt es nicht auf den konkreten Farbton an. Der variiert natürlich von jedem grünen Gegenstand zum nächsten grünen Gegenstand. Mit "Idee" ist die "Gestalt", die "Form" gemeint, die sich in den unterschiedlichen Anwendungsfällen von "grün" zeigt. Was sich an einem konkreten Gegenstand als "grün" zeigt, ist aber immer nur ein Anwendungsfall von "grün", eine individuelle Ausprägung von "grün", eine je individuelle Gestaltung. "Idee" meint dagegen keine Konkretion von "grün", sondern die "Grün-heit" als etwas Allgemeines, das alle Konkretionen unter sich zusammenfaßt, die höchst denkbare Abstraktion aller grünen Vereinzelungen.

(Diese Erklärung nur unter dem Vorbehalt der Revision.) ;)
Nur was soll die "Grün-heit" dann sein, wenn nicht nur etwas eher zufällig Ausgedachtes bzw. Festgelegtes denn ein klares Etwas? Gibt es z.B. auch eine "Hellgrün-heit" oder "Gelbgrün-heit" o.ä.? Und wie hängen diese (alle) ggf. zusammen?
Hat man nicht eigentlich nur einen Begriff (hier "Grün") genommen und ihm dies und jenes gedanklich angehängt und daraus dann sozusagen die Idee gemacht?
Soll es die Idee auch bei anderen Lebewesen geben und wenn ja, genau wie bei Menschen? Auch wenn die Lebewesen grün gar nicht erkennen können?
Ich denke, du verstehst meine Vorbehalte gegen die "Grün-Idee" a la Platon als etwas irgendwie Reales.



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Mo 8. Apr 2024, 22:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 20:57
Warum ist die Vorstellung seltsam, dass die Ideen in der Luft schwirren und durch den Raum fliegen, aber nicht seltsam, dass sie im Kopf sind?
Wenn ich AufDerSonne unterstützen darf:
Ideen können im Kopf sein, weil sie dort konstruiert sein können, ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.
In der Luft bzw. im Raum fehlt ihnen irgendwie die Basis dazu ;)



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Timberlake
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Di 9. Apr 2024, 00:04

Nauplios hat geschrieben :
Sa 6. Apr 2024, 18:13
AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2024, 21:59
Nauplios hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2024, 18:32
Sehen können wir nur dank der Sonne; ihre Helligkeit ermöglicht das Sehen.
Ausser ich mache in der Nacht das Licht an. Dann sehe ich auch etwas ohne die Sonne. :D
Physiologisch ist das so. Aber reicht die Helligkeit künstlichen Lichts - um im Gleich-nis zu bleiben - aus, um den Raum des Denkbaren zu erhellen? ;)

Um dazu einmal mit Platon Höhlengleichnis zu antworten. So stelle ich mir dieses künstliche Licht als etwas vor , was diesen , in einer Höhle von Kindheit an , an Hals und Schenkeln gefessellten , im Geiste als Licht erscheint.

Burkart hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 22:55
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 20:57
Warum ist die Vorstellung seltsam, dass die Ideen in der Luft schwirren und durch den Raum fliegen, aber nicht seltsam, dass sie im Kopf sind?
Wenn ich AufDerSonne unterstützen darf:
Ideen können im Kopf sein, weil sie dort konstruiert sein können, ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.
In der Luft bzw. im Raum fehlt ihnen irgendwie die Basis dazu ;)
Wenn man nun unterstellt , dass sich im Schatten dieses künstlichen LIcht im Geiste Ideen abzeichnen, was ist dann von diesen Ideen zu halten? Die unwandelbaren Ideen, die Ur- und Vorbilder der materiellen Phänomene, im Sinne von Platons Ideenlehre ganz sicher nicht. Denn die sieht man nur im Schein des Lichts der Sonne.
.studium-universale.de hat geschrieben : Platon: Das Höhlengleichnis
...
"Nun betrachte auch, sprach ich, die Lösung und Heilung von ihren Banden und ihrem Unverstande, wie es damit natürlich stehen würde, wenn ihnen folgendes begegnete. Wenn einer entfesselt wäre und gezwungen würde, sogleich aufzustehen, den Hals herumzudrehen, zu gehen und gegen das Licht zu sehn, und, indem er das täte, immer Schmerzen hätte und wegen des flimmernden Glanzes nicht recht vermöchte, jene Dinge zu erkennen, wovon er vorher die Schatten sah: was, meinst du wohl, würde er sagen, wenn ihm einer versicherte, damals habe er lauter Nichtiges gesehen, jetzt aber, dem Seienden näher und zu dem mehr Seienden gewendet, sähe er richtiger, und, ihm jedes Vorübergehende zeigend, ihn fragte und zu antworten zwänge, was es sei? Meinst du nicht, er werde ganz verwirrt sein und glauben, was er damals gesehen, sei doch wirklicher als was ihm jetzt gezeigt werde?"
...
Und wenn man ihn gar in das Licht selbst zu sehen nötigte, würden ihm wohl die Augen schmerzen, und er würde fliehen und zu jenem zurückkehren, was er anzusehen imstande ist, fest überzeugt, dies sei in der Tat deutlicher als das zuletzt Gezeigte?

Übersetzung von Friedrich Schleiermacher Politeia, 7. Buch 106 a - c
... ein Licht , von dem die Augen schmerzen, so das man davor fliehen würde , um zu jenem zurückkehren, was man anzusehen imstande ist, fest überzeugt, dies sei in der Tat deutlicher, als das zuletzt Gezeigte? Kein Vergleich zum künstlichen Licht.
Nauplios hat geschrieben :
Sa 6. Apr 2024, 19:32


Das Höhlengleichnis wird ja oft erkenntnistheoretisch gedeutet. Es läßt sich auch in einem anthropologischen Sinne verstehen. Die Höhle ist Beeinträchtigung, sie bietet aber auch Schutz. Das Verlassen der Höhle bedeutet Erkenntnis der Wahrheit, das Verbleiben in der Höhle bedeutet Schutz vor der Wahrheit. (Das ist jetzt erst mal nur so dahingeschrieben; wir kommen auf den Punkt vielleicht noch zu sprechen.)

p.s.: später mehr.
Dieses Licht bietet nur eine Illusion von Wahrheit . Die andere , die schmerzende und somit echte Wahrheit , die zeichnet sich einzig und allein außerhalb der Höhle , im Sonnenlicht ab.

.studium-universale.de hat geschrieben : Platon: Das Höhlengleichnis

" Gewöhnung also, meine ich, wird er nötig haben, um das Obere zu sehen. Und zuerst würde er Schatten am leichtesten erkennen, hernach die Bilder der Menschen und der andern Dinge im Wasser, und dann erst sie selbst. Und hierauf würde er was am Himmel ist und den Himmel selbst leichter bei Nacht betrachten und in das Mond- und Sternenlicht sehen als bei Tage in die Sonne und in ihr Licht".


Übersetzung von Friedrich Schleiermacher Politeia, 7. Buch 106 a - c
Gewöhnung also, meine ich, wird man deshalb nötig haben, um dieses Obere zu sehen .... und nicht zu vergessen möglicherweise zuvorderst jemand, der einen dazu .. "entfesselt und zwingt sogleich aufzustehen, den Hals herumzudrehen, zu gehen und gegen das Sonnenlicht zu sehn ( Sokrates) ".
Zuletzt geändert von Timberlake am Di 9. Apr 2024, 01:01, insgesamt 1-mal geändert.




Alltag
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Di 9. Apr 2024, 00:59

Nauplios hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 20:03
Bei der Paasage "... liegt im Bergen der Idee ..." bin ich ein wenig zusammengezuckt. ;) Deine Überlegungen zu Platon/Parmenides führen hinab in den Anfang des philosophischen Denkens, Alltag. Was schon für Platon gilt, gilt umso mehr für Parmenides (wie überhaupt für die Vorsokratiker), daß nämlich die Darstellungsform (bei Platon ist das der Dialogs, bei Parmenides ist es das Lehrgedicht) auf's engste verknüpft ist mit dem Denken des Anfangs. Betritt man die Fragmente des Parmenides, verläßt man das uns vertraute Denken als Reflexion. Man befindet sich buchstäblich in einer anderen Welt. Deswegen ist der Parmenides Platons so überaus schwer verständlich. - Ich bin mir nicht so sicher, ob wir dieses anfängliche Denken "entbergen" können (bei Heraklit haben wir vor einiger Zeit einen Versuch unternommen).

p.s.: Ich glaube, es war Gedankenfeder, der sich mit den Vorsokratikern beschäftigt. Diese Fragmente gehören nach meiner Einschätzung zu dem Schwierigsten, was die europäische Philosophie zu bieten hat.
Mag sein, aber Platon macht es uns - wie ich meine aus folgendem Grund - leicht: Parmenides weist im gleichnamigen Dialog auf sein Lehrgedicht hin und sagt er gehe, in der Meinung das kennen eh alle, nicht weiter drauf ein. Dann entwickelt er mit dem jungen literarischen Sokrates die Gedanken in mehreren Schritten weiter, wobei die Nachfragen des Jungen jeweils das Ende des Schrittes markieren. - Als Leser stelle ich mir vor, dass der Protagonist die Struktur des Denkraumes [wie für den jungen Menon im gleichnamigen Dialog das Quadrat] mit einem Stock in den Sandboden kratzt: zwei senkrecht zueinander stehende Kämme, die wir heutzutage als Tabelle lesen. - Beim alles zusammenfassenden Merksatz (in parm. 136 nach logoi) entspricht der erste Teil der Beschriftung der vier Spaltenköpfe und der zweite Teil der Beschriftung der fünf Zeilenköpfe. Die leeren Tabellenfelder markieren die Struktur des Denkraumes.
Ja, das ist komplex aber überschaubar [Ich versuche in einem PDF den griechischen und separat den übersetzten Text in zwei, wie ich meine wunderschönen, Tabellen morgen hier hin zu transferieren.] (o,o)




Timberlake
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Di 9. Apr 2024, 01:10

Alltag hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 00:59

.. Ja, das ist komplex aber überschaubar [Ich versuche in einem PDF den griechischen und separat den übersetzten Text in zwei, wie ich meine wunderschönen, Tabellen morgen hier hin zu transferieren.] (o,o)

und was hätten doch gleich diese wunderschönen Tabellen mit Platons Gleichnisse zu tun ? Dazu nur mal zur Erinnerung ..
AndreaH hat geschrieben :
Fr 29. Mär 2024, 00:17
Einer der unsere Geistesgeschichte am tiefsten geprägt hat, ist Platon.
In seinen Dialogen nutzt Platon unter anderem auch die Darstellungsform der Gleichnisse.
Mich interessieren diese Gleichnisse sehr, da er damit seinem Inhalt ein symbolisches Abbild schafft.
In der Politeia finden sich drei der bekanntesten Gleichnisse von Platon.

Das Sonnengleichnis (6. Buch in der Politeia)
das Liniengleichnis (6. Buch in der Politeia)
und das berühmte Höhlengleichnis (7. Buch der Politeia)

Platon lässt Sokrates als Figur mit seiner bekannten Frageweise auftreten.
In der Politeia verbindet Platon die Staatslehre mit der Tugend- und Seelenlehre.
Es ist "die Idee des Guten" das Platon im Sonnengleichnis veranschaulicht.




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Nauplios
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Di 9. Apr 2024, 01:54

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 21:34

Im Kopf ist ein Gehirn. Ein Gehirn ist eine komplexe Struktur, die Ideen ermöglicht. Künstliche Intelligenz gibt es schon in einfacher Form. Eine KI hat doch auch erst Ideen, wenn die Hardware vorhanden ist?
Burkart hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 22:55

Wenn ich AufDerSonne unterstützen darf:
Ideen können im Kopf sein, weil sie dort konstruiert sein können, ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.
In der Luft bzw. im Raum fehlt ihnen irgendwie die Basis dazu ;)
Wir haben es ja bei den platonischen Dialogen und ihren Gleichnissen mit Texten aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert zu tun. Parmenides' Lehrgedicht ist noch älter. Im Timaios, einem für die Kosmologie der Antike und des Mittelalters bedeutenden Dialog Platons geht es um die Entstehung des Kosmos. Von diesem Entstehungsvorgang heißt es dort, daß der Kosmos von einem Weltschöpfer, einem "Demiurgos" geschaffen wurde. Und bei der Gelegenheit hat er die Seele des Kosmos, der ein Lebewesen ist, gleich mitgeschaffen. Wie hat er das gemacht? Er hat Unterschiedliches genommen und miteinander verrührt. In einem Mischkrug. Stimmt das?

Im Symposion erklärt uns Platon, daß die Menschen vor langer Zeit so aussahen: Sie hatten kugelförmige Rümpfe, vier Hände und vier Füße, vier Ohren, einen kreisrunden Hals und zwei Gesichter, die in jeweils entgegengesetzte Richtungen schauten. Sie waren ziemlich stark und wurden den Göttern gefährlich. Deshalb hat Zeus sie in zwei Hälften zerschnitten. Seitdem sucht jede Hälfte die andere und hat Sehnsucht nach ihr. Stimmt das?

Im Phaidon erzählt Sokrates, was nach dem Tod passiert: die Seelen werden auf vier Flüsse verteilt, die im Inneren der Erde fließen (die Einzelheiten laß' ich jetzt mal weg). Stimmt das?

Nichts von all dem stimmt. Nichts davon entspricht der Wahrheit.

Damit könnte man die ganze Sache auf sich beruhen lassen. Warum sich damit noch abgeben? Parmenides spricht von einer Göttin, für Heraklit besteht der Kosmos auf Feuer, für Thales aus Wasser usw. Nichts davon stimmt. Nichts davon ist wahr. Nach unseren Maßstäben.

Und doch beschäftigen sich die Philosophen seit Jahrhunderten damit, denn: ob das, was in diesen Schriften steht, nach heutigen Maßstäben stimmt, ob das wahr ist, ob man das für bare Münze nehmen kann, darauf kommt es gar nicht an. Diese Schriften mit ihren Mythen und Gleichnissen sagen eine andere Art der Wahrheit als sie intendiert wird mit der Frage "stimmt das?".

Man liest die Politeia nicht, um ein für allemal zu wissen, ob die Ideen im Kopf oder im Gehirn oder sonstwo sitzen. Geht man so an diese Texte heran, verfehlt man ihren Sinn. Der Sinn (besser vielleicht ein Sinn) erschließt sich nur durch Auslegung. Die Wahrheit dieser Texte ist eine hermeneutische, keine (natur-)wissenschaftliche. Um zu dieser hermeneutischen Wahrheit zu kommen, bedarf es der Auslegung und der Auslegung voran geht das Lesen. Andernfalls gibt's ja nichts auszulegen. Und wenn man schon mal beim Lesen ist, dann liest man am besten die Auslegungen der vorangegangenen Leser mit. Man steigt ein in den Prozess des Auslegens, in den Prozess des Nachdenkens, in den Prozess des Sinnverstehens, in den Prozess des Philosophierens.

Die Frage "Stimmt das?" führt geradewegs in eine Sackgasse. Denn dann müßte man die Frage an alle antiken Texte stellen, auch an alle mittelalterlichen, man müßte sie an Kants transzendentalen Gegenstand richten, an Heideggers Sein usw. Dann wäre es um alle Philosophie schlecht bestellt. Denn die Frage "Stimmt das?" wird von einem Wahrheitsverständnis geleitet, das in der Philosophie nur sehr eingeschränkt weiterhilft, nämlich dem Verständnis von Wahrheit als einer Übereinstimmung von Aussage und Wirklichkeit. Geht man mit diesem Wahrheitsverständnis an philosophische Texte heran, kann man kurzen Prozess damit machen. Bei Parmenides ist die Wahrheit eine Göttin. Was will man da mit unserem Alltagsverständnis ausrichten? Da kann man nach dem ersten Satz abbrechen und sagen: "Das stimmt doch gar nicht." So wird man keinen Schritt weiterkommen - im Sinnverstehen.

In diese Sackgasse kommt man um so eher, je mehr man die Philosophie für eine Wissenschaft (im modernen Sinne) hält. Die Strenge der Philosophie als Wissenschaft liegt nicht in ihrer Exaktheit! Sie liegt in der Entfaltung eines Sinnzusammenhangs, in der Erfassung von Verstehens- und Auslegungshorizonten, im Zur-Sprache-Bringen von Bedeutungen, im "Sehen" von "Winken" usw. Philosophie hat viel mehr mit Literatur und Kunst zu tun als mit Wissenschaft. Platons Dialoge sind fiktive Gespräche, Parmenides Lehrgedicht ist Poesie, Nietzsche schrieb Aphorismen ...

"Wir schaufeln ein Grab in den Lüften", dichtet Paul Celan. Auch da könnte man die Frage heranführen "Stimmt das?" ... "Geht das überhaupt?" ... Den Sinn dieses Satzes kann man überhaupt erst verstehen, wenn man ihn auslegt, ihn deutet. - Allerdings: er ist nicht auflösbar in Deutung. Das ist entscheidend. Und das gilt gewissermaßen auch für Platons Gleichnisse. Man kann sie nicht auflösen in Eigentlichkeit. Man kann sie nicht ohne Bedeutungsverlust übertragen. Und genau aus diesem Grund sind sie heute immer noch "aktuell". ;)




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