Platons Gleichnisse (... und die Realität der Ideen)

Alltag
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Fr 12. Apr 2024, 23:54

Timberlake hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 22:37
[...]
Weil auch ich ein Freund von Beispielen bin .. so frage ich mich bezüglich deiner Tabell schon , wie es sich dabei beispielsweise , um dazu auf mein Beitrag 76354 zurück zu kommen , mit der Zahl 7 verhält.
[...]
Ich muss folgendes ergänzen: Zenon sagt: "Denn die Menge weiss nicht, [parm 136 e] dass es ohne einen solchen Durchgang durch das Ganze und ohne solche Irrfahrten unmöglich ist, auf die Wahrheit zu treffen und Einsicht zu erlangen." (Reclam 8386)

Demnach sollte man bemüht sein die Tabelle "vollständig" auszufüllen. Man muss auch kreuz und quer durch die Tabelle gehen und Anpassungen vornehmen bis es irgendwie stimmig ist.

Bei deinem Beispiel mit der Zahl 7, wäre auch zu fragen, was seinesgleichen ist und was das zugehörig andere sei und so weiter und so weiter. Zudem wird sich fallweise zeigen, ob die Fragestellung ausreichend klar ist. Denn, gibt es nebst falschen Antworten auch "ungenügende" Fragen? (^,^)




Timberlake
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Sa 13. Apr 2024, 00:59

Du magst wohl recht haben, Alltag ..


" .. nur aber hast du denn doch den wahren Standpunkt meiner Schrift nicht durchweg richtig erkannt, so sehr du auch wie ein tüchtiger lakonischer Jagdhund die Fährten meiner Darstellung verfolgst und ihr bis in ihre Schlupfwinkel nachspürst."
Platon .. Parmenides




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Jörn Budesheim
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Sa 13. Apr 2024, 10:28

Timberlake hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 02:03
... nehmen wir einmal an, in einer Alle sind linker Hand 7 Bäume an einander gereit. Das "Seiende" wäre da , ein "Vieles " an 7 Bäumen. Sie wären somit als Seiendes nicht nur bloß notwendig ähnlich , sondern völlig identisch. Nur dadurch lässt sich dieses Vieles .. in Summe! .. zu 7 Bäumen zusammenfassen. Dies ist doch unmöglich . Gleicht doch kein Baum dem anderen. Wenn wir also meinen , dass da 7 Bäume stehen , dann sind wir immer noch in der Höhle. Wie übrigens bei den Grundrechenarten Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division ganz grundsätzlich und überhaupt.
Es wird nicht bestritten, dass sich Bäume in mancher Hinsicht unterscheiden. Aber sie müssen nicht völlig identisch sein, um von derselben Art zu sein. Wäre es anders, würde dein eigenes Beispiel keinen Sinn ergeben, denn du gehst ja davon aus, dass links in der Allee sieben Bäume stehen. Meines Erachtens liegt es gerade in ihrem Wesen, dass sie neben ihren Gemeinsamkeiten auch verschieden sind. Bäume sind schließlich keine geometrischen Figuren.




Timberlake
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Sa 13. Apr 2024, 16:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 13. Apr 2024, 10:28
Timberlake hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 02:03
... nehmen wir einmal an, in einer Alee sind linker Hand 7 Bäume an einander gereit. Das "Seiende" wäre da , ein "Vieles " an 7 Bäumen. Sie wären somit als Seiendes nicht nur bloß notwendig ähnlich , sondern völlig identisch. Nur dadurch lässt sich dieses Vieles .. in Summe! .. zu 7 Bäumen zusammenfassen. Dies ist doch unmöglich . Gleicht doch kein Baum dem anderen. Wenn wir also meinen , dass da 7 Bäume stehen , dann sind wir immer noch in der Höhle. Wie übrigens bei den Grundrechenarten Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division ganz grundsätzlich und überhaupt.
Es wird nicht bestritten, dass sich Bäume in mancher Hinsicht unterscheiden. Aber sie müssen nicht völlig identisch sein, um von derselben Art zu sein. Wäre es anders, würde dein eigenes Beispiel keinen Sinn ergeben, denn du gehst ja davon aus, dass links in der Allee sieben Bäume stehen. Meines Erachtens liegt es gerade in ihrem Wesen, dass sie neben ihren Gemeinsamkeiten auch verschieden sind. Bäume sind schließlich keine geometrischen Figuren.
Genau darauf wollte ich im Hinblick auf Platons Höhlengleichnis hinaus. Könnte man doch sagen , wenn etwas von derselben Art ist , dass ist es auch von derselben Idee . Sie wären als Seiendes notwendig ähnlich. Haben die Bäume , wie unser eins, Beine oder wie Häuser , Fenster und Türen ? Ganz sicher nicht . Dergleichen ist , weil unähnlich , von einer gänzlich andereren Art und von einer gänzlich anderen Idee. Gleichwohl von den Bäumen , uns Menschen und den Häusern vieles gibt . In diesem Sein sind sie ähnlich und können als solches unter einer Idee zusammengefasst werden.
  • "Da habe denn nun Sokrates, nachdem er es angehört, den Zenon gebeten, die erste Voraussetzung der ersten Erörterung noch einmal zu lesen und, als dies geschehen war, gesagt: Wie, Zenon, meinst du dies, wenn das Seiende Vieles ist, daß es dann doch notwendig sowohl ähnlich als unähnlich sein müsse und dies doch unmöglich sei? Denn das Unähnliche könne doch unmöglich ähnlich und das Ähnliche unmöglich unähnlich sein: sind das nicht deine Worte?"
    Platon .. Parmenides
Ich denke mal , dass sich Zenon so verstanden wissen will , wenn er meint , dass wenn das Seiende Vieles ist, daß es dann doch notwendig sowohl ähnlich als unähnlich sein müsse und dies doch (un-) möglich sei! Das Seiende von den Bäumen, den Menschen und den Häusern ist ähnlich, weil es davon jeweils "Vieles" gibt . Aber zugleich unähnlich , weil das Sein der Bäume, der Menschen und der Häuser von gänzlich anderer Art ist. Im Grunde genommen reden wir dabei um Mengen , wie sie in der Mengenlehre beschrieben werden.




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AufDerSonne
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Sa 13. Apr 2024, 23:13

Ich habe ein wenig im ersten Buch der Politeia herum geschmökert. Es geht dort um das Gerechte und die Gerechtigkeit. Und um das Ungerechte. Ob das Gerechte gut sei und das Ungerechte schlecht usw. Nun gut, man muss sich durcharbeiten und das braucht Zeit, da hatte ich recht. Und die Sprache ist doch recht ungewöhnlich für heutige Verhältnisse. Sie kommt einem altmodisch vor. Wäre schön gewesen, wenn man die Politeia in normalem Deutsch lesen könnte, was kein Problem wäre. Das gleiche Problem habe ich übrigens bei der Sprache von Kant. Egal.

Etwas ist mir aufgefallen. Wir müssen selbst bestimmen, was die Begriffe für eine Bedeutung haben sollen. Also das ist meine Meinung. Gerechtigkeit etwa, wurde als Wort einfach einmal festgesetzt, also erfunden. In grauer Vorzeit. Dann wurde weiterdiskutiert und philosophiert, was Gerechtigkeit genau sein könnte und der Begriff bekam mit der Zeit schärfere Konturen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, wollte Platon dann solche Begriffe ins Reich der ewigen Ideen erheben. Das war zweifellos ein mutiger Schritt, die Frage ist, ob er möglich ist. Wieso sollte ein Wort wie Gerechtigkeit, das eine lange und mühsame Entstehungsgeschichte hatte, plötzlich eine ewige unzerstörbare Idee sein? Ich hoffe, Platon hat sich diese Frage auch gestellt. Und sie beantwortet. Nur, mir persönlich fehlt einfach das Interesse und die Zeit, um seine Erklärung zu lesen, die auf jeden Fall sehr umfangreich sein müsste.

Bis ich es besser weiss, bleibe ich bei meiner Meinung, dass solche Worte ursprünglich reine Erfindungen waren und dann mit der Zeit von den Menschen mit ihren Meinungen angereichert wurden, insbesondere von den Philosophen. Das was bis heute entstanden ist kann man dann schon die Idee hinter dem Wort nennen, aber von da zu einer Welt der ewigen Ideen vorzustossen, das ist einfach reine Theorie für mich.



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Jörn Budesheim
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AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 13. Apr 2024, 23:13
seine Erklärung
Ich finde das etwas ungerecht, warum muss Platon deiner Meinung nach seine Position erklären und du nicht? Ich glaube, dass deine Position einiger Erklärungskunst bedürfte, um sie einigermaßen plausibel zu machen. Warum bist du davon befreit?




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So 14. Apr 2024, 07:21

AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 13. Apr 2024, 23:13
Ich habe ein wenig im ersten Buch der Politeia herum geschmökert.
...
Reich der ewigen Ideen
Interessant, ich habe den "Staat" digital und habe deshalb einmal die Ausdrücke "Reich", "ewig" und "Idee" in die Suche eingegeben. Und siehe da: In meiner Übersetzung kommen sie im ersten Buch überhaupt nicht vor. In deiner?!

(Nur reich kommt vor, jedoch im Sinne von vermögend)




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Jörn Budesheim
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So 14. Apr 2024, 08:04

AufDerSonne hat geschrieben :
Sa 13. Apr 2024, 23:13
Wäre schön gewesen, wenn man die Politeia in normalem Deutsch lesen könnte, was kein Problem wäre.Wäre schön gewesen, wenn man die Politeia in normalem Deutsch lesen könnte, was kein Problem wäre.
Meine Übersetzung ist in "normalem Deutsch", weiter oben habe ich extra darauf hingewiesen, dass es verschiedene Übersetzungen gibt.




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Jörn Budesheim
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So 14. Apr 2024, 11:46

Dietmar Hübner, in Einführung in die philosophische Ethik hat geschrieben : In Buch I der Politeia unterbreiten verschiedene Gesprächsteilnehmer Vorschläge dafür, was unter Gerechtigkeit zu verstehen sei. Die Sokrates-Figur begnügt sich damit, diese Vorschläge zu diskutieren und letztlich allesamt aus unterschiedlichen Gründen zurückzuweisen. (1) Der erste Vorschlag wird den vorausgehenden Überlegungen eines Gesprächsteilnehmers namens Kephalos entnommen und lautet, dass Gerechtigkeit in Wahrheitsagen und Wiedergeben bestehe [PLATON, Politeia, Buch I, 330d–331c]. Gerecht zu sein heißt demzufolge, aufrichtige Auskünfte zu erteilen und geliehene Gegenstände zurückzuerstatten. Es bedeutet, niemanden zu hintergehen und niemandem etwas schuldig zu bleiben. Das Konzept trägt deutliche Züge einer Händlermoral, die korrekte Information und redliche Bezahlung in geschäftlichen Beziehungen fordert. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als jener Kephalos ein alter Kaufmann ist. Als Mann der Praxis zeichnet er sich durch bodenständige Ansichten aus und vertritt ein Verständnis von Gerechtigkeit, das seinem unmittelbaren Erfahrungskreis entspricht. Ein tieferes Interesse an philosophischen Fragestellungen nimmt er demgegenüber nicht. Kurz darauf zieht er sich aus dem Gespräch zurück und überlässt die nachfolgenden theoretischen Erörterungen den anwesenden jungen Leuten. Sokrates weist Kephalos’ Vorschlag anhand eines Beispiels zurück: Man stelle sich vor, jemand habe die Waffen eines Freundes in Verwahrung genommen. Eines Tages fordere dieser Freund seine Waffen gemäß Verabredung zurück, sei aber inzwischen dem Wahnsinn verfallen. Nach Sokrates kann es nicht gerecht sein, jenem Rasenden seine Waffen wie gewünscht wiederzugeben. Auch wäre es nicht gerecht, ihm in diesem Zustand in jeder Hinsicht die Wahrheit zu sagen [PLATON, Politeia, Buch I, 331c–d]. Man könnte diese Argumentation womöglich anzweifeln...
(2) Ein weiterer Vorschlag wird von einem Diskutanten namens Thrasymachos vorgebracht und besagt, dass Gerechtigkeit allein das dem Stärkeren Zuträgliche bezeichne [PLATON, Politeia, Buch I, 338c–339a, 340c–341a, 343a–344c]. Gerecht ist demzufolge das, was den Herrschenden im Staat nützt. Genauer bezeichnet es das Verhalten der Regierten, wenn sie die Gesetze der Regenten befolgen, welche diese keineswegs zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaft, sondern allein mit Blick auf ihren eigenen Vorteil erlassen haben. Allem Anschein nach hat man es bei dieser Auffassung nicht mit einer moralischen Ausdeutung aufgrund einer vertieften ethischen Analyse zu tun, sondern mit einer kühlen Reduktion auf ein bloßes politisches Machtkalkül. Einmal mehr ist dies nicht erstaunlich, da jener Thrasymachos ein bekannter Sophist ist. Und Sophisten glauben in der Regel nicht an eine moralische Wahrheit, sondern vertreten einen ethischen Skeptizismus, dahingehend dass alle Auffassungen von Tugend oder Gerechtigkeit willkürlich gesetzt sind...




Burkart
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So 14. Apr 2024, 11:46

Nauplios hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 20:03
Burkart hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 23:52

(Bitte möglichst klar ohne Gleichnisse u.ä. erläutern.)
Das ist der cartesianische Traum von der Klarheit und Deutlichkeit der philosophischen Terminologie durch Verzicht auf jedwede Bildsprache.

Klar werden die Verhältnisse der ontologischen Stufen zu den Erkenntnisgraden doch genau durch Gleichnisse. Erst die Gleichnisse reichern die Bedeutung der Termini mit Anschaulichkeit an.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen jegliche Gleichnisse, nur manchmal halte ich klare(re) Aussagen für besser, z.B. wenn man sie dann relativ gut verständlich sind und Gleichnisse nicht benötigt werden.
Aber umgekeht haben wir genug komplexe Begriffe, die u.a. durch Bilder, Geschichten oder eben Gleichnissen allgemein(er) bekannt und verständlich werden, ob nun der Kampf gegen Windmühlen, der arme Sisiphos mit seinem Stein oder auch schon der "Zugzwang".



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Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Burkart
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So 14. Apr 2024, 12:06

Timberlake hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 21:42
Burkart hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 23:52
Timberlake hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 02:03


.. diesen Grundrechenarten fehlt irgendwie die Basis dazu. Die können, weil sie dort konstruiert wurden, nur im Kopf sein. Ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.. In der Luft bzw. im Raum .. quasi außerhalb der Höhle! .. funktionieren sie nicht mehr.
Was wolltest du damit sagen? Was funktioniert wie(so) nicht mehr? (Bitte möglichst klar ohne Gleichnisse u.ä. erläutern.)
Bzw. stimmst du mir/uns zu oder nicht?
Ganz einfach , weil es in der realen Welt kein "Gleiches" gibt , kann in ihr eine Mathematik , die mit "Gleichheits" - zeichen operiert nicht mehr funktionieren. In diesem Sinne , dass diese Mathematik als solches nur als Idee im Kopf sein kann und eben nicht , in der Luft bzw. im Raum ( reale Welt ) , stimme ich dir zu.
Klar, in unserer realen physischen Welt sind alle Dinge unterschiedlich. Aber der "Trick" ist ja, dass man diese Dinge abstrahiert, damit sie mathematisch nutzbar werden, z.B. radikal auf ihre Existenz zur Zahl 1. Und so sind verschiedene Äpfel zusammen addierbar, ob sie nun unterschiedliche Farben oder Größen haben, also so sind 2 + 3 dann 5 (Äpfel) und wir haben uns die Basis zu den Grundrechenarten aufgebaut. Siehst du darin irgendein Problem?



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So 14. Apr 2024, 14:36

Hallo Nauplios (insbesondere),

Platons Gleichnisse sind nett, um gewisse Dinge zu zeigen oder zumindest verdeutlichen. Sie müssen ja nicht (immer) perfekt auf unsere (Erfahrungs-)Welt passen; es sind halt Gleichnisse, quasi seine Gedanken zu unseren Gedanken.

Wie siehst du es aber bei Platons Ideen? Ist das für dich mehr als ein gedankliches Modell, also dass es die Ideen wirklich in unserer Welt auch außerhalb unserer Gedanken (und Sinne u.ä.) gibt? Also z.B. das Grün o.a.



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Jörn Budesheim
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So 14. Apr 2024, 17:07

Bettina Fröhlich, Platon, 2023 hat geschrieben : Eine besonders intensive Platon-Rezeption findet sich in der Naturwissenschaft. Die moderne Physik hat großes Interesse an Platons Kosmologie sowie an der platonischen Auffassung der mathematischen Wahrheit entwickelt.

Carl Friedrich von Weizsäcker (1912–2007) ging in verschiedenen Aufsätzen und Vorträgen der Frage nach, ob und inwiefern Platons Philosophie Grundprobleme der heutigen Wissenschaft klären könne.

Seine Auseinandersetzung mit Platon verstand er als Gespräch nach dem Vorbild der gemeinsamen Suche nach Wahrheit, wie sie in den sokratischen Dialogen vollzogen wird. Im Bestreben, die Bedeutung des platonischen Denkens in das moderne Bewusstsein zu heben, verwies von Weizsäcker darauf, dass »alle Grundbegriffe, welche die Wissenschaft naiv verwendet, […] ihren Ursprung in der Denkanstrengung der klassischen, letztlich der griechischen Philosophie« haben.

In seinem Werk The Road to Reality vertritt der Physiker Roger Penrose (*1931) die These, dass es von großem Vorteil sei, in Anknüpfung an Platon mathematischen Strukturen eine eigene Realität zuzuschreiben. Durch die Annahme der »Objektivität der mathematischen Wahrheit« erhalte man einen »Maßstab, der weder von unseren individuellen Meinungen noch von unserer besonderen Kultur abhängt«.

...

Eine ganz andere Bezugnahme findet sich in der aktuellen Leib-Seele-Debatte. In diesem Diskurs geht es um die Klärung des Verhältnisses zwischen Körper und Seele. Sind Körper und Geist zwei verschiedene Substanzen? Oder ist der Geist auf das Körperliche zurückzuführen bzw. der Körper eine Form des Geistes? Nachdem dualistische Positionen in der Moderne durch materialistische und naturalistische Auffassungen abgelöst worden waren, finden sich heute wieder Stimmen, die für einen Substanzdualismus plädieren.

Es geht dabei um die Annahme, dass der Mensch einen Körper sowie eine von der Physis unabhängige, immaterielle Substanz – eben die Seele – besitzt und beides nicht aufeinander reduziert werden kann. Bei der Wiederaufnahme dieser Position wird häufig auf René Descartes (1596–1650) und auf Platon verwiesen, die als Begründer des Substanzdualismus gelten.




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Nauplios
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So 14. Apr 2024, 17:32

Burkart hat geschrieben :
So 14. Apr 2024, 14:36

Hallo Nauplios (insbesondere),

Wie siehst du es aber bei Platons Ideen? Ist das für dich mehr als ein gedankliches Modell, also dass es die Ideen wirklich in unserer Welt auch außerhalb unserer Gedanken (und Sinne u.ä.) gibt?
Darüber hab' ich mir noch nie Gedanken gemacht, Burkart. Ich weiß nicht, ob es "die Ideen wirklich in unserer Welt auch außerhalb unserer Gedanken" gibt. Woher auch?

Ich lese ja nicht Platon, um zu erfahren, wie sich die Dinge "wirklich" verhalten, sondern um zu erfahren, wie Platon sich dachte, daß sie sich verhalten. Das ist deshalb von Interesse, weil das, was Platon sich dachte, die Philosophen bis heute beschäftigt. Und über diesen Punkt waren sie sich noch nie einig - und sie sind es auch heute nicht:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 13. Apr 2024, 14:21
Bettina Fröhlich hat geschrieben : Kein Philosoph hat seinen Interpreten größere Rätsel aufgegeben als Platon. Die Debatten über die richtige Deutung seiner Philosophie setzten unmittelbar nach seinem Tod ein und halten bis heute an.
Platon Philosophie - und insbesondere sein Höhlengleichnis - hat eine Wirkung, die bis heute anhält. Sie hält aber nicht deswegen an, weil die Archäologen Kugelmenschen ausgegraben hätten oder weil ein vor 2500 Jahren gestorbener Mensch ins Leben zurückgefunden hätte und nun zu uns spricht: "Soll ich euch mal zeigen, wo in der Unterwelt der Styx fließt? Kommt mal mit, ich kenn die Stelle", sondern weil die Philosophie immer schon ihre Geschichte war (s.o.). Die Gleichnisse und Geschichten Platons haben sich in die DNA der gesamten abendländischen Tradition der Philosophie eingeschrieben. Ich hab' nix eingeschrieben.

Die Antwort auf die Frage, wie sich das mit den Ideen und den Gedanken wirklich verhält, kann ich nicht geben. Gäbe es sie überhaupt, hätte sie für mich einen ähnlichen Stellenwert wie zu wissen, ob der Kanzler zu Mittag Fischstäbchen mit Kohlrabi gegessen hat.




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Nauplios
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So 14. Apr 2024, 17:47

Von Tucholsky gibt es ein kleines Gedicht, das all das auf den Punkt bringt. Es erschien 1931 in der Weltbühne und trägt den Titel "ALSO WAT NU? - JA ODER JA?"

"Wie ick noch 'n kleena Junge wah,
da hattn wa auffe Schule
een Lehra, den nannten wa bloß: Papa –
een jewissen Doktor Kuhle.

Un frachte der wat, un der Schieler war dumm,
un der quatschte und klönte bloß so rum,
denn sachte Kuhle feierlich:
»Also – du weeßt et nich!«

So nachn Essen, da rooch ick jern
in stillen meine Sßijarre.
Da denk ick so, inwieso un wiefern
un wie se so looft, die Karre.

Wer weeß det … Heute wähln wa noch rot,
un morjen sind wa valleicht alle tot.
Also ick ja nich, denkt jeda. Immahin …
man denkt sich so manchet in seinen Sinn.

Ick bin, ick werde, ich wah jewesen …
Da haak nu so ville Bicher jelesen.
Und da steht die Wissenschaft uff de Kommode.
Wie wird det mit uns so nachn Tode?
Die Kürche kommt jleich eilich jeloofn,
da jibt et 'n Waschkorb voll Phillesophen …
Det lies man. Un haste det hinta dir,
dreihundert Pfund bedrucktet Papier,

denn leechste die Weisen
beit alte Eisen
un sachst dir, wie Kuhle, innalich:
Sie wissen et nich. Sie wissen et nich."




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So 14. Apr 2024, 23:47

Nauplios hat geschrieben :
So 14. Apr 2024, 17:32
Burkart hat geschrieben :
So 14. Apr 2024, 14:36

Hallo Nauplios (insbesondere),

Wie siehst du es aber bei Platons Ideen? Ist das für dich mehr als ein gedankliches Modell, also dass es die Ideen wirklich in unserer Welt auch außerhalb unserer Gedanken (und Sinne u.ä.) gibt?
Darüber hab' ich mir noch nie Gedanken gemacht, Burkart.
Ok....
Ich weiß nicht, ob es "die Ideen wirklich in unserer Welt auch außerhalb unserer Gedanken" gibt. Woher auch?
Vielleicht hast du ja für dich ein konsistentes Bild von der Welt in deinen Lebensjahrzehnten gemacht? Daher eventuell.
Ich lese ja nicht Platon, um zu erfahren, wie sich die Dinge "wirklich" verhalten, sondern um zu erfahren, wie Platon sich dachte, daß sie sich verhalten. Das ist deshalb von Interesse, weil das, was Platon sich dachte, die Philosophen bis heute beschäftigt. Und über diesen Punkt waren sie sich noch nie einig - und sie sind es auch heute nicht:
Für dich ist dann mehr das Geschichtliche, das damalige Denken (gerne im Heutigen weiterlebend) u.ä. interessant, z.B. auch die Uneinigkeit der Philosophen.
Die Antwort auf die Frage, wie sich das mit den Ideen und den Gedanken wirklich verhält, kann ich nicht geben. Gäbe es sie überhaupt, hätte sie für mich einen ähnlichen Stellenwert wie zu wissen, ob der Kanzler zu Mittag Fischstäbchen mit Kohlrabi gegessen hat.
Dich interessieren umstrittene Ideen also mehr als wie die Welt wirklich ist (oder zu sein scheint)? Das könnte man zumindest so interpretieren.
Tja, so kann man ggf. unterschiedliche Sichtweisen haben ;)



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Nauplios hat geschrieben :
So 14. Apr 2024, 17:32
[...]
Ich lese ja nicht Platon, um zu erfahren, wie sich die Dinge "wirklich" verhalten, sondern um zu erfahren, wie Platon sich dachte, daß sie sich verhalten. Das ist deshalb von Interesse, weil das, was Platon sich dachte, die Philosophen bis heute beschäftigt. Und über diesen Punkt waren sie sich noch nie einig - und sie sind es auch heute nicht:
[...]
Mein jüngster Versuch! (o,o)
Dateianhänge
Sonnen- Linien- Höhlengleichnis Platons im Merksatz des Parmenides.pdf
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Jörn Budesheim
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Mo 15. Apr 2024, 10:49

Was hältst Du davon, zu dieser Grafik einen eigenen Faden mit Erläuterungen aufzumachen?




Timberlake
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Nauplios hat geschrieben :
So 14. Apr 2024, 17:32

Die Antwort auf die Frage, wie sich das mit den Ideen und den Gedanken wirklich verhält, kann ich nicht geben.

.. und wie sieht es mit der Antwort auf die Frage aus , wie sich das mit den Ideen und den Gedanken nach Platon verhält ? Wohlgemerkt gemäß Platons Höhlengleichnis.


Nauplios hat geschrieben :
So 14. Apr 2024, 17:47
Von Tucholsky gibt es ein kleines Gedicht, das all das auf den Punkt bringt. Es erschien 1931 in der Weltbühne und trägt den Titel "ALSO WAT NU? - JA ODER JA?"

..

Ick bin, ick werde, ich wah jewesen …
Da haak nu so ville Bicher jelesen.
Und da steht die Wissenschaft uff de Kommode.
Wie wird det mit uns so nachn Tode? .

..
Das Gedicht bringt übrigens nur " eines" auf den Punkt und zwar die Anwort auf die Frage "Wie wird det mit uns so nachn Tode? " ...
Nauplios hat geschrieben :
So 14. Apr 2024, 17:47
Von Tucholsky gibt es ein kleines Gedicht, das all das auf den Punkt bringt. Es erschien 1931 in der Weltbühne und trägt den Titel "ALSO WAT NU? - JA ODER JA?"

..

Sie wissen et nich. Sie wissen et nich."




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Alltag hat geschrieben :
Mo 15. Apr 2024, 00:47
Nauplios hat geschrieben :
So 14. Apr 2024, 17:32
[...]
Ich lese ja nicht Platon, um zu erfahren, wie sich die Dinge "wirklich" verhalten, sondern um zu erfahren, wie Platon sich dachte, daß sie sich verhalten. Das ist deshalb von Interesse, weil das, was Platon sich dachte, die Philosophen bis heute beschäftigt. Und über diesen Punkt waren sie sich noch nie einig - und sie sind es auch heute nicht:
[...]
Mein jüngster Versuch! (o,o)


Sonnen- Linien- Höhlengleichnis Platons im Merksatz des Parmenides.pdf
Dein jüngster Versuch hat immerhin nun mehr mit . " so sein ( a ) " .. das , was ich bei deinem ersten Versuch vermisst habe , na das ist ja schon mal was . ;)

Wo wir schon mal "dabei " sind ..

Timberlake hat geschrieben :
Sa 13. Apr 2024, 16:52

Genau darauf wollte ich im Hinblick auf Platons Höhlengleichnis hinaus. Könnte man doch sagen , wenn etwas von derselben Art ist , dann ist es auch von derselben Idee . Sie wären als Seiendes notwendig ähnlich. Haben die Bäume , wie unser eins, zwei Beine oder wie Häuser , Fenster und Türen ? Ganz sicher nicht . Dergleichen ist , weil unähnlich , von einer gänzlich andereren Art und von einer gänzlich anderen Idee. Gleichwohl von den Bäumen , uns Menschen und den Häusern vieles gibt . In diesem Sein sind sie ähnlich und können als solches zu einer Art und unter einer Idee zusammengefasst werden.
  • "Da habe denn nun Sokrates, nachdem er es angehört, den Zenon gebeten, die erste Voraussetzung der ersten Erörterung noch einmal zu lesen und, als dies geschehen war, gesagt: Wie, Zenon, meinst du dies, wenn das Seiende Vieles ist, daß es dann doch notwendig sowohl ähnlich als unähnlich sein müsse und dies doch unmöglich sei? Denn das Unähnliche könne doch unmöglich ähnlich und das Ähnliche unmöglich unähnlich sein: sind das nicht deine Worte?"
    Platon .. Parmenides
Ich denke mal , dass sich Zenon so verstanden wissen will , wenn er meint , dass wenn das Seiende Vieles ist, daß es dann doch notwendig sowohl ähnlich als unähnlich sein müsse und dies doch (un-) möglich sei! Das Seiende von den Bäumen, den Menschen und den Häusern ist ähnlich, weil es davon jeweils "Vieles" gibt . Aber zugleich unähnlich , weil das Sein der Bäume, der Menschen und der Häuser von gänzlich anderer Art ist. Im Grunde genommen reden wir dabei um Mengen , wie sie in der Mengenlehre beschrieben werden.

würdest du denn sagen , dass sich Zenon so verstanden wissen will ( a ) und unterliegt das irgendwie passiv so (ap) . Oder ist das überhaupt nicht so (b) aber unterliegt irgendwie passiv so (bp) . Du darfst zum besseren Verständnis aber auch gerne das hier "zusammend passend erkundete" im Bezug "zu sich selbst(1) " , " zu seines gleichen ( 3) " , "zu Anderen , die einen weiterbringen (2) " erweitern.

Wie dem auch sei , für mich ist das «Das Denkbare». So denkbar , wie die "Geometrie und ihr Verwandte Künste" und in eine Theorie gegossene Verstandesgewissheit. Wie es für mich auch so "Sichtbar" ist , wie die Tiere, die Gewächse und das von Menschen gemachte Texné. Die Annahme einer "Wahrscheinlichkeit" würde da nur "potentiell stören"




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