Platons Gleichnisse (... und die Realität der Ideen)

Alltag
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Fr 12. Apr 2024, 10:17

Nauplios hat geschrieben :
Mi 10. Apr 2024, 14:38
Es handelt sich also im Grunde um einen Kommentar zu Zekls Kommentar zu Proklos' Kommentar zu Platons Parmenides, eine Art Vermessung des philosophischen Denkraums mit philologischen Mitteln. ;)
[...]
Respekt für Deine Tabelle, Alltag! ;)
Herzlichen Dank für Deine Blumen mit Augenzwinkern, auch für die Geduld und Toleranz mit der Du meinem EXKUS in Parmenides-Dialog gefolgt bist. Doch nun geht's meinerseits zurück zu Platons Gleichnissen. Ich frage mich, an wen sind die Gleichnisse gerichtet? Fokussieren sich die einzelnen Gleichnis an unterschiedliche Adressaten? Auffällig ist doch, wie die hier zur Diskussion stehenden Dialoge von Platon aufgebaut sind. (a) Die ausschweifende Einleitung über das drum und dran. (b) Die Ablenkung vom eigentlichen Thema. (c) Die getarnten Hintergedanken [Hidden Agenda]

An der Antwort arbeite ich noch.

Die Motivation dafür ziehe ich aus der Intuition, dass die Politeia Antwort auf einen Druck sein könnte, dem sich Platon ausgesetzt sah, ähnlich der Situation in der sich René Descartes befand, als er in den Niederlanden erfuhr, dass Giordano Bruno - dem er sich Weltanschaulich verbunden fühlte - verurteilt wurde. Descartes entschied sich kurzerhand sein umfangreiches, publikationsbereites Hauptwerk zu zerstückeln, sodass er die Zensur der mächtigen Herren nicht auf sich aufmerksam macht, oder aber sich dagegen verteidigen kann. (Vorwort in der Ausgabe der Academie Française vom Discours de la Methode von René Descartes). Ich sehe Parallelen zwischen der Verurteilung von Sokrates zu der von Giordano Bruno; beide Autoren stehen den jeweils Verurteilten gedanklich nahe; beide sahen sich infolge ihrer weiteren Arbeiten vor den mächtigen weltlichen und religiösen Mächten in Gefahr. (O,O)




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Nauplios
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Fr 12. Apr 2024, 10:20

Burkart hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 00:44

@Nauplios: Kannst du meine Vorbehalte nachvollziehen oder entkräften?
Es gibt ja sehr unterschiedliche Grüntöne. Pastellgrün, Adengrün, Hellgrün, Jadegrün, Grasgrün, Moosgrün ... Geht man nun immer mehr ins Detail, ergeben sich natürlich immer feinere Farbnuancen, am Ende vielleicht 20 oder 200 verschiedene. Irgendwann landet bei tausenden ganz individuellen Ausprägungen von Grün, die das Auge gar nicht mehr unterscheiden kann.

Man kann aber doch auch in die entgegengesetzte Richtung denken und sich fragen, was allen diesen unterschiedlichen Grüntönen gemeinsam ist. Die Richtung ist dann vom Besonderen ins Allgemeine. Und was von all diesen Pastellgrün, Adengrün, Jadegrün, Grasgrün ... dann übrig bleibt, was allen gemeinsam ist, ist der Oberbegriff "Grün".

Platons "Idee" läuft jetzt darauf hinaus, daß es in der Welt der sinnlichen Wahrnehmung (s.o.) zwar all diese unterschiedlichen Grünvarianten gibt - als Eigenschaft haftet das Grün ja an sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen - , aber das "Grün-schlechthin", das Grün in seiner "Grünheit", das "Urgrün" gibt es nur in der intelligiblen Welt. In der sinnlichen Welt der Wahrnehmung gibt es nur "Abbilder" von dem "Urbild", das es nur in der intelligiblen Welt gibt. Die "Abbilder" gehören zum Reich des Wahrnehmbaren, die "Urbilder" zum Reich des Denkens (s.o.). Und hier spricht Platon von "Ideen". Diesen "Ideen" kommt ein höheres Sein zu als den "Abbildern".

Jetzt kann man natürlich die Überlegung anstellen, ob es dann nicht auch für jedes Grasgrün, für jedes Hellgrün, für jedes Pastellgrün ... je wieder eine eigene Idee, eine "Unter-Idee" in der Welt des Intelligiblen geben müßte. Das würde aber bedeuten, daß es am Ende soviel "Unter-Ideen" und "Unter-Unter-Ideen" und "Unter-Unter-Unter-Ideen" gibt wie es grüne Farbnuancen gibt. Die Welt der Ideen wäre dann 1 : 1 identisch mit der Welt des sinnlich Wahrnehmbaren. Jedes Abbild wäre sein eigenes Urbild. Das wäre dann das Ende jedweder Differenzierung von Seins- und Erkenntnisstufen (s. Tabelle oben). - Mein Pullover in der obigen Kinderzeichnung wäre nicht mehr "grün", sondern es müßte eine Bezeichnung dafür geben, die sämtliche 1999 anderen Grünvarianten ausschließt.




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AufDerSonne
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Fr 12. Apr 2024, 13:14

Nauplios hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 10:20
Es gibt ja sehr unterschiedliche Grüntöne.
Gäbe es noch ein anderes Beispiel anstatt Farben? Farben finde ich ungünstig, da sie physikalisch wohldefiniert sind. Jeder Farbe entspricht eine bestimmte Wellenlänge einer elektromagnetischen Welle (Licht). Das heisst, gerade Farben sind ein ungünstiges Beispiel für die Veranschaulichung der Idee, da man sie ganz klar physikalisch erklären kann.



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Jörn Budesheim
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Fr 12. Apr 2024, 13:39

Jede Eigenschaft ist ein Beispiel, schätze ich. Zum Beispiel die Eigenschaft, ein Haus zu sein.

Übrigens: Wenn etwas auf dieser Welt mit Sicherheit falsch ist, dann, dass Farben physikalisch definiert sind. Denn physikalisch gesehen fehlt ihnen das Entscheidende: die Farbe. Demokrit, der als erster ganz analog auf diese absurde Idee kam - "Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter, in Wirklichkeit gibt es nur Atome im leeren Raum" - war übrigens, wenn meine Recherchen stimmen, ein Zeitgenosse Platons. Dies nur für diejenigen, die meinen, mit diesem seltsamen Glauben "den" Griechen voraus zu sein, weil wir das "heute" (wie oben jemand geschrieben hat) besser wissen.

Demokrit (ca. 460 v. Chr. - ca. 370 v. Chr.)
Sokrates (ca. 470 v. Chr. - 399 v. Chr.)
Platon (428/427 v. Chr. - 348/347 v. Chr.)




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Quk
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Fr 12. Apr 2024, 13:56

Ich denke auch, Farben im Sinne der geistigen Farbempfindung kann auf keinste Weise beschrieben werden außer durch die geistige Farbqualität selbst.

Ansonsten gibt es neben der Wellenlänge noch etliche weitere technische Beschreibungen der Farben:

Digitales RGB-Format: z. B. "255, 0, 0" bedeutet rot mit maximaler Sättigung und Leuchtkraft.
Digitales CMYK-Format: z. B. "255, 0, 0, 0" bedeutet cyan mit maximaler Sättigung und Leuchtkraft.
LAB-Koordinatenfarbräume
Pigment-Materialien wie z. B. Purpur, Safran etc.
RAL-Nummern
etc.

... und keines dieser Beschreibungssysteme kann ein anderes beschreiben; sie sind nicht 100% kompatibel. Das sagt auch was aus :-)




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Nauplios
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Fr 12. Apr 2024, 17:56

AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 13:14

Gäbe es noch ein anderes Beispiel anstatt Farben? Farben finde ich ungünstig ...
Ja, das Beispiel mit dem "Grün" ist nicht mehr als ein Erste-Hilfe-Koffer, der nur die "Richtung" anzeigen soll: Weg von den einzelnen wahrnehmbaren Eigenschaften, die den Dingen "anhaften", hin zum Raum des Denkbaren, zur intelligiblen Welt.

Mit den Allgemein-Begriffen ist man aber noch nicht am Ziel von Platons Ideenlehre. Das ist eigentlich nur eine Zwischenstation, ein erster Ruhepunkt.

Weiter oben hatte ich schon erwähnt, daß Schleiermacher zwar auch von "Begriffen" im Hinblick auf Ideen spricht, aber diese Redeweise ist mißverständlich. "Die Idee ist allerdings kein 'Gedankending', kein bloßer 'Denkinhalt' (νόημα), sondern ein In-Gedanken-Erkennbares (νοητά). Dieses In-Gedanken-Erkennbare gibt es, bevor es jemand denkt! Ideen existieren erkenntnisunabhängig!" (07. 04) - Das bezog sich auf die sogenannte "Reinheit" der Ideen.

Auf der Seite Platon heute heißt es in dem Zusammenhang:

"Die Ideen dürfen deshalb nicht als nur formale Allgemeinbegriffe mißgedeutet werden."

Denn es geht noch um etwas weiteres: Die sinnlich wahrnehmbaren Dinge sind vergänglich. Würde man bei den Allgemein-Begriffen als Kristallisationspunkte der Ideen stehen bleiben, würden ja diese Allgemein-Begriffe, also die Ideen, ebenfalls vergänglich sein! Die Ideen denkt Platon aber gerade als nicht vergänglich. Es gibt sie auch ohne konkrete Ausprägungen in der sinnlich wahrnehmbaren Welt.

Was wir über die Sinne wahrnehmen ist vergänglich und damit auch ontologisch zweitrangig. Die Anwesenheit der Ideen in den wahrnehmbaren Dingen ist nicht beständig. Beständig, d.h. ewig, sind sie nur als "reine" Ideen. Und das Beständige, ohne Beimischung von Veränderlichem, ist für Platon (aber nicht nur für ihn) immer das Höherwertige. -




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Fr 12. Apr 2024, 18:42

Nauplios hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 17:56
Was wir über die Sinne wahrnehmen ist vergänglich und damit auch ontologisch zweitrangig. Die Anwesenheit der Ideen in den wahrnehmbaren Dingen ist nicht beständig. Beständig, d.h. ewig, sind sie nur als "reine" Ideen. Und das Beständige, ohne Beimischung von Veränderlichem, ist für Platon (aber nicht nur für ihn) immer das Höherwertige. -
Aber etwas scheint mir sonderbar. Auf die Idee von Grün kommen wir doch, weil wir (mindestens) einmal im Leben etwas Grünes gesehen haben? Also ich wüsste nicht, wie ich mir sonst unter Grün etwas vorstellen könnte. Man könnte weitergehen und annehmen, es gäbe in der Wirklichkeit kein Grün. Wie um Himmels Willen sollten wir dann wissen, was Grün ist?
Wenn ich recht habe, dann deutet das wieder darauf hin, dass Platon verkehrt geschlossen hat. Der geistige Vorgang ist: Wahrnehmung -> Ideen. Und nicht: Ideen -> Wahrnehmung. (Der Pfeil heisst, daraus folgt.)

Ich glaube nicht, dass wir nach dem heutigen Wissen, die Farbe von der elektromagnetischen Wellenlänge trennen sollten. Das wäre ein Rückschritt ins Mittelalter.



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Nauplios
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Fr 12. Apr 2024, 18:50

Alltag hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 10:17

Ich frage mich, an wen sind die Gleichnisse gerichtet? Fokussieren sich die einzelnen Gleichnis an unterschiedliche Adressaten? Auffällig ist doch, wie die hier zur Diskussion stehenden Dialoge von Platon aufgebaut sind.
Ich will nicht schon wieder die Rezeptionsästhetik bemühen, doch war Platon schon klar, daß er nicht nur für die Schüler der Akademie schrieb und die an der Philosophie interessierten Zeitgenossen im antiken Athen. Er hat vielleicht nicht gerade damit gerechnet, daß seine Gleichnisse noch in einem Internetforum des Jahres 2024 gelesen und gedeutet werden (Die Frage liegt in der Luft: wie kommt das eigentlich?); aber er hat schon auch mit verspäteten Lesern gerechnet.

Ob die historischen Personen, die in den platonischen Dialogen als Gesprächspartner des Sokrates "auftreten" authentisch sind oder als fiktive dramatis personae von Platon inszeniert werden, dürfte sich kaum in jedem Fall aufklären lassen. Letztendlich kommt es darauf aber auch weniger an als auf die "Aufstellung" dieser Personen in dem Drama selbst.

Platon inszeniert Dramen. In diesen Dramen läßt er die Personen jeweils in einer Rolle auftreten. Die Schurken werden von den Sophisten dargestellt, die Sokrates Ergebenen sind jugendliche Heißsporne. Die im Symposion Auftretenden sind angetrunkene Geschichtenerzähler und die Hauptfigur, der männliche Held (in der Apologie der tragische Held) ist Sokrates, der die Schurken mit seiner Fragerei wahnsinnig macht. Und Diotima bekommt den Preis für die beste weibliche Nebenrolle.

Ich denke, daß diese Dialog-Szenen mit Bedacht gewählt worden sind. "Kriton, wir schulden dem Asklepios einen Hahn. Gebt ihm den und vergeßt es ja nicht!", läßt Platon im Phaidon den Sokrates kurz vor dessen Hinrichtung sagen (118a). Was beschäftigt Sokrates unmittelbar vor seiner Hinrichtung? Etwas ganz Profanes.




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Fr 12. Apr 2024, 19:05

AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 18:42

Aber etwas scheint mir sonderbar. Auf die Idee von Grün kommen wir doch, weil wir (mindestens) einmal im Leben etwas Grünes gesehen haben? Also ich wüsste nicht, wie ich mir sonst unter Grün etwas vorstellen könnte. Man könnte weitergehen und annehmen, es gäbe in der Wirklichkeit kein Grün. Wie um Himmels Willen sollten wir dann wissen, was Grün ist?
Wenn ich recht habe, dann deutet das wieder darauf hin, dass Platon verkehrt geschlossen hat. Der geistige Vorgang ist: Wahrnehmung -> Ideen. Und nicht: Ideen -> Wahrnehmung. (Der Pfeil heisst, daraus folgt.)
Das Ganze verliert etwas von seinem Sonderbaren, wenn man sich der platonischen Richtung (Ideen > Wahrnehmung) ein Stück weit anvertraut. Die Ideen bilden eine Welt (des Beständigen) für sich, wovon die konkreten Ausprägungen nur "Abbilder" sind. Also ich find's nicht schlecht. ;)




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Fr 12. Apr 2024, 19:25

Nauplios hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 19:05
Das Ganze verliert etwas von seinem Sonderbaren, wenn man sich der platonischen Richtung (Ideen > Wahrnehmung) ein Stück weit anvertraut. Die Ideen bilden eine Welt (des Beständigen) für sich, wovon die konkreten Ausprägungen nur "Abbilder" sind. Also ich find's nicht schlecht. ;)
Also der Vorgang wäre dann so: Die Welt der Ideen macht den konkreten Baum (in meinem Garten) und wir nehmen anschliessend diesen Baum wahr. Ist das richtig? Also eigentlich nicht, Ideen -> Wahrnehmung, sondern, Ideen -> konkretes Objekt -> Wahrnehmung.
Nun, das könnte man schon so sehen. Ein Naturgesetz ist ja auch schon da, bevor wir es entdecken. Die Natur ändert ihre Gesetze nicht, weil wir sie entdecken. Die waren schon vorher da. Und durch Beobachtung können wir dann die Naturgesetze entdecken.

Aber mal ehrlich. Spielt das so eine grosse Rolle? Der Baum in meinem Garten ist da und ich kann ihn wahrnehmen. Ob dahinter jetzt eine ewige beständige Idee eines Baums ist oder nicht, ist doch nicht so wichtig. Wenn jetzt noch ein Christ käme, dann wäre er sowieso von Gott gemacht. Bei Platon ist es die Welt der beständigen Ideen.



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Fr 12. Apr 2024, 19:52

AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 19:25

Also der Vorgang wäre dann so: Die Welt der Ideen macht den konkreten Baum (in meinem Garten) und wir nehmen anschliessend diesen Baum wahr. Ist das richtig? Also eigentlich nicht, Ideen -> Wahrnehmung, sondern, Ideen -> konkretes Objekt -> Wahrnehmung.
Nun, das könnte man schon so sehen. Ein Naturgesetz ist ja auch schon da, bevor wir es entdecken. Die Natur ändert ihre Gesetze nicht, weil wir sie entdecken. Die waren schon vorher da. Und durch Beobachtung können wir dann die Naturgesetze entdecken.

Aber mal ehrlich. Spielt das so eine grosse Rolle? Der Baum in meinem Garten ist da und ich kann ihn wahrnehmen. Ob dahinter jetzt eine ewige beständige Idee eines Baums ist oder nicht, ist doch nicht so wichtig. Wenn jetzt noch ein Christ käme, dann wäre er sowieso von Gott gemacht. Bei Platon ist es die Welt der beständigen Ideen.
Denke es mal vom Abbild-Verhältnis her:

In Deinem Garten steht ein Baum. Du zeichnest diesen Baum. Jetzt hast Du ein Abbild vom Baum. Der Baum selbst ist aber doch ontologisch vorgängig. Gäbe es den Baum nicht, könntest Du ihn doch gar nicht zeichnen. Die Zeichnung ist doch das ontologisch Spätere. Der Baum steht doch nicht da, weil Du ihn vorher gezeichnet hast.

Der platonische Sokrates würde jetzt sagen:

"Genauso, oh AufDerSonne, denke Dir jetzt das Verhältnis von der Idee des Baums zum Baum in Deinem Garten." ;)




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Fr 12. Apr 2024, 20:03

Burkart hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 23:52

(Bitte möglichst klar ohne Gleichnisse u.ä. erläutern.)
Das ist der cartesianische Traum von der Klarheit und Deutlichkeit der philosophischen Terminologie durch Verzicht auf jedwede Bildsprache.

Klar werden die Verhältnisse der ontologischen Stufen zu den Erkenntnisgraden doch genau durch Gleichnisse. Erst die Gleichnisse reichern die Bedeutung der Termini mit Anschaulichkeit an.




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Fr 12. Apr 2024, 20:12

Nauplios hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 19:52
Denke es mal vom Abbild-Verhältnis her:

In Deinem Garten steht ein Baum. Du zeichnest diesen Baum. Jetzt hast Du ein Abbild vom Baum. Der Baum selbst ist aber doch ontologisch vorgängig. Gäbe es den Baum nicht, könntest Du ihn doch gar nicht zeichnen. Die Zeichnung ist doch das ontologisch Spätere. Der Baum steht doch nicht da, weil Du ihn vorher gezeichnet hast.

Der platonische Sokrates würde jetzt sagen:

"Genauso, oh AufDerSonne, denke Dir jetzt das Verhältnis von der Idee des Baums zum Baum in Deinem Garten." ;)
"Oh Sokrates, du musst es kehren beim Drehen!" :D

Es ist wieder einmal der Idealismus, denke ich. Und da ist immer das gleiche Problem. Logisch, Nauplios, werde ich den platonischen Standpunkt nicht widerlegen können und du wirst mir ewig beweisen können, dass du recht hast. Aber empirisch ist er falsch. Die Erfahrung kommt vor der Idee. Nicht umgekehrt. Denke doch einmal das Problem konsequent zu Ende. Wofür sollten wir dann noch irgendwelche Erfahrungen machen? Dann denke ich mir einfach alles.
Aber ich denke, ich muss hier einen Punkt setzen. Ich müsste mich einmal mit Platon beschäftigen. Vielleicht verstehe ich es einfach falsch.



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Fr 12. Apr 2024, 20:20

Ich habe ein Comic von Einstein, dort ist ein guter Witz drin. Ich kann hier die Bilder nicht wiedergeben, aber ich versuche sie zu beschreiben:

Also, die Frau des Sokrates fragt diesen etwas wütend: "Sokrates, kennst du die Zeit?"
Darauf Sokrates zu seiner Frau: "Erkenne sie selbst, o meine holde Frau! Dem Weisen schlägt keine Stunde."
Darauf seine Frau: "Aber der Frau des Weisen!!" :lol:

Schöner könnte man nicht darstellen, wie man sich in der Weisheit verlieren kann. Ich finde, die Frau hat recht. Der Tod ereilt jeden einmal (was wir aus Erfahrung wissen). Aber man kann schon dem Ideal folgen, dass einem Weisen keine Stunde schlägt. Nur ist es halt reine Theorie.



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Jörn Budesheim
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Fr 12. Apr 2024, 20:35

AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 18:42
Auf die Idee von Grün kommen wir doch, weil wir (mindestens) einmal im Leben etwas Grünes gesehen haben?
Woher weißt du, dass es nicht umgekehrt ist? Ohne die Idee von Grün kannst du nichts Grünes sehen.




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Fr 12. Apr 2024, 20:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 20:35
AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 18:42
Auf die Idee von Grün kommen wir doch, weil wir (mindestens) einmal im Leben etwas Grünes gesehen haben?
Woher weißt du, dass es nicht umgekehrt ist? Ohne die Idee von Grün kannst du nichts Grünes sehen.
Siehe den Witz oben. :lol:



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Timberlake
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Fr 12. Apr 2024, 21:14

Nauplios hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 19:44
AufDerSonne hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 19:25
Nauplios hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 18:40
"Dort wo die Sitzbeinstacheln seitlich in das knöcherne Becken ragen, ist die engste Stelle des gesamten Geburtsweges." - Habt Ihr das gewußt? Ich nicht. ;)
Ach das. Ist ein alter Hut! :lol:

Sag mal Nauplios. Bist du durch die Beschäftigung mit der Philosophie weise geworden? Ich denke, das wäre möglich. Also dass die Beschäftigung mit der Philosophie weise macht.
Folgt man Platon, macht sie "wunderlich". Manchmal, aber selten, lese ich meiner Gefährtin Beiträge von mir vor. Das lag hier nahe, weil sie von Haus aus eigentlich Biologin ist. Die Spanne ihrer Reaktion reicht von Widerspruch - das ist der günstigste Fall - bis Unverständnis. Wenn sie aber gar nichts mehr sagt, wie vorhin, dann ist das Höchstmaß an Mißbilligung erreicht. Ihr verweifelter tiefer Atemzug läßt dann erkennen, daß ein Rückzug in die Lesehöhle angesagt ist.
Nun ja .. .dann weist du ja , wie es mir mit dir und deiner Reaktion auf meine Beiträge ergeht ;)
Nauplios hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 17:56

Auf der Seite Platon heute heißt es in dem Zusammenhang:

Was wir über die Sinne wahrnehmen ist vergänglich und damit auch ontologisch zweitrangig. Die Anwesenheit der Ideen in den wahrnehmbaren Dingen ist nicht beständig. Beständig, d.h. ewig, sind sie nur als "reine" Ideen. Und das Beständige, ohne Beimischung von Veränderlichem, ist für Platon (aber nicht nur für ihn) immer das Höherwertige. -
Beiträge mit denen übrigens mitunter eben das versucht wird .. "das Beständige, ohne Beimischung von Veränderlichem" .. ..
  • Platon heute
    "Die sinnlich wahrnehmbare Welt ist einem unsichtbaren Reich der Ideen/Formen nachgeordnet, die nur durch die Vernunft erkannt werden können. Diese noetische Welt besteht aus den die Eigenschaftswelt konstituierenden Wesenheiten, den sogenannten Ideen. Platon bestimmt die Idee als wahres Sein oder als Sein im eigentlichen Sinne (Werner Beierwaltes: Identität und Differenz, 1980, S. 142)"
.. " als wahres Sein oder als Sein im eigentlichen Sinne" .. zu bennen.

Beispiel

Beitrag 76354 ... "das wahre Sein oder das Sein im eigentlichen Sinne" .. der Zahl 7
Zuletzt geändert von Timberlake am Fr 12. Apr 2024, 21:56, insgesamt 1-mal geändert.




Timberlake
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Fr 12. Apr 2024, 21:42

Burkart hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 23:52
Timberlake hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 02:03
Burkart hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 22:55

Wenn ich AufDerSonne unterstützen darf:
Ideen können im Kopf sein, weil sie dort konstruiert sein können, ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.
In der Luft bzw. im Raum fehlt ihnen irgendwie die Basis dazu ;)
.. diesen Grundrechenarten fehlt irgendwie die Basis dazu. Die können, weil sie dort konstruiert wurden, nur im Kopf sein. Ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.. In der Luft bzw. im Raum .. quasi außerhalb der Höhle! .. funktionieren sie nicht mehr.
Was wolltest du damit sagen? Was funktioniert wie(so) nicht mehr? (Bitte möglichst klar ohne Gleichnisse u.ä. erläutern.)
Bzw. stimmst du mir/uns zu oder nicht?
Ganz einfach , weil es in der realen Welt kein "Gleiches" gibt , kann in ihr eine Mathematik , die mit "Gleichheits" - zeichen operiert nicht mehr funktionieren. In diesem Sinne , dass diese Mathematik als solches nur als Idee im Kopf sein kann und eben nicht , in der Luft bzw. im Raum ( reale Welt ) , stimme ich dir zu.




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Nauplios
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Fr 12. Apr 2024, 22:12

AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 20:12

Logisch, Nauplios, werde ich den platonischen Standpunkt nicht widerlegen können und du wirst mir ewig beweisen können, dass du recht hast. Aber empirisch ist er falsch. Die Erfahrung kommt vor der Idee. Nicht umgekehrt.
Ja, prima, die Erfahrung kommt vor der Idee. So machen wir's.

Wenn ich eines hier nicht vorhabe, dann ist es irgendjemand irgendetwas zu "beweisen". Schon gar nicht, ihm/ihr zu beweisen, daß ich recht hab - nicht einmal, daß Platon recht hat (darf ich mal daran erinnern, welche Entrüstung ich mit meiner Darlegung der Luhmann' schen Sicht auf die "alteuropäische" Tradition - Platon gehört dazu -vor wenigen Wochen hervorgerufen hab'!!).

Wenn ich überhaupt etwas "beweisen" möchte, dann ist es das VERGNÜGEN, das es bereitet, sich mit all diesen Dingen - seien es Platons Gleichnisse, sei es Luhmanns Systemtheorie, seien es Chronotopoi wie der Mythos von Paris, sei es ein Chanson wie "Parlez-moi d'amour", sei es die griechische Sprache, sei es die Malerei Botticellis, sei es die Matthäuspassion von Bach ... was auch immer!

Sich damit zu beschäftigen, bedeutet: LESEN, SCHAUEN, HÖREN!!!!! NEUGIERIG sein!!! VERLIEBT sein in die Philosophie, in die Kunst, in die Literatur, in die Musik!!! Sich tragen lassen von der SCHÖNHEIT all dessen. Wie ein Kind, das SPIELT!!!!

@AndreaH : so, jetzt mach Du mal weiter.




Timberlake
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Fr 12. Apr 2024, 22:37

Alltag hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 13:48
Timberlake hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 02:03
Alltag hat geschrieben :
Sa 6. Apr 2024, 11:34
Das Höhlengleichnis fokussiert - meines Erachtens - auf die Frage, die sich der Rückkehrers selber stellt, "Wie aber sag ich's meinen Pappenheimern, damit sie auch eine Chance haben, das Gesehene zu verstehen."
.. nur wie sag ich's meinen Pappenheimern, damit sie auch eine Chance haben, das von mir Gesehene zu verstehen ....
  • "Dies nun, daß der eine behauptet, es gebe nur Eins, und der andere, es gebe nicht Vieles, und daß jeder von beiden sich so ausdrückt, daß er in keinem Stücke dasselbe gesagt zu haben scheint wie der andere, während sie doch nahezu in allem dasselbe sagen, – das ist offenbar für uns andere zu hoch, und diese Art einer Beweisführung geht über unseren Gesichtskreis hinaus.
    Platon .. Parmenides"
Lass mich ein wenig tratschen und bitte, leg nicht jedes Wort auf die Waagschale: Drei Generationen treffen sich zu einem philosophischen Gespräch. Nach dem einleitenden Vortrag nervt der übermütige Jüngling den Redner so sehr, dass der Redner reumütig eingesteht, der Vortrag sei eine Jugendtorheit, die er einzig auf Wunsch seines Lehrers hier erneut vorgetragen habe. Da steht ihm der betagte Lehrer bei und lobt den übermütigen Jungen Sokrates übermässig, fordert ihn heraus und leitet den Anlass hin zum Hauptthema «Die philosophische Fragenstellung» [Das ist meine Spekulation!].
Nach und nach ahnt der Jüngling, dass er da was lernen kann und wird wissbegierig. Der Alte steigt drauf ein, erinnert an sein allen bekanntes Lehrgedicht und entwickelt dieses weiter zu einem umfassenden Leitfaden für philosophischen Fragestellungen, den er schliesslich am Ende des ersten Teils des Dialogs in einem Merksatz zusammenfasst. Diesen Merksatz habe ich als Tabelle dargestellt (siehe PDF oben). Im zweiten Teil des Dialogs wird beispielhaft die philosophische Fragestellung zur Erörterung der Idee «Schein» abgearbeitet (dies entspricht der rechten Hälfte meiner Tabelle, also Spalte b und Spalte bp)

Weil auch ich ein Freund von Beispielen bin .. so frage ich mich bezüglich deiner Tabell schon , wie es sich dabei beispielsweise , um dazu auf mein Beitrag 76354 zurück zu kommen , mit der Zahl 7 verhält.

Wenn es in deiner Tabelle dazu heißt ..

"In Rücksicht wessen du auch immer plädieren könntest , mag es so sein (a) / und passiv irgend-was unterliegen (ap) / oder überhaupt nicht sein (b)/ aber passiv dennoch irgendwas unterliegen (bp) "

.. so plädiere ich in dem Beitrag dafür , dass die Zahl 7 lediglich als Idee im Kopf existiert. Keinesfalls jedoch als Idee in dem , was sich gemäß Platonshöhlengleichnis außerhalb der Höhle befindet. Wenn dergleichen also deiner Meinung nach der Spalte b und Spalte bp , der rechten Hälfte deiner Tabelle entspricht , so könnte das , wofür ich plädiere " überhaupt nicht sein" .. "aber passiv dennoch irgendwas unterliegen" . Aus meiner Sicht , so wie von mir beschrieben , mag es nicht nur bloss so sein (a) sondern mehr noch " es ist so" . Nur eben dieses " es ist so" fehlt in deiner Tabelle. Da wird nur die philosophische Fragestellung zur Erörterung der Idee «Schein» abgearbeitet. Was um so merkwürdiger ist , wenn doch eben Platons Höhlengleichnis diesem Schein ..
  • Platon heute
    "Die sinnlich wahrnehmbare Welt ist einem unsichtbaren Reich der Ideen/Formen nachgeordnet, die nur durch die Vernunft erkannt werden können. Diese noetische Welt besteht aus den die Eigenschaftswelt konstituierenden Wesenheiten, den sogenannten Ideen. Platon bestimmt die Idee als wahres Sein oder als Sein im eigentlichen Sinne (Werner Beierwaltes: Identität und Differenz, 1980, S. 142)"
.. das wahre Sein oder das Sein im eigentlichen Sinne gegenüberstellt, und das "wahre Sein" der Dinge ist nun mal , dass von selbigen nicht "gleiches" existiert .. "es ist so" . Wenn man sich also einer Mathematik mit Gleichheitszeichen bedient , so kann diese Mathematik " überhaupt nicht sein" . "aber passiv dennoch irgendwas unterliegen" . "Irgendwas" , um ggf. etwas zum Erfahrungsgebrauche tauglich zu machen. ..
  • "Wir mögen unsre Begriffe noch so hoch anlegen, und dabei noch so sehr von der Sinnlichkeit abstrahieren, so hängen ihnen doch noch immer bildliche Vorstellungen an, deren eigentliche Bestimmung es ist, sie, die sonst nicht von der Erfahrung abgeleitet sind, zum Erfahrungsgebrauche tauglich zu machen.
    Immanuel Kant .. Was heißt: sich im Denken orientieren?
Nauplios hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 22:12
AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 12. Apr 2024, 20:12

Logisch, Nauplios, werde ich den platonischen Standpunkt nicht widerlegen können und du wirst mir ewig beweisen können, dass du recht hast. Aber empirisch ist er falsch. Die Erfahrung kommt vor der Idee. Nicht umgekehrt.
Ja, prima, die Erfahrung kommt vor der Idee. So machen wir's.

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