Platons Gleichnisse (... und die Realität der Ideen)

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Nauplios
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Mo 22. Apr 2024, 19:01

Im idealen Staat Platons herrschen die Philosophen deshalb, weil sie das Wissen um das Gute haben. Die anderen können es nicht haben. Dieser ideale Staat Platons ist ein Führerstaat. Daß irgendwelche Handwerker, Dichter, Maler ... etwas über das Gute wissen könnten, so wie es die Philosophen wissen, ist von vornherein ausgeschlossen. Entweder werden die Philosophen zu Herrschern oder die Herrschenden zu Philosophen. Alles andere ist für Platon nicht "ideal".




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Nauplios
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Mo 22. Apr 2024, 19:16

Es ist nicht so, daß Poppers Einschätzung der Philosophie Platons immer und überall geteilt wird. Popper liest Platon als politischen Philosophen. Sein Buch Die offene Gesellschaft und ihre Feinde erschien unmittelbar nach dem Ende des Nationalsozialismus.

Poppers Kritik an dieser "politischen Philosophie" Platons ist vernichtend. Aber damit hat sich Platon als Philosoph natürlich nicht erledigt. Ich stimme Popper in seiner Kritik am idealen Staat Platons zu. Dennoch haben sich seine Gleichnisse und Mythen in die Geschichte der Philosophie nachhaltig eingeschrieben.

Von seinem idealen Staat bleibt zu hoffen, daß er nie real wird.




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Jörn Budesheim
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Mo 22. Apr 2024, 19:38

Nichtsdestotrotz hast du geschrieben, dass jedes totalitäre Regime die Dichter verfolgt. Du hast dich auf die realen totalitären Staaten bezogen zum Beispiel auf den Faschismus des Nationalsozialismus. Ich glaube aber nicht, dass es stimmt, dass alle totalitären Staaten die Dichter verbieten. Auch und insbesondere in totalitären Staaten spielt die Kunst oft eine Rolle, weil sie oft als Propaganda Instrument missbraucht wird.
Nauplios hat geschrieben :
Mo 22. Apr 2024, 14:36
Schaut man sich den Faschismus des Nationalsozialismus an, dann steht ja oben an der Spitze des Staates der Führer, der das Wissen hat, was für alle gut ist. Darunter steht das Volk (vor allem der "Arbeiter") und die Künstler sind oft diejenigen, die nur Ärger machen. Jedes totalitäre Regime verfolgt die Dichter,...




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Nauplios
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Mo 22. Apr 2024, 19:56

Ich hätte also nicht schreiben dürfen, daß jedes totalitäre Regime die Dichter verfolgt. Stattdessen hätte ich schreiben müssen,

... daß jedes totalitäre Regime Dichter verfolgt. (ohne bestimmten Artikel)

oder

... daß einige totalitäre Regime Dichter verfolgen

oder

... daß es totalitäre Regime gibt, die einige Dichter verfolgen

oder

... daß einige totalitäre Regime einige Dichter verfolgen.




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Jörn Budesheim
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Mo 22. Apr 2024, 19:59

Das wäre aber nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich werden Dichter in totalitären Regimen sicherlich oft verfolgt, aber eben nicht alle Dichter, sondern in der Regel nur diejenigen, die sich dem Guten und Schönen verschrieben haben und nicht diejenigen, die sich dem totalitären Regime verschrieben haben, die werden oft sogar gefördert.




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Nauplios
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Mo 22. Apr 2024, 20:07

Dann ein neuer Versuch:

In totalitären Regimen werden Dichter oft verfolgt. Es werden aber nicht alle Dichter verfolgt, sondern meistens diejenigen Dichter, die sich dem Guten und Schönen verschrieben haben. Diejenigen Dichter, die sich aber dem totalitären Regime verschrieben haben, die werden oft sogar gefördert.




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Jörn Budesheim
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Mo 22. Apr 2024, 20:10

Dann mal so: bist du im Ernst der Ansicht, dass Dichter in allen totalitären Regimen verboten werden, egal was sie schreiben?




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Jörn Budesheim
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Mo 22. Apr 2024, 20:15

"Im Mittelpunkt [der faschistische und profaschistischen Literatur] standen, wie auf der im "Dritten Reich" alljährlich stattfindenden und in Weimar eröffneten "Woche des deutschen Buches" von Goebbels wiederholt verkündet, "Buch und Schwert". Diese Schriftsteller propagierten in ihren Werken die NS-Ideologie, wollten mit Führerkult, Rassenhass, insbesondere gegen Juden, der Vermittlung nationaler Überheblichkeit, der Idee einer"Volksgemeinschaft", Blut-und-Boden-Mystik und Antikommunismus durch ihre Literatur das deutsche Volk bereit machen für den kommenden Angriffskrieg. Wie von den NS-Führern für die Propaganda gefordert, sollte auch der Inhalt ihrer Werke und die dort verwendete Sprache einfach und unkompliziert, einprägsam und verständlich sein. Der "heroische", "heldische" Mensch stand als positiver Held, als Vorbild, im Mittelpunkt. Der Leser sollte sich an ihm begeistern, sich mit diesem identifizieren... "

Solche Kunst wurde gefördert, andere Künstler mussten in die sogenannte innere Emigration gehen, wieder andere verließen das Land und viele wurden einfach massakriert.




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Nauplios
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Mo 22. Apr 2024, 20:18

Nein, der Ansicht bin ich nun nicht mehr. Ich lag falsch und es tut mir auch leid, daß ich Unwahres geschrieben habe. Ich sehe das ein und werde mich künftig bemühen, nur noch Wahres zu schreiben.




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Nauplios
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Mo 22. Apr 2024, 20:22

Ein besseres Anschauungsmaterial für die Herrschaft der Philosophenkönige als dieser abendliche Dialog zwischen Jörn und mir kann es nicht geben.




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Jörn Budesheim
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Mo 22. Apr 2024, 20:22

Was soll der Quatsch?




Alltag
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Mo 22. Apr 2024, 22:16

Alltag hat geschrieben :
So 21. Apr 2024, 10:34
Nauplios hat geschrieben :
Sa 20. Apr 2024, 19:10
Liest man das Höhlengleichnis epistemisch, [...]
Liest man es anthropologisch, [...]
Liest man es politisch - das Höhlengleichnis steht ja in der Politeia - [...]
Ich habe keine Einwände gegen die vielen Arten das Höhlengleichnis zu lesen.

Mir fällt jedoch der Konjunktiv im Höhlengleichnis <ab der Befreiung eines Einzelnen> auf.
Liest man das Höhlengleichnis religiös , so liest man Platon jedoch gegen den Strich. Oder habe ich da etwas nicht beachtet? Haben in seinem idealen Staat <Hohenpriester> (k)einen Platz? Legt Platon sich mit <Tempelherren> an?




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AufDerSonne
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Mo 22. Apr 2024, 23:59

Nauplios hat geschrieben :
Fr 29. Mär 2024, 12:06
Die Frage führt geradewegs ins Epizentrum der Philosophie. Wir erfahren die Welt als je einzelne Wesen; wie kann sich ein einzelner Mensch sicher sein, daß seine Welterfahrung nicht individuelle Irrtümer aufweist oder gar auf Täuschungen beruht? - Man fragt einen anderen Menschen. Dieser andere kann sich seiner Welterfahrung aber ebensowenig sicher sein. Der Dialog bietet jetzt die Möglichkeit, der Wahrheit darüber, was es mit der Welt auf sich hat, einen Schritt näher zu kommen. Was der andere sagt, kann man anzweifeln oder auch bestätigen. Vielleicht kommt noch ein Dritter hinzu, Ansichten werden ausgetauscht, Argumente werden beigebracht usw.
Ich habe das zweite Buch aus "der Staat" (Politeia) gelesen. Es geht darum, wieso Ungerechtigkeit schlecht ist und Gerechtigkeit gut. Und auch, wieso der Ungerechte in der Regel besser lebt als der Gerechte. Irgendwie wird auch gesagt, dass das Schlechte nicht vom Guten kommen kann, da das Gute immer nur das Gute hervorbringt oder so.

Ich finde deine Aussage interessant, Nauplios, dass Diskussionen wichtig sind um philosophische Erkenntnis zu gewinnen. Die Welterfahrung kann sicher Irrtümer aufweisen, aber wie ist es mit einzelnen Erfahrungen? Die können doch recht sicher sein, denke ich, also wahr.
Gibt es möglicherweise zwei Weisen der philosophischen Erkenntnis? Eigene und solche, die in der Diskussion zustande kommt? Oder schliesst du aus, dass man alleine weiterkommen kann?



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AufDerSonne
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Di 23. Apr 2024, 00:18

Noch etwas zu uns Städtegründern. Ich denke nicht, dass das wichtigste Bedürfnis die Nahrung ist und dann die Kleider usw. Ich glaube, das allererste Bedürfnis eines jeden Menschen ist das Bedürfnis nach Beschäftigung. Man kann auch Arbeit sagen, oder einfach das Bedürfnis etwas zu tun.



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Timberlake
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Mi 24. Apr 2024, 22:31

Nauplios hat geschrieben :
Mo 22. Apr 2024, 14:36

Man könnte den Hierarchien des Seins und der Erkenntnis jetzt noch die Hierarchie der Stände zuordnen. Oben stehen dann die Philosophen-Könige, weil sie über ein Höchstmaß an Wissen verfügen,
Was den "Stand" der Philosophen-Könige betrifft , so würde ich da schon unterscheiden wollen ...



  • Wenn ein solcher nun wieder hinunterstiege und
    sich auf denselben Schemel setzte: würden ihm die Augen nicht ganz voll Dunkelheit
    sein, da er so plötzlich von der Sonne herkommt? - Ganz gewiß. - Und wenn er wieder
    in der Begutachtung jener Schatten wetteifern sollte mit denen, die immer dort
    gefangen gewesen, während es ihm noch vor den Augen flimmert, ehe er sie wieder
    dazu einrichtet, und das möchte keine kleine Zeit seines Aufenthalts dauern, würde
    man ihn nicht auslachen und von ihm sagen, er sei mit verdorbenen Augen von oben
    zurückgekommen und es lohne nicht, daß man auch nur versuche hinaufzukommen;
    sondern man müsse jeden, der sie lösen und aufbringen wollte, wenn man seiner nur
    habhaft werden und ihn umbringen könnte, auch wirklich umbringen? - So sprächen
    sie ganz gewiß, sagte er. -
    Platon: Politeia .. Übersetzt von Friedrich Schleimacher,

.. und zwar zwischen denen , die mit verdorbenen Augen zuzrück gekommen sind und die, die das von einem sagen. Natürlich nur wenn man diesen Text in wortwörtlicher Rede und nicht als Metapher interpretiert.
  • "Dieses ganze Bild nun, sagte ich, lieber Glaukon, mußt du mit dem früher Gesagten
    verbinden, die durch das Gesicht uns erscheinende Region der Wohnung im
    Gefängnisse gleichsetzen und den Schein von. dem Feuer darin der Kraft der Sonne;
    und wenn du nun das Hinaufsteigen und die Beschauung der oberen Dinge setzt als
    den Aufschwung der Seele in die Region der Erkenntnis, so wird dir nicht entgehen,
    was mein Glaube ist, da du doch dieses zu wissen begehrst. Gott mag wissen, ob er
    richtig ist; was ich wenigstens sehe, das sehe ich so, daß zuletzt unter allem
    Erkennbaren und nur mit Mühe die Idee des Guten erblickt wird, wenn man sie aber
    erblickt hat, sie auch gleich dafür anerkannt wird, daß sie für alle die Ursache alles
    Richtigen und Schönen ist, im Sichtbaren das Licht und die Sonne, von der dieses
    abhängt, erzeugend, im Erkennbaren aber sie allein als Herrscherin Wahrheit und
    Vernunft hervorbringend, und daß also diese sehen muß, wer vernünftig handeln will,
    es sei nun in eigenen oder in öffentlichen Angelegenheiten. - Auch ich, sprach er, teile
    die Meinung so gut ich eben kann. –"
    Platon: Politeia .. Übersetzt von Friedrich Schleimacher,
. und die "Philosophenkönige" , die das von einem dieser "verdorbenen" Philosophenkönige sagen. dürften dann wohl kaum zu denen zählen ,die unter all dem Erkennbaren nur mit Mühe die Idee des Guten erblickt haben. Wohlgemerkt einer Idee des Guten ... nach der man vernünftig handeln will , sei es nun in eigenen oder in öffentlichen Angelegenheiten.
Nauplios hat geschrieben :
Mo 22. Apr 2024, 19:01
Im idealen Staat Platons herrschen die Philosophen deshalb, weil sie das Wissen um das Gute haben. Die anderen können es nicht haben. Dieser ideale Staat Platons ist ein Führerstaat. Daß irgendwelche Handwerker, Dichter, Maler ... etwas über das Gute wissen könnten, so wie es die Philosophen wissen, ist von vornherein ausgeschlossen. Entweder werden die Philosophen zu Herrschern oder die Herrschenden zu Philosophen. Alles andere ist für Platon nicht "ideal".
Wenn nun irgendwelche Handwerker, Dichter, Maler ...vernünftig handeln wollen , so wäre das insofern ausgeschlossen , wie das diese vernünftige Handlung dem Wissen von jenem Philosophenkönig widerspricht , von dem man sagt ... "er sei mit verdorbenen Augen von oben zurückgekommen und es lohne nicht, daß man auch nur versuche hinaufzukommen; sondern man müsse jeden, der sie lösen und aufbringen wollte, wenn man seiner nur habhaft werden und ihn umbringen könnte, auch wirklich umbringen!" Irgendwie will mir derzeit das Aufinden solcher Philosophenkönige so ganz und gar nicht gelingen. Weil als solches um ihr Leben fürchtend , vielleicht haben sie sich ja nur versteckt.




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