Platons Gleichnisse (... und die Realität der Ideen)

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Nauplios
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Mi 3. Apr 2024, 12:31

AndreaH hat geschrieben :
Mi 3. Apr 2024, 01:10

Außerdem finde ich es auch immer interessant, in alten Texten und in einer anderen Zeit zu stöbern, man findet dann oft markante Merkmale, welche diese Menschen damals beschäftigte.
Ja, diese Lust am Stöbern teilen wir, Andrea, die Lust am Zeitreisen. ;) Am Ende einer jeden Reise steht allerdings die Rückreise. Wir können nicht im "Damals" verbleiben. Heidegger hat das empfohlen, den Rückwärtsgang einzulegen, griechisch zu denken und im Ur des Ur-sprungs zu verweilen. Dann hat man eine Umkehr des Fortschrittgedankens: Fortschritt als Rückschritt in den Anfang. Um Zeitreisen zu organisieren, muß man den Ursprung nicht heroisieren, ihm nicht die Weihe einer Geburtsstunde verleihen wie Heidegger es tut. Es geht beim Stöbern ja darum, Verschüttetes freizulegen, Verlorenes wiederzufinden indem man sich im Wiedergefundenen verliert, die gehobenen Schätze ins Heute mitzunehmen ... ;)




Timberlake
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Mi 3. Apr 2024, 21:13

Wo hier schon mal von Zeitreisen die Rede war ...

" Bei der Betrachtung solcher Vorgänge und der Menschen, welche damals an
der Spitze der Staatsverwaltung standen, ferner bei näherer Prüfung der Staatsgesetze und
sittlichen Gewohnheiten der Bürger schien mir die Verwaltung eines Staatsamtes mit der
Vernunft desto schwerer vereinbar, je tiefer ich in diese Zustände blickte und je mehr ich dem
reiferen Alter zuschritt. Denn ohne eine politische Assoziation mit Freunden und treu
verbrüderten Parteigängern ist es nicht möglich mit Politik sich abzugeben, solche, wenn sie auch
vorhanden gewesen wären, waren aber schwer aufzufinden, denn unser Staat wurde nicht mehr
verwaltet im Geiste der alten guten Sitten und Einrichtungen, und ohne Gefahr sich andre
neue heranzuziehen war unmöglich."
Platon .. SIEBENTER BRIEF


.. so würde ich mich allerdings schon fragen, ob es denn für Platon , nach einer Zeitreise , nun mehr möglich ist , sich mit der Staatsverwaltung politisch abzugeben .

Die Folge davon war, dass ich, der ich früher so voll Eifer für die Staatsgeschäfte war,
beim Hinblick auf diese Zustände und beim Anblick eines gänzlichen
Drunter- und Drübergehens der Dinge endlich gleichsam eine Art Schwindel bekam.
Da entschloss ich mich, zwar nicht von der Theorie über die etwaige Verbesserung dieser
politischen Zustände und der Staatsverfassung überhaupt abzulassen, in Bezug aber auf die
praktische Tätigkeit in der Politik bis auf bessere Zeiten zu warten.
Platon .. SIEBENTER BRIEF




Oder ob er denn , beim Anblick eines gänzlichen Drunter- und Drübergehens der Dinge , heute wiederum gleichsam eine Art Schwindel bekäme. Mit der Folge , zwar nicht von der Theorie über die etwaige Verbesserung dieser politischen Zustände und der Staatsverfassung überhaupt abzulassen, bezüglich der praktische Tätigkeit auch noch heute auf bessere Zeiten zu warten. Einer besseren Zeit, in der die Wahrheitserkenntnis .. gemäß dem Sonnengleichnis! .. im Licht der Sonne steht und sich eben nicht ... gemäß dem Höhlengleichnis! .. im Schatten dessen abspielt.




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Nauplios
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Do 4. Apr 2024, 00:04

Syrakus ist zum Codewort für das Scheitern der Philosophen geworden beim Versuch, ihre Philosophie in reale Politik zu transformieren, entweder indem der Philosoph selbst zum Steuermann des Staatsschiffs gemacht wird, aber mehr noch, indem aus dem Herrscher durch Unterricht und Beratung ein Philosoph gemacht werden soll. Platon reiste dreimal nach Syrakus und scheiterte bei solchen Versuchen jedes Mal.

Nach einer Anekdote soll Wolfgang Schadewaldt am Tag nach Heideggers Rücktritt den Philosophen des Seins frühmorgens in der Straßenbahn mit den Worten begrüßt haben: "Nun, Herr Heidegger, sind Sie zurück aus Syrakus?" - Was Heidegger, der "den Führer führen" wollte, geantwortet hat, ist nicht überliefert.




Timberlake
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Do 4. Apr 2024, 03:02

Die Frage ist doch , um auf das „Seelenwagengleichnis" und somit auf folgendes Zitat zurück zu kommen ..
  • "Der Götter Rosse und Wagenlenker nun sind alle sowohl selbst gut als von guter Abkunft; die Art der anderen aber ist gemischt. Und zwar was uns betrifft, so lenkt der Führer erstens ein Doppelgespann; sodann ist ihm das eine der Rosse sowohl selbst edel und gut als von solcher Abkunft, das andere aber sowohl von gegenteiliger Abkunft als selbst das Gegenteil. Schwierig und unbeholfen ist da notwendig die Wagenlenkung bei uns"
    Platon .. Phaidros
.. ob denn unter Führung der Philosophen jene Wagenlenkung gelingt. Oder anders gefragt, was macht ein Philosoph mit jenem Ross, dass sowohl selbst primitiv und schlecht , als auch von solcher Abkunft ist?
  • " Der Wagenlenker aber, in noch stärkerem Grade von dem vorigen Gemütszustand ergriffen, wie einer, der von den Schranken auslaufend sich rückwärts beugt, zerrt den Zaum des trotzigen Rosses mit noch stärkerer Gewalt aus dem Gebiß nach hinten, strengt ihm die schmähsüchtige Zunge und die Backen an bis aufs Blut und bereitet ihm Schmerzen, indem er ihm Schenkel und Hüften zur Erde niederzwingt. Wenn aber das schlimme Roß dieselbe Behandlung öfters erfährt und von seiner trotzigen Wildheit läßt, so folgt es gedemütigt schon der vernünftigen Leitung des Wagenlenkers, und wenn es den Schönen sieht, vergeht es vor Furcht."
    Platon .. Phaidros
Etwa den Zaum des trotzigen Rosses mit noch stärkerer Gewalt , bis aufs Blut ziehen? So das , wenn das schlimme Ross dieselbe Behandlung öfters erfährt , irgendwann von seiner trotzigen Wildheit läßt? Irgendwie will mir diese Vorstellung, zumindest bei Platon , so ganz und gar nicht gelingen. Ganz abgesehen davon , dass ein solches Vorgehen , doch schon sehr an den großen Terror nach der französischen Revolution oder den von Stalin erinnert . Ganz im Sinne von ."der Zweck heiligt die Mittel".
Um so bermerkenswerter ist, dass die s.g. "westliche Welt" anscheinend ganz ohne dem auskommt. Wann hätte man sich in ihr auch jemals solcher Mittel bedienen müssen. Könnte es vielleicht sein , dass die Wagenlenker dieses schlimme Ross einfach nur outgesourct haben? So zu sagen mit dem Kapitalismus bzw. der Marktwirtschaft , in einer Wirtschaftsform , bei der sich dieses Ross nach Belieben austoben kann? Dazu nur mal zur Info .. .

Marktwirtschaft .. Gabler Wirtschaftslexikon
Koordinationsformen: Die einzelwirtschaftlichen Planträger (Unternehmer und Haushalte) treffen ihre Entscheidungen über Produktion, Konsum, Sparen und Investieren und damit über Angebot und Nachfrage auf den einzelnen Märkten nach eigenen Zielvorstellungen im Streben nach Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung.

Burkart hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2024, 10:54
Ohne alles oben gelesen zu haben...
Ich gebe gerne zu, dass ich mit Platon nicht sehr viel anfangen kann. Ich kann zu ihm wenig sagen, er ist halt gut 2000 Jahre alt und seine platonischen Pferde (Dinge) waren für mich immer recht kontraintuitiv. Gut, das Höhlengleichnis ist recht bemerkenswert, aber was ist es sonst, möglichst auf unser Heute bezogen, was euch an ihm reizt? Ist das in wenigen Sätzen kompakt vermittelbar?
.. übrigens genau solche "kompakt vermittelbare" Fragen , bezogen auf das Heute , reizen mich an Platon.




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Nauplios
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Do 4. Apr 2024, 10:11

Timberlake hat geschrieben :
Do 4. Apr 2024, 03:02

Die Frage ist doch [...], ob denn unter Führung der Philosophen jene Wagenlenkung gelingt.
Die Antwort ist doch: natürlich nicht.

Wir lesen ja hier einen philosophischen Text aus dem klassischen Athen des 4. Jahrhunderts v. Chr. Die Vorstellung, daß die moderne Gesellschaft (im Sinne der Systemtheorie) sich von Philosophen führen ließe, daß sie sich überhaupt "führen" ließe, daß sie wie ein "Wagen" auf einem Weg zu "lenken" sei und daß die "Lenkung" den Philosophen überlassen werden sollte ... ist absurd.




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Do 4. Apr 2024, 10:35

Timberlake hat geschrieben :
Do 4. Apr 2024, 03:02

... um auf das "Seelenwagengleichnis" zurückzukommen ...

... die westliche Welt ... Kapitalismus ... Marktwirtschaft ... Wirtschaftsform ... outgesourct ... Unternehmer und Haushalte ... Streben nach Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung ...
Ja gut, das ist die von dir eingesetzte Strategie des Kaperns von Threads. Du möchtest nicht auf etwas "zurückkommen", du möchtest von etwas wegkommen. Seit Jahren ist das die übliche Strategie, dein Thema an den Mann zu bringen. Starte für dein Thema einen eigenen Thread und dann kann dort über Kapitalismus, Lieferkettengesetz u.ä. diskutiert werden.




Alltag
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Do 4. Apr 2024, 11:57

Nauplios hat geschrieben :
Do 4. Apr 2024, 00:04
[...] Platon reiste dreimal nach Syrakus und scheiterte bei solchen Versuchen jedes Mal. [...]
Hat er je einen Abstecher nach Elea, Parmenides Heimatstadt gemacht? Das wäre mit dem Schiff schätzungsweise eine Tagesreise gewesen. Wir wissen, dass Plato in mehreren Dialogen "eine Besucher aus Elea" vorsprechen lässt.

Dem Dialog "Politeia" scheint (gemäss Plato Handbuch, 2. aktualisierte Auflage, Metzler Verlag) der Dialog "Parmenides" zu folgen und meines Erachtens wendet sich Plato dabei ab, vom Denken in Gegensätzen, wie Gut und Bös (im Pferdegespann), hin zum Licht . Darin sehe ich den Zweck der Plato-Gleichnisse. Platon führt uns hin zu einer umfassenderen Denkweise, in der Art einer 'weniger voreingenommenen' Untersuchung.




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Nauplios
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Do 4. Apr 2024, 17:27

Alltag hat geschrieben :
Do 4. Apr 2024, 11:57

Hat er [Platon] je einen Abstecher nach Elea, Parmenides Heimatstadt gemacht? Das wäre mit dem Schiff schätzungsweise eine Tagesreise gewesen. Wir wissen, dass Plato in mehreren Dialogen "eine Besucher aus Elea" vorsprechen lässt.

Dem Dialog "Politeia" scheint (gemäss Plato Handbuch, 2. aktualisierte Auflage, Metzler Verlag) der Dialog "Parmenides" zu folgen und meines Erachtens wendet sich Plato dabei ab, vom Denken in Gegensätzen, wie Gut und Bös (im Pferdegespann), hin zum Licht . Darin sehe ich den Zweck der Plato-Gleichnisse. Platon führt uns hin zu einer umfassenderen Denkweise, in der Art einer 'weniger voreingenommenen' Untersuchung.
Alltag! Ich freu' mich! ;)

Daß Platon in Elea war, ist unwahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich. Wir wissen, daß er auf dem Rückweg seiner ersten Syrakus-Reise in Tarent war; die Entfernung zwischen Tarent und Elea beträgt ca. 170 km. Bekannt ist, daß einige Mitglieder der Akademie in Elea waren, aber mehr läßt sich mit Bestimmtheit wohl nicht sagen.

Was den Dialog zwischen Sokrates und Parmenides angeht wie er im Parmenides erzählt wird, so geht man davon aus, daß dieses Gespräch eine Erfindung Platons ist. "Was Parmenides in diesem Gespräch sagt, hat mit dem Inhalt der Lehre des historischen Parmenides nicht mehr zu tun als das, was Sokrates hier sagt, mit dem Inhalt der Lehre des historischen Sokrates. In Wahrheit ist es Plato, der durch beide Figuren seines Gesprächs spricht." (Walter Bröcker; Platos Gespräche; S. 388)

Ohnehin ist bereits die Rahmenerzählung des Parmenides "abenteuerlich". Kephalos erzählt, er habe Adeimantos und Glaukon getroffen. Er fragt sie nach Antiphon. Dieser Antiphon ist befreundet mit Pythodoros. Der wiederum ist befreundet mit Zeno. Und von Zeno habe er von einem Gespräch gehört, das Sokrates mit Parmenides geführt haben soll. Darüber würde er, Kephalos, gern etwas hören. Er geht deshalb zu Antiphon. Kephalos sagt, Antiphon habe gesagt, Pythodoros habe gesagt, was Platon nachfolgend erzählt.

Also das Ganze ist nach dem Prinzip "Sille Post" aufgebaut. ;)




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Nauplios
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Fr 5. Apr 2024, 18:32

Sehen können wir nur dank der Sonne; ihre Helligkeit ermöglicht das Sehen. Das Gleichnis besagt nun, daß sich die Sonne im Bereich des Sichtbaren so verhält wie das Gute im Bereich des Denkbaren (ἐν τῷ νοητῷ τόπῳ).

Wie das Sehen auf die von der Sonne gespendete Helligkeit angewiesen ist, ist auch die Seele angewiesen auf das Gute, kraft dessen sie Wahrheit erkennen kann.

Die Helligkeit ist indes nicht die Sonne selbst; und so ist auch die Wahrheit nicht das Gute selbst, sondern gut-artig (ἀγαθοειδῆ). Der Rang des Guten (als Idee) ist höherwertig als das Gutartige.




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Fr 5. Apr 2024, 21:59

Nauplios hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2024, 18:32
Sehen können wir nur dank der Sonne; ihre Helligkeit ermöglicht das Sehen.
Ausser ich mache in der Nacht das Licht an. Dann sehe ich auch etwas ohne die Sonne. :D



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Alltag
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Fr 5. Apr 2024, 22:56

Nauplios hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2024, 18:32
[...] Die Helligkeit ist indes nicht die Sonne selbst; und so ist auch die Wahrheit nicht das Gute selbst, sondern gut-artig (ἀγαθοειδῆ). Der Rang des Guten (als Idee) ist höherwertig als das Gutartige.
Was ist die Wirkung des Guten, wie es im Sonnengleichnis des Dialogs Politeia dargelegt ist? Kann man sagen, dass die Wirkung des Guten <im Bergen und zwar im Sinne von ein Gutartiges bergen> liegt?

P.S.
Ich will Deine Erörterungen nicht stören.
Aber dennoch erwähnen, dass im oben zitierten Platon Handbuch darauf hingewiesen wird, dass Platon beim Darlegen seiner Ideenlehre sich auf Textstellen aus dem Lehrgedicht des Parmenides bezieht und sich mit Parmenides Lehre auseinandersetzt, aber darüber hinaus geht und diese erweitert (im Dialog Parmenides). ich sehe zu Platos Gleichnissen im Dialog Politeia folgende Parallele: Die Wirkung des Merksatzes, dass «nur das Sein ist und das Nichtsein zu verwerfen ist» liegt, gemäss des Dialogs Parmenides, im Bergen des Seienden als Idee, wobei das Seiende sowohl aktiv ist als auch passiv erleidet, was ein zugehörig anderes impliziert (parm. 136). ... ...




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AndreaH
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Sa 6. Apr 2024, 01:58

Nauplios hat geschrieben :
Mi 3. Apr 2024, 12:31
AndreaH hat geschrieben :
Mi 3. Apr 2024, 01:10

Außerdem finde ich es auch immer interessant, in alten Texten und in einer anderen Zeit zu stöbern, man findet dann oft markante Merkmale, welche diese Menschen damals beschäftigte.
Ja, diese Lust am Stöbern teilen wir, Andrea, die Lust am Zeitreisen. ;) Am Ende einer jeden Reise steht allerdings die Rückreise. Wir können nicht im "Damals" verbleiben. Heidegger hat das empfohlen, den Rückwärtsgang einzulegen, griechisch zu denken und im Ur des Ur-sprungs zu verweilen. Dann hat man eine Umkehr des Fortschrittgedankens: Fortschritt als Rückschritt in den Anfang. Um Zeitreisen zu organisieren, muß man den Ursprung nicht heroisieren, ihm nicht die Weihe einer Geburtsstunde verleihen wie Heidegger es tut. Es geht beim Stöbern ja darum, Verschüttetes freizulegen, Verlorenes wiederzufinden indem man sich im Wiedergefundenen verliert, die gehobenen Schätze ins Heute mitzunehmen ... ;)
Ja, ich mag das wirklich sehr. Du hast es treffend beschrieben, es sind Schätze die man entdeckt und die jeder für sich selbst auslegt. Das Interpretieren ist besonders reizvoll, da man den festen Boden verlässt und sich in einen schwebenden Zustand begibt. ;)

Derzeit versuche ich, Platons Welt etwas näher zu kommen. Leider kann ich selbst wenig zu dem Thread beitragen, da ich damit beschäftigt bin mir diese Welt zu erschließen. Mir war das gar nicht so klar, dass Platon so großflächig ineinander greift. :)

Interessant wie Heidegger an dem Ursprung festhält.




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AndreaH
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Sa 6. Apr 2024, 02:13

Nauplios hat geschrieben :
Fr 5. Apr 2024, 18:32
Sehen können wir nur dank der Sonne; ihre Helligkeit ermöglicht das Sehen. Das Gleichnis besagt nun, daß sich die Sonne im Bereich des Sichtbaren so verhält wie das Gute im Bereich des Denkbaren (ἐν τῷ νοητῷ τόπῳ).

Wie das Sehen auf die von der Sonne gespendete Helligkeit angewiesen ist, ist auch die Seele angewiesen auf das Gute, kraft dessen sie Wahrheit erkennen kann.

Die Helligkeit ist indes nicht die Sonne selbst; und so ist auch die Wahrheit nicht das Gute selbst, sondern gut-artig (ἀγαθοειδῆ). Der Rang des Guten (als Idee) ist höherwertig als das Gutartige.
Bedeutet das auch, dass die Idee des Guten immer vorhanden ist und wir durch die Möglichkeit das wir erkennen können zur Wahrheit gelangen?




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infinitum
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Sa 6. Apr 2024, 09:07

hierzu ist auch vor Kurzem von Walther Ziegler ein Vortrag zu Platon erschienen. Von ihm habe ich viele Bücher, ich finde die Zusammenfassungen von ihm ganz gut gelungen:



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infinitum
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Nauplios hat geschrieben :
Fr 29. Mär 2024, 19:12
Hier ist der Text der Politeia als pdf-Datei in der Übersetzung Schleiermachers:

Platon-Der_Staat-Politeia.pdf


Üblicherweise werden die platonischen Schriften nach der sogenannten Stephanus-Paginierung zitiert. Sie ist im Text in Klammern eingefügt.

Sonnengleichnis: 508a - 509d

Liniengleichnis: 509d - 511e

Höhlengleichnis: 514a - 517a

Die Politeia ist an mehreren Stellen im Netz in voller Länge verfügbar. (s. "Weblinks" im Artikel "Platon" bei Wikipedia)
Danke Andrea für den Start des spannenden Themas! Und auch Dir, Nauplios für das Verlinken der relevanten Texte.
Ich steige auch mal langsam ein und fange erstmal an, mir die drei Gleichnisse durchzulesen. Hier mal meine ersten Notizen, vielleicht sind sie für den einen oder anderen nützlich, um sich der Thematik zu nähern. Bisher hatte ich nur das Höhlengleichnis gelesen und davon auch in Form von Sekundärlisteratur viel erfahren. @Burkart: Platon ist immer noch relevant, da er eine erste "Idee" davon vermittelt, wie man hinter die Welt der Erscheinungen schauen kann und somit sich nicht vom Schein trügen lässt. ;)

Sonnengleichnis (508a - 509d):
Hiermit will uns Plato "die Idee des Guten" deutlich machen, er vergleicht das Gute mit der Sonne, die das Licht in der physischen Welt ermöglicht. Ähnlich wie die Sonne, die die Welt mit Licht und Wärme erfüllt, erleuchtet das Gute die geistige Welt und ermöglicht den Menschen, Wahrheit und Erkenntnis zu erfahren. Menschen, die das Gute erkennen, streben nach Wahrheit und Weisheit, und ihre Seelen werden durch das Licht des Guten erhellt.

Liniengleichnis (509d - 511e):
Hier beschreibt Plato vier aufeinander folgenden Stufen des Erkenntnisweges.
Die niedrigste Stufe ist die Welt der Schattenbilder - die Menschen nehmen nur die sichtbare Welt und ihre Oberfläche wahr, ohne sich über die zugrunde liegenden Prinzipien überhaupt bewusst zu sein. Die nächste Stufe - die Welt der Gegenstände und ihrer Abbilder ist real, aber immer noch unvollkommen. Auf der dritten Stufe stehen dann die abstrakten mathematischen Ideen, die einen schon relativ hohen Grad an Wirklichkeit besitzen. Die höchste Stufe ist nun aber die Welt der reinen Ideen, die absolut vollkommen und unveränderlich sind.
Der Weg zur Erkenntnis gelingt dadurch, dass man von der untersten Stufe zur höchsten Stufe wandert. Dabei sind dann die zentralen Aspekte Vernunft und das Streben nach Wahrheit. Aber hier frage ich mich, was diese reinen Ideen sind...

Höhlengleichnis (514a - 517a):
Menschen sind in einer Höhle seit ihrer Geburt gefesselt und sie können nur Schatten an der Höhlenwand sehen. Diese Abbilder werden von ihnen als Realität wahrgenommen, da sie nichts anderes kennen. Einer von ihnen entkommt aus der Höhle und sieht das wahre Licht der Sonne. Anfangs blendet ihn das Licht, aber allmählich gewöhnt er sich daran und erkennt die wahre Natur der Dinge. Er kehrt in die Höhle zurück, um die anderen zu befreien und sie zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen. Also hier wird nun ein konkreter Weg zur Erkenntnis der Wahrheit und zur Befreiung aus der Illusion beschrieben.



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Sa 6. Apr 2024, 11:34

Höhlengleichnis (514a - 517a):
[...] Er kehrt in die Höhle zurück, um die anderen zu befreien und sie zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen.
Das Höhlengleichnis fokussiert - meines Erachtens - auf die Frage, die sich der Rückkehrers selber stellt, "Wie aber sag ich's meinen Pappenheimern, damit sie auch eine Chance haben, das Gesehene zu verstehen."




Alltag
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Sa 6. Apr 2024, 11:43

Liniengleichnis (509d - 511e):
[...] Aber hier frage ich mich, was diese reinen Ideen sind...
Kennen und verstehen wir zumindest ein Beispiel?
Das <Gute> möchte ich nicht als Beispiel gelten lassen, weil es in den Gleichnisse kaum über die Namensform hinauskommt.




Burkart
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Sa 6. Apr 2024, 11:59

Da (auch) du, Infinitum, mich angesprochen hast, versuche ich mal meine Probleme mit Platon darzustellen.
Dank dir jedenfalls für die Zuammenfassungen bzw. deine Notizen zu den drei Gleichnissen.

Erst einmal ein technisches Problem: Die genauen Zeilenangaben, z.B. in "Sonnengleichnis (508a - 509d):", finde ich in der pdf-Datei nicht, nur z.B. "(508)".

Ansonsten versuche ich die Ideen in den Gleichnissen auf das Heute (und naheliegenderweise auch auf mich) zu übertragen bzw. zu beziehen und oft genug auch auf Menschen allgemein.

Die Idee des Sonnengleichnisses "Menschen, die das Gute erkennen, streben nach Wahrheit und Weisheit, und ihre Seelen werden durch das Licht des Guten erhellt." ist ja nett und trifft auf einige Menschen womöglich auch zu, aber leider auf andere eben nicht, wenn man z.B. Richtung Ukraine-Krieg oder Israel/Gaza schaut. Ich fürchte, dass zwar nicht selten das Gute erkannt wird, aber etwas (z.B.) individuell (egoistisch) "Bessere" angestrebt wird. Nun kann man sagen, dass dann höchstens das vermeintlich Gute erkannt wurde, aber das Erkennen (des Guten) und das danach Streben gehen oft genug nicht zusammen. (Ok, vermutlich gibt es noch mehr Menschen, die nicht einmal das Gute erkennen (zu wollen scheinen), aber das ist ein anderes Thema.)

Das Liniengleichnis würde ich (lieber) mit dem Menschen als solches vergleichen:
Grundlegend ist seine sinnliche Wahrnehmung von der Welt, darauf baut dann das Erkennen von Gegenständen auf. Daraus entwickelt er u.a. über An-Zahlen die Welt der Mathematik, außerdem die gesamte Welt seiner Ideen, die für mich nur sehr bedingt auf der der Mathematik beruht.
Mit "reinen Ideen" kann ich auch nicht viel anfangen, außer dass sie mir wie eine übertriebene oder zumindest extreme Abstraktion erscheinen.

Beim Höhlengleichnis habe ich das Problem, dass Einzelne gerne quasi die Höhle verlassen können, aber bei der Rückkehr in die normale Welt (Höhle) mit den normalen Menschen (Höhlenbewohnern) Schwierigkeiten haben zu kommunizieren (zurecht zu kommen), zumindest insofern, dass die Menschen einen nur verstehen, wenn man sich auf ihr (Höhlen-)Niveau begibt (herablässt). Die Menschen von dem Außerhalb der Höhle zu überzeugen gelingt (zu) oft nicht, womit man als "Erleuchteter" sich diesen oft genug gezwungen ist anzupassen. Natürlich kann man weiter um das Bessere o.ä. kämpfen, kommt sich dann aber leicht mal vor wie im Kampf gegen Windmühlen.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Sa 6. Apr 2024, 14:27

Burkart hat geschrieben :
Sa 6. Apr 2024, 11:59
Nun kann man sagen, dass dann höchstens das vermeintlich Gute erkannt wurde, aber das Erkennen (des Guten) und das danach Streben gehen oft genug nicht zusammen.
Ein interessanter Punkt. Die Realität und das Gute streben auseinander. Es ist oft so, dass man sich anpassen muss an die Verhältnisse, in denen man lebt. Man wüsste zwar, was das Gute ist, es ist aber nicht machbar in der Realität. Vielleicht kommt es bei Platon und Aristoteles auch daher, dass sie Aristokratensöhne waren oder nur mit solchen verkehrten und die unangenehmen Seiten des Lebens nicht kennengelernt haben. Armut und der tägliche Kampf ums Überleben vermisse ich oft in der Philosophie. Menschen, die in Armut leben, denken ganz anders als solche, die viel Zeit zum Philosophieren haben.



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Jörn Budesheim
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Sa 6. Apr 2024, 15:42

Alltag hat geschrieben :
Sa 6. Apr 2024, 11:43
Kennen und verstehen wir zumindest ein Beispiel?
Jede Eigenschaft ist ein Beispiel, wenn man sie für sich selbst betrachtet. Meine Schuhe z.B sind grün. Das Grüne wäre ein Beispiel für eine solche Idee.




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