Platons Gleichnisse (... und die Realität der Ideen)

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Nauplios
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Di 9. Apr 2024, 20:03

Es gibt zu Platon eine unüberschaubare Anzahl von Einführungen und sogenannter Sekundärliteratur. Falls es das schmale Bändchen noch gibt:

Thomas A. Szlezák: Platon lesen. Das Büchlein hat ca. 150 Seiten, ist also im Laufe einiger Tage ganz gut zu bewältigen.

Das gilt auch für

Barbara Zehnpfennig; Platon zur Einführung.

Das ist in der kleinen Reihe der "Junius"-Einführungen erschienen, die hier im Forum schon desöfteren erwähnt wurde.

Und natürlich Platon selbst lesen. Da bietet sich das 6. Und 7. Buch der Politeia an (insgesamt 45 Seiten)

Sowohl die Originaltexte als auch die Schleiermacher-Übersetzung ist im Netz für jedermann verfügbar.




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Nauplios
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Di 9. Apr 2024, 20:05

AufDerSonne hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 19:44

Das Problem ist, dass es ein Zeitproblem werden könnte.
Wenn nicht für Platon, für wen oder was, würdest Du Dir denn sonst Zeit nehmen wollen? :o




Burkart
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Di 9. Apr 2024, 20:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 08:31
Burkart hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 22:55
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 20:57
Warum ist die Vorstellung seltsam, dass die Ideen in der Luft schwirren und durch den Raum fliegen, aber nicht seltsam, dass sie im Kopf sind?
Wenn ich AufDerSonne unterstützen darf:
Ideen können im Kopf sein, weil sie dort konstruiert sein können, ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.
In der Luft bzw. im Raum fehlt ihnen irgendwie die Basis dazu ;)
Das ändert nichts an der Absurdität. Ideen schwirren nicht durch die Luft oder fliegen durch den Raum, das ist absurd. Aber dass sie ihren Ort irgendwo im Kopf haben, ist ebenso absurd. Damit ändert sich diese Absurdität keinen Deut, denn es ist dieselbe absurde Struktur: Die Idee, dass wir die 7 links vom Jupiter finden können, ist halt genauso absurd wie die Idee, dass sie im Kopf ist.
Das ist nur dann absurd, wenn man sich die 7 als zu reales Objekt vorstellt. Man kann aber an eine 7 denken und so quasi im Kopf haben oder aber sieben Gegenstände abgezählt haben und so gerade zur 7 gedanklich gekommen sein.
Abstrakte Objekte haben keinen raumzeitlichen Ort, weder in der Luft noch im Kopf.
Aber Gedanken daran sind im Kopf.
Der "Ort" der 7 ist die abstrakte und unendliche Struktur der natürlichen Zahlen und nicht irgendein Kopf.
Das ist eine mögliche Abstraktion, von eigentlichen Bedeutungen der 7 (wie Anzahl oder Länge) abstrahierend.
Wenn wir die 7 in den Köpfen hätten, müssten wir empirische Untersuchungen durchführen, um herauszufinden, wie viel 7 + 5 ergibt. Das Ergebnis wäre dann z.B. ein statistischer Wert: ca. 11,8 in über 90% der Fälle.
Man addiert doch einfach(er) 7+5 im Kopf, wie man es in der Grundschule gelernt, im Hinterkopf u.a. oft Anzahlen; da würde nicht 11,8 herauskommen.
Und in welchem Kopf finden wir die 100.000ste Nachkommastelle von Pi?
Vielleicht in dem, der sie gerade liest? Oder eben gerade in keinen und nur als Symbol irgendwo in einem Rechner festgehalten o.ä. Oder ggf. nicht einmal bekannt und nur als konstruierte Idee im Kopf.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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AufDerSonne
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Di 9. Apr 2024, 20:52

Nauplios hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 20:05
AufDerSonne hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 19:44

Das Problem ist, dass es ein Zeitproblem werden könnte.
Wenn nicht für Platon, für wen oder was, würdest Du Dir denn sonst Zeit nehmen wollen? :o
Im Moment spiele ich viel Schach. :shock: Muss üben fürs Bundesturnier im Mai. :)



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Jörn Budesheim
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Di 9. Apr 2024, 21:02

Die Übersetzung von Schleiermacher findet man online im Projekt Gutenberg, aber sie ist nicht gerade leserfreundlich, finde ich. Ich habe eine andere Übersetzung in einem angenehmeren Layout, das lässt sich viel besser lesen. Hier kurze Absätze zum Vergleich.
Schleiermacher hat geschrieben : Nächstdem, sprach ich, vergleiche dir unsere Natur in Bezug auf Bildung und Unbildung folgendem Zustande. Sieh nämlich Menschen wie in einer unterirdischen höhlenartigen Wohnung, die einen gegen das Licht geöffneten Zugang längs der ganzen Höhle hat. In dieser seien sie von Kindheit an gefesselt an Hals und Schenkeln, so daß sie auf demselben Fleck bleiben und auch nur nach vorne hin sehen, den Kopf aber herumzudrehen der Fessel wegen nicht vermögend sind. Licht aber haben sie von einem Feuer, welches von oben und von ferne her hinter ihnen brennt. Zwischen dem Feuer und den Gefangenen geht oben her ein Weg, längs diesem sieh eine Mauer aufgeführt, wie die Schranken welche die Gaukler vor den Zuschauern sich erbauen, über welche herüber sie ihre Kunststücke zeigen. – Ich sehe, sagte er. – Sieh nun längs dieser Mauer Menschen allerlei Gefäße tragen, die über die Mauer herüber ragen, und Bildsäulen und andere steinerne und hölzerne (515) Bilder und von allerlei Arbeit; Einige, wie natürlich, reden dabei, andere schweigen. – Ein gar wunderliches Bild, sprach er, stellst du dar und wunderliche Gefangene. – Uns ganz ähnliche, entgegnete ich. Denn zuerst, meinest du wohl, daß dergleichen Menschen von sich selbst und von einander etwas anderes zu sehen bekommen als die Schatten, welche das Feuer auf die ihnen gegenüberstehende Wand der Höhle wirft? – Wie sollten sie, sprach er, wenn sie gezwungen sind zeitlebens den Kopf unbeweglich zu halten! – Und von dem vorübergetragenen nicht eben dieses? –

https://www.projekt-gutenberg.org/plato ... aat07.html
Krapinger hat geschrieben : »Und nun«, fuhr ich fort, »vergleiche unsere Natur hinsichtlich Bildung und Unbildung mit folgendem Zustand: Stelle dir Menschen vor, etwa in einer unterirdischen, höhlenartigen Behausung mit einem Ausgang, der sich über die ganze Breite der Höhle zum Tageslicht hin öffnet; in dieser Höhle sind sie von Kindheit an, gefesselt an Schenkeln und Nacken, so dass sie an Ort und Stelle bleiben müssen und nur geradeaus schauen können; den Kopf können sie wegen der Fesseln nicht herumdrehen; Licht erhalten sie durch ein Feuer, das hinter ihnen weit oben in der Ferne brennt; zwischen diesem Feuer und den Gefesselten führt oben ein Weg; an ihm entlang stelle dir einen niedrigen Maueraufbau vor, ähnlich wie Schranken bei den Gauklern vor den Zuschauern errichtet werden, über die hinweg sie ihre Kunststücke zeigen.«

»Ich sehe es vor mir«, sagte er. »Stelle dir nun längs dieser Mauer Menschen vor, die allerlei Geräte vorbeitragen, die über diese Mauer hinausragen, Statuen von Menschen und anderen Lebewesen aus Holz und Stein und alle möglichen Erzeugnisse menschlicher Arbeit, wobei die Vorbeitragenden, wie es ja natürlich ist, teils reden, teils schweigen.«

»Ein seltsames Gleichnis und seltsame Gefesselte, von denen du da sprichst«, sagte er. »Ein Ebenbild von uns«, erwiderte ich. »Denn haben diese Leute von sich und den anderen je etwas anderes gesehen als die Schatten, die das Feuer auf die gegenüberliegende Wand der Höhle wirft?«

»Wie denn«, sagte er, »wenn sie zeitlebens gezwungen sind, ihre Köpfe unbeweglich zu halten?«

»Gilt nicht dasselbe auch von den Gegenständen, die vorbeigetragen werden?«

Platon, Der Staat, Übersetzt und herausgegeben von Gernot Krapinger Reclam




Christoph
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Mi 10. Apr 2024, 08:47

Ein spannender Aspekt an der im Höhlengleichnis dargestellten Ideenlehre ist für mich deren "Spiegelung" in der weiteren Geistesgeschichte.
Besteht eine (direkte) Verbindung zu Kant, der Raum und Zeit das Sein an sich absprach und diese nur noch als Voraussetzungen zur Erkenntnis der Dinge an sich benötigte?
In der modernen Physik wiederum ist bewiesen worden, dass es keinen euklidischen Raum gibt, der gemeinsam mit einer unabhängigen linearen Zeit existiert, auch wenn das die wahrgenommene Alltagsrealität beschreibt.
Ein transzendentaler Idealismus erscheint daher aus heutiger Sicht auf einer fundamentalen Ebene mindestens genauso real sein zu können wie die (vermeintliche) Wirklichkeit.




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Jörn Budesheim
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Mi 10. Apr 2024, 08:52

Willkommen im Forum Christoph!




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Jörn Budesheim
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Mi 10. Apr 2024, 09:34

Burkart hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 20:30
in der Grundschule gelernt
In der Grundschule lernen wir aber nicht, wie die "Zahlen" "im Kopf" empirisch aussehen, die dort ohnehin noch nie jemand gefunden hat, sondern wie das Ergebnis der Addition richtig ist. Dazu muss es aber ein richtiges Ergebnis geben, das unabhängig davon ist, wie es angeblich in irgendwelchen Köpfen aussieht. Sonst bräuchten wir auch keine Schule. Deine Position ist die überholte Position des sogenannten Psychologismus, der vor einem Jahrhundert angedacht wurde, der aber die Normativität, dass es richtige und falsche Ergebnisse gibt, nicht in seine Sichtweise integrieren kann, weil die entsprechende Normativität voraussetzt, dass die Ergebnisse nicht davon abhängen, was in den Köpfen ist, sondern dass es eben ein richtiges Ergebnis gibt, und das ist 12, egal, was in irgendwelchen Köpfen vor sich geht.




Alltag
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Mi 10. Apr 2024, 10:48

Nauplios hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 14:10
[...] Ja, da kann ich mir gut vorstellen, daß Du viel Herzblut hineingesteckt hast. Kannst Du ein paar Erläuterungen geben zu der Tabelle?
Die Gleichnisse im Dialog Politeia entsprechen im heutigen Sinn einem Leitbild für die Philosophenherrscher. Gibt es aber für sie auch eine Wegleitung? Hat Platon sich schon gefragt, woran der «Philosophenherrscher» zu denken hat, damit seine Erkenntnisse und Entscheide von den Menschen akzeptiert werden? Ja, Platon gibt den roten Faden preis, im zitierten Merksatz in parm. 136.

Ich habe den Merksatz als Tabelle dargestellt, weil der zweite Teil des Platon Dialogs Parmenides immer schon als eine schematische Darstellung von Hypothesen gelesen wird. Allerdings variiert die Anzahl Hypothesen. Die Übersetzung von Schleiermacher gibt acht oder neun Hypothesen an. Zwanzig sind es im umfangreichen Kommentar von Prokolos Diadochos, der 2010 von Hans Günter Zekl neu übersetzt wurde, daran orientiere ich mich (siehe PDF).

Mich überrascht wie selten in der philologischen und philosophischen Fachliteratur die Textpassage parm. 136 thematisiert wird. Auf diese «Lücke» habe ich mich gestürzt und wie ich meine erfolgreich festgebissen. Die Tabelle ist wie folgt zu lesen: Im Kreuzungspunkt der Spalte und der Zeile liegt die Hypothese, die jeweils durch den Spaltenkopf und den Zeilenkopf charakterisiert ist.

Im direkten Vergleich zum Griechisch Text ergäben sich nur drei Spalten, ich habe aus logischen Überlegungen die Spalte "ap" eingefügt. Damit ergeben sich zwanzig Hypothesen wie bei Proklos.

Inhaltlich ist es auch ein roter Faden für die Anamnese - was mich besonders überzeugt – aber auch für die Projektleitung oder für Sicherheitsanalysen. (ô,õ)




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Nauplios
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Mi 10. Apr 2024, 14:38

Alltag hat geschrieben :
Mi 10. Apr 2024, 10:48


Ich habe den Merksatz als Tabelle dargestellt, weil der zweite Teil des Platon Dialogs Parmenides immer schon als eine schematische Darstellung von Hypothesen gelesen wird. Allerdings variiert die Anzahl Hypothesen. Die Übersetzung von Schleiermacher gibt acht oder neun Hypothesen an. Zwanzig sind es im umfangreichen Kommentar von Prokolos Diadochos, der 2010 von Hans Günter Zekl neu übersetzt wurde, daran orientiere ich mich (siehe PDF).

Mich überrascht wie selten in der philologischen und philosophischen Fachliteratur die Textpassage parm. 136 thematisiert wird. Auf diese «Lücke» habe ich mich gestürzt und wie ich meine erfolgreich festgebissen. Die Tabelle ist wie folgt zu lesen: Im Kreuzungspunkt der Spalte und der Zeile liegt die Hypothese, die jeweils durch den Spaltenkopf und den Zeilenkopf charakterisiert ist.

Im direkten Vergleich zum Griechisch Text ergäben sich nur drei Spalten, ich habe aus logischen Überlegungen die Spalte "ap" eingefügt. Damit ergeben sich zwanzig Hypothesen wie bei Proklos.

Inhaltlich ist es auch ein roter Faden für die Anamnese - was mich besonders überzeugt – aber auch für die Projektleitung oder für Sicherheitsanalysen. (ô,õ)
Es handelt sich also im Grunde um einen Kommentar zu Zekls Kommentar zu Proklos' Kommentar zu Platons Parmenides, eine Art Vermessung des philosophischen Denkraums mit philologischen Mitteln. ;)

Man kann an dieser neuplatonischen Schule (Plotin, Proklos ...) ein Muster der "alteuropäischen" Philosophie ablesen, das über die Struktur der "Emanation" die Vielfalt auf Einheit - das berühmte "Eine" der Neuplatoniker - zurückführt, Differenz auf Identität. Am Parmenides-Kommentar des Proklos zeigen sich die Schwierigkeiten, die man sich damit einhandelt, daß das Nichtseiende seiend gedacht werden muß/kann, das Unähnliche ähnlich usw. - Bei Nikolaus von Kues, der die Schriften von Proklos studiert hat, gibt es dann die Lösung:
Coincidentia oppositorum, modern: Differenz nicht aus Identität denken, sondern Identität als Differenz.

Respekt für Deine Tabelle, Alltag! ;)




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Nauplios
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Mi 10. Apr 2024, 20:15

Christoph hat geschrieben :
Mi 10. Apr 2024, 08:47

Ein spannender Aspekt an der im Höhlengleichnis dargestellten Ideenlehre ist für mich deren "Spiegelung" in der weiteren Geistesgeschichte.
Besteht eine (direkte) Verbindung zu Kant, der Raum und Zeit das Sein an sich absprach und diese nur noch als Voraussetzungen zur Erkenntnis der Dinge an sich benötigte?
Eine "(direkte) Verbindung" zwischen dem Höhlengleichnis und Kant besteht nicht. Hans Blumenberg, der ja der Wirkung von Platons Höhlengleichnis "in der weiteren Geistesgeschichte" nachgegangen ist, schreibt:

"Fragt man sich nach dem Philosophen, dem man am wenigsten Disponiertheit für Platos Höhle zutraut, so wird man sich Kant zumindest versuchsweise nennen, seine Abneigung gegen neuere platonisierende Schwärmerei vor Augen. Aber Kant, der platonische Philosophie nur aus Jacob Brucker kannte, keinen der Dialoge jemals gelesen hatte ..." (Hans Blumenberg; Höhlenausgänge; S. 85; Hervorh. von mir) -

Das bedeutet natürlich nicht, daß es von Kant aus gar keine "Verbindung" zum Höhlengleichnis gibt. Die "'Spiegelung' in der weiteren Geistesgeschichte' ist allemal von Interesse.

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Timberlake
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Do 11. Apr 2024, 02:03

AufDerSonne hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 10:40
Timberlake hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 10:15
Würdest du denn sagen , dass diese Idee von der 7 gemäß dem Höhlengleichnis im Lichte der Sonne oder lediglich .. wie hier beschrieben .. im künstlichen Licht erscheint? Schließlich kamst du in dem Beitrag 76206 auf den genialen Einfall diesem Licht der Sonne , dem des künstlichen Licht entgegen zu stellen.
Wir sind daran herauszufinden, was es mit der Idee der 7 auf sich hat. Wir sind noch in der Höhle, da wir uns nicht einig sind. Wer hinaus könnte aus der Höhle, der würde klar erkennen, was es mit der 7 auf sich hat. Wir sind auf der Suche. Und ich bin schon einen Schritt weitergekommen. Möglicherweise ist die 7 nicht in unserem Kopf, aber etwas muss, wie beim Computer, in unserem Gehirn passieren, damit wir an die 7 denken können. Das ist für mich ein Fortschritt. Denn ich weiss jetzt, dass wenigstens ein Abbild der 7 oder eine Repräsentation eben doch im Kopf ist.
Weil hier schon des öfteren erwähnt zitiere ich dazu einmal aus Platons Parmenides ...
  • "Da habe denn nun Sokrates, nachdem er es angehört, den Zenon gebeten, die erste Voraussetzung der ersten Erörterung noch einmal zu lesen und, als dies geschehen war, gesagt: Wie, Zenon, meinst du dies, wenn das Seiende Vieles ist, daß es dann doch notwendig sowohl ähnlich als unähnlich sein müsse und dies doch unmöglich sei? Denn das Unähnliche könne doch unmöglich ähnlich und das Ähnliche unmöglich unähnlich sein: sind das nicht deine Worte?"
    Platon .. Parmenides
... nehmen wir einmal an, in einer Alle sind linker Hand 7 Bäume an einander gereit. Das "Seiende" wäre da , ein "Vieles " an 7 Bäumen. Sie wären somit als Seiendes nicht nur bloß notwendig ähnlich , sondern völlig identisch. Nur dadurch lässt sich dieses Vieles .. in Summe! .. zu 7 Bäumen zusammenfassen. Dies ist doch unmöglich . Gleicht doch kein Baum dem anderen. Wenn wir also meinen , dass da 7 Bäume stehen , dann sind wir immer noch in der Höhle. Wie übrigens bei den Grundrechenarten Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division ganz grundsätzlich und überhaupt.
Burkart hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 22:55
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 20:57
Warum ist die Vorstellung seltsam, dass die Ideen in der Luft schwirren und durch den Raum fliegen, aber nicht seltsam, dass sie im Kopf sind?
Wenn ich AufDerSonne unterstützen darf:
Ideen können im Kopf sein, weil sie dort konstruiert sein können, ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.
In der Luft bzw. im Raum fehlt ihnen irgendwie die Basis dazu ;)
.. diesen Grundrechenarten fehlt irgendwie die Basis dazu. Die können, weil sie dort konstruiert wurden, nur im Kopf sein. Ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.. In der Luft bzw. im Raum .. quasi außerhalb der Höhle! .. funktionieren sie nicht mehr.
Alltag hat geschrieben :
Sa 6. Apr 2024, 11:34
Höhlengleichnis (514a - 517a):
[...] Er kehrt in die Höhle zurück, um die anderen zu befreien und sie zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen.
Das Höhlengleichnis fokussiert - meines Erachtens - auf die Frage, die sich der Rückkehrers selber stellt, "Wie aber sag ich's meinen Pappenheimern, damit sie auch eine Chance haben, das Gesehene zu verstehen."
.. nur wie sag ich's meinen Pappenheimern, damit sie auch eine Chance haben, das von mir Gesehene zu verstehen ....
  • "Dies nun, daß der eine behauptet, es gebe nur Eins, und der andere, es gebe nicht Vieles, und daß jeder von beiden sich so ausdrückt, daß er in keinem Stücke dasselbe gesagt zu haben scheint wie der andere, während sie doch nahezu in allem dasselbe sagen, – das ist offenbar für uns andere zu hoch, und diese Art einer Beweisführung geht über unseren Gesichtskreis hinaus.
    Platon .. Parmenides"




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Nauplios
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Do 11. Apr 2024, 13:27

Im Liniengleichnis ordnet Platon jeder Seinsart eine Erkenntnisart zu:

big_32891742_0_600-450.jpg
big_32891742_0_600-450.jpg (44.18 KiB) 402 mal betrachtet
Die εικασία, das Mutmaßen, nimmt dabei auf der Ebene der δóξα, der Meinung, einen vergleichsweise niedrigen Rang ein. Warum eigentlich? -

Anders Nikolaus von Kues:

"Quoniam autem in prioribus Doctae ignorantiae libellis multo quidem altius limpidiusque quam ego ipse nisu meo praecisione veritatis inattingibilem intuitus es, consequens est omnem humanaum veri positivam assertionem esse coniecturam." (De coniecturis; p 4)

"Da du in den vorhergehenden Büchern über die wissende Unwissenheit um vieles tiefer und klarer, als ich selbst es vermochte, eingesehen hast, daß die letzte Genauigkeit der Wahrheit unerreichbar ist, ergibt sich in der Folge für dich, daß jede menschliche Behauptung über das Wahre, die positiv ist, eine Mutmaßung darstellt."




Alltag
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Do 11. Apr 2024, 13:48

Timberlake hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 02:03
Alltag hat geschrieben :
Sa 6. Apr 2024, 11:34
Das Höhlengleichnis fokussiert - meines Erachtens - auf die Frage, die sich der Rückkehrers selber stellt, "Wie aber sag ich's meinen Pappenheimern, damit sie auch eine Chance haben, das Gesehene zu verstehen."
.. nur wie sag ich's meinen Pappenheimern, damit sie auch eine Chance haben, das von mir Gesehene zu verstehen ....
  • "Dies nun, daß der eine behauptet, es gebe nur Eins, und der andere, es gebe nicht Vieles, und daß jeder von beiden sich so ausdrückt, daß er in keinem Stücke dasselbe gesagt zu haben scheint wie der andere, während sie doch nahezu in allem dasselbe sagen, – das ist offenbar für uns andere zu hoch, und diese Art einer Beweisführung geht über unseren Gesichtskreis hinaus.
    Platon .. Parmenides"
Lass mich ein wenig tratschen und bitte, leg nicht jedes Wort auf die Waagschale: Drei Generationen treffen sich zu einem philosophischen Gespräch. Nach dem einleitenden Vortrag nervt der übermütige Jüngling den Redner so sehr, dass der Redner reumütig eingesteht, der Vortrag sei eine Jugendtorheit, die er einzig auf Wunsch seines Lehrers hier erneut vorgetragen habe. Da steht ihm der betagte Lehrer bei und lobt den übermütigen Jungen Sokrates übermässig, fordert ihn heraus und leitet den Anlass hin zum Hauptthema «Die philosophische Fragenstellung» [Das ist meine Spekulation!].
Nach und nach ahnt der Jüngling, dass er da was lernen kann und wird wissbegierig. Der Alte steigt drauf ein, erinnert an sein allen bekanntes Lehrgedicht und entwickelt dieses weiter zu einem umfassenden Leitfaden für philosophischen Fragestellungen, den er schliesslich am Ende des ersten Teils des Dialogs in einem Merksatz zusammenfasst. Diesen Merksatz habe ich als Tabelle dargestellt (siehe PDF oben). Im zweiten Teil des Dialogs wird beispielhaft die philosophische Fragestellung zur Erörterung der Idee «Schein» abgearbeitet (dies entspricht der rechten Hälfte meiner Tabelle, also Spalte b und Spalte bp)

Die Sekundärliteratur zum Platon Dialog Parmenides ist riesig, weil sie in der Behauptung kulminiert, Plato hätte hier Widersprüche eingebaut und mit Absicht stehen gelassen. Das stimmt aber bestenfalls für die Passagen, wo der junge Sokrates das Gespräch leitet. Ab dem Hinweis von Parmenides auf seinen eigenen ersten Lehrsatz bleibt aber alles sehr stringent, wie in meinen Beiträgen im Betreff hier skizziert. (~,~)




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Nauplios
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Do 11. Apr 2024, 18:40

"Dort wo die Sitzbeinstacheln seitlich in das knöcherne Becken ragen, ist die engste Stelle des gesamten Geburtsweges." - Habt Ihr das gewußt? Ich nicht. ;)

Zu lesen ist es auf der Seite des Österreichischen Hebammengremiums.

Kopfüber geht es in der Regel raus aus der Höhle, rein in die Welt. Der Vorgang ist schmerzhaft für die Mutter, aber ist er es auch für das Kind, das dabei das Licht der Welt erblickt? Österreichs Hebammen scheinen darüber nichts zu wissen. Aus eigener Erlebnisevidenz zumindest weiß es ohnehin niemand. Denn der Ausstieg aus der Höhle ist nicht erinnerungsfähig. Die Schwellen des Lebens, Geburt und Tod liegen im Nebulösen. So wenig wie man sagen kann "So, jetzt bin ich da", läßt sich sagen "So, jetzt bin ich tot".

Ansonsten weist das Trauma der Geburt die Ingredienzien des platonischen Höhlengleichnisses auf. Der Mutterleib umschützt das Leben, notiert Klopfzeichen von innen, dämpft aber die originäre Welterfahrung. Der Ausstieg führt über einen Weg, einen Kanal nach draußen. Dort scheint die Sonne; falls nicht, wird aber zumindest ihr Licht simuliert. Den Höhlenbewohner auf den Weg des Lichts zu führen, ist für die Führenden mit Gefahr verbunden und offensichtlich für die Geführten wenig verführerisch, von den Sitzbeinstacheln gar nicht erst zu reden.




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AufDerSonne
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Do 11. Apr 2024, 19:25

Nauplios hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 18:40
"Dort wo die Sitzbeinstacheln seitlich in das knöcherne Becken ragen, ist die engste Stelle des gesamten Geburtsweges." - Habt Ihr das gewußt? Ich nicht. ;)
Ach das. Ist ein alter Hut! :lol:

Sag mal Nauplios. Bist du durch die Beschäftigung mit der Philosophie weise geworden? Ich denke, das wäre möglich. Also dass die Beschäftigung mit der Philosophie weise macht.



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Nauplios
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Do 11. Apr 2024, 19:44

AufDerSonne hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 19:25
Nauplios hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 18:40
"Dort wo die Sitzbeinstacheln seitlich in das knöcherne Becken ragen, ist die engste Stelle des gesamten Geburtsweges." - Habt Ihr das gewußt? Ich nicht. ;)
Ach das. Ist ein alter Hut! :lol:

Sag mal Nauplios. Bist du durch die Beschäftigung mit der Philosophie weise geworden? Ich denke, das wäre möglich. Also dass die Beschäftigung mit der Philosophie weise macht.
Folgt man Platon, macht sie "wunderlich". Manchmal, aber selten, lese ich meiner Gefährtin Beiträge von mir vor. Das lag hier nahe, weil sie von Haus aus eigentlich Biologin ist. Die Spanne ihrer Reaktion reicht von Widerspruch - das ist der günstigste Fall - bis Unverständnis. Wenn sie aber gar nichts mehr sagt, wie vorhin, dann ist das Höchstmaß an Mißbilligung erreicht. Ihr verweifelter tiefer Atemzug läßt dann erkennen, daß ein Rückzug in die Lesehöhle angesagt ist.




Burkart
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Do 11. Apr 2024, 23:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 10. Apr 2024, 09:34
Burkart hat geschrieben :
Di 9. Apr 2024, 20:30
in der Grundschule gelernt
In der Grundschule lernen wir aber nicht, wie die "Zahlen" "im Kopf" empirisch aussehen, die dort ohnehin noch nie jemand gefunden hat, sondern wie das Ergebnis der Addition richtig ist. Dazu muss es aber ein richtiges Ergebnis geben, das unabhängig davon ist, wie es angeblich in irgendwelchen Köpfen aussieht. Sonst bräuchten wir auch keine Schule.
Klar lernt man in der Schule die richtigen Ergebnisse, anfangs aber auch, woher sie kommen, also 2 Äpfel und 3 Äpfel abgezählt (gerne an echten Äpfeln oder auch an Bildern von ihnen) ergeben 5 Äpfel, also man lernt, wie man zu der Summe kommt.
Deine Position ist die überholte Position des sogenannten Psychologismus, der vor einem Jahrhundert angedacht wurde, der aber die Normativität, dass es richtige und falsche Ergebnisse gibt, nicht in seine Sichtweise integrieren kann, weil die entsprechende Normativität voraussetzt, dass die Ergebnisse nicht davon abhängen, was in den Köpfen ist, sondern dass es eben ein richtiges Ergebnis gibt, und das ist 12, egal, was in irgendwelchen Köpfen vor sich geht.
Ich kann nicht nachvollziehen, was an meiner Position überholt sein soll (zitiere ggf. bitte meinen entsprechenden Text), natürlich gibt es richtige und falsche Ergebnisse. Aber das Denken/Wissen, was richtig ist, muss ja erst in die Köpfe rein durch Lernen.



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Do 11. Apr 2024, 23:52

Timberlake hat geschrieben :
Do 11. Apr 2024, 02:03
Burkart hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 22:55
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 20:57
Warum ist die Vorstellung seltsam, dass die Ideen in der Luft schwirren und durch den Raum fliegen, aber nicht seltsam, dass sie im Kopf sind?
Wenn ich AufDerSonne unterstützen darf:
Ideen können im Kopf sein, weil sie dort konstruiert sein können, ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.
In der Luft bzw. im Raum fehlt ihnen irgendwie die Basis dazu ;)
.. diesen Grundrechenarten fehlt irgendwie die Basis dazu. Die können, weil sie dort konstruiert wurden, nur im Kopf sein. Ob nun auf Basis eigenes Denkens und sinnlichen Erfahrens oder durch Lernen von anderen Menschen o.ä.. In der Luft bzw. im Raum .. quasi außerhalb der Höhle! .. funktionieren sie nicht mehr.
Was wolltest du damit sagen? Was funktioniert wie(so) nicht mehr? (Bitte möglichst klar ohne Gleichnisse u.ä. erläutern.)
Bzw. stimmst du mir/uns zu oder nicht?



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Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Burkart
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Fr 12. Apr 2024, 00:44

Burkart hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 22:23
Nauplios hat geschrieben :
Mo 8. Apr 2024, 19:40
@Burkart

Ich antworte Dir mal an dieser Stelle. - Beim "Grün" kommt es nicht auf den konkreten Farbton an. Der variiert natürlich von jedem grünen Gegenstand zum nächsten grünen Gegenstand. Mit "Idee" ist die "Gestalt", die "Form" gemeint, die sich in den unterschiedlichen Anwendungsfällen von "grün" zeigt. Was sich an einem konkreten Gegenstand als "grün" zeigt, ist aber immer nur ein Anwendungsfall von "grün", eine individuelle Ausprägung von "grün", eine je individuelle Gestaltung. "Idee" meint dagegen keine Konkretion von "grün", sondern die "Grün-heit" als etwas Allgemeines, das alle Konkretionen unter sich zusammenfaßt, die höchst denkbare Abstraktion aller grünen Vereinzelungen.

(Diese Erklärung nur unter dem Vorbehalt der Revision.) ;)
Nur was soll die "Grün-heit" dann sein, wenn nicht nur etwas eher zufällig Ausgedachtes bzw. Festgelegtes denn ein klares Etwas? Gibt es z.B. auch eine "Hellgrün-heit" oder "Gelbgrün-heit" o.ä.? Und wie hängen diese (alle) ggf. zusammen?
Hat man nicht eigentlich nur einen Begriff (hier "Grün") genommen und ihm dies und jenes gedanklich angehängt und daraus dann sozusagen die Idee gemacht?
Soll es die Idee auch bei anderen Lebewesen geben und wenn ja, genau wie bei Menschen? Auch wenn die Lebewesen grün gar nicht erkennen können?
Ich denke, du verstehst meine Vorbehalte gegen die "Grün-Idee" a la Platon als etwas irgendwie Reales.
@Nauplios: Kannst du meine Vorbehalte nachvollziehen oder entkräften?



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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