Markus Gabriel - Warum es die Welt nicht gibt

Markus Gabriel (* 6. April 1980 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn.
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Herr K.
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Fr 18. Aug 2017, 17:00

Mal zur Behauptung von Gabriel, dass es die Welt nicht gäbe:

dazu erst mal Zitate aus: Markus Gabriel, Warum es die Welt nicht gibt:

(1) "Ich kann deswegen schon einmal vorab in Aussicht stellen, dass ich behaupten werde, dass es alles gibt, bis auf eines: die Welt." (S.9)

(2) "Ich behaupte, dass es Polizeiuniform tragende Einhörner auf der Rückseite des Mondes gibt, denn dieser Gedanke existiert in der Welt und mit ihm die Polizeiuniform tragenden Einhoerner." (S.23)

(3) "Die Frage ist also niemals einfach, ob es so etwas gibt, sondern immer auch, wo es so etwas gibt. Denn alles, was existiert, existiert irgendwo - und sei es nur in unserer Einbildung. Die einzige Ausnahme ist wiederum: die Welt." (S.23)

Man beachte zunächst das "alles" in Zitat 1. Das ist eine unrestringierte Quantifikation, es heißt nicht z.B. "alles, das logisch möglich ist" oder "alles, das nicht selbstwidersprüchlich ist", es gibt hier keinerlei Einschränkungen.

In Zitat 2 scheint das Argument Folgendes zu sein: aus "Gedanke an X existiert" folge automatisch "X existiert". Nun scheint mir das zwar ein non sequitur zu sein, aber falls das stimmte, kann (3) nicht stimmen, denn analog zu (2) existiert ja wohl der Gedanke an die Welt in der Welt und wären (1) und (2) richtig, dann müsste folgerichtig auch die Welt existieren - "und sei es nur in unserer Einbildung".

(Jetzt mal abgesehen davon, dass (2) nicht richtig sein kann, denn wenn es die Welt nicht gibt, dann kann in ihr auch nichts existieren. Vermutlich hat er sich da nur ein bisschen schlampig ausgedrückt und meint ein anderes Sinnfeld, eines, das existiert, was aber ein bisschen bedauerlich ist, denn wichtig zum Verständnis seiner Ansicht wäre mE auch, dass die jeweiligen Sinnfelder, in denen etwas angeblich erscheint bzw. nicht erscheint, explizit benannt werden.)




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Jörn Budesheim
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Herr K. hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 16:47
"in welchem Sinnfeld erscheinen die Hexen, die im Szenario vorkommen, das in 'Macbeth' beschrieben wird?
Ich hab das Stück mal gesehen, kann mich jedoch nicht entsinnen, welches Szenario da großartig beschrieben würde. Aber es gibt natürlich auch Geschichten in Geschichten - ich denke, dass kommt sogar häufig vor. Falls in der Geschichte (Macbeth) Geschichte mit Hexen vorkommen, dann ist das fragliche Sinnfeld eben die Geschichte in der Geschichte.




Tosa Inu
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Fr 18. Aug 2017, 17:29

Herr K. hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:00
Mal zur Behauptung von Gabriel, dass es die Welt nicht gäbe:

dazu erst mal Zitate aus: Markus Gabriel, Warum es die Welt nicht gibt:

...
(1), (2) und (3) passen alle nicht zusammen, die Gründe hattest Du genannt, für (1) noch: „alles“ ernst gemeint, hieße, dass es auch die Welt geben muss. Und wenn es die nicht gibt, weil nicht klar bestimmbar, in welche Schwierigkeit kommt man ernst, wenn man Existenz als „im Sinnfeld erscheinen“ definiert, aber nicht definieren kann, was ein Sinnfeld denn nun ist. Mal dies, mal das.

Gabriels einzige Konstante (bislang, aus meiner Sicht), ist die Variation davon, dass man sich nicht einig ist, wie mit der Menge aller Mengen (ob diese sich nun selbst enthält und was das bedeuten könnte) zu verfahren ist. Es gibt nach ihm weder die Menge aller Dinge, noch aller Tatsachen, noch aller Sinnfelder. Für die Fundierung einer Sinnfeld-Ontologie erscheint mir das zu dünn, auch wenn ich Passagen aus Gabriels reichen Ausführungen immer wieder schätzen kann. Die Fähigkeit zur abstrahierenden Draufsicht hat er zweifellos.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:02
Falls in der Geschichte (Macbeth) Geschichte mit Hexen vorkommen, dann ist das fragliche Sinnfeld eben die Geschichte in der Geschichte.
Gut, aber dennoch. Was ist das Sinnfeld des Urknalls und wo befindet es sich?



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Fr 18. Aug 2017, 17:36

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:32
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:02
Falls in der Geschichte (Macbeth) Geschichte mit Hexen vorkommen, dann ist das fragliche Sinnfeld eben die Geschichte in der Geschichte.
Gut, aber dennoch. Was ist das Sinnfeld des Urknalls und wo befindet es sich?
Zur Erläuterung: Man kann nicht sagen, der Urknall, sei bspw. das Sinnfeld einiger Physiker (der von deren Theorien). Denn dann käme man in ein konstruktivistisches Dilemma, in dem der Urknall und damit die Existenz (zumindest) der physischen Welt, davon abhängt, dass es den Fachbereich Physik gibt, was erkennbar unsinnig ist. Denn Existenz = erscheinen in einem Sinnfeld.



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Herr K.
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Fr 18. Aug 2017, 17:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:02
Ich hab das Stück mal gesehen, kann mich jedoch nicht entsinnen, welches Szenario da großartig beschrieben würde. Aber es gibt natürlich auch Geschichten in Geschichten - ich denke, dass kommt sogar häufig vor. Falls in der Geschichte (Macbeth) Geschichte mit Hexen vorkommen, dann ist das fragliche Sinnfeld eben die Geschichte in der Geschichte.
In einer Theateraufführung von Macbeth wird das von Shakespeare entworfene Szenario (oder, in Gabriels Nomenklatur: die Dramawelt) nicht beschrieben, sondern dargestellt. Und dass Geschichten in Geschichten vorkommen können und das Sinnfeld der ersteren Geschichten die zweiteren Geschichten sind, stellt kein Problem dar und ist unstrittig. Was aber leider immer noch nicht die Frage beantwortet, in welchem Sinnfeld denn die Macbeth-Hexen vorkommen, bzw. was deren ontologischer Status ist. Existieren sie nur "nur in unserer Einbildung" (Zitat Gabriel) oder auch noch darüber hinaus? Falls ja, wie? Und hast bei Deinem Theaterbesuch Macbeth-Hexen gesehen?




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Herr K.
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Fr 18. Aug 2017, 17:57

@Tosa Inu: Deine Frage zum Urknall finde ich etwas unfair, denn die Physik bzw. die Urknalltheorie sagt - soweit ich weiß, habe da nur Laienwissen - nichts über den Urknall selber, nur über die Zeit ab einem gewissen Zeitpunkt danach. Wie sollte da Gabriel diese Frage beantworten können?




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Jörn Budesheim
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Fr 18. Aug 2017, 18:17

Herr K. hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:47
Was aber leider immer noch nicht die Frage beantwortet, in welchem Sinnfeld denn die Macbeth-Hexen vorkommen
Die Antwort darauf wurde eigentlich schon mehrmals gegeben. Die Hexen kommen in Macbeth vor. Und ihr ontologischer Status ist, in einem Theaterstück nämlich Macbeth vorzukommen. Sowie Gregor Samsa in "die Verwandlung" vorkommt. Clark Kent kommt in Superman vor, er ist das Alter Ego von Superman. Die Superman Heftchen gehören zur Welt der Comics.




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Jörn Budesheim
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Fr 18. Aug 2017, 18:19

Da die Physiker mittlerweile, soweit ich weiß, über die Zeit vor dem Urknall nachdenken, liegt es nahe zu sagen, dass der Urknall in Raum und Zeit vorkommt. Auf jeden Fall gehörte zum Gegenstandsbereich der Physik keineswegs zum Gegenstandsbereich der Literaturwissenschaften.




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Fr 18. Aug 2017, 18:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 18:19
Da die Physiker mittlerweile, soweit ich weiß, über die Zeit vor dem Urknall nachdenken, liegt es nahe zu sagen, dass der Urknall in Raum und Zeit vorkommt.
Können wir uns auf das Standardmodell einigen?

"Der „Urknall“ bezeichnet keine Explosion in einem bestehenden Raum, sondern die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit aus einer ursprünglichen Singularität." (https://de.wikipedia.org/wiki/Urknall)

Falls nicht, sag mir bitte, welches Modell Du bevorzugst, es geht ja um die Klärung des Begriffs der Sinnfelder.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 18:19
Auf jeden Fall gehörte zum Gegenstandsbereich der Physik keineswegs zum Gegenstandsbereich der Literaturwissenschaften.
Das hat auch niemand behauptet. Einige Sinnfelder sollen objektiver Natur sein, in ihnen erscheint dann etwas.
In dem Kontext "Sinnfeld" interessiert mich, was es geben kann, was dem Urknall zur Geburt verhilft, wenn eine verbreitete Ansicht ist, dass die Beschreibung eines zeitlichen und räumlichen, mithin physikalischen Außerhalb beim Urknall sinnlos ist?



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Alethos
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Fr 18. Aug 2017, 18:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 18:17
Herr K. hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:47
Was aber leider immer noch nicht die Frage beantwortet, in welchem Sinnfeld denn die Macbeth-Hexen vorkommen
Die Antwort darauf wurde eigentlich schon mehrmals gegeben. Die Hexen kommen in Macbeth vor. Und ihr ontologischer Status ist, in einem Theaterstück nämlich Macbeth vorzukommen. Sowie Gregor Samsa in "die Verwandlung" vorkommt. Clark Kent kommt in Superman vor, er ist das Alter Ego von Superman. Die Superman Heftchen gehören zur Welt der Comics.
Ok, so hört es sich dann wieder sehr plausibel an und verständlich. Die ontologische Positionierung eines Gegenstandes ist seine Lokalisierung in seinem Gegenstandbereich. Ganz allgemein gesagt. Konkreter: Von einer Blume kann die Wiese oder der Garten der Gegenstandsbereich sein. Durch die Lokalisierung der Blume vor / in ihrem Gegenstandsbereich wird sie zur Wiesenblume oder zur Gartenblume. Ok, geschenkt :-)

Ist denn Sein ein Gegenstand? Wohl nicht, denke ich. Sein ist der Gegenstandbereich von Seiendem (ontologische Differenz?). Die Theorie der Sinnfelder stünde so gesehen wiederum im Sinnfeld der philosophischen Theorien. Präziser noch: im Sinnfeld der Realismustheorien. Welchen unterschied macht es, wenn wir ein Sinnfeld ausweiten oder einengen? Da verschiebt sich doch die Begrifflichkeit? Ich sehe hier schon eine Hierarchie, die hinauf und hinuntergewandert wird, je nach Sinnfeld-Ausdehnung, wir sprechen dann von einer Theorie unter vielen oder einer spezifischen Theorie unter einer bestimmten Gruppe von Theorien.

Aber, welches Sinnfeld hat Welt? Das steht, glaube ich im Text, muss ich nochmal in Ruhe nachlesen.



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Fr 18. Aug 2017, 19:12

Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 18:41
Aber, welches Sinnfeld hat Welt? Das steht, glaube ich im Text, muss ich nochmal in Ruhe nachlesen.
Keines, weil Gabriel meint darlegen zu können, dass es die Welt nicht gibt (da der Begriff entweder unbestimmt ist, oder, wo bestimmt, in das Problem der Menge aller Mengen, die sich selbst enthält, rutscht). Gäbe es ein Sinnfeld Welt, gäbe es auch die Welt, da existieren heißt, in einem Sinnfeld zu erscheinen.



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Jörn Budesheim
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Fr 18. Aug 2017, 19:24

Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 18:41
Ok, geschenkt :-)
in der Regel jedoch wird es nicht geschenkt. Aber umso besser! Wenn man Glück hat, ist das Sinnfeld, in dem Bier vor kommt, der eigene Kühlschrank :) entsprechend werde ich mir jetzt eins genehmigen. Dann hoffe ich, dass ich mir in meinem Sinnfeld Wohnzimmer was Schönes aus dem Sinnfeld Krimi reinziehen kann :) morgen werde ich dann vielleicht ein paar Zeilen dazu schreiben, wieso ich es seltsam finde, zu glauben, dass die Figuren in diesem Krimi sich irgendwo in meinem Bewußtsein befinden, wie hier regelmäßig vermutet wird.




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Fr 18. Aug 2017, 19:34

Herr K. hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 17:57
@Tosa Inu: Deine Frage zum Urknall finde ich etwas unfair, denn die Physik bzw. die Urknalltheorie sagt - soweit ich weiß, habe da nur Laienwissen - nichts über den Urknall selber, nur über die Zeit ab einem gewissen Zeitpunkt danach. Wie sollte da Gabriel diese Frage beantworten können?
Das ist doch gar keine Frage zum Urknall, sondern zu Sinnfeldern.
Was ist an dem Gedanken unklar?

Mir geht es darum: Einen Teil der Sinnfelder sieht Gabriel als Perspektiven oder Konstruktionen an, einen anderen Teil aber als explizit objektiv, er rückt sie, wie ich zitierte, selbst in die Nähe physikalischer Felder. Hier noch mal das Zitat:

„Felder – zum Beispiel elektromagnetische Felder – können völlig objektive Strukturen sein. Sie sind deswegen nicht im Allgemeinen Horizonte oder Perspektiven, sie sind nicht im Allgemeinen epistemologische Entitäten oder Gegenstände, die wir lediglich als theoretische Entitäten postulieren. Sie gehören auf die Seite der Dinge, da ohne sie kein Ding existieren und kein Gegenstand erscheinen könnte.“
(M.Gabriel, Sinn und Existenz, Suhrkamp TB 2016, S. 183 f)

Beim Urknall ist es (nahezu) ausgeschlossen, dass sich sein Sinnfeld um eine Perspektive von irgendwem handeln kann, weil es zu dieser „Zeit“ schlicht noch niemanden gibt (unterstellt man das wiss. Standardmodell). Mit einem Mal existiert aber etwas, nämlich das Universum. Es wird gesagt, dass überhaupt erst jenseits der Singularitätsgrenze von Zeit und Raum zu reden Sinn mache, die Frage nach dem „davor“ sei aus dieser Sicht verfehlt. Rein logisch kann man daraus schließen, dass es also vor dem Urknall (dem Durchbrechen der Singularitätsgrenze, falls es eine solche gibt) nichts Physisches, mithin auch nichts Feldhaftes (Feld ist ein Begriff aus der Physik) gegeben haben kann.
Rein logisch kann man weiter schließen, dass das Sinnfeld Urknall nicht nach dem Urknall entstanden sein kann, da die Definition genau anders herum ist.

Bliebe also die Möglichkeit, dass das Sinnfeld Urknall und der Urknall zugleich in Erscheinung treten, dann müsste aber das Sinnfeld Urknall räumlich verschieden vom Urknall sein, was m.E. aber durch die Definition der Urknalls (= Beginn von Zeit und Raum) ausgeschlossen ist. Es könnte höchstens das Sinnfeld Urknalll räumlich innerhalb des Urknalls sein, wobei die Frage auftaucht, wie es denn die Existenz des Urknall strukturell „vorbereiten“ kann. Wäre es ganz einfach mit dem Urknall identisch, könnte man den Begriff streichen.

Wo liegt mein Denkfehler?



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Fr 18. Aug 2017, 19:41

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 19:24
morgen werde ich dann vielleicht ein paar Zeilen dazu schreiben, wieso ich es seltsam finde, zu glauben, dass die Figuren in diesem Krimi sich irgendwo in meinem Bewußtsein befinden, wie hier regelmäßig vermutet wird.
Prima. Vielleicht könntest Du dabei gleich mitberücksichtigen, dass z.B. ich das nicht das glaube, sondern dass ich glaube, dass es diese Figuren nicht gibt, so sie rein fiktiv sind. Und auch, dass jedoch Gabriel das anscheinend zu meinen scheint, siehe Zitat 3 oben: "[existiert] nur in unserer Einbildung".




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Alethos
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Fr 18. Aug 2017, 19:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 19:24
Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 18:41
Ok, geschenkt :-)
in der Regel jedoch wird es nicht geschenkt. Aber umso besser! Wenn man Glück hat, ist das Sinnfeld, in dem Bier vor kommt, der eigene Kühlschrank :) entsprechend werde ich mir jetzt eins genehmigen. Dann hoffe ich, dass ich mir in meinem Sinnfeld Wohnzimmer was Schönes aus dem Sinnfeld Krimi reinziehen kann :) morgen werde ich dann vielleicht ein paar Zeilen dazu schreiben, wieso ich es seltsam finde, zu glauben, dass die Figuren in diesem Krimi sich irgendwo in meinem Bewußtsein befinden, wie hier regelmäßig vermutet wird.
:-) Was für wunderbare Erfindungen: Bier, Krimi und Kühlschränke! Viel Spass dabei.

Als ich neulich an einer kleinen Kurzgeschichte schrieb (die gänzlich missraten ist, überigens), fand ich in meinem Bewusstsein vollständige Figuren vor: Geschichten, Abläufe, Dialoge etc. Das war ganz amüsant, weil sie nicht so richtig aufs Papier gelangen wollten. Für mich persönlich ein Beleg dafür, dass es Übersetzungsleistungen braucht von ABC ins Bewusstsein und von dort zurück ins ABC.



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epitox
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Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 18:33
Einige Sinnfelder sollen objektiver Natur sein, in ihnen erscheint dann etwas.
In dem Kontext "Sinnfeld" interessiert mich, was es geben kann, was dem Urknall zur Geburt verhilft, wenn eine verbreitete Ansicht ist, dass die Beschreibung eines zeitlichen und räumlichen, mithin physikalischen Außerhalb beim Urknall sinnlos ist?
Sinnfelder sind immer objektiver Natur, da es jemanden bedarf, der sie hat. Die Kategorie "objektiv" ist ansonsten ontologisch sinnlos geworden.


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Fr 18. Aug 2017, 20:30

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 19:34
Das ist doch gar keine Frage zum Urknall, sondern zu Sinnfeldern.
Was ist an dem Gedanken unklar?
Es ist eine Frage zu dem Sinnfeld, in dem der Urknall erschien. Das Problem ist aber, dass wir über den Urknall selber nichts wissen, wenn ich mich nicht irre. Daher lautet Deine Frage eigentlich so: in welchem Sinnfeld erschien ein X, über das wir nichts wissen? Ob z.B. Zeit und Raum mit dem Urknall entstanden, wissen wir mW auch nicht. Deine logischen Schlüsse diesbezüglich finde ich zu gewagt.

Ansonsten: klar gibt es nach Gabriel objektive Sinnfelder, bzw. anders gesagt: solche, die es auch gegeben hätte, wenn es niemals Wesen gegeben hätte, die da was registriert hätten. Das betont er mehrfach. Nähme er das nicht an, dann wäre fraglich, wie seine Position eine realistische sein könnte.




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Alethos
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Fr 18. Aug 2017, 20:50

Nur so am Rande: Es ist merkwürdig, wie uns dieser Anfang von allem noch immer so sehr zu interessieren scheint. Einmal war es das Wasser bei Thales, dann der Nous bei Anaxagoras, dann ein unbewegter Beweger bei Aristoteles, dann lange Zeit Gott höchstpersönlich. Kein Phisikoi hat es in den letzten 2700 Jahren wirklich ganz genau getroffen mit der Arché :-)



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Fr 18. Aug 2017, 21:16

Alethos hat geschrieben :
Fr 18. Aug 2017, 20:50
Nur so am Rande: Es ist merkwürdig, wie uns dieser Anfang von allem noch immer so sehr zu interessieren scheint. Einmal war es das Wasser bei Thales, dann der Nous bei Anaxagoras, dann ein unbewegter Beweger bei Aristoteles, dann lange Zeit Gott höchstpersönlich. Kein Phisikoi hat es in den letzten 2700 Jahren wirklich ganz genau getroffen mit der Arché :-)
Die Wegesränder sind manchmal am spannendsten. Sie bieten die nötige Pause, mal die Gedanken setzen und den Blick frei wandern zu lassen.

Die Unauffindbarkeit des Archetypus von Allem kann eigentlich nur eines bedeuten.:-)

In meiner Phantasie stelle ich mir das so vor.. Atome sind wie kleine Mlichstraßen. Sie bewegen sich chaotisch und geordnet zugleich. In diesen kleinen Atommilchstraßen gibt es wiederum kleine Systeme, die zirkulär vor sich hin existieren .. nennen wir sie mal Sonnensysteme. Innerhalb dieser elementaren Sonnensysteme gibt e wiederum kleine Teilchen die wir jetzt einfach mal Planeten nennen. Auf diesen Planeten sitzen kleine Menschen die durch ihr Fernglas zu uns hinaus blicken. Und sie blicken wiederum auch durch ein Mikroskop, weil sie selbst verstehen wollen was der Ursprung des Seins sei. ad infinitum. :-) Das Witzige dabei ist.. in der Bibel steht irgendwo so etwas. Wie im Himmel so auf der Erde.




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