Markus Gabriel - Warum es die Welt nicht gibt

Markus Gabriel (* 6. April 1980 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Er lehrt seit 2009 als Professor an der Universität Bonn.
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Jörn Budesheim
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Fr 16. Feb 2018, 11:36

Eberhard,du sprichst von Umdeutungen und Neuschöpfungen. Gemeint sind dabei im wesentlichen die drei durchaus zentralen Begriffe Sinnfeld, Welt und Existenz, wenn ich recht sehe.

Ich für meinen Teil finde jedoch nicht, dass es sich bei den fraglichen Begriffen, so wie Gabriel sie verwendet, einfach um bloße Umdeutungen und Neuschöpfungen handelt. Ich will im folgenden erläutern, was ich damit meine.

Vorneweg: Der Begriff Urknall ist sowohl eine Umdeutungen als auch eine Neuschöpfungen. Der Begriff Knall wird umgedeutet und die Zusammenfügung von Ur und Knall dürfte eine Neuschöpfung sein. Beides spricht jedoch nicht wirklich gegen den Begriff. Falls er auf etwas zutrifft, dann ist alles okay damit, wie umgedeutet oder neugeschöpft er auch sein mag.

Sinnfeld. Der Begriff Sinnfeld mag zwar neu sein. Aber er ist keineswegs einfach eine Neuschöpfung gleichsam aus dem Nichts heraus. Vielmehr steht der Begriff Sinnfeld in einer altehrwürdigen Traditionslinie, die nahezu so alt ist wie die Philosophie selbst. Der Begriff taucht bereits bei Aristoteles auf und ist seither in der Philosophie wohletabliert. Ziel Gabriels ist, den Begriff "Bereich" zu beerben und zu präzisieren. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass alle vorhergehenden Autoren unter dem Begriff das gleiche verstanden haben. Insbesondere bei der Frage, ob "Bereiche" Teile der Wirklichkeiten sind, die es auch ohne uns gegeben hätte oder ob es sich dabei eher um Formen der wissenschaftlichen Arbeitsteilung oder ähnliches handelt, ist natürlich - wie in der Philosophie üblich - notorisch umstritten. Ähnliche Begriffe, die vergleichbares meinen, sind je nach Kontext: Domain, Sphäre, Raum, Feld, ggf. auch Menge etc.




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Jörn Budesheim
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Fr 16. Feb 2018, 12:00

Eberhard hat geschrieben : "Welt" schliesslich ist für Gabriel "Das Sinnfeld aller Sinnfelder, das Sinnfeld, in dem alle anderen Sinnfelder erscheinen." (S.268, Umdeutung)
Welt als Sinnfeld aller Sinnfelder. Auch das ist nicht einfach eine Umdeutung (von was eigentlich?) oder Neuschöpfung. Gabriel bezieht sich damit vielmehr auf einen Gedanken, der in der Philosophie bekannt ist, greift ihn auf und versucht, ihn weiter zu führen. Nach meiner Einschätzung ist das bei Gabriel übrigens eine seiner Hauptvorgehensweisen. Er bezieht sich bei seiner Arbeit oftmals auf Vorschläge, Ansichten und Ergebnisse seiner philosophischen Vorläufer von den Vorsokratikern bis zu zeitgenössischen Denkern. Was seinen Einwänden standhält, behält er bei, was nicht standhält, lehnt er natürlich ab. Meines Erachtens ist das eine gut etablierte Vorgehensweise.

Die Formulierung, auf die Gabriel sich mit dem "Sinnfeld aller Sinnfelder" bezieht, stammt von Martin Heidegger, der vom "Bereich aller Bereiche" spricht, soweit ich mich recht entsinne. Gabriel schlägt diesen Weltbegriff der Metaphysik zu. Dabei ist metaphysisch alles, was über die "Welt als Ganzes" Aussagen macht nach Heinrich Schmidinger (aus Grundkurs Metaphysik). Und dürfte ziemlich nah an Gabriels Verständnis liegen.

Mit anderen Worten: Sowohl mit seiner Verwendung des Begriffs "Metaphysik" als auch des Begriffs "Welt" kann Gabriel sich auf herkömmliche und traditionelle philosophische Traditionslinien berufen.




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Fr 16. Feb 2018, 12:28

Eberhard hat geschrieben : Mit dem Wort "Existenz" bezeichnet Gabriel "die Eigenschaft von Sinnfeldern, dass etwas in ihnen erscheint." (S.264, Umdeutung)
Existenz. Auch hier ist die Behauptung, es handle sich um eine Umdeutung meines Erachtens etwas zu kurz gegriffen. Gabriel will den Begriff Existenz nicht einfach "umdeuten" und tut es meines Erachtens auch nicht, sondern er versucht herausarbeiten, was man sinnvollerweise darunter verstehen sollte. Auch hier bezieht er sich auf bedeutende Vorläufer (insbesondere Kant und Frege) hat aber durchaus auch die Alltagssprache (!) auf seiner Seite. In Sinn und Existenz schreibt Gabriel:

"[...] Jonathan Barnes hat darauf hingewiesen, dass Existenzausdrücke häufig lokativ sind.[7] Als Beispiele kann man anführen: Dasein, Existenz (existence, existência etc.), il y a, c’è und, zur Vermeidung des Eurozentrismus: (you) und (cúnzài). Letzteres ist im Chinesischen eine über das Japanische vermittelte phonetisch motivierte Übersetzung des Deutschen »Seins«, ist aber gleichwohl bedeutsam. Denn »cún« bedeutet »enthalten«, und »zài« heißt »in, bei, an«. Das auch in der antiken chinesischen Philosophie verwendete Zeichen (you, haben) bedeutet auch »Sein«, was an das Französisch »il y a« erinnert. Heidegger hat in Erinnerung der indoeuropäischen Etymologie darauf hingewiesen, dass das Griechische Wort φύσις (physis) ein Existenzausdruck ist, der im Sanskrit als bhavati (werden) auftaucht, womit auch das heutige Hindiverb hona (sein, existieren) etymologisch verwandt ist. Heidegger legt dies bekanntlich dahingehend aus, φύσις bezeichne ursprünglich ein Hervortreten, das unabhängig davon ist, dass wir es kontrollieren, hervorbringen oder manipulieren.[8] Sinnfelder sind der Hintergrund, vor dem dasjenige hervortritt, was es gibt. Damit beerbt die Sinnfeldontologie die Grundidee der Bereichsontologie. [...]




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Fr 16. Feb 2018, 16:08

Eberhard hat geschrieben : wenn man als "existent" das bezeichnet, was jedermann - sei es direkt oder indirekt - wahrnehmen kann
Mit diesem Existenzbegriff wäre man entweder Solipsist oder zumindest ein ziemlich krasser Idealist. Denn aus diesem Existenzbegriff würde zwingend folgen, dass nichts existieren würde, wenn es uns nicht geben würde, was offensichtlich absurd ist.
Wenn man dagegen unter der "Welt" die Gesamtheit dessen versteht, was wirklich existiert
was passiert dann mit den Dingen, die nicht "wirklich existieren". Gibt es die neben der Welt? Was sind das im übrigen für Dinge?

[wird fortgesetzt]




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Sa 17. Feb 2018, 07:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 16. Feb 2018, 16:08
was passiert dann mit den Dingen, die nicht "wirklich existieren". Gibt es die neben der Welt? Was sind das im übrigen für Dinge?
Was allerdings eine Frage ist, die man Gabriel genauso stellen muss: Wenn Hexen allein dadurch existieren sollen, dass man über sie redet, dann existiert auch die Welt als metaphysiches Ganzes, oder das Sinnfeld(?) der logisch unmöglichen Objekte, die runde Vierecke enthält und lebende Tote, einfach weil man drüber reden kann.

Das Problem der Sinnfelder ist weniger, dass sie eine begriffliche Neuschöpfung darstellen, darin sehe ich überhaupt kein Problem.
Ihr wahres Problem ist, wie auch Eberhard Wesche bemerkt, dass sie hoffnungslos unterbestimmt sind.

Zig Fragen um den Bereich der Sinnfelder sind vollkommen ungeklärt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Sa 17. Feb 2018, 10:26

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 07:59
Das Problem der Sinnfelder ist weniger, dass sie eine begriffliche Neuschöpfung darstellen, darin sehe ich überhaupt kein Problem.
Ihr wahres Problem ist, wie auch Eberhard Wesche bemerkt, dass sie hoffnungslos unterbestimmt sind.
Herr K. hat geschrieben :
So 31. Dez 2017, 22:49
Wieso reicht es nicht, z.B. von Äpfeln, Marzipanäpfeln, Reichsäpfeln, Pferdeäpfeln und Symbolen von Äpfeln zu reden? Was soll es zusätzlich bringen, über Seinsbereiche zu restringieren und wie würde das in diesen Fällen konkret aussehen?
Eberhard hat geschrieben : Hinzu kommen eigene Wortschöpfungen wie "Sinnfeld", die eher vage bleiben.
Gabriel in 'Glossar, Warum es die Welt nicht gibt' hat geschrieben : Gegenstandsbereich: Ein Bereich, der eine bestimmte Art von Gegenständen enthält, wobei Regeln feststehen, die diese Gegenstände miteinander verbinden.

Hauptsatz der positiven Ontologie, Zweiter: Jedes Sinnfeld ist ein Gegenstand. Wir können über jedes Sinnfeld nachdenken, obwohl wir nicht alle Sinnfelder erfassen können.

Sinn: Die Art, wie ein Gegenstand erscheint.

Sinnfelder: Orte, an denen überhaupt etwas erscheint.

Sinnfeldontologie: Die Behauptung, dass es nur dann etwas und nicht nichts gibt, wenn es ein Sinnfeld gibt, in dem es erscheint. Existenz = Erscheinung in einem Sinnfeld.
Ich finde Gabriels diverse Erläuterungen, was ein Sinnfeld/Bereich ist, anders als ihr drei (@'EberhardWesche', @'Tosa Inu', @'Herr K.') sehr gut verständlich und nachvollziehbar. Ich will hier noch mal kurz erläutern, wie ich die Begriffe verstehe.

Gabriel vertritt eine pluralistische Ontologie, das heißt es gibt nach seiner Auffassung viele verschiedene Bereiche, genau genommen indefinit viele Bereich. Alles, was es gibt, ist Beispiel dafür. Einige wenige Beispiele für Bereiche seien hier genannt: Bundesrepublik Deutschland, Natur, Zahlen, Biologie … Was unterscheidet diese Bereiche? Im Glossar steht die Antwort: Jeder dieser Bereiche enthält eine bestimmte Art von Gegenständen, die sich von den Gegenständen der anderen Bereiche unterscheiden. Denn es gibt je verschiedene Anordnungsregeln, denen die Gegenstände des Bereiches unterstehen, sofern sie ihm angehören. Die Anordnungssregeln in den Bereichen BRD, natürliche Zahlen und Natur sind ganz verschiedene, das scheint mir unzweifelhaft wahr zu sein. Die Regeln, wie man zum Beispiel in der Reihe der natürlichen Zahlen voranschreitet 1, 2, 3, 4 … unterscheiden sich deutlich von den Naturgesetzen. Daher werden die Bereiche auch von ganz verschiedenen Disziplinen erforscht - zum Beispiel Politologie, Mathematik und Naturwissenschaften.

Niklas Luhmann hat mal in Bezug auf seine Systemtheorie gesagt, dass man sich Systeme nicht wie Fettaugen auf der Suppe vorstellen sollte. Ähnliches gilt, nach meiner Einschätzung, für die Bereichsontologie Gabriels. Die Bereiche sind keineswegs streng abgezirkelte Zonen, die sich nie berühren. Bereiche sind also keine Fettaugen. Bereiche sind auch nicht einfach nach dem Vorbild Descartes berühmt/berüchtigten Substanzen zu verstehen, also als grundsätzlich ganz und gar getrennte Seinssphären, deren Zusammenspiel problematisch bleibt. Gabriels Bereiche unterscheiden sich voneinander dadurch, dass in ihnen aufgrund ihrer verschiedenen Anordnungsregeln andere Gegenstände bzw. “dieselben Gegenstände” unter "anderen Beschreibungen" erscheinen, wie er zum Beispiel in "Sinn und Existenz" ausführt. Das bedeutet, dass ein Gegenstand sowohl zum Bereich BRD gehören, als auch ein Teil der Natur sein kann. Viele Bereiche überlappen sich in dieser oder ähnlicher Art und Weise.

Jedoch gibt es keine Gegenstände schlechthin, sie existieren nicht von Bereichen isoliert. Gegenstände sind also keine Absoluta, wie Gabriel geltend macht, sondern Relata. Sie existieren immer nur relativ zu dem Bereich, in dem sie vorkommen und Bereiche sind ihrerseits relativ zu ihren Gegenständen bestimmt, sofern die Anordnungsregeln, die einen Bereich bestimmen und ihn von anderen Bereichen unterscheiden, bestimmte Gegenstände erscheinen lassen. Das heißt, da ist nicht erst ein Bereich, in den im zweiten Schritt ein Gegenstand eingefügt wird. Um ein Beispiel zu geben: Wir haben also nicht erst den leeren Raum der natürlichen Zahlen, in welchen sozusagen "später" die Zahlen eingetragen werden, sondern Bereich und Gegenstände sind eine Relation und gehören immer zusammen.




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Alethos
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Sa 17. Feb 2018, 11:35

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 07:59
Wenn Hexen allein dadurch existieren sollen, dass man über sie redet, dann existiert auch die Welt als metaphysiches Ganzes, oder das Sinnfeld(?) der logisch unmöglichen Objekte, die runde Vierecke enthält und lebende Tote, einfach weil man drüber reden kann.
Ein Gegenstand ist ein Sinnfeld. Es gibt nicht ein Feld hier, das daraufhin mit Gegenständen gefüllt wird, sondern die Gegenstände sind die Sinnfelder, insofern das, was sie sind, den Sinn bestimmen, durch den sie sind. Und es ist dieses bestimmte sinnrelative Sein, aus dem hervorgeht, was neben ihnen in diesem Sinnfeld existieren kann.

Darum irrst du, TI, wenn du behauptest, die 'Welt als Sinnfeld aller Sinnfelder' gebe es, nämlich allein durch den gegebenen Umstand, dass Gabriel davon spricht. Die 'Welt als Sinnfeld aller Sinnfelder' kommt in einem kleineren Seinsbereich vor als die Gesamtheit aller Tatsachen, die mit Sinnfeld aller Sinnfelder gemeint ist. Die Welt ist ja kein Begriff, sondern die Vorstellung der Gesamtheit der Seienden begriffen in der Einheit ihres Seins durch einen Sinn. Diesen auf einen Punkt zurückführbaren Existenzzusammenhang leugnet die SFO, weshalb es ja gerade falsch wäre zu behaupten, die Welt als diesen metaphysischen 'Behälter von allem' gebe es, nur weil der Begriff in der Theorie vorkommt. Der Rahmen des Vorkommens von 'Welt' ist die Theorie, in deren 'intellektuellen Physis' die Welt als Vorstellung, als Begriff etc. vorkommt. Aber das, was sie bezeichnet, ist ja nicht nur ein Theorem, sondern etwas anderes. Dieses andere Sein von Welt ist gemeint, wenn Gabriel sagt, es gebe die Welt nicht.

Darum ist es falsch, wenn man unterstellt, es gebe laut SFO die Welt, wenn es sie in der SFO 'nur' als Theorem in einer Theorie gibt, so wie es ja falsch ist zu sagen, Hexen gebe es als Naturdinge, wenn es sie als alles mögliche gibt, nur nicht als Naturdinge.

Man kann die SFO nicht entkräften, indem man sie anwendet :)



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@Jörn:

Das verstehe ich zwar alles, aber je öfter ich es lese, desto weniger kommt es mir neu vor und vor allem nicht als Fortschritt.
Eine Ente kann ein Vogel und eien Falschmeldung sein, der Kontext macht die Musik.

Das alles sind mal Perspektiven, mal Kontexte, nennt man sie Sinnfelder, ändert sich substanziell nichts, außer dass von rein physikalischen Dingen behauptet wird, sie könnten ohne Sinnfeder nicht existieren, warum das so sein soll, wird nicht erklärt. Was ein physikalisches Sinnfeld ist, wir auch nicht erklärt.
Was nun soziale Kontexte oder Perspektiven (nach Gabriel sollen Sinnfelder keine Perspektiven sein, sind dann aber bei sozialen Sinnfleder doch überwiegend welche und wohl nur für physikalische Objekte keine) mit physikalischen verbindet, in der Weise dass beides Sinnfelder sind, ist mir nie klar geworden, es hat auch nie jemand erklärt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Sa 17. Feb 2018, 15:16

EberhardWesche hat geschrieben : Gabriel schreibt: "Ich behaupte, dass es Polizeiuniform tragende Einhörner auf der Rückseite des Mondes gibt, denn dieser Gedanke existiert in der Welt und mit ihm die Polizeiuniform tragenden Einhörner." (S.23)

Bei dieser etwas seltsamen Aussage handelt es sich nicht um ein nachvollziehbares Argument, was man durch die folgende einfache Überlegung zeigen kann.

Wenn man den Ausdruck "es gibt" im üblichen Sinne versteht, so fragt man mit dem Satz: "Gibt es auf der Rückseite des Mondes Polizeiuniform tragende Einhörner?" nicht nach der Existenz eines Gedankens sondern nach der Existenz einer Tierart. Die elementare Unterscheidung zwischen der Existenz eines bestimmten Gedankens und der Existenz des Gedachten wird verwischt, wenn man die Existenz des Gedachten mit der Existenz des betreffenden Gedankens begruendet ( "... , denn dieser Gedanke existiert in der Welt und mit ihm die Polizeiuniform tragenden Einhörner.")

Die Frage, ob etwas Bestimmtes existiert (z. B. die Frage, ob es außerhalb der Erde intelligente Wesen gibt), ist eine Frage nach der Beschaffenheit der Wirklichkeit, also der vorhandenen Welt. Die Beschaffenheit der vorhandenen Welt kann man jedoch nicht durch Bezug auf Gelogenes oder Geträumtes erkennen, sondern nur durch die Einbeziehung von Beobachtetem und logisch Gefolgertem. Diese Unterscheidung ist grundlegend für alle Bemühungen um Erkenntnis der Wirklichkeit.
EberhardWesche hat geschrieben :
Fr 2. Feb 2018, 19:41
Auch nach meinem Sprachgebrauch hängt die Wahrheit eines Satzes davon ab, in welchem Zusammenhang er geäußert wird.
EberhardWesche hat geschrieben : Wenn man den Ausdruck "es gibt" im üblichen Sinne versteht ...
Wenn die Wahrheit eines Satzes davon ab, in welchem Zusammenhang er geäußert wird, dann muss das auch für den Ausdruck "es gibt" gelten, denn auch Existenzbehauptungen können wahr oder falsch sein. Diesen Umstand, den du selbst hervorgehoben hast, berücksichtigst du in deinem Einwand nicht ausreichend, wie ich finde. Konstruieren wir ein einfaches alltägliches Gespräch.

Ben: Ich hab mir das neue Supermanspiel gekauft!
Jonas: Gibt's da wieder diese ekligen Glibber-Monster?
Ben: Na klar, fünf Stück - er mach sie alle platt.
Jonas: Wow, cool Mann!

Ich denke, so eine Unterhaltung ist keineswegs selten und der Existenzquantor wird dort in einer üblichen Art und Weise verwendet. Es gibt Glibber-Monster, aber nicht etwa in der Biologie-Stunde oder im Vorgarten, sondern im neuen Supermanspiel.

Du machst klar, dass nach deiner Ansicht die Frage, ob etwas Bestimmtes existiert (z. B. die Frage, ob es außerhalb der Erde intelligente Wesen gibt), ist eine Frage nach der Beschaffenheit der Wirklichkeit, also der vorhandenen Welt. Zu dieser Welt gehören jedoch auch Supermanspiele, Gedanken und Träume, aber auch natürlich Lügen und Fakenews. All das gilt es zu berücksichtigen und zwar so, dass die Dinge, die es ausschließlich im Traum, im Computerspiel oder in der Literatur gibt, einerseits nicht unter den Tisch fallen, sie aber andererseits nicht mit Planeten, Atomen und Giraffen in einen Topf geworfen werden. Solche Unterschiede darf man natürlich nicht verwischen, da geträumte 100 Euro nicht als Zahlungsmittel in Manhattan taugen.

Formal lässt sich der Vorschlag Gabriels so darstellen, dass zu jeder Existenzangabe im Grunde ein Index gehört, der klar macht wovon die Rede ist:

a) Es gibt[supermanspiel] fünf eklige Glibbermonster!
b) Es gibt[kassel] fünf eklige Glibbermonster!

Satz a) ist wahr, Satz b) ist falsch.

Aber Moment! Wie ist es mit folgendem Einwand: Wenn Hans sagt, "in Kassel gibt es fünf eklige Glibbermonster!", dann gibt es sie doch! Schließlich gibt es laut Gabriel ja alles bis auf die Welt. Die Glibbermonster kommen tatsächlich irgendwo vor, nämlich in der falschen Behauptung, es gebe sie in Kassel. Der Witz bei Gabriel ist, dass wir stets eine "Ortsangabe" brauchen. Damit ist allerdings nicht per se eine Raumzeitliche Ortsangabe gemeint. Gemeint ist der infrage stehende Bereich. Dass in der Behauptung "in Kassel gibt es fünf eklige Glibbermonster!" fünf eklige Glibbbermonster vorkommen, ist trivial wahr, dass sie jedoch in Kassel vorkommen ist (nach meinem Wissen) empirisch falsch.




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Jörn Budesheim
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Sa 17. Feb 2018, 15:19

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 14:52
Was ein physikalisches Sinnfeld ist, wir auch nicht erklärt.
Das hab ich weiter oben durchaus erklärt. Die Anordnungsregeln des Bereichs, nach dem du fragst, sind die Naturgesetze.




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Jörn Budesheim
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Sa 17. Feb 2018, 15:51

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 14:52
Was nun soziale Kontexte oder Perspektiven (nach Gabriel sollen Sinnfelder keine Perspektiven sein, sind dann aber bei sozialen Sinnfleder doch überwiegend welche und wohl nur für physikalische Objekte keine) mit physikalischen verbindet, in der Weise dass beides Sinnfelder sind, ist mir nie klar geworden, es hat auch nie jemand erklärt.
Was alle Bereiche verbindet, das ist ihre Form, das ist jedoch nur ein formaler Zusammenhang. Wie der aussieht, hab ich weiter oben skizziert. Einen generellen materialen Zusammenhang gibt es nicht, ansonsten wäre die Theorie in sich widersprüchlich.

Gabriel macht geltend, dass Bereiche nicht grundsätzlich Konstruktionen oder dergleichen sind. Aber er sagt nicht, dass sie es nie sind. Viele (aber nicht alle) Bereiche hätte auch gegeben, wenn es uns nicht gegeben hätte. Das gilt jedoch wie gesagt nicht für alle Bereiche. Einen Bereich wie die BRD gibt es selbstverständlich nur, wenn es auch Bürger dieser Republik gibt.

Ein anderer Punkt ist, dass Gabriel - so wie ich es sehe - einen anderen Begriff von Perspektive hat. Seine Ansichten dürften sich mit denen von Mark Johnston, den er zustimmend in Sinn und Existenz zitiert: "Aber die Präsentationsformen (modes of presentation) sind nicht mental, sondern objektiv, da sie mit den Objekten selbst kommen, als die Eigenschaften jener Objekte, die sie für Demonstrationen, Gedanken und Gespräche zur Verfügung stellen. Und sie werden durch die Objekte, die sie präsentieren, individualisiert." (Mark Johnston)




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Sa 17. Feb 2018, 17:07

Alethos hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 11:35
Ein Gegenstand ist ein Sinnfeld. Es gibt nicht ein Feld hier, das daraufhin mit Gegenständen gefüllt wird, sondern die Gegenstände sind die Sinnfelder, insofern das, was sie sind, den Sinn bestimmen, durch den sie sind. Und es ist dieses bestimmte sinnrelative Sein, aus dem hervorgeht, was neben ihnen in diesem Sinnfeld existieren kann.
Das kann m.E. nicht sein, weil es die Reihenfolge umkehren würden, denn dann wäre die Existenz des Gegenstands die Bedingung für ein Sinnfeld, definiert ist es aber genau anders herum. Zeitgleichheit könnte noch gehen, dann müsste aber erklärt werden, warum das Sinnfeld benötigt wird, damit Dinge existieren. M.E. können sie das auch so.
Welches Sinnfeld ist denn z.B. für die Existenz einer Orange notwendig?
Alethos hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 11:35
Darum irrst du, TI, wenn du behauptest, die 'Welt als Sinnfeld aller Sinnfelder' gebe es, nämlich allein durch den gegebenen Umstand, dass Gabriel davon spricht.
Ich glaube auch, dass das so nicht richtig ist, aber es ist eine Konsequenz, die sich direkt aus Gabriels Überlegungen ergibt. Hexen sind keine Wesen aus Fleisch und Blut, da sind wir uns alle einig. Daher existieren sie nicht in der physikalischen Welt. Existieren sollen sie aber, nämlich in der/einer fiktionalen Welt. Etwa (und so wie ich das sehe nur) dadurch, dass Goethe über sie geschrieben hat, aber auch die Grimms und sonst wer.
Gabriel hat nun aber auch über "die Welt" geschrieben. Dadurch müsste sie existieren, denn für sie (die Welt) muss ja nun dasselbe gelten, wie für Hexen. Schriftlich fixiert und mit Eigenschaften ausstaffiert, gibt es sie, und schließlich hat sie Eigenschaften. Z.B. die Gesamtheit allen Seins zu beinhalten.
Das kann vielleicht logisch nicht sein, wie ein viereckeiger Kreis, aber man kann ja über beide reden. Z.B. könnte der vierecekige Kreis grün sein und ein beliebtes Spielzeug junger Hexen.

Wiegt nun die logische Unmöglichkeit stärker (was es logisch nicht gibt, kann es nicht geben) als die fiktionale Schaffenskraft (was hingeschrieben ist, gibt es, es ist ja hingeschrieben)? Und warum?
Alethos hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 11:35
Die 'Welt als Sinnfeld aller Sinnfelder' kommt in einem kleineren Seinsbereich vor als die Gesamtheit aller Tatsachen, die mit Sinnfeld aller Sinnfelder gemeint ist. Die Welt ist ja kein Begriff, sondern die Vorstellung der Gesamtheit der Seienden begriffen in der Einheit ihres Seins durch einen Sinn.
Doch, Welt ist natürlich ein Begriff.
Er kann halt verschieden belegt werden, bei Gabriel anders, als z.B. bei Wittgenstein.
Alethos hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 11:35
Diesen auf einen Punkt zurückführbaren Existenzzusammenhang leugnet die SFO, weshalb es ja gerade falsch wäre zu behaupten, die Welt als diesen metaphysischen 'Behälter von allem' gebe es, nur weil der Begriff in der Theorie vorkommt.
Und aus welchem anderen Grund gibt es Hexen, außer, dass diese in Goethes Faust vorkommen? Da ist doch null struktureller oder logischer Unterschied.
Alethos hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 11:35
Der Rahmen des Vorkommens von 'Welt' ist die Theorie, in deren 'intellektuellen Physis' die Welt als Vorstellung, als Begriff etc. vorkommt. Aber das, was sie bezeichnet, ist ja nicht nur ein Theorem, sondern etwas anderes. Dieses andere Sein von Welt ist gemeint, wenn Gabriel sagt, es gebe die Welt nicht.
Anders ausgedrückt: Der Begriff 'Welt' referiert auf etwas und das, worauf er referiert, gibt es nicht.
Aber auf was, was es anders als in der Phantasie (und Theorie ist nichts anderes als Phantasie) noch gibt, referiert denn der Begriff 'Hexe'? Der Begriff bleibt ja ein virtuelles Konstrukt, was einzig von der Vorstellungskraft lebt. Ob sie nun einen Buckel, eine Katze auf der Schulter oder eine Warze auf der Nase hat. Hat sie ja nur in der Phantasie, ob hingeschrieben oder vorgestellt. Der Begriff 'Hexe' referiert auf nichts anderes, als seine fiktionale Einkleidung.
Alethos hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 11:35
Darum ist es falsch, wenn man unterstellt, es gebe laut SFO die Welt, wenn es sie in der SFO 'nur' als Theorem in einer Theorie gibt, so wie es ja falsch ist zu sagen, Hexen gebe es als Naturdinge, wenn es sie als alles mögliche gibt, nur nicht als Naturdinge.

Man kann die SFO nicht entkräften, indem man sie anwendet :)
Wo gibt es denn Hexen und was ist eine Theorie anderes als eine Vorstellung über etwas?
Eine Theorie hat den Anspruch wahr und überprüfbar zu sein, das hat Faust nicht, aber ansonsten: Beides geistige Konstrukte.



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Sa 17. Feb 2018, 17:17

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 17:07
Das kann m.E. nicht sein, weil es die Reihenfolge umkehren würden, denn dann wäre die Existenz des Gegenstands die Beding für ein Sinnfeld, definiert ist es aber genau anders herum.
Wie stellst du dir das für den Bereich der Zahlen oder den der Natur vor? Es kann hier schlechterdings keine Reihenfolge geben, egal wie herum, egal in welchem Sinne. Stellst du dir vor, dass es erst die Naturgesetze gibt und danach die Gegenstände dieses Bereiches? Oder umgekehrt: Erst die Gegenstände und dann die Naturgesetze? (Oder erst den Bereich des Biologischen und dann fällt eine Apfelsine als erstes biologische Element hinein?)

Bereiche und die Dinge, die in Ihnen vorkommen sind "relational", das eine gibt es nicht ohne das andere.




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Sa 17. Feb 2018, 17:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 15:19
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 14:52
Was ein physikalisches Sinnfeld ist, wir auch nicht erklärt.
Das hab ich weiter oben durchaus erklärt. Die Anordnungsregeln des Bereichs, nach dem du fragst, sind die Naturgesetze.
Das ist aber umstritten, ob es Naturgesetze braucht, damit Materie entsteht oder als Regularitäten eine direkte Folge aus der Entstehung von Materie sind.
Zudem ist mir nicht klar, was nun Naturgesetze mit Kontexten inhaltlich verbindet.
Welche Gemeinsamkeit besteht zwischen dem Sinnfeld für einen Stern, ein Zahl und eine Hexe?
Ein Stern braucht meinetwegen Naturgesetze um zu existieren, aber eine Zahl nicht und eine Hexe kann mit ihren magischen Fähigkeiten sogar gegen Natursetze verstoßen. Ich sehe da einfach die Linie nicht, die diese Verschiedenheiten zu Sinnfeldern macht.



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Sa 17. Feb 2018, 17:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 17:17
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 17:07
Das kann m.E. nicht sein, weil es die Reihenfolge umkehren würden, denn dann wäre die Existenz des Gegenstands die Beding für ein Sinnfeld, definiert ist es aber genau anders herum.
Wie stellst du dir das für den Bereich der Zahlen oder den der Natur vor? Es kann hier schlechterdings keine Reihenfolge geben, egal wie herum, egal in welchem Sinne. Stellst du dir vor, dass es erst die Naturgesetze gibt und danach die Gegenstände dieses Bereiches? Oder umgekehrt: Erst die Gegenstände und dann die Naturgesetze? (Oder erst den Bereich des Biologischen und dann fällt eine Apfelsine als erstes biologische Element hinein?)

Bereiche und die Dinge, die in Ihnen vorkommen sind "relational", das eine gibt es nicht ohne das andere.
Ich stelle mir das eigentlich gar nicht so vor und habe Schwierigkeiten zu verstehen, wie das gemeint sein könnte.
Ich glaube nicht an die Exsitenz von Sinnfeldern, die Frage müsstest Du mir also beantworten.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 15:16
Damit ist allerdings nicht per se eine Raumzeitliche Ortsangabe gemeint. Gemeint ist der infrage stehende Bereich. Dass in der Behauptung "in Kassel gibt es fünf eklige Glibbermonster!" fünf eklige Glibbbermonster vorkommen, ist trivial wahr, dass sie jedoch in Kassel vorkommen ist (nach meinem Wissen) empirisch falsch.
Dass es Hexen im Faust gibt, ist nun auch trivial wahr und empirisch falsch.
Gibt es nun Hexen?
Falls ja, weil sie im Faust vorkommen, dann gibt es auch die Welt, weil sie bei Gabriel vorkommt.
Sollte das nicht gelten, weil sie dort verneint wird, gibt es sie dennoch, denn bei Wittgenstein kommt sie affirmativ vor, als alles, was der Fall ist.
Wie es Hexen geben kann und die Welt, konstruiert aus den gleichen Regeln nicht, ist mir schleierhaft.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Sa 17. Feb 2018, 17:41

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 17:07
Ich glaube auch, dass das so nicht richtig ist, aber es ist eine Konsequenz, die sich direkt aus Gabriels Überlegungen ergibt. Hexen sind keine Wesen aus Fleisch und Blut, da sind wir uns alle einig. Daher existieren sie nicht in der physikalischen Welt. Existieren sollen sie aber, nämlich in der/einer fiktionalen Welt. Etwa (und so wie ich das sehe nur) dadurch, dass Goethe über sie geschrieben hat, aber auch die Grimms und sonst wer.
Gabriel hat nun aber auch über "die Welt" geschrieben. Dadurch müsste sie existieren, denn für sie (die Welt) muss ja nun dasselbe gelten, wie für Hexen. Schriftlich fixiert und mit Eigenschaften ausstaffiert, gibt es sie, und schließlich hat sie Eigenschaften. Z.B. die Gesamtheit allen Seins zu beinhalten.
Nein, das ist keine Konsequenz aus Gabriels Theorie.

Hexen erscheinen, wie du richtig schreibst,, nicht in der physikalischen Welt. Sie existieren aber, nämlich in der/einer fiktionalen Welt zum Beispiel im Faust und in Hänsel und Gretel.

Analog ist es mit der Welt. Es gibt sie nicht als Bereich aller Bereiche. Sie taucht jedoch jedoch als Hypothese, die zurückgewiesen wird, in Gabriels Schriften auf.

Für beides gilt: Daraus, dass etwas in einem Bereich (in welcher Weise auch immer) existiert, folgt nicht, dass es schlechterdings (bereichslos) existiert, da nichts schlechterdings existiert, sondern alles nur in Bereichen. Diese "Widerlegungen" basieren alle darauf, dass an geeigneter Stelle der Existenzbegriff von Gabriel umgedeutet wird, so als würde bei ihm Existieren eben doch nicht in einem Bereich vorkommen, heißen. Will man jedoch einen inneren Widerspruch darlegen, muss man sich an die tatsächliche Theoriearchitektur halten.




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Jörn Budesheim
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Sa 17. Feb 2018, 17:43

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 17:39
Dass es Hexen im Faust gibt, ist nun auch trivial wahr und empirisch falsch.
Nein, das ist empirisch wahr. Man kann es nachschlagen.




Tosa Inu
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Sa 17. Feb 2018, 17:54

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 17:41
Für beides gilt: Daraus, dass etwas in einem Bereich (in welcher Weise auch immer) existiert, folgt nicht, dass es schlechterdings (bereichslos) existiert, da nichts schlechterdings existiert, sondern alles nur in Bereichen. Diese "Widerlegungen" basieren alle darauf, dass an geeigneter Stelle der Existenzbegriff von Gabriel umgedeutet wird, so als würde bei ihm Existieren eben doch in einem Bereich vorkommen, heißen. Will man jedoch einen inneren Widerspruch darlegen, muss man sich an die tatsächliche Theoriearchitektur halten.
Nee, muss man nicht. Man muss nur auf die Konsistenz schauen.
Wenn ich von Welt als Bereich aller Bereiche rede, bin ich nicht bei Gabriel, aber vielleicht bei Wittgenstein.
Dann würde ich fragen, wozu ich Gabriels Theorie gebrauchen kann, wo Wittgenstein evtl. versagt.
Wittgenstein sagt mit seinem "alles, was der Fall ist" ja auch, dass es alles gibt, was der Fall ist.
Es gibt im Faust Hexen, weil es der Fall ist, dass Goethe das so hingeschrieben hat.
Ob man das nun Welt nennt, oder nicht, ist mir persönlich egal.

Gabriels These ist aber nun, dass es nicht nur der Fall ist, dass Goethe über Hexen geschrieben hat, sondern es wirklich Hexen gibt. Bei der Begründung läuft es aber darauf hinaus, da Hexen ja nicht aus Fleisch und Blut sind, dass es sie gibt, weil Goethe über sie geschrieben hat und keinen anderen Grund, anders als bei Sonnenfinsternis, die gibt es in der physischen Welt. Dass es Hexen in der fiktionalen gibt, hat m.E.aber keine weitere Bedeutung als die, dass Goethe drüber geschrieben hat. D.h. Gabriel meint, dass es Welt nicht gibt, Wittgenstein doch, aber beide meinen im Prinzip dasselbe. Hexen gibt es für Wittgenstein (vermutlich) nicht, für Gabriel doch aber auch hier meinen beide im Prinzip dasselbe.



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Sa 17. Feb 2018, 17:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 17:43
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2018, 17:39
Dass es Hexen im Faust gibt, ist nun auch trivial wahr und empirisch falsch.
Nein, das ist empirisch wahr. Man kann es nachschlagen.
Bei Gabriel finde ich die Welt als met. Gesamtheit auch, da negativ konnotiert, aber ich finde sie, wenn nicht bei ihm, dann eben bei Wittgenstein.
Ganz empirisch. Das alles überzeugt mich keine 0,5%.



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