Bildung eine Gabe?

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NaWennDuMeinst
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So 9. Jan 2022, 14:26

Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.

Quelle: Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 1819 (mehrfach ergänzt, seit 1844 in zwei Bänden).
Zweiter Band. Ergänzungen zum ersten Buch. Zweite Hälfte. Kapitel 7. Vom Verhältnis der anschauenden zur abstrakten Erkenntnis



Das scheint das Lebensmotto vieler Menschen zu sein. Man verlässt sich ohne den geringsten Plan von auch nur Irgendwas auf den "natürlichen Verstand".



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Burkart
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So 9. Jan 2022, 15:04

Na ja, die Frage ist, inwiefern bzw. wofür. Zum normalen Leben reicht der Verstand ja auch meist.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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NaWennDuMeinst
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So 9. Jan 2022, 16:02

Burkart hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 15:04
Na ja, die Frage ist, inwiefern bzw. wofür. Zum normalen Leben reicht der Verstand ja auch meist.
Findest Du?
Ich denke nicht, dass man in der modernen Welt ohne ein Mindestmaß an Bildung vernünftig leben kann.
Die Frage ist was man alles zur Bildung dazuzählt. Bildung beginnt ja nicht erst beim Studium.



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Friederike
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So 9. Jan 2022, 16:06

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 16:02
Ich denke nicht, dass man in der modernen Welt ohne ein Mindestmaß an Bildung vernünftig leben kann. Die Frage ist was man alles zur Bildung dazuzählt. Bildung beginnt ja nicht erst beim Studium.
Ob der "Verstand" ohne irgendeinen Wissensbestand überhaupt tätig werden kann?




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Friederike
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So 9. Jan 2022, 16:23

Es regnet. Ich will spazierengehen. Ich nehme den Regenschirm.

Damit ich vom Regen nicht naß werde, nehme ich den Regenschirm. Der Verstand verknüpft Fakten und Sachverhalte. Aber ich muß um den Gegenstand "Regenschirm" und was man mit ihm tut, wissen.




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Friederike
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So 9. Jan 2022, 16:47

Burkart hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 15:04
Na ja, die Frage ist, inwiefern bzw. wofür. Zum normalen Leben reicht der Verstand ja auch meist.
Du meinst -im Unterschied zu mir- das, was man als "gesunden Menschenverstand" bezeichnet? Wahrscheinlich bedeutet "natürlicher Verstand" bei Schopenhauer ähnliches. "Normaler Hausverstand" ist noch ein anderer Ausdruck für nämliches.




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NaWennDuMeinst
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So 9. Jan 2022, 17:27

Friederike hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 16:06
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 16:02
Ich denke nicht, dass man in der modernen Welt ohne ein Mindestmaß an Bildung vernünftig leben kann. Die Frage ist was man alles zur Bildung dazuzählt. Bildung beginnt ja nicht erst beim Studium.
Ob der "Verstand" ohne irgendeinen Wissensbestand überhaupt tätig werden kann?
Naja, eben. Also was möchte man alles zur Bildung dazuzählen?
Oder anders: Was ist eine Bildung?



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Friederike
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So 9. Jan 2022, 17:35

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 17:27
Friederike hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 16:06
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 16:02
Ich denke nicht, dass man in der modernen Welt ohne ein Mindestmaß an Bildung vernünftig leben kann. Die Frage ist was man alles zur Bildung dazuzählt. Bildung beginnt ja nicht erst beim Studium.
Ob der "Verstand" ohne irgendeinen Wissensbestand überhaupt tätig werden kann?
Naja, eben. Also was möchte man alles zur Bildung dazuzählen? Oder anders: Was ist eine Bildung?
Gut, ich schweife vom Thread-Thema ab, aber meine rhetorische Frage war ernst gemeint. Deswegen spielt die Komplexität und Technisierung der Welt keine Rolle.




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Friederike
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So 9. Jan 2022, 18:02

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 17:27
Naja, eben. Also was möchte man alles zur Bildung dazuzählen? Oder anders: Was ist eine Bildung?
Wenn ich auf Deine Fragen antworte: "Hab' keinen Bock", dann zeige ich mich als ungebildete Person (Rüpel*in).
Wenn ich auf Deine Fragen antworte: "Lieber NWDM, der Begriff "Bildung" ist derart schillernd, daß ich mich im Augenblick damit nicht auseinandersetzen möchte", dann zeige ich mich als gebildete Person.




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Stefanie
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So 9. Jan 2022, 20:17

Gerade gelesen.
Vom griechischen paideia, Bildung, verstanden als Besitz und Ergebnis des Erziehungsprozesses, als Hinwendung zum Denken.*
Also Bildung ist nicht nur Wissen von allen möglich, sondern vor allem das selbständige Denken.


* Thomas Meyer in seinem Nachwort zu Arendt, Mensch und Politik, Reclam 4. Auflage



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Burkart
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So 9. Jan 2022, 20:42

Sicher geht es auch für Verstand nicht ohne Wissen/Erlerntes u.ä.
Was davon genau "Bildung" ist, da halte ich mich lieber raus ;)
...aber z.B. Schul-Bildung hatten wir ja alle.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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NaWennDuMeinst
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Mo 10. Jan 2022, 01:41

Burkart hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 20:42
...aber z.B. Schul-Bildung hatten wir ja alle.
Die Einen mehr, die Anderen weniger :-D
(Das Problem ist, dass Einige nach der Grundschule mit der Bildung aufhören und meinen den Rest erledigt der "natürliche Verstand")



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Jörn Budesheim
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Descartes, Diskurs über die Methode, §1-1 hat geschrieben : Der gesunde Verstand ist die bestverteilte Sache der Welt, denn jedermann meint, damit so gut versehen zu sein, daß selbst diejenigen, die in allen übrigen Dingen sehr schwer zu befriedigen sind, doch gewöhnlich nicht mehr Verstand haben wollen, als sie wirklich haben.




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Jörn Budesheim
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Mo 10. Jan 2022, 06:30

Der sogenannte gesunde Menschenverstand ist besonders dann gut zu gebrauchen, wenn er sich auch über seine Grenzen Klarheit verschafft hat. Für vieles, was für uns von größerem Belang ist, ist der Menschenverstand nicht geschaffen, z.b. Exponentialfunktionen, manche Gesetze der Wahrscheinlichkeit etc.pp. Ungerechtfertigte Vorurteile wird man oft nicht los, wenn man sich nicht Klarheit z.b. über die historische Situiertheit des Verstandes verschafft.




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Jörn Budesheim
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Mo 10. Jan 2022, 06:31

„Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen so voller Selbstzweifel und die Dummen so voller Selbstvertrauen sind.“ (Charles Bukowski zugeschrieben)




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Friederike
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Mo 10. Jan 2022, 10:26

Die Herzens-Bildung - dazu braucht man nur ein bißchen auf anderen Gebieten auch gebildet zu sein.




Heinrich
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Mo 17. Jan 2022, 13:21

Stefanie hat geschrieben :
So 9. Jan 2022, 20:17
Gerade gelesen.
Vom griechischen paideia, Bildung, verstanden als Besitz und Ergebnis des Erziehungsprozesses, als Hinwendung zum Denken.*
Also Bildung ist nicht nur Wissen von allen möglich, sondern vor allem das selbständige Denken.


* Thomas Meyer in seinem Nachwort zu Arendt, Mensch und Politik, Reclam 4. Auflage
Es kommt, so sehe ich es, darauf an, was man unter Gabe versteht.
Eine Gabe kann das sein, was einem von anderen Menschen gegeben wird, oder aber auch eine angeborene Fähigkeit.

In dem letzteren Sinne wäre die Fähigkeit, sich Bildung zu erwerben, eine Gabe.

Nun könnte man thematisieren, was denn unter Bildung zu verstehen ist. Ist es ein bestimmtes Wissen oder ist es wiederum die Fähigkeit, sich "Bilder zu machen" und so zu eigenen Erkenntnissen z. B. über die Welt und das Leben zu kommen?

Wenn Bildung "nur" ein bestimmtes Wissen sein soll, dann kann dieses Wissen sicher gelehrt werden, und in diesem Sinne würde ich keinen Unterschied zwischen "geben" und "vermitteln" sehen. Der Lehrer gibt das Wissen an den Schüler weiter, und insofern vermittelt er auch Wissen. Dann wäre Bildung auch eine Gabe in dem Sinne, daß dem Schüler etwas gegeben bzw. vermittelt wird.

Und bei erfolgreicher Wissensvermittlung kann man dann auch von einem Besitz des Schülers sprechen. Sicher ist es einem guten Lehrer auch möglich, die Wißbegier der Schüler zu erregen und diese so dazu anzutreiben, sich selbst weiteres Wissen anzueignen.

Dafür brauchen die Schüler aber die entsprechende geistige Fähigkeit, die aber nicht eine Gabe des Lehrers, sondern eine (angeborene) Gabe der Natur ist.

Paideia heißt, glaube ich, ursprünglich Stock, was darauf hindeuten könnte, daß der Lehrer mit einer gewissen Strenge bei der Wissensvermittlung vorgehen muß (nach den Vorstellungen der alten Griechen). Aber das nur nebenbei.




Heinrich
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Mo 17. Jan 2022, 13:28

Friederike hat geschrieben :
Mo 10. Jan 2022, 10:26
Die Herzens-Bildung - dazu braucht man nur ein bißchen auf anderen Gebieten auch gebildet zu sein.
Für diese Art der Bildung braucht man bestimmt nicht das Wissen, das in Bildungseinrichtungen gelehrt wird, sondern eher das Wissen, das das Leben vermittelt. Aber auch das fällt wohl nur dann auf fruchtbaren Boden, wenn eine bestimmte Sensibilität - als Gabe der Natur - vorhanden ist.




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NaWennDuMeinst
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Mo 17. Jan 2022, 14:49

Hallo Heinrich.
Heinrich hat geschrieben :
Mo 17. Jan 2022, 13:21
Dafür brauchen die Schüler aber die entsprechende geistige Fähigkeit, die aber nicht eine Gabe des Lehrers, sondern eine (angeborene) Gabe der Natur ist.
Da würde ich gerne nochmal nachhaken, weil ich da schon länger drüber nachdenke.
Sicher, wer die Intelligenz einer Backpflaume hat wird es beim Aneignen von Wissen schwer haben.
Aber die meisten Menschen sind ja ausreichend (d.h. durchschnittlich) intelligent und trotzdem gibt es da drastische Unterschiede.
Das wirft bei mir die Frage auf, ob Intelligenz nicht auch eher ein Talent (als weniger eine natürliche, unflexible Gabe) ist, das auch trainiert und gefördert werden kann... so wie ich z.B. meine Hand-Augen-Koordination trainieren kann um feinere Arbeiten durchzuführen.
Oder anders gesagt: Ist das nur von unseren genetischen Anlagen abhängig wie klug wir als Erwachsene werden?



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Heinrich
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Mo 17. Jan 2022, 19:37

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 17. Jan 2022, 14:49
Hallo Heinrich.
Heinrich hat geschrieben :
Mo 17. Jan 2022, 13:21
Dafür brauchen die Schüler aber die entsprechende geistige Fähigkeit, die aber nicht eine Gabe des Lehrers, sondern eine (angeborene) Gabe der Natur ist.
Da würde ich gerne nochmal nachhaken, weil ich da schon länger drüber nachdenke.
Sicher, wer die Intelligenz einer Backpflaume hat wird es beim Aneignen von Wissen schwer haben.
Aber die meisten Menschen sind ja ausreichend (d.h. durchschnittlich) intelligent und trotzdem gibt es da drastische Unterschiede.
Das wirft bei mir die Frage auf, ob Intelligenz nicht auch eher ein Talent (als weniger eine natürliche, unflexible Gabe) ist, das auch trainiert und gefördert werden kann... so wie ich z.B. meine Hand-Augen-Koordination trainieren kann um feinere Arbeiten durchzuführen.
Oder anders gesagt: Ist das nur von unseren genetischen Anlagen abhängig wie klug wir als Erwachsene werden?
Hallo NaWennDuMeinst.

Deine Frage halte ich für sehr berechtigt. Es ist ja im Grunde die alte Frage, ob die Biologie oder die soziale Umwelt das Entscheidende ist, und mit dieser Frage wird man wohl nie ganz zu Ende kommen.

Intelligenz halte ich für eine Anlage oder eben für eine Gabe, die durchaus vererbt wird. Aber das heißt nicht, daß das Umfeld dann keinen Einfluß hat. Inwieweit jemand die eigene Begabung auch nutzen kann, wird natürlich auch durch das Umfeld bestimmt.
Beispiel: Ein Kind ist musikalisch, aber die Eltern haben kein Geld, um dem Kind Musikunterricht zu ermöglichen. Das Kind wächst heran und bemerkt seine Begabung später auch selbst. Und fängt vielleicht im Erwachsenenalter doch noch zu musizieren an.
Dieser Mensch wird aber trotz hoher Begabung den ursprünglichen Mangel an Förderung nicht mehr ausgleichen können.

Und so ähnlich ist es wohl auch mit geistigen Fächern wie etwa Mathematik.




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