Fundstücke, Materialien zu Blumenberg
Die Wahrheit ist nackt, aber vielleicht ist ihre Blösse auch eine Art von Verkleidung
...
Am Leitfaden Nietzsches vermag Blumenberg, intellektuell und stilistisch gleichermassen brillant, detailliert aufzuzeigen, welche Veränderungen die Wahrheitsmetaphorik im europäischen Denken, namentlich seit der Aufklärung und Romantik, erfahren hat. Nietzsche war es, der die Einkleidung der Wahrheit – bewerkstelligt durch Religion, Kunst, Rhetorik – höher veranschlagte als deren Nacktheit.
https://www.nzz.ch/feuilleton/die-wahrh ... ld.1510877
Mythos und Metapher - Stilreflexionen
"Tretet ein, denn auch hier sind Götter."
G.E. Lessing
Wer nach dem Zusammenhang von Mythos und Namen fragt, dem könnte leichterdings das Grimmsche Märchen vom "Rumpelstilzchen" in den Sinn fallen. Wer kennt nicht jenes unbefriedigende Gefühl beim Lesen dieses Märchens, das sich am Ende der Grimmschen Mär einstellt. Wohl hat die junge Königin und einstige Müllertochter ihr Kind vor dem unheimlichen Burschen gerettet, doch dass die bloße Nennung des richtigen Namens, dessen Auffindung ihr als Rätsel auferlegt war, hinreicht, ihren ehemaligen Verbündeten gar zur Hölle fahren zu lassen, kann dem aufgeweckten, analytischen Geist eines Lesers nur schwerlich genügen. Statt einer Erklärung bietet die Geschichte nichts anderes als eben diese Geschichte, als eben sich selbst.
https://www.theomag.de/12/fk1.htm
- Jörn Budesheim
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Auf der Internetseite von Ferdinand Fellmann, einem Assistenten Blumenbergs, findet man eine ganze Abteilung zu ihm.
Dort gibt es auch einen Aufsatz über die Sprache Blumenbergs: Der Reiz des Unverstandenen.Hans Blumenberg gehört zu den bedeutendsten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Seine Bücher zählen mittlerweile zu den Klassikern der Moderne. Viele Titel enthalten Schlüsselbegriffe, die Blumenberg „Daseinsmetaphern“ genannt hat: „Lesbarkeit“, „Schiffbruch“, „Zuschauer“, „Höhlenausgänge“ u.a. Um das geistige Erbe meines akademischen Lehrers lebendig zu halten, werde ich die wichtigsten Daseinsmetaphern fortschreiben nach dem Motto: mit Blumenberg gegen Blumenberg. Die kritische Form des Umgangs entspricht dem Selbstverständnis des Meisters, der sich selbst gegenüber immer auf Distanz geblieben ist und Kritik als Zeichen der Anerkennung aufgefasst hat. In diesem Sinne erscheinen in lockerer Folge Beiträge, um meine Verbundenheit mit Hans Blumenberg zum Ausdruck zu bringen und seiner Beschreibung des Menschen gerecht zu werden.
https://www-user.tu-chemnitz.de/~ferdi/ ... giana.html
Ein langjähriger Vertrauter Blumenbergs hat mir bestätigt, dass es die sakrale Aura des ‚Priesterphilosophen‘ war, welche die katholisch erzogenen Hörerinnen ansprach. Dagegen fühlten sich protestantisch sozialisierte Hörer vom Blumenberg, in dessen Rekonstruktion der Entstehung der Neuzeit Martin Luther keine Rolle spielt, eher abgestoßen. Sein Auftreten war ihnen zu stilisiert und überladen.
Einen sehr instruktiven Abschnitt für Blumenbergs Rhetorik-Aufsatz bietet Josef Kopperschmidt in: Wir sind nicht auf der Welt, um zu schweigen: Eine Einleitung in die Rhetorik; S. 87-118. So wie es scheint, ist das gesamte Buch von Kopperschmidt bei JSTORE ohne Anmeldung lesbar:
https://www.jstor.org/stable/j.ctvbkk3s ... b_contents
Welches Anregunngspotential Blumenberg für die neuere Rhetorikforschung hat, mag diese Passage verdeutlichen:
"Dass ich Blumenberg neben Aristoteles für einen weiteren Glücksfall in der Geschichte der philosophischen Rehabilitation der Rhetorik halte und Blumenbergs Arbeiten für einen mindestens ebenso ˋbefreienden Durchbruch´ für die Rhetorik, wie es Dockhorn seinerzeit für Gadamers Arbeiten behauptet hat, dürfte aus dem bisher Gesagten ebenso deutlich hervorgegangen sein wie dies, dass für mich Blumenbergs Rhetorik-Essay von 1971/1981 als bedeutendster Beitrag zur systematischen Aufklärung derjenigen Bedingungen gilt, die eine philosophische und damit substantielle Widerkehr der Rhetorik (...) möglich gemacht haben. Denn wo gäbe es einen Satz, der in stilistisch vergleichbarer Präzision die Komplexität der konfliktösen Beziehung zwischen Philosophie und Rhetorik zu bezeichnen vermöchte wie der eben bereits erwähnte und gerühmte Satz: ˋDie von Plato gesetzte Feindschaft zwischen Philosophie und Rhetorik ist in der Philosophie selbst [...] gegen die Philosophie entschieden´?" (Josef Kopperschmidt; Wir sind nicht auf der Welt, um zu schweigen: Eine Einleitung in die Rhetorik; S. 95) -
https://www.jstor.org/stable/j.ctvbkk3s ... b_contents
Welches Anregunngspotential Blumenberg für die neuere Rhetorikforschung hat, mag diese Passage verdeutlichen:
"Dass ich Blumenberg neben Aristoteles für einen weiteren Glücksfall in der Geschichte der philosophischen Rehabilitation der Rhetorik halte und Blumenbergs Arbeiten für einen mindestens ebenso ˋbefreienden Durchbruch´ für die Rhetorik, wie es Dockhorn seinerzeit für Gadamers Arbeiten behauptet hat, dürfte aus dem bisher Gesagten ebenso deutlich hervorgegangen sein wie dies, dass für mich Blumenbergs Rhetorik-Essay von 1971/1981 als bedeutendster Beitrag zur systematischen Aufklärung derjenigen Bedingungen gilt, die eine philosophische und damit substantielle Widerkehr der Rhetorik (...) möglich gemacht haben. Denn wo gäbe es einen Satz, der in stilistisch vergleichbarer Präzision die Komplexität der konfliktösen Beziehung zwischen Philosophie und Rhetorik zu bezeichnen vermöchte wie der eben bereits erwähnte und gerühmte Satz: ˋDie von Plato gesetzte Feindschaft zwischen Philosophie und Rhetorik ist in der Philosophie selbst [...] gegen die Philosophie entschieden´?" (Josef Kopperschmidt; Wir sind nicht auf der Welt, um zu schweigen: Eine Einleitung in die Rhetorik; S. 95) -
- Jörn Budesheim
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Nauplios hat geschrieben :Josef Kopperschmidt hat geschrieben : ich [halte] Blumenberg neben Aristoteles für einen weiteren Glücksfall in der Geschichte der philosophischen Rehabilitation der Rhetorik
Ich schätze ja doch, dass wir Aristoteles genauso wie Platon zur Antike rechnen dürfen, oder? Wenn es aber so ist, wie der Autor sagt, dass schon Aristoteles ein Glücksfall in der Geschichte der philosophischen Rehabilitation der Rhetorik ist, was heißt das dann für die Darstellung Blumenbergs der Rhetorik in der Antike? Mir ist nicht klar, wie man diese beiden, ganz verschiedenen Behauptungen zusammen bekommen soll?
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr ... s-100.html
Hans Blumenberg alias Axel Colly: Frühe Feuilletons
Hans Blumenberg alias Axel Colly: Frühe Feuilletons
"Hermeneutik und Genealogie des Mythos im Werk von Hans Blumenberg"
Kann jemand Spanisch? - Alethos?
Kann jemand Spanisch? - Alethos?
- Friederike
- Beiträge: 4947
- Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48
*seufz* esisteinjammerdieeuropameetingtourdiealethoszuabsolvierenhat.
In Anbetracht der mahnenden Worte, die mir kürzlich jemand zusprach - Deine Referate zu Blumenberg empfinde ich als ein Geschenk @Nauplios und Alethos ist nicht aus der Welt.
Ende des offtopic.
In Anbetracht der mahnenden Worte, die mir kürzlich jemand zusprach - Deine Referate zu Blumenberg empfinde ich als ein Geschenk @Nauplios und Alethos ist nicht aus der Welt.
Ende des offtopic.
Das ist lieb von Dir, Friederike, daß Du das so siehst.
Ganz früher, also etwa zur Zeit meiner Kindheit, war es im Kreise unserer Verwandtschaft üblich - und durchaus nicht anstößig - daß man Geschenke weiterverschenkte, insbesondere solche, die man gütigerweise in Verdacht hatte, daß sie für andere den größeren Nutzwert haben könnten, aber ebenso solche, die man boshafterweise im Wissen des Gegenteils verschenkte. Im kleinbürgerlichen Reigen von Geburtstagen, Weihnachtsfeiern, Erstkommunionen, Firmungen, Hochzeiten, Gratifikationen u.ä. konnte es passieren, daß eine Flasche Rotwein im Laufe eines Zyklus mehrfach den Besitzer wechselte. Allgemeine Heiterkeit hat später dann eine Anekdote ausgelöst, in der eine solche Flasche nach vierfachem Stationswechsel wieder an ihren Ausgangspunkt zurückfand. Dabei kam heraus, daß der Erstbesitzer, Onkel Hans, die Flasche ursprünglich für den Eigenbedarf gekauft hatte, sich dann aber der Anordnung seiner willensstarken Frau Eugenie hatte beugen müssen und sie schweren Herzens als Geschenk hergegeben hatte. Die Retour "seiner" Flasche, noch in der Originalverpackung, aus Anlaß seines Geburtstages nutzte er dazu, die demütigenden Umstände ihres Verlustes als Retourkutsche gegen die Unerbittlichkeit seiner Gattin in großer Verwandtschaftsrunde öffentlich zu machen. In das schallende Gelächter stimmten nach und nach auch die Ertappten ein, die der Flasche über Jahre vierfaches Asyl gewährt hatten - zuletzt auch Tante Eugenie. Wein aller Couleur wurde danach nie wieder verschenkt.
So ist also auch mein "Geschenk" letztlich nicht mehr als ein weitergereichtes, der Zyklus ein hermeneutischer und der Hans ein philosophischer. Oder anders gesagt: es ist immer schön, wenn was zurückkommt.
Ganz früher, also etwa zur Zeit meiner Kindheit, war es im Kreise unserer Verwandtschaft üblich - und durchaus nicht anstößig - daß man Geschenke weiterverschenkte, insbesondere solche, die man gütigerweise in Verdacht hatte, daß sie für andere den größeren Nutzwert haben könnten, aber ebenso solche, die man boshafterweise im Wissen des Gegenteils verschenkte. Im kleinbürgerlichen Reigen von Geburtstagen, Weihnachtsfeiern, Erstkommunionen, Firmungen, Hochzeiten, Gratifikationen u.ä. konnte es passieren, daß eine Flasche Rotwein im Laufe eines Zyklus mehrfach den Besitzer wechselte. Allgemeine Heiterkeit hat später dann eine Anekdote ausgelöst, in der eine solche Flasche nach vierfachem Stationswechsel wieder an ihren Ausgangspunkt zurückfand. Dabei kam heraus, daß der Erstbesitzer, Onkel Hans, die Flasche ursprünglich für den Eigenbedarf gekauft hatte, sich dann aber der Anordnung seiner willensstarken Frau Eugenie hatte beugen müssen und sie schweren Herzens als Geschenk hergegeben hatte. Die Retour "seiner" Flasche, noch in der Originalverpackung, aus Anlaß seines Geburtstages nutzte er dazu, die demütigenden Umstände ihres Verlustes als Retourkutsche gegen die Unerbittlichkeit seiner Gattin in großer Verwandtschaftsrunde öffentlich zu machen. In das schallende Gelächter stimmten nach und nach auch die Ertappten ein, die der Flasche über Jahre vierfaches Asyl gewährt hatten - zuletzt auch Tante Eugenie. Wein aller Couleur wurde danach nie wieder verschenkt.
So ist also auch mein "Geschenk" letztlich nicht mehr als ein weitergereichtes, der Zyklus ein hermeneutischer und der Hans ein philosophischer. Oder anders gesagt: es ist immer schön, wenn was zurückkommt.
- Jörn Budesheim
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FAZ hat geschrieben : Umwege führen zur Kultur
VON JÜRGEN KAUBE
Realität ist, was unsere Erwartungen enttäuschen kann: Zum hundertsten Geburtstag von Hans Blumenberg erscheint ein weiterer Band aus seinem Nachlass.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ ... 53890.html