Byung-Chul Han : "Tut mir leid, aber das sind Tatsachen"
Verfasst: Sa 16. Feb 2019, 09:02
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Ich auch :-) Ich hab sogar sein Buch über die Schönheit. Irgendwo in den Tiefen meiner Bücherunordung muss es sein. Wenn es tatsächlich Gesprächsbedarf geben sollte, dann mache ich mich auf die Suche danach.
Jörn, diese poetische Formulierung werde ich fortan auch verwenden für den Dauerzustand, den ich immer nur temporär in den Griff bekomme!Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Sa 16. Feb 2019, 11:09Irgendwo in den Tiefen meiner Bücherunordung...
Han hat geschrieben : Denken besteht darin, Ähnlichkeiten wahrzunehmen.
Stimmt das?Han hat geschrieben : [...] Denken ist Basteln. Und das Denken kann zu einer Explosion führen [wie beim Experimentieren mit Chemikalien]. Denken ist die gefährlichste Tätigkeit, vielleicht gefährlicher als die Atombombe. Es kann die Welt verändern.
Han hat geschrieben : Es gibt heute keine Sprache – es gibt eine Sprachlosigkeit und eine Ratlosigkeit. Der Sprache wird heute die Sprache genommen. Auf der einen Seite gibt es einen ungeheuren Lärm, einen Kommunikationslärm, auf der anderen Seite eine unheimliche Stummheit. Und diese Stummheit unterscheidet sich vom Schweigen. Schweigen ist sehr beredt. Schweigen hat eine Sprache. Stille ist auch beredt. Stille kann auch Sprache sein. Aber der Lärm und die Stummheit sind ohne Sprache. Es gibt nur sprachlose, lärmende Kommunikation, das ist ein Problem. Heute gibt es nicht einmal Wissen, sondern nur Information. Wissen ist etwas ganz anderes als Information. Wissen und Wahrheit klingen heute sehr veraltet. Wissen hat auch eine ganze andere Zeitstruktur. Es spannt sich zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und die Zeitlichkeit der Information ist die Gegenwart, das Präsens. Wissen beruht auch auf der Erfahrung. Ein Meister verfügt über Wissen. Heute leben wir mit einem Terror des Dilettantismus.
ZEIT Wissen hat geschrieben : Wie beurteilen Sie das, was die Wissenschaft macht? Schafft Sie kein Wissen?
Han hat geschrieben : Wissenschaftler reflektieren heute nicht den gesellschaftlichen Kontext des Wissens. Sie machen eine positive Forschung. Jedes Wissen findet in einem Herrschaftsverhältnis statt. Ein Herrschaftsverhältnis, ein neues Dispositiv generiert ein neues Wissen, einen neuen Diskurs. Wissen ist immer eingebettet in eine Herrschaftsstruktur. Man kann einfach positive Forschung betreiben, ohne zu erkennen, dass man unter dem Bann dieser Macht steht, und ohne sich auf die Kontexualität des Wissens zu besinnen. Diese Besinnung auf die Kontexualität findet heute nicht statt. Auch die Philosophie wird eine positive Wissenschaft. Sie bezieht sich nicht auf die Gesellschaft, sondern nur auf sich selbst. So wird sie gesellschaftsblind.
Spontan neige ich dazu Han zuzustimmen, zumindest wenn es darum geht, das Denken im aktiven Prozess der Wahrnehmung von Ähnlichkeiten zu verorten. Doch würde ich schon einen Unterschied darin sehen, ob diese Wahrnehmung "reine" Beobachtung ist, oder auf (real gemachten) Erfahrungen basiert. Kann eine Beobachtung, ohne gemachte Erfahrung, den Denkprozess überhaupt beeinflussen, wenn sich der Beobachter der Erfahrung verweigert? Was passiert im Denkprozess, wenn der Beobachter keine Ähnlichkeiten vorfindet?Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 17. Feb 2019, 05:11Han hat geschrieben : Denken besteht darin, Ähnlichkeiten wahrzunehmen.Stimmt das?Han hat geschrieben : [...] Denken ist Basteln. Und das Denken kann zu einer Explosion führen [wie beim Experimentieren mit Chemikalien]. Denken ist die gefährlichste Tätigkeit, vielleicht gefährlicher als die Atombombe. Es kann die Welt verändern.
Schaut man sich nur die Art der Kommunikation in den sog. sozialen Medien an, wird leicht nachvollziehbar, was Han mit "Der Sprache wird heute die Sprache genommen" meint. Sachliche Argumentation hat es meistens sehr schwer sich überhaupt noch durchzusetzen.Han hat geschrieben : Es gibt heute keine Sprache – es gibt eine Sprachlosigkeit und eine Ratlosigkeit. Der Sprache wird heute die Sprache genommen. Auf der einen Seite gibt es einen ungeheuren Lärm, einen Kommunikationslärm, auf der anderen Seite eine unheimliche Stummheit. Und diese Stummheit unterscheidet sich vom Schweigen. Schweigen ist sehr beredt. Schweigen hat eine Sprache. Stille ist auch beredt. Stille kann auch Sprache sein. Aber der Lärm und die Stummheit sind ohne Sprache. Es gibt nur sprachlose, lärmende Kommunikation, das ist ein Problem. Heute gibt es nicht einmal Wissen, sondern nur Information. Wissen ist etwas ganz anderes als Information. Wissen und Wahrheit klingen heute sehr veraltet. Wissen hat auch eine ganze andere Zeitstruktur. Es spannt sich zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und die Zeitlichkeit der Information ist die Gegenwart, das Präsens. Wissen beruht auch auf der Erfahrung. Ein Meister verfügt über Wissen. Heute leben wir mit einem Terror des Dilettantismus.