Byung-Chul Han : "Tut mir leid, aber das sind Tatsachen"

Es gibt im Netz zahllose spannende Interviews mit Philosophen aller Couleur. Hier ist der Ort sie zu diskutieren.
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proximus
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Sa 16. Feb 2019, 09:02




""Wahrheit" ist immer nur theoretisch." proximus

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TsukiHana
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Sa 16. Feb 2019, 10:59

Das kannte ich schon.
Soll hier jetzt darüber gesprochen werden?



Wozu die Tage zählen!?
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proximus
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Sa 16. Feb 2019, 11:08

Ich weiß nicht.
Ich muss da nicht drüber sprechen.
Würde ggbfalls auf meine Weise mich an einem Gespräch darüber beteiligen.



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Jörn Budesheim
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Sa 16. Feb 2019, 11:09

TsukiHana hat geschrieben :
Sa 16. Feb 2019, 10:59
Das kannte ich schon.
Soll hier jetzt darüber gesprochen werden?
Ich auch :-) Ich hab sogar sein Buch über die Schönheit. Irgendwo in den Tiefen meiner Bücherunordung muss es sein. Wenn es tatsächlich Gesprächsbedarf geben sollte, dann mache ich mich auf die Suche danach.




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TsukiHana
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Sa 16. Feb 2019, 11:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 16. Feb 2019, 11:09
Irgendwo in den Tiefen meiner Bücherunordung...
Jörn, diese poetische Formulierung werde ich fortan auch verwenden für den Dauerzustand, den ich immer nur temporär in den Griff bekomme! :lol:

Welches Buch ist es?



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Jörn Budesheim
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Sa 16. Feb 2019, 11:42

Ich meinte "die Errettung des Schönen", außerdem habe ich noch ein Reclamheft über die Philosophie des Zen-Buddhismus von ihm und das Buch "bitte Augen schließen".

In dem ersten habe ich vor längerer Zeit ein wenig geschmökert, in den beiden anderen habe ich noch fast gar nichts gelesen.




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TsukiHana
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Sa 16. Feb 2019, 12:16

Auch ich will jetzt in den Tiefen meiner Bücherunordung nach Schätzen schürfen...
Einiges ist SO tief verbuddelt, dass ich mich über jede Neuentdeckung wie ein kleines Kind freue.

Bei Büchern über ZEN staune ich nur noch darüber, wer das ALLES geschrieben hat!
Bei der Gelegenheit kann ich hier eine kleine Episode erzählen:
in der Pause bei einer langen Meditationsperiode (auch Sesshin genannt) legte ich mich im Vorraum der Zendo auf den Boden, um meinen Rücken etwas zu entspannen. Um niemanden zu stören, wählte ich eine abgelegene Ecke, in der auch eine Vitrine stand. Als ich da so lag, wanderte mein Blick unweigerlich zum Inhalt dieser Vitrine: es waren lauter ZEN-Bücher!!!
Mein spontaner Gedanke war: "Himmelar….undzwirn! WANN haben die nur die Zeit gefunden ALL DAS zu schreiben!?"
Im letzten Moment erinnerte ich mich noch daran, dass wir uns ja alle im Schweigen befanden, sonst hätte ich es wohl laut geschrien!
:D

p.s. Statt "Augen schließen" ist es angebrachter den Blick vor sich auf dem Boden (im Soto Wand) abzulegen...



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Jörn Budesheim
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So 17. Feb 2019, 05:11

Han hat geschrieben : Denken besteht darin, Ähnlichkeiten wahrzunehmen.
Han hat geschrieben : [...] Denken ist Basteln. Und das Denken kann zu einer Explosion führen [wie beim Experimentieren mit Chemikalien]. Denken ist die gefährlichste Tätigkeit, vielleicht gefährlicher als die Atombombe. Es kann die Welt verändern.
Stimmt das?




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Jörn Budesheim
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So 17. Feb 2019, 06:15

Han hat geschrieben : Es gibt heute keine Sprache – es gibt eine Sprachlosigkeit und eine Ratlosigkeit. Der Sprache wird heute die Sprache genommen. Auf der einen Seite gibt es einen ungeheuren Lärm, einen Kommunikationslärm, auf der anderen Seite eine unheimliche Stummheit. Und diese Stummheit unterscheidet sich vom Schweigen. Schweigen ist sehr beredt. Schweigen hat eine Sprache. Stille ist auch beredt. Stille kann auch Sprache sein. Aber der Lärm und die Stummheit sind ohne Sprache. Es gibt nur sprachlose, lärmende Kommunikation, das ist ein Problem. Heute gibt es nicht einmal Wissen, sondern nur Information. Wissen ist etwas ganz anderes als Information. Wissen und Wahrheit klingen heute sehr veraltet. Wissen hat auch eine ganze andere Zeitstruktur. Es spannt sich zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und die Zeitlichkeit der Information ist die Gegenwart, das Präsens. Wissen beruht auch auf der Erfahrung. Ein Meister verfügt über Wissen. Heute leben wir mit einem Terror des Dilettantismus.
ZEIT Wissen hat geschrieben : Wie beurteilen Sie das, was die Wissenschaft macht? Schafft Sie kein Wissen?
Han hat geschrieben : Wissenschaftler reflektieren heute nicht den gesellschaftlichen Kontext des Wissens. Sie machen eine positive Forschung. Jedes Wissen findet in einem Herrschaftsverhältnis statt. Ein Herrschaftsverhältnis, ein neues Dispositiv generiert ein neues Wissen, einen neuen Diskurs. Wissen ist immer eingebettet in eine Herrschaftsstruktur. Man kann einfach positive Forschung betreiben, ohne zu erkennen, dass man unter dem Bann dieser Macht steht, und ohne sich auf die Kontexualität des Wissens zu besinnen. Diese Besinnung auf die Kontexualität findet heute nicht statt. Auch die Philosophie wird eine positive Wissenschaft. Sie bezieht sich nicht auf die Gesellschaft, sondern nur auf sich selbst. So wird sie gesellschaftsblind.




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TsukiHana
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So 17. Feb 2019, 15:20

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 17. Feb 2019, 05:11
Han hat geschrieben : Denken besteht darin, Ähnlichkeiten wahrzunehmen.
Han hat geschrieben : [...] Denken ist Basteln. Und das Denken kann zu einer Explosion führen [wie beim Experimentieren mit Chemikalien]. Denken ist die gefährlichste Tätigkeit, vielleicht gefährlicher als die Atombombe. Es kann die Welt verändern.
Stimmt das?
Spontan neige ich dazu Han zuzustimmen, zumindest wenn es darum geht, das Denken im aktiven Prozess der Wahrnehmung von Ähnlichkeiten zu verorten. Doch würde ich schon einen Unterschied darin sehen, ob diese Wahrnehmung "reine" Beobachtung ist, oder auf (real gemachten) Erfahrungen basiert. Kann eine Beobachtung, ohne gemachte Erfahrung, den Denkprozess überhaupt beeinflussen, wenn sich der Beobachter der Erfahrung verweigert? Was passiert im Denkprozess, wenn der Beobachter keine Ähnlichkeiten vorfindet?

Wenn Han sagt "Denken ist Basteln", so kann ich ihn noch zustimmen. Doch neige ich persönlich dazu im Denken etwas Positives zu sehen. Erfreulich ist, dass Han hier vor die "Explosion" noch ein "kann" setzt, was ja immerhin impliziert, dass Denken nicht zwangsläufig in Destruktivität münden "muss". Die Gefährlichkeit einer Atombombe ist wohl kaum zu übertreffen und dennoch sagt Han hier, "Denken ist die gefährlichste Tätigkeit, vielleicht gefährlicher als die Atombombe". Die Veränderung der Welt, die er daraus folgert, kann dann ja nur eine Vernichtung sein.
Im Idealfall wäre dann ja auch eine Verbesserung denk-bar.



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TsukiHana
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So 17. Feb 2019, 17:19

Mir gefällt hingegen sehr, was Han über Sprache, Schweigen und Stille sagt.
Der ungeheure Kommunikationslärm ist die Kakophonie des Alltags, dagegen wirkt die "beredte Stille" wie eine Eufonie.
Han hat geschrieben : Es gibt heute keine Sprache – es gibt eine Sprachlosigkeit und eine Ratlosigkeit. Der Sprache wird heute die Sprache genommen. Auf der einen Seite gibt es einen ungeheuren Lärm, einen Kommunikationslärm, auf der anderen Seite eine unheimliche Stummheit. Und diese Stummheit unterscheidet sich vom Schweigen. Schweigen ist sehr beredt. Schweigen hat eine Sprache. Stille ist auch beredt. Stille kann auch Sprache sein. Aber der Lärm und die Stummheit sind ohne Sprache. Es gibt nur sprachlose, lärmende Kommunikation, das ist ein Problem. Heute gibt es nicht einmal Wissen, sondern nur Information. Wissen ist etwas ganz anderes als Information. Wissen und Wahrheit klingen heute sehr veraltet. Wissen hat auch eine ganze andere Zeitstruktur. Es spannt sich zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und die Zeitlichkeit der Information ist die Gegenwart, das Präsens. Wissen beruht auch auf der Erfahrung. Ein Meister verfügt über Wissen. Heute leben wir mit einem Terror des Dilettantismus.
Schaut man sich nur die Art der Kommunikation in den sog. sozialen Medien an, wird leicht nachvollziehbar, was Han mit "Der Sprache wird heute die Sprache genommen" meint. Sachliche Argumentation hat es meistens sehr schwer sich überhaupt noch durchzusetzen.
Nur... wer hat denn der Sprache die Sprache genommen?
Wohin man schaut, lauter "Experten", die keine andere Meinung gelten lassen können. Zwischen Meinung und Wissen wird kaum mehr ein Unterschied gemacht. Die Zeitstruktur moderner Kommunikationsmittel führt offenbar zum Terror des Dilettantismus.
Vielleicht muss es ja noch schlimmer werden, bevor es besser werden kann?



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