Argumentative Bringschuld (Beweislast)

Argumente gehören zum Kernbestand der Philosophie. Die Argumentationstheorie ist derjenige Bereich Philosophie, der sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst.
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Stefanie
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Do 5. Okt 2017, 22:30

Tarvoc: Das kann es nicht sein, denn sonst würde daraus zum Beispiel auch die Pflicht erwachsen, alle Menschen ausreichend zu ernähren, und zwar nicht nur alle in Deutschland lebenden, sondern zumindest im Rahmen unserer materiellen Möglichkeiten alle - eine Pflicht, die die Bundesrepublik weder rechtlich noch praktisch anerkennt.
Einspruch.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Und die von Deutschland ratifizierte UN Menschenrechtskonvention.

Praktisches Beispiele im Rahmen der materiellen Möglichkeiten: Entwicklungshilfe, Zahlung in die UN und ihre Organisationen.
Wir habe das rechtlich und praktisch anerkannt. Wird nur in der heutigen Zeit bei manchen nicht gerne gesehen.
Von mir aus noch Art. 2, Jedermann Grundrecht



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Alethos
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Do 5. Okt 2017, 22:32

Zum Verständnis: Ich ging nicht davon aus, auch nachdem ich alle Beiträge gelesen habe, dass wir hier im Forum überhaupt einen Würdeleugner unter uns hätten und auch keinen Würdekritiker. Wir sind ja vernunftbegabt.

Ich wollte vielmehr ausdrücken, dass es für denjenigen, der kritisch hinterfragen will und kann, das Argument, das sich mit einer Prädikation konstruiert, relativ angreifbar ist.



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Tarvoc
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Do 5. Okt 2017, 22:32

Stefanie hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 22:30
Wir habe das rechtlich und praktisch anerkannt.
Ich antworte in dem anderen Thread. Hier.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Do 5. Okt 2017, 22:44, insgesamt 1-mal geändert.



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Tarvoc
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Do 5. Okt 2017, 22:39

Tarvoc hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 22:21
Dafür wäre vielleicht wirklich ein eigener Thread angebracht.
Hab' einen aufgemacht.



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Tosa Inu
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Do 5. Okt 2017, 22:49

Alethos hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 22:32
Ich wollte vielmehr ausdrücken, dass es für denjenigen, der kritisch hinterfragen will und kann, das Argument, das sich mit einer Prädikation konstruiert, relativ angreifbar ist.
FInde ich eher nicht. Probleme haben eher die, die Würde zu etwas wie der Leber machen, die man tatsächlich vorfindet. Selbst so etwas an sich Sichtbares wie Leben festzuzurren ist schon schwer (bis heute hat man es nicht geschafft) und die Würde finde ich einiges komplexer.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Tarvoc
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Do 5. Okt 2017, 22:54

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 22:49
Probleme haben eher die, die Würde zu etwas wie der Leber machen, die man tatsächlich vorfindet.
Ja genau. Wie gesagt habe ich mit der Zuschreibung kein Problem. Aber wer sagt, dass es sich um die Anerkennung von etwas handle, was schon da ist, muss sagen können, was das sein soll und wie man es erkennt. Und wenn man das gesagt hat, dann muss man daraus auch wirklich die Konsequenzen ziehen.

Dazu noch eine Bemerkung in dem anderen Thread.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Do 5. Okt 2017, 23:02, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos
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Do 5. Okt 2017, 23:02

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 22:49
Alethos hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 22:32
Ich wollte vielmehr ausdrücken, dass es für denjenigen, der kritisch hinterfragen will und kann, das Argument, das sich mit einer Prädikation konstruiert, relativ angreifbar ist.
FInde ich eher nicht. Probleme haben eher die, die Würde zu etwas wie der Leber machen, die man tatsächlich vorfindet. Selbst so etwas an sich Sichtbares wie Leben festzuzurren ist schon schwer (bis heute hat man es nicht geschafft) und die Würde finde ich einiges komplexer.
Wenn ich mich nicht täusche, hat mein Einwand das vorhin aufgegriffen. Formuliere es nochmals anders. Falls du noch immer nicht einverstanden bist, dann ist unser Dissens wohl einfach Fakt :): 'Ich wollte vielmehr ausdrücken, dass derjenige, der kritisch hinterfragen will und kann, das Argument, das sich mit einer Prädikation konstruiert, relativ leicht angreifen kann.'

Die 'Das ist Würde'-Argumentation ist angreifbar, weil es Würde in einer begrifflichen Dimension verortet, wo es mit Gegenbegriffen pari gesetzt werden kann.
Ich vermute auch, dass eine Würdedefinition verstanden als juristische Setzung nur teilweise funktionieren kann, weil das Formaljuristische den zwischenmenschlichen Komponenten von Würde zu wenig gerecht wird. Würde lässt sich durch das Grundgesetz nicht festhalten oder abbilden, sondern nur durch die Anwendung innerer Überzeugung, dass der Mitmensch ein Gegenüber ist, das man achten soll. Das ist nicht einmal eine Setzung von Menschlichkeit, sondern eine Voraussetzung dafür.
Zuletzt geändert von Alethos am Do 5. Okt 2017, 23:11, insgesamt 2-mal geändert.



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Tarvoc
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Do 5. Okt 2017, 23:03

Alethos hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 23:02
Ich vermute, dass eine Würdedefinition verstanden als juristische Setzung nur teilweise funktioniert, weil das Formaljuristische den zwischenmenschlichen Komponenten von Würde als deren Konstitutiven zu wenig gerecht wird. Würde lässt sich durch das Grundgesetz eben nicht festhalten oder abbilden, sondern nur durch die Anwendung innerer Überzeugung, dass der Mitmensch ein Gegenüber ist, das man achten soll. Das ist nicht einmal eine Setzung von Menschlichkeit, sondern eine Voraussetzung dafür.
Das ist ein guter Gedanke, finde ich. Kannst du das nochmal in dem anderen Thread sagen? Es gäbe vielleicht der kritischen Diskussion des Rechtsbegriffs nochmal eine neue Richtung.



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Tosa Inu
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Do 5. Okt 2017, 23:24

Alethos hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 23:02
'Ich wollte vielmehr ausdrücken, dass derjenige, der kritisch hinterfragen will und kann, das Argument, das sich mit einer Prädikation konstruiert, relativ leicht angreifen kann.'

Die 'Das ist Würde'-Argumentation ist angreifbar, weil es Würde in einer begrifflichen Dimension verortet, wo es mit Gegenbegriffen pari gesetzt werden kann.
Angreifbar schon, bei einer Naturalisierung aber ungleich mehr.
Wer die Würde nicht anerkennt, könnte auch ein Eigentor schießen. Darüber müsste man dann in der Tat diskutieren.
M.E. ist der Verzicht auf Würde, als rote Linie, sowohl im Umgang mit anderen, als auf mit Blick auf sich selbst zu kurz gesprungen.



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Alethos
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Do 5. Okt 2017, 23:27

Tarvoc hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 23:03
Alethos hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 23:02
Ich vermute, dass eine Würdedefinition verstanden als juristische Setzung nur teilweise funktioniert, weil das Formaljuristische den zwischenmenschlichen Komponenten von Würde als deren Konstitutiven zu wenig gerecht wird. Würde lässt sich durch das Grundgesetz eben nicht festhalten oder abbilden, sondern nur durch die Anwendung innerer Überzeugung, dass der Mitmensch ein Gegenüber ist, das man achten soll. Das ist nicht einmal eine Setzung von Menschlichkeit, sondern eine Voraussetzung dafür.
Das ist ein guter Gedanke, finde ich. Kannst du das nochmal in dem anderen Thread sagen? Es gäbe vielleicht der kritischen Diskussion des Rechtsbegriffs nochmal eine neue Richtung.
Du kannst es gerne zitieren, kopieren und einfügen. Werde dort sich mitlesen ;)



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Jörn Budesheim
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Fr 6. Okt 2017, 05:52

Tosa Inu hat geschrieben :
Do 5. Okt 2017, 22:16
In gewisser Weise ist die Frage, ob man die Würde sehen kann, auch ein Sehtest der anderen Art
Schöne Formulierung!

Auf der jetzt beendeten documenta gab es eine Filmreihe des Regisseurs Wang Bing. In diesen Filmen hat er Menschen, die unter eigentlich würdelosen Bedingungen leben mussten, als Wesen mit Würde dargestellt. (Im doppelten Sinn der Formulierung.) Ohne dass der Regisseur dick aufgetragen hätte, war dies ein Sehtest, die man wohl kaum "nicht bestehen" konnte...

Mit deiner darauffolgenden Formulierung, Würde sei zugeschrieben bin ich allerdings nicht einverstanden, insbesondere falls damit gemeint sein sollte, sie sei bloß zu geschrieben und nicht real. So als sei Würde etwas, was man anderen wie ein Zettel anhefte und was sie dann aufgrund und nur aufgrund dieser Anheftung hätten. Dann könnte auf diesen Zettel alles stehen und alles gemeint sein und keiner wüsste wovon die Rede ist.

Die "beobachtende Vernunft" kann wieder lachen, noch weinen, noch Wert und Anmut erkennen und auch nicht die Würde. Daraus folgt allerdings nicht, dass es das nicht gibt, was sie nicht sehen kann. Dass die beobachtende Vernunft den Sehtest nicht besteht, das bedeutet gar nichts.




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Fr 6. Okt 2017, 09:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 05:52
Auf der jetzt beendeten documenta gab es eine Filmreihe des Regisseurs Wang Bing. In diesen Filmen hat er Menschen, die unter eigentlich würdelosen Bedingungen leben mussten, als Wesen mit Würde dargestellt. (Im doppelten Sinn der Formulierung.) Ohne dass der Regisseur dick aufgetragen hätte, war dies ein Sehtest, die man wohl kaum "nicht bestehen" konnte...
Ich kann mir gut vorstellen, dass man Menschen, deren Dasein man vielleicht zunächst nicht mit dem Begriff "würdevoll" assoziieren würde, so darstellen kann, dass ihre Würde sichtbar wird.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 05:52
Mit deiner darauffolgenden Formulierung, Würde sei zugeschrieben bin ich allerdings nicht einverstanden, insbesondere falls damit gemeint sein sollte, sie sei bloß zu geschrieben und nicht real.
Was die Realität dieses Punktes angeht, so vermute ich mal, geht das in eine ähnliche Richtung, wie bei der Diskussion um Gabriel.
Man ahnt, was gemeint ist, findet den Gedanken auch sympathisch, aber ist nicht überzeugt (Du vielleicht mehr, ich weniger),

Dabei muss man sich die Würde durchaus nicht so denken, wie die Leber oder einen Arm.
Leidet jemand z.B. an einer Ich-Schwäche, so kann man das 'sehen' aber (oft) nur, wenn man weiß, worauf man achten muss. Es ist aber nicht so, dass ich-schwache Menschen ein Bein nachziehen oder einen dunklen Fleck auf der Stirn haben.

Aber genau so soll die Würde ja gerade nicht sein. Bzw. hier wird es interessant. Ist die Würde nur eine gelernte Behauptung bis man in der Lage ist, sie zu sehen, auch wenn jemand in einem Slum wohnt, voll auf Crystal ist, im Altenheim in der eigenen Scheiße liegt oder einen willkürlich ausgewälten Menschen die Treppen zur U-Bahn runter tritt?
Am ähnlichsten empfinde ich den Begriff der Würde immer mit dem der Erleuchtung. Wenigstens für einige der irgendwie höchste zu erreichende 'Zustand', aber für sein 'Erreichen' (von dem es auch heißt, Erleuchtung sei gerade nichts, was zu erreichen sei) gibt es in der Tat mehrere Tests. Einer ist der: Wenn Du die Erleuchtung nicht in jedem anderen Menschen (manchmal auch fühlenden Wesen) sehen kannst, bist Du nicht erleuchtet. Das zwingt, jeden Snobismus sofort einzureißen, wenn man es ernst meint.

Analog könnte man formulieren, dass die eigene Würde in schönster Blüte ist, wenn man sie beim anderen erkennt. Dummerweise sind diese Kombinationen welche, die Blender und Schwätzer anziehenan.



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Tarvoc
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Fr 6. Okt 2017, 10:43

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 05:52
In diesen Filmen hat er Menschen, die unter eigentlich würdelosen Bedingungen leben mussten, als Wesen mit Würde dargestellt. (Im doppelten Sinn der Formulierung.) Ohne dass der Regisseur dick aufgetragen hätte, war dies ein Sehtest, die man wohl kaum "nicht bestehen" konnte...
Wie sieht das denn aus, wenn man dieses Bild mit der Darstellung der exzessiven dignitas im römischen Sinne im Leben der Superreichen direkt parallel zeigt und damit kontrastiert? Da ist dann plötzlich die menschliche Würde bei besagten Superreichen womöglich plötzlich gar nicht mehr so leicht auszumachen. Du siehst, wie sehr es zum Problem wird, den Würdebegriff an melodramatische Ästhetik zu koppeln? Wer die Würde der Armut darstellt, darf den Reichtum nicht zeigen, denn wenn er ihn zeigen würde, würde die Ästhetik der Würde auf zumindest einer der beiden Seiten sofort zusammenbrechen - einfach weil die beiden verschiedenen Ästhetiken von Würde einander ausschließen. Übrigens hat schon Walter Benjamin ganz richtig bemerkt, dass die Ästhetisierung des Politischen ganz generell mit Faschismus gleichzusetzen ist.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Fr 6. Okt 2017, 10:46, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Du siehst, wie sehr es zum Problem wird, den Würdebegriff an melodramatische Ästhetik zu koppeln?
Das mach ich gar nicht :-)




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Tarvoc
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Fr 6. Okt 2017, 10:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 10:45
Du siehst, wie sehr es zum Problem wird, den Würdebegriff an melodramatische Ästhetik zu koppeln?
Das mach ich gar nicht :-)
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 05:52
In diesen Filmen hat er Menschen, die unter eigentlich würdelosen Bedingungen leben mussten, als Wesen mit Würde dargestellt.
Das da ist geradezu das Paradigma der Sozialmelodramatik. Überhaupt ist nur die würdevolle Seite zu zeigen eine hoffnungslose Verklärung von Armut, die in Wirklichkeit die Armen und ihre Situation geradezu verhöhnt. Unter absoluten Armutsbedingungen wird für Brotkrumen gemordet - wo bleibt da bitte die Menschenwürde? Bertold Brecht hat's mit der Dreigroschenoper genau richtig gemacht.
Bertold Brecht hat geschrieben : Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben
Und Sünd und Missetat vermeiden kann
Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben
Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.

Ihr, die euren Wanst und unsre Bravheit liebt
Das eine wisset ein für allemal:
Wie ihr es immer dreht und wie ihr's immer schiebt
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Erst muß es möglich sein auch armen Leuten
Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden.

Denn wovon lebt der Mensch?

Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich
Den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frißt.
Nur dadurch lebt der Mensch, daß er so gründlich
Vergessen kann, daß er ein Mensch doch ist.

Ihr Herren, bildet euch nur da nichts ein:
Der Mensch lebt nur von Missetat allein!

Ihr lehrt uns, wann ein Weib die Röcke heben
Und ihre Augen einwärts drehen kann
Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben
Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.

Ihr, die auf unsrer Scham und eurer Lust besteht
Das eine wisset ein für allemal:
Wie ihr es immer dreht und wie ihr's immer schiebt
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Erst muß es möglich sein auch armen Leuten
Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden.

Denn wovon lebt der Mensch?

Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich
Den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frißt.
Nur dadurch lebt der Mensch, daß er so gründlich
Vergessen kann, daß er ein Mensch doch ist.

Ihr Herren, bildet euch nur da nichts ein:
Der Mensch lebt nur von Missetat allein!
Überhaupt bist du auf so einige Kernpunkte meines Beitrags gar nicht eingegangen. Sag' doch mal was zu der von mir vorgeschlagenen Kontrastierung von bitterer Armut und exzessivem Reichtum, und wie es da mit der Darstellbarkeit der Allgemeinheit der Würde aussieht. Wenn Menschenwürde allen Menschen gleichermaßen zukommt, müsste man sie ja auch bei einer solchen Kontrastierung bei allen gezeigten Menschen gleichermaßen sehen.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Fr 6. Okt 2017, 10:54, insgesamt 1-mal geändert.



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Fr 6. Okt 2017, 10:53

Tarvoc hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 10:50
Das da ist geradezu das Paradigma der Sozialmelodramatik.
Sicher nicht. Es gibt in meinem Text dafür auch keine Indizien. Es war einfach nur ein Beispiel von vielen möglichen, was zeigt, dass Würde etwas ist, was man sehen kann. Auf Armut beschränkt hab ich das keineswegs ...




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Fr 6. Okt 2017, 10:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 10:53
Es war einfach nur ein Beispiel von vielen möglichen, was zeigt, dass Würde etwas ist, was man sehen kann.
Beweise mir, dass das, was man da sieht, tatsächlich das ist, was mit allgemeiner Menschenwürde gemeint ist. Meine beiden Beiträge dazu sind eine einzige Reihe von Gegenargumenten.

Wenn die Anerkennung der Menschenwürde die Anerkennung grundlegender menschlicher Bedürfnisse sein soll, dann läuft dein Beispiel wirklich völlig daneben.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 10:53
Auf Armut beschränkt hab ich das keineswegs ...
Dann sag mir doch mal, wie es sich bei der Darstellung einer krassen Kontrastierung exzessiven Reichtums und bitterer Armut deiner Meinung nach verhielte.



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Fr 6. Okt 2017, 11:03

Der Punkt ist der: Dass auch arme Menschen Würde haben, kann vernünftigerweise überhaupt nur als moralische Forderung zu verstehen sein, also etwas, das erst noch zu realisieren wäre, und nicht als bereits Gegebenes. Es als bereits Gegebenes darzustellen ist Blendwerk, mit dem die Ober- und Mittelschicht sich die Armut des ganzen Rests verklärt und in schönen Schein hüllt.



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Jörn Budesheim
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Fr 6. Okt 2017, 11:10

Tarvoc hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 10:55
Beweise mir, dass das, was man da sieht, tatsächlich das ist, was mit allgemeiner Menschenwürde gemeint ist.
Tarvoc hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 10:55
Dann sag mir doch mal, wie es sich bei der Darstellung einer krassen Kontrastierung exzessiven Reichtums und bitterer Armut deiner Meinung nach verhielte.
Wenn du Menschen anschaust und ihre Würde nicht siehst, dann eben nicht - da gibt es kein Beweisverfahren.

Wenn jemand nicht über Witze lachen kann oder Ironie nicht versteht, dann kann man nichts tun. Ich gehe davon aus, dass es jeder sehen kann. Wie sieht man, dass jemand freundlich ist? Oder angespannt? Man kann vielleicht sagen, wenn jemand lacht, zieht er die Mundwinkel hoch. Aber dass es sich dabei um ein Lachen handelt, kann nur verstehen, wer mit dem Umstand, dass wir gelegentlich lachen, aus der Teilnehmerperspektive heraus vertraut ist. Es mag Menschen geben, die das nicht sehen können, aber das zeigt nicht, dass es sowas wie Lachen nicht gibt.

Reiche oder sehr reiche Menschen haben ebenso eine Würde wie alle anderen auch. In einem Kunstwerk kann man sich jedoch auf bestimmte Dinge fokussieren. Und das war in den fraglichen Filmen der Fall.




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Fr 6. Okt 2017, 11:29

Tarvoc hat geschrieben :
Fr 6. Okt 2017, 11:03
Der Punkt ist der: Dass auch arme Menschen Würde haben, kann vernünftigerweise überhaupt nur als moralische Forderung zu verstehen sein, also etwas, das erst noch zu realisieren wäre, und nicht als bereits Gegebenes. Es als bereits Gegebenes darzustellen ist Blendwerk, mit dem die Ober- und Mittelschicht sich die Armut des ganzen Rests verklärt und in schönen Schein hüllt.
Da versuchst Du aber nun Politisches reinzuquälen (genau davor bin ich geflüchtet) und so weit, dass Würde dann zur moralischen Forderung wird, würde ich auch nicht mitgehen. Sonst bekommt die Würde tatsächlich eine Art Almosencharakter und das scheint mir dann doch wieder zu schwach zu sein.

Ich sehe darin eher den Appell den eigenen Blick zu schulen oder zu schärfen, das ist irgendwo in der Mitte zwischen dem Schönen und dem Guten.



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