Zeit: Deutschsprachige akademische Philosophie: "irrelevante Selbstbespiegelung"?

Hier werden in unregelmäßigen Abständen Presseartikel zu Philosophen und Philosophie in der Presse veröffentlicht
Timberlake
Beiträge: 1675
Registriert: Mo 16. Mai 2022, 01:29
Wohnort: Shangrila 2.0

Mo 11. Dez 2023, 18:00

Artangriel hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 10:30

Ich finde, die akademische Philosophie würde ihre Relevanz in der Gesellschaft am ehesten wiederherstellen können, indem sie das bereits gut bekannte Material besser erklärt und auf Social Media publiziert.
Und ich finde die akademische Philosophie würde ihre Relevanz in der Gesellschaft am ehesten wiederherstellen können, wenn sie "relevantes " an Hand von bereits gut bekanntem Material besser erklärt und auf Social Media publiziert ..

Dia_Logos hat geschrieben :
Sa 10. Mär 2018, 08:08

Deutschsprachige akademische Philosophie: "irrelevante Selbstbespiegelung"?

Der Publizist Wolfram Eilenberger bescheinigt der deutschen Universitätsphilosophie in der Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 1. März 2018 ein Leben in „stiller Verzweiflung“, „irrelevanter Selbstbespiegelung“ und „lustloser Totalstagnation“. Der Artikel hat bereits einige Reaktionen von "Betroffenen" hervorgerufen.

..
Nach seiner Einschätzung gibt es zu viele Texte „zu vorgestanzten Fragen in vorgestanzter Sprache“, die zu Recht niemand liest. Irrelevant ist die Universitätsphilosophie nach Auffassung von Eilenberger, weil sie auf die großen Gegenwartsfragen wie Klimawandel, Künstliche Intelligenz oder Gentechnik keine Antworten habe. Daher befinde sich deutschsprachige Philosophie nach Eilenberger in einem Zustand völliger Stagnation und „erlebt derzeit ihren geschichtlich schwächsten Moment“. Die letzten deutschsprachigen Denker von Rang und Bedeutung seien längst hochbetagt.

So möchte übrigens zumindest ich mich hier im Forum verstanden wissen und zwar als jemand der in seinen Beiträgen dieser, von Wolfram Eilenberger hier bescheinigten "irrelevanten Selbstbespiegelung" , den Kampf ansagt.




Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1294
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Mo 11. Dez 2023, 18:11

Alethos hat geschrieben :
So 11. Mär 2018, 20:50
Philosophen sind aber nicht so sehr geeignet, die Boten dieser Erkenntnisse zu sein, weil sie in der Regel eine andere Sprache sprechen als das Gros der Teilnehmer einer Gesellschaft.
Ein Satz aus den Tiefen des Raumes! :D Soll heissen, ist auch meine Meinung. Was du einem sechsjährigen Kind nicht erklären kannst, hast du nicht richtig verstanden. Die Philosophie wird für mich immer dann unverständlich, wenn ein Fremdwort nach dem anderen kommt, ein Fachbegriff nach dem anderen.
Ich kenne mich mit akademischer Philosophie aber nicht aus. Ich stelle mir vor, dass ein ausgebildeter Philosoph aber sehr viel weiss über die bisherigen Philosophen und die Philosophiegeschichte.

Offenbar wurden aber die guten Philosophen meistens auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Vielleicht konnten sie ja ihre Ideen auch in normaler Sprache mitteilen.



Ohne Gehirn kein Geist!

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mo 11. Dez 2023, 19:34

Artangriel hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 10:30

Ich finde, die akademische Philosophie würde ihre Relevanz in der Gesellschaft am ehesten wiederherstellen können, indem sie das bereits gut bekannte Material besser erklärt und auf Social Media publiziert.
Timberlake hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 18:00

Und ich finde die akademische Philosophie würde ihre Relevanz in der Gesellschaft am ehesten wiederherstellen können, wenn sie "relevantes " an Hand von bereits gut bekanntem Material besser erklärt und auf Social Media publiziert ..
Und ich finde, die akademische Philosophie würde an Relevanz gewinnen, wenn sie zur Kenntnis genommen werden würde. ;)




Burkart
Beiträge: 2802
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Mo 11. Dez 2023, 20:14

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 18:11
Was du einem sechsjährigen Kind nicht erklären kannst, hast du nicht richtig verstanden.
Meinst du denn, ein sechsjähriges Kind könnte alles verstehen, egal, wie gut du etwas erklärst und sellbst verstanden hast?
Ich glaube kaum oder höchstens z.T. stark vereinfacht.
Insofern dürften kleine Kinder auch nur bedingt philosophieren können, u.a. mangels Lebenserfahrungen.
Zuletzt geändert von Burkart am Mo 11. Dez 2023, 20:19, insgesamt 1-mal geändert.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1294
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Mo 11. Dez 2023, 20:16

Burkart hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:14
AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 18:11
Was du einem sechsjährigen Kind nicht erklären kannst, hast du nicht richtig verstanden.
Meinst du denn, ein sechsjähriges Kind könnte alles verstehen, egal, wie gut du etwas erklärst und sellbst verstanden hast?
Ich glaube kaum oder höchstens z.T. stark vereinfacht.
Ja, das ist ja der Punkt! Wie kommt man zu einer Vereinfachung? Doch wohl nur, wenn man es verstanden hat.



Ohne Gehirn kein Geist!

Burkart
Beiträge: 2802
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Mo 11. Dez 2023, 20:24

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:16
Burkart hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:14
AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 18:11
Was du einem sechsjährigen Kind nicht erklären kannst, hast du nicht richtig verstanden.
Meinst du denn, ein sechsjähriges Kind könnte alles verstehen, egal, wie gut du etwas erklärst und sellbst verstanden hast?
Ich glaube kaum oder höchstens z.T. stark vereinfacht.
Ja, das ist ja der Punkt! Wie kommt man zu einer Vereinfachung? Doch wohl nur, wenn man es verstanden hat.
Nur kannst du nicht alles beliebig vereinfachen, ohne Verlust des Kerns des zu Vermittelnden. (Auch wenn es auch oft noch gehen mag.)



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Benutzeravatar
AufDerSonne
Beiträge: 1294
Registriert: Do 1. Sep 2022, 19:44

Mo 11. Dez 2023, 20:26

Burkart hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:24
AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:16
Burkart hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:14

Meinst du denn, ein sechsjähriges Kind könnte alles verstehen, egal, wie gut du etwas erklärst und sellbst verstanden hast?
Ich glaube kaum oder höchstens z.T. stark vereinfacht.
Ja, das ist ja der Punkt! Wie kommt man zu einer Vereinfachung? Doch wohl nur, wenn man es verstanden hat.
Nur kannst du nicht alles beliebig vereinfachen, ohne Verlust des Kerns des zu Vermittelnden.
Ja, einverstanden. Vielleicht sollten wir ein zehnjähriges Kind als Beispiel nehmen. Oder wieso nicht ein intelligenter Erwachsener, der aber vom betreffenden Gebiet nicht viel weiss?



Ohne Gehirn kein Geist!

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 11. Dez 2023, 20:51

Artangriel hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 10:30
Social Media
Ich denke, es ist ein Leichtes, sich von morgens bis abends philosophische Videos auf Youtube anzuschauen, wenn man will, jahrelang.




Burkart
Beiträge: 2802
Registriert: Sa 11. Jul 2020, 09:59

Mo 11. Dez 2023, 21:59

AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:26
Burkart hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:24
AufDerSonne hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 20:16

Ja, das ist ja der Punkt! Wie kommt man zu einer Vereinfachung? Doch wohl nur, wenn man es verstanden hat.
Nur kannst du nicht alles beliebig vereinfachen, ohne Verlust des Kerns des zu Vermittelnden.
Ja, einverstanden. Vielleicht sollten wir ein zehnjähriges Kind als Beispiel nehmen. Oder wieso nicht ein intelligenter Erwachsener, der aber vom betreffenden Gebiet nicht viel weiss?
Ein intelligenter Erwachsener gefällt mir am besten. Eigentlich muss man immer schauen, wie gut jemand in einem Themengebiet drinsteckt. Das gilt recht extrem z.B. in der Wissenschaft, z.B. wenn Fachfremde in anderen Bereichen versuchen mitzureden; nicht selten kommt es zu Missverständnissen wegen unterschiedlicher Wissens- und/oder Denkebenen (z.B. bei KI).



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

Timberlake
Beiträge: 1675
Registriert: Mo 16. Mai 2022, 01:29
Wohnort: Shangrila 2.0

Mo 11. Dez 2023, 22:03

Nauplios hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 19:34
Artangriel hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 10:30

Ich finde, die akademische Philosophie würde ihre Relevanz in der Gesellschaft am ehesten wiederherstellen können, indem sie das bereits gut bekannte Material besser erklärt und auf Social Media publiziert.
Timberlake hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 18:00

Und ich finde die akademische Philosophie würde ihre Relevanz in der Gesellschaft am ehesten wiederherstellen können, wenn sie "relevantes " an Hand von bereits gut bekanntem Material besser erklärt und auf Social Media publiziert ..
Und ich finde, die akademische Philosophie würde an Relevanz gewinnen, wenn sie zur Kenntnis genommen werden würde. ;)
Auch irrelevantes ?

Beispiel
  • ""Real ist, was real ist"
    Einhörner gibt es wirklich, sagt Markus Gabriel. Der Philosoph will, dass Denken mehr Spaß macht. Aber das mit den Einhörnern meint er ernst"
.. irrelevantes offenbar nur zum Zweck der Bespassung ? Für mich wäre das jedenfalls pure Zeitverschwendung.

Gleichwohl es sich mitunter lohnt diesbezüglich genauer hin zuschauen . Insbesondere wenn man es auch mit den Beispielen ernst meint ...
zeit.de hat geschrieben :
In der Sprechstunde

ZEIT Campus: Aber was ist dann noch wahr?

Gabriel: Nehmen wir den Bürgerkrieg in Syrien. Wenn den jemand bestreitet, etwa der syrische Machthaber Baschar al-Assad, muss man einfach sagen: Er lügt, oder er täuscht sich.

ZEIT Campus: Warum?

Gabriel: Es gibt unterschiedliche Perspektiven auf den Bürgerkrieg. Die Regierenden um Assad haben die eine Perspektive, die Rebellen eine andere. Und dann gibt es noch die unterschiedlichen Perspektiven der ausländischen Berichterstatter. Was ist also die Wahrheit über den syrischen Bürgerkrieg? Hier greift eine einfache philosophische Überlegung: Wenn zwei Parteien sich streiten, dann müssen sie eines gemeinsam haben – sie glauben, dass sie über dasselbe reden. Das heißt, wir haben es selbst in komplexen Fragen mit einfachen Wahrheiten zu tun, die die komplexen Fragen strukturieren.
.. dazu übrigens passend ..
  • "Um zu verstehen, inwiefern der Neue Realismus eine neue Einstellung zur Welt mit sich bringt, wählen wir in einfaches Beispiel: Nehmen wir an, Astrid befinde sich gerade in Sorrent und sehe den Vesuv, während wir (also Sie, lieber Leser, und ich) gerade in Neapel sind und ebenfalls den Vesuv betrachten. Es gibt also in diesem Szenario den Vesuv, den Vesuv von Astrid aus (also aus Sorrent) gesehen und den Vesuv von uns aus (also aus Neapel) gesehen .Die Metaphysik behauptet, dass es in diesem Szenario einen einzigen wirklichen Gegenstand gibt, nämlich den Vesuv. Dieser wird gerade zufällig einmal aus Sorrent und ein andermal aus Neapel betrachtet, was ihn aber hoffentlich ziemlich kaltlässt. Es geht den Vesuv nichts an, wer sich für ihn interessiert. Das ist Metaphysik."
    Markus Gabriel ... Der neue Realismus
Nach meiner Meinung , sollte man bei dem , was man von der akademischen Philosophie zur Kenntnis nimmt , zwischen Relevanten und Irrelevanten zu unterscheiden wissen. So zu sagen gemäß Aschenputtel , das Guten ins Töpfchen das Schlechte ins Kröpfchen. Auch auf die Gefahr hin , dass womöglich wie von nur sehr weinig im Töpfchen landet.




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Di 12. Dez 2023, 09:12

Timberlake hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 22:03

Nach meiner Meinung sollte man bei dem, was man von der akademischen Philosophie zur Kenntnis nimmt, zwischen Relevanten und Irrelevanten zu unterscheiden wissen. Sozusagen gemäß Aschenputtel das Guten ins Töpfchen das Schlechte ins Kröpfchen.
Um eine solche Unterscheidung vornehmen zu können, muß man vorher zur Kenntnis genommen haben, was die Unterscheidung möglich macht. - Aber davon mal ganz abgesehen - dieser Unterscheidung relevant/irrelevant liegen Kriterien zugrunde, die ihrerseits daraufhin befragt werden können, ob sie relevant oder irrelevant sind (Wiedereintritt der Unterscheidung in die Unterscheidung: re-entry).

Ein anderer Vorschlag: ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Buch, ein Stift, Papier. An kalten Tagen einen Grog. Durch regelmäßiges Lesen und Rekapitulieren reichert sich die akademische Philosophie mit Relevanz an und der Lesende mit Demut. ;)




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7322
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Di 12. Dez 2023, 19:56

Grog? Von sowas bin ich schon high, wenn ich den nur rieche.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Di 12. Dez 2023, 20:23

Stefanie hat geschrieben :
Di 12. Dez 2023, 19:56
Grog? Von sowas bin ich schon high, wenn ich den nur rieche.
Zu dem Wenigen, was von den privaten Vorlieben Blumenbergs bekannt ist, gehört seine Vorliebe für Grog an kalten Wintertagen. In seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa an Hans Blumenberg hat Odo Marquard diese Vorliebe in eine Analogie zur Metapher in der Philosophie gesetzt: "Wie beim Grog gilt: Wasser darf, Zucker soll, Rum muß sein, so gilt bei der Philosophie: Formalisierung darf, Terminologie soll, Metaphorik muß sein; sonst nämlich lohnt es sich nicht: dort nicht das Trinken, hier nicht das Philosophieren." (Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung; "Jahrbuch" 1980 II; S. 56) -

So wie die Ingredienzien des Grog in keinem Verhältnis der Konkurrenz zueinander stehen, so ist es auch in der Philosophie. Dennoch "lohnt" sich das Philosophieren erst, wenn die Metaphorik als "Schuss" die fade Kombination von Formalisierung und Terminologie anreichert. Allein aus der Definition dessen, was als Gründe, Argumente, Tatsachen, Fürwahrhalten u.ä. Anspruch auf Geltung erheben darf, ergibt sich noch keine wärmende Wirkung. Das wird in dem Moment anders, wenn man von Definition und Argument auf Erzählung umschaltet. Als "kleine Erzählung" ist die Metapher der Rum in den kalten Nächten der Definition.  ;)

(Ich hab' mir erlaubt, diesen kleinen Beitrag aus den Tiefen des Forums hervorzuholen.)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Di 12. Dez 2023, 20:41

Nauplios hat geschrieben :
Di 12. Dez 2023, 09:12
Ein anderer Vorschlag: ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Buch, ein Stift, Papier. An kalten Tagen einen Grog.
Meine schönsten Lesemomente hatte ich auf einem Balkon mit Blick aufs Meer, eingekuschelt in eine Decke, leichter Regen (Balkon war überdacht) und dazu Kaffee!




Timberlake
Beiträge: 1675
Registriert: Mo 16. Mai 2022, 01:29
Wohnort: Shangrila 2.0

Mi 13. Dez 2023, 20:24

Nauplios hat geschrieben :
Di 12. Dez 2023, 09:12
Timberlake hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 22:03

Nach meiner Meinung sollte man bei dem, was man von der akademischen Philosophie zur Kenntnis nimmt, zwischen Relevanten und Irrelevanten zu unterscheiden wissen. Sozusagen gemäß Aschenputtel das Guten ins Töpfchen das Schlechte ins Kröpfchen.
Um eine solche Unterscheidung vornehmen zu können, muß man vorher zur Kenntnis genommen haben, was die Unterscheidung möglich macht. -
.. ganz meiner Meinung. Wobei und da bin ich mit mir durchaus selbstkritisch , dass das , was man zur Kenntnis nimmt mitunter bereits voher durch eine Unterscheidung beeinflußt wurde. Eine Unterscheidung gegründet auf dem , wie man denn von Hause aus gestrickt ist.
Nauplios hat geschrieben :
Di 12. Dez 2023, 09:12

Ein anderer Vorschlag: ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Buch, ein Stift, Papier. An kalten Tagen einen Grog. Durch regelmäßiges Lesen und Rekapitulieren reichert sich die akademische Philosophie mit Relevanz an und der Lesende mit Demut. ;)
... so wird man sich etwas , was einem von Hause aus zu wider ist , in der Regel weder als Buch noch als Getränk zumuten. Insbesondere an kalten Tagen. Nur durch regelmäßiges Lesen und Rekapitulieren aller philosophischer Litetratur lässt sich eine akademische Philosophie mit Relevanz anreichern. Eine Relevanz , die schlussendlich dazu befähigt zwischen Relevanten und Irrelevanten in der akademischen Philosophie selbst , wie übrigens auch in der Anwendung dessen unterscheiden zu können.
Wattiertes Denken#
Von Wolfram Eilenberger

Die deutschsprachige Philosophie ist in einem desolaten Zustand. Woran liegt das?

Wer mit deutschen Philosophieprofessor(inn)en über den gegenwärtigen Zustand ihrer Disziplin spricht, blickt in traurige Augen. Ratlosigkeit paart sich mit Scham, Frustration über "den Betrieb" mit einem hierzulande wohl schon immer zunfttypischen Kulturpessimismus. Unbestreitbar ist: Die letzten Anfänge liegen mindestens 50 Jahre zurück. Und weit und breit niemand in Sicht, der es an Status, Denkkraft und globaler Präsenz mit den heute greisen Granden dieser Ära aufzunehmen wüsste. (Jürgen Habermas: 88 Jahre; Dieter Henrich: 91 Jahre; Robert Spaemann: 90 Jahre; Kurt Flasch: 87 Jahre – selbst das ewige Enfant terrible Peter Sloterdijk hat die 70 mittlerweile überschritten.)

http://www.zeit.de/2018/10/philosophie- ... nformismus
.. die heute greisen Granden dieser Ära konnten das noch. Zumindest gehe ich einmal , so wie ich von Hause aus gestrickt bin , bei Peter Sloterdijk davon aus. Bücher von Jürgen Habermas, Robert Spaemann , Kurt Flasch kommen mir , bei aller Demut , an "kalten Tagen" jedenfalls nicht auf den Tisch. ;)




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mi 13. Dez 2023, 21:11

Timberlake hat geschrieben :
Mi 13. Dez 2023, 20:24

Bücher von Jürgen Habermas, Robert Spaemann , Kurt Flasch kommen mir , bei aller Demut , an "kalten Tagen" jedenfalls nicht auf den Tisch. ;)
Das ist genau die Selbstüberschätzung, die ich meine. Diese Form der Hemdsärmeligkeit ist in den philosophischen Foren, die ich kenne, an der Tagesordnung.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 14. Dez 2023, 11:12

Wolfram Eilenberger hat geschrieben : Ein im Ausland unterrichtender Professor, der über viele Jahre eines der weltweit wichtigsten Journale der analytischen Philosophie leitete, taxierte die durchschnittliche Leserzahl der dort veröffentlichten Artikel mir gegenüber ohne jede Ironie auf zwei bis drei Personen. Die philosophische Qualifikationspublikation hat sich damit von allem entfremdet, was lebendiges und realitätsgesättigtes Denken ausmachen sollte. Was dort – und zwar mittlerweile fast ausschließlich auf Englisch – abgehandelt wird, interessiert buchstäblich keinen Menschen. Nicht außerhalb der Zunft, nicht innerhalb...
Der Artikel von Eilenberger ist mittlerweile über 5 Jahre alt, wer weiß schon, ob sich da mittlerweile etwas verändert hat.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 14. Dez 2023, 11:41

Spannend ist, dass der Artikel, wenn ich mich nicht irre, Markus Gabriel nicht im Blick hat. Dabei ist er sicherlich ein Teil der deutschen akademischen Philosophie.

In einem Wikipedia-Artikel hat jemand die Wirkung Gabriels unter die Lupe genommen: Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Gabriel erstmals durch seine Zusammenarbeit mit dem Philosophen Slavoj Žižek bekannt, mit dem er 2009 ein Buch über Subjektivität im Deutschen Idealismus veröffentlichte. Der erste Band seiner populärphilosophischen Trilogie Warum es die Welt nicht gibt (2013) wurde ein internationaler Bestseller.

Gabriel scheint in der deutschen akademischen Philosophie eine umstrittene Figur zu sein. Es gibt sowohl Befürworter als auch vehemente Gegner. Wie gut der Wikipedia-Artikel recherchiert ist, kann ich natürlich nicht sagen, aber im englischsprachigen Raum scheint die Rezeption eher positiv zu sein. Kein Geringerer als der amerikanische Philosoph John Searle von der Universität Berkeley erklärte Markus Gabriel 2016 - also nicht lange bevor Eilenberger seinen Artikel geschrieben hat - zum „derzeit besten Philosophen in Deutschland“.

Und Huw Price von der Universität Cambridge bezeichnete Gabriel anlässlich der englischen Veröffentlichung seines Buches Der Sinn des Denkens als "that rare beast, a serious academic philosopher with the wit and talent to write for non-academic audiences - the German equivalent of Simon Blackburn".




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Do 14. Dez 2023, 13:18

Wolfram Eilenberger hat geschrieben : Die philosophische Qualifikationspublikation hat sich damit von allem entfremdet, was lebendiges und realitätsgesättigtes Denken ausmachen sollte.
"Lebendiges und realitätsgesättigtes Denken" - :o

In meiner ersten Studentenbude in Münster, die ich mit Hilfe eines befreundeten Pärchens eingerichtet hatte, hing ein Poster, Monets "japanische Brücke". Als meine Eltern ihren Antrittsbesuch machten, wurde die Einrichtung des Zimmers inspiziert und auf seine Praxistauglichkeit hin geprüft. Der Junge hatte bis dahin noch nie alleine gelebt; würde er denn auch zurecht kommen? - Für die auf dem Flohmarkt erstandenen Möbel und das eigenhändig zusammengeschraubte Regal eines schwedischen Herstellers bekam ich anerkennendes Lob. Die Gesamtnote fiel geradezu überschwänglich aus: "Gar nicht so übel".

Erst beim Hinausgehen fiel meiner Mutter die "japanische Brücke" auf. Sie blieb kurz stehen, trat etwas näher und sagte: "Das ist ja alles verschwommen. Junge, gib dein Geld nicht für Kinkerlitzchen aus!"

Ähnlich könnte es einem unbedarften Konzertbesucher gehen, der zum ersten Mal ein Stück von Arnold Schönberg hört oder Alban Berg.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 14. Dez 2023, 14:02

Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, es war Monet oder ein anderer berühmter impressionistischer Maler, über den ich kürzlich folgendes gelesen habe: Er war von sich selbst schockiert. Als seine Frau auf dem Sterbebett lag, sah er Farbvaleurs in ihrem Gesicht, wechselndes Licht und so weiter. Eben das, was sein eigener Impressionismus ihn gelehrt hatte. Aber er sah seine sterbende Frau nicht. In diesem Moment wurde ihm bewusst, wie sehr ihn die Malerei von der Realität entfernt hatte, er sah nicht mehr, was er wirklich vor sich hatte, obwohl es seine eigene sterbende Frau war.




Antworten